Montag, 31. Mai 2021

Masayoshi Fujita - Bird Ambience

Foto: Oezge Coene

 (ms) Dieser subjektive Einstieg mag etwas fehl am Platz sein, doch ich versuche so die Faszination gegenüber diesem Klangwerk am besten zu beschreiben. Regelmäßig nehme ich mir raus zu behaupten, Ahnung von Musik zu haben. Das liegt nicht nur am leidenschaftlichen Konsum und dem Schreiben darüber, sondern auch aufgrund musikalischer Praxis. Ich meine (zumindest für eine gewisse Zeit) okay gesungen zu haben, verzweifle regelmäßig an meinen Ukuleleskills, doch Saxophon konnte ich immerhin mal sehr gut spielen. Ich mag Musik also nicht nur endlos gerne hören, sondern zehre auch von langjähriger Erfahrung im Spiel. Alle drei Instrumente mag ich gern, doch andere erwecken allein aufgrund ihres Klangs eine helle Faszination in mir. Zum Beispiel die Trompete mit ihrem königlichen Klang, das Cello mit seiner unendlichen Wärme und Dramatik. Nun geht es hier um das Marimbaphon. Auch ein Klangerzeuger, der eine berauschende Wärme ausstrahlt. Baff blicke ich drein, wenn ich Spielende mit vier Schlägern in zwei Händen, einem Fuß auf dem Pedal und begehrenswerter Versunkenheit im Gesicht sehe. Masayoshi Fujita ist Klangkünstler und veröffentlichte am 28. Mai mit Bird Ambience ein instrumentales Album, auf dem dieses Schlag-Zeug fabelhaft zur Geltung kommt. 

12 Tracks sind darauf zu finden mit einer Stunde Spielzeit. Eine Stunde also, in der ich leicht versinke und diesen Prozess genieße. Auf seinen vorherigen Alben hat der Musiker so gut wie nur das Vibraphon gespielt. Nun der Schwenk zum Marimba. Zudem veröffentlichte er vorher unter anderem Namen auch elektronische Musik. Bird Ambience ist das Album, auf dem er beides vereint. Marimba im Vorder-, allerhand Synthieklänge im Hintergrund. Doch die Bühnenbereiche wechseln sich auch mal ab.

Der Einstieg erzeugt radikale Ruhe mit dem Albumtitel gleichnamigen Stück. Tiefe Töne, hohe Echos. Ganz zarter Einsatz von Synthies und das erste Staunen, wenn ich höre, dass er mit einem Bogen über die Töne streicht. Jeder noch so kräftige Schlag auf einen Ton wiederhallt mit sanfter Wärme. Egal, wo dieses Album gehört wird, die ersten Takte reißen einen heraus in eine kleine, leise, fein verschachtelte Welt voller Überraschungen und Staunen. Das hier ist wahre musikalische Kunst an/um ein einziges Instrument. Wobei... Allerhand andere Töne sind ja auch zu vernehmen. Begleiten sie das Marimbaphon? Unterstützen sie es? Lösen sie sich ab? Stehen sie im Kontrast zueinander? Ich würde von einer unterstützenden Koexistenz mit klarer Verteilung der Haupt- und Nebenrollen sprechen.

Hier und da knarzt es auch, doch diese Geräusche stören nicht. Die Gegensätze haben den Effekt das Marimba nur noch schöner erklingen zu lassen. Thunder ist nicht wild oder bedrohlich. Wenn, dann erscheint das Wetterphänomen in einer mystisch schemenhaften Gestalt.
Beim Hören stelle ich mir die etwas provokante Frage: Wozu die unterschiedlichen Titel? Logo, Struktur und in sich geschlossene Lieder. Logo: Fujita hat 100pro mit jedem Stück eine Geschichte zu erzählen. Statt vieler kleiner Kapitel würde in meinen Augen auch ein großes Buch Sinn ergeben; fließende Übergänge, in denen sich die verschiedenen Stimmungen und Themata öffnen und schließen.

Einzelne Stücke zu besprechen fällt mir hier eher schwer. Es sind die Atmosphären, die beeindrucken. Erscheint in Comulonimbus Dream Melancholie? Zauber? Ruhe? Allein, dass diese Eindrücke bei mir auftauchen, lassen die Vermutung zu, dass Masayoshi Fujita hier Kunst geschaffen hat, die an vielen, vielen Stellen nur zu erspüren und unmöglich zu beschreiben ist. Dunkel, düster, beinahe apokalyptisch geht es auf Gaia zu. Im Verhältnis zum Gesamtwerk brennt es hier. Unten ist es dunkel, rauchend, vertreibend, oben drüber bersten die Flammen lichterloh!
Dann wieder Dissonanzen: Auf Noise Marimba Tape gibt es wenig Solo-Marimba-Spielzeit, doch es bleibt sehr rund, sehr harmonisch; vielleicht genau durch die teils starken Brüche in Ton und Stimmung. Was war wohl zu erst da? Direkt der komplette Track? Die Marimba-Harmonien? Die elektronische Spielerei?
Doch dann gibt es noch dieses eine Stück, das hell heraus leuchtet: Morocco! Hypnotisierend, wunderschön, klar. Höre ich da eine Trompete im Hintergrund? Vielleicht ist dies der eingängigste Track, doch seine tolle Dramatik ist ein irres Highlight!

Ja, ungewohnter Klang für die Pop- und Rockohren. Doch es erschließt sich eine Welt, die glänzt und strahlt in einem Labyrinth aus Rhythmen, Harmonien und Melodien! Große Klasse! Große Empfehlung!

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