Bild: spiegelstunden.com |
Unter der Woche war ich kurz in der Stadt unterwegs. Selbst mittags gut gefüllt, wollte ich nur schnell ein paar Dinge erledigen, um schnell wieder aus den Shoppinghöllen zu entschwinden. Und das humanste, das ich gesehen habe, ereignete sich nur wenige dutzend Zentimeter über dem Boden. An einer Häuserecke saß ein bettelnder Mann, dürr, sichtbar in einem schlechten Zustand. Und vor ihm ging ein Licht auf. Zwei Mädels, um die zwanzig vielleicht, knieten sich vor ihn und sprachen mit ihm. Es sah unglaublich ungezwungen und sehr ehrlich interessiert aus. Ich sah das ganze nur in einem wortwörtlichen Augenblick, doch da schwappte so viel Güte und Interesse gegenüber einem Ungesehenen über, dass ich kurz sehr sprachlos war. Ich weiß nich, was sie sprachen und wie es allen dreien nun geht. Aber vielleicht sollten wir öfter mal zuhören.
Und das nicht nur bei Musik. Aber auch. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Bitte:
Gaddafi Gals
(ms) Eben mal einen Artikel überflogen, der die Subgenres vom Rap beschreiben will. Ganz ehrlich. Da bin ich raus. Da kenne ich mich viel zu wenig aus. Über den deutschsprachigen Rap zwischen Mädness, WTG und Neonschwarz weiß ich ein wenig Bescheid. Dann endet auch meine Kenntnis. Was Trap, Boom-Bap oder Trip-Hop ist, weiß ich nicht. Es darf der erneute Kommentar in der Genrehaarspalterei gelten: Egal. Was Gaddafi Gals also genau machen: Keine Ahnung. Für mich klingt es wie eine sehr soulig-poppige Spielweise von Rap, die sich eher zurücklehnt, als aufzubegehren. Die Bässe sind saftig, die Melodien eher zurückhaltend und entspannt. Gaddafi Gals sind die beiden MCs Ebow, Nalan und ihr Produzent walter p99 arkestra. Und sie bringen Ende September mit Romeo Must Die ihr neues Album raus. Hier darf ich mal eben eine Plattitüde nutzen: Das Album entwickelt sich ganz stark beim Hören. Denn beim erstmaligen Wahrnehmen war ich wenig angetan, es war wenig dabei, was sofort zündete. Über die Zeit jedoch bin ich immer weiter in das Album eingetaucht und fühle mich nun sehr, sehr wohl in den warmen Tönen, den melancholischen Strophen und erwische mich immer wieder beim unbewussten Kopfnicken. Das beste Kompliment, wenn Musik dann doch zündet.
100blumen
(sb) Hoffnung, halt's Maul! Klasse Albumtitel, der ja durchaus vielversprechend ist und zum Anhören animiert. Also rein in die Anlage, laut aufdrehen und Luser durchrauschen lassen. Und dann? Hm, ich mag es ja eigentlich, wenn Bands sich variabel zeigen und es draufhaben, sich nicht auf eine Musikrichtung zu beschränken. Das darf durchaus auch auf einem Album geschehen, bei 100blumen komm ich darauf aber einfach nicht klar. Mir persönlich klingt das zu wild durcheinander gewürfelt, zu unstrukturiert, zu sehr ohne Linie. Das ist eigentlich schade, denn wenn man die Tracks seperat betrachtet, ist da durchaus Potential vorhanden und die ein oder andere Perle zu erkennen. Hardcore, Punk, Elektro - das alles findet man auf dem neuen Album der Düsseldorfer, die sich aber durch die Anordnung der Songs selbst ein Bein stellen. Schade eigentlich.
Live aber vermutlich dennoch sehenswert:
30.09. Köln, Sonic Ballroom
01.10. Frankfurt, Exzess
02.10. Karlsruhe, Alte Hackerei
03.10. Zürich (CH), Dynamo
05.10. Mannheim, Blau
06.10. Jena, Kassablanca
07.10. Berlin, Cassiopeia
08.10. Düsseldorf, Ratinger Hof
21.10. Hannover, Stangriede Stage
22.10. Hamburg, Hafenklang
28.10. Leipzig, Werk 2
Element of Crime
(ms) Die richtigen Worte bei einem Todesfall zu finden. Das ist eine wahre Kunst. Wenn es überhaupt Worte sein müssen. Doch umarmen kann ich den Rest von Element Of Crime nicht, die dieser Tage um David Young trauern. Er arbeitete auch mal mit Duke Ellington und David Bowie zusammen. Über 30 Jahre gehörte er zur Band, erst im Studio, dann lange, lange auf den Bühnen. Meist stand er da und spielte versunken seinen Bass ohne groß aufzufallen. Zupfte die Saiten, deren Rhythmus die übrige Band Melodie und Gesang beisteuerte. Ich hoffe, dass irgendwo da oben seine warmen Töne weiter erklingen.
Bruno Bavota & Chantal Acda
(ms) Dies ist vielleicht das schönste Hobby, was ich mir je ausmalen konnte. Aus einem musikbegeisterten Fan ist jemand geworden, der auf einigen Verteilern von Labels und PR-Menschen ist, um vor Veröffentlichung Neues hören zu können. Die Flut an Neuem ist über die Jahre doch ziemlich groß geworden. Vieles kann aus Zeitgründen gar nicht angehört werden. Doch dann tauchen immer wieder für mich unbekannte Namen auf und ich lasse mich gerne schnell verzaubern. Manchmal verfliegt der Zauber schnell wieder. Manchmal bleibt er. Bei Chantal Acda bleib er schnell. Und ein Wort gesellte sich schnell im Kopf zu diesem Namen: Wärme. Sie singt nicht nur unfassbar weich, sondern versteht es enorm, berührende, zarte, unaufgeregte Melodien zu spielen und/oder zu singen. Das meiste oft auf einem brüchigen Boden, der aber sehr berührend ist. Nun hat die Niederländerin mit dem Italiener Bruno Bavota ein Album aufgenommen. Covid machte die intensive Arbeit an einem Projekt, ohne je gemeinsam in einem Raum zu sitzen, möglich. Acdas wunderbare Stimme, ihre gefühlvollen Gitarrenbegleitungen und Bavotas Klavier sind die perfekte Kombination für ein leises, aber sehr eindringliches Album. A Closer Look erscheint am 7. Oktober. Die neun Lieder werden es mit stiller Wucht in sich haben. Versprochen!
Megadeth
(sb) Anfang der 80er Jahre war Dave Mustaine Mitglied bei Metallica, wurde jedoch noch vor Veröffentlichung des Debüt-Albums wegen Drogenproblemen rausgeworfen. Eine verpasste Chance, die ihm jahrzehntelang nachhing. Kurz danach gründete er jedoch Megadeth und stieg mit seiner neuen Band zusammen mit Metallica, Anthrax und Slyer zu den „Big Four“ des Thrash Metal auf. Augfrund äußerst zweifelhafter politischer und religiöser Ansichten geriet Mustaine immer wieder in den Fokus, seinem musikalischen Wirken tat dies jedoch keinen Abbruch. Kürzlich erschien das 16. Studioalbum von Megadeth namens The Sick, The Dying...And The Dead! und hämmert genau das in die Gehörgänge, was man erwarten durfte.
(sb) Anfang der 80er Jahre war Dave Mustaine Mitglied bei Metallica, wurde jedoch noch vor Veröffentlichung des Debüt-Albums wegen Drogenproblemen rausgeworfen. Eine verpasste Chance, die ihm jahrzehntelang nachhing. Kurz danach gründete er jedoch Megadeth und stieg mit seiner neuen Band zusammen mit Metallica, Anthrax und Slyer zu den „Big Four“ des Thrash Metal auf. Augfrund äußerst zweifelhafter politischer und religiöser Ansichten geriet Mustaine immer wieder in den Fokus, seinem musikalischen Wirken tat dies jedoch keinen Abbruch. Kürzlich erschien das 16. Studioalbum von Megadeth namens The Sick, The Dying...And The Dead! und hämmert genau das in die Gehörgänge, was man erwarten durfte.
Ich gebe zu, dass meine Metal-Zeiten eigentlich lange vorbei sind, aber das gute Stück erinnert mich schon daran, warum ich sowas einst gerne gehört habe. Vor ein paar Tagen habe ich mir mal wieder mein Lieblings-Metallica-Album Kill 'Em All (aus dem Jahr 1983) reingezogen und Megadeth sind da gar nicht so arg weit davon entfernt. Klar, die Produktion ist deutlich cleaner und mehr auf den Punkt, dafür fehlt ein enig die Rotzigkeit. Wie dem auch sei: Megadeth können es noch immer und zeigen auf ihrem ersten Album seit 2016, dass sie gewillt sind, ihren Top 10-Platz, den sie in Deutschland mit dem Vorgänger Dystopia erreicht hatten, zu wiederholen.
Woods Of Birnam
(ms) Wenn Kunst so richtig große Kreise zieht, lässt meine Fasination nicht lange auf sich warten. Schauspiel und Musik sind selbstredend nah beieinander. Jemand steht auf einer Bühne im Mittelpunkt und spielt mit der eigenen Stimme, dem Körper, Klang und Eindrücken. Bei einigen ist das eher schlimm (Axel Prahl oder Jan Josef Liefers), doch zum Glück gibt es auch ganz herausragende Beispiele. Hier und heute: Christian Friedel. Nach seiner tollen Leistung in Babylon Berlin, zeigte er nun auf der wirklichen Bühne in Düsseldorf sein Können in Dorian. Es folgt ab Samstag Macbeth in Dresden! Nicht nur, dass das mit 30 Personen auf der Bühne sicherlich ein großer Hingucker wird, Friedel führt auch Regie, spielt die Hauptrolle und hat mit seiner Band Woods Of Birnam den Soundtrack dazu erschaffen. Der erscheint bereits heute und ist nicht nur was für kundige Theaterfans. Ein weiteres Mal zeigt diese Band, was Kunst im Musikalischen auch bedeuten kann. Dieser Klang geht wirklich in die Tiefe. Wummert oft. Bindet das Stück mit Spoken Word-Beiträgen mit ein und ist somit ganz, ganz nah an den Hörenden. Satte 17 Stücke sind darauf enthalten, mal mit Melodie und Gesang, mal instrumental. Mal wuchtig, mal zart. Mal poppig, mal dramatisch. Also: sehr variabel und dennoch hörbar aus einem Guss! Das Album als Theater für zu Hause. Wenn Kunst große Kreise zieht…
Björk
(Ms) Apropos Kunst, damit sind wir automatisch bei Björk. Was die Dame seit einigen Jahrzehnten macht, ist genau das! Doch es ist nicht nur die extreme musikalische Varianz. Es ist Neugier, Können, Gefühl, Furchtlosigkeit. Seit Jahren geht Björk sehr unbedarft und für die Hörenden absolut unvorhersehbar an ihre Musik. Man könne meinen, dass sie sich immer neu erfinde. Das würde ich nicht sagen. Viel mehr nutzt sie die Zeit, um all das zu zeigen, was sie kann. Und ihr Können ist enorm. Ende des Monats erscheint mit Fossora ihre neue Platte. Umfassend kenne ich mich mit Björks Schaffen nicht aus, mir fällt es schwer, von der Single Atopos auf das Gesamtwerk zu schließen. Zu genial ist die Isländerin, um auf dem ganzen Album viele Überraschungsmomente in der Hinterhand zu haben. Diese gibt es auch schon in dieser Single. Die Bassklarinetten und die Ästhetik mögen schnell den Begriff „Cantina Band“ nach sich ziehen, doch nur für eine Millisekunde. Ein höchst ungewohntes Instrument in den Breiten der Popmusik, das hier den Ton angibt. Gepaart mit dem teils harten elektronischen Beats und ihrer unverwechselbaren Stimme und Art zu singen, brauchte ich ein paar Anläufe, dann habe ich es lauter und lauter gedreht. Super gut. Dieses Album könnte eine irre Reise werden!
Toller Beitrag;)
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