Mittwoch, 3. März 2021

PeterLicht - Beton Und Ibuprofen

 

Foto: Christian Knieps
(ms) Es lauern mannigfaltige Gefahren, wenn man sich mit PeterLicht auseinandersetzt oder ihm ausgeliefert ist. Eine der Größten ist sicherlich die Überinterpretation und eine völlig verquaste Intellektualisierung von scheinbar Profanem und einer Menge Gaga. In so einem schwirrenden Kosmos von Worten, Halbsätzen, Formulierungen und kleinen Melodien hat er sich selbst gebeamt durch die lange Gesichtslosigkeit, seine Schriften, Theaterstücke und Auftritte. Doch ihm wurde auch immer der Mythos zugeschrieben, sodass dem Namen PeterLicht und der Person dazu stets etwas Unantastbares begleitet. Eine 'normale' Auseinandersetzung mit seiner Kunst scheint gar nicht möglich, wenn man als kleiner Schreiberling sofort Gefahr läuft, das Ganze nicht richtig zu verstehen, ein bisschen zu blöd zu sein für die vielfältigen Bedeutungsebenen. Doch bereits jetzt ist die Gefahr zur self fulfilling prophecy geworden, indem immer ein nebulöser Respekt vor seinem Werk lauert. Nein, der wird schnell abgeschüttelt und es wird versucht durch dieses lyrisch-musikalische Dickicht zu tapern, wenn an diesem Freitag (5. März) sein neues Album Beton Und Ibuprofen auf Tapete Records erscheinen wird. 
Für das klanglich Runde sind neben dem Texter zusätzlich Boris Rogowski, der die Platte produziert hat, und die ewige Ein-Mann-Band Benedikt Filleböck verantwortlich.

Nein, genau verstehen tue ich seine Musik nicht. Seine Texte nicht. Das habe ich noch nie. Doch darum geht es irgendwie auch gar nicht. Klar, man könnte am germanistischen Institut ein paar Seminare über ihn abhalten, so mannigfaltig und sicher auch tiefgründing verschnörkelt ist sein Werk. Aber man muss ja auch nicht mehr draus machen, als es ist. Die Platte kann als Momentaufnahme gesehen werden. Irgendwo zwischen Individuum, Zivilisation, Liebe und Schwärze. Möchte man die Platte verstehen, bräuchte es eigentlich nur einen einzigen Track: Lost Lost Lost World. Es ist ein fast achtminütiger Spoken-Word-Beitrag fast am Ende des Albums. Auf der schier endlosen Wanderung durch Wortwirbel sind alle Texte oder zumindest deren Auszüge zu hören. Durchaus eine spannende Herangehensweise, die der Platte ein Konzept unterlegt. Musikalisch nicht, da ist sie unglaublich vielseitig, melancholisch, dramatisch, poppig, tanzbar. Textlich ist ein roter Faden zu erkennen. Darin sind aber reichlich Knoten. PeterLicht pickte sich einige Begriffe wie Menschen, Schwärze und Liebe heraus und lässt sie immer wieder auftauchen.

Dabei sind Beton und Ibuprofen eher Randerscheinungen des Albums. Die beiden gleichnamigen Lieder sind gaga und keine wirklichen Aushängeschilder der Platte, wenn auch klar ist, was er damit meint. Auf Ibuprofen besingt er die Leichtsinnigkeit der Tablettenzufuhr, allein dadurch, dass er es als Diminutiv verwendet ('Ibuprofenchen'). Beton Ist Schweres Thema kracht plötzlich durch die sehr harmonischen Lieder als brachialer Rock-Sound. Klar, schweres Thema, schwerer Sound, kurz aufgelacht.
Spannender ist dieses hörenswerte Album an anderen Stellen. Beispielsweise wenn er seine musikalischen Stärken zeigt, wovon es glücklicherweise viele gibt. Zuerst ist Dämonen zu erwähnen. Im sanften, melancholischen Indiepop mit gezupfter Gitarre zeigt er immer wieder seine Stärken für gefühlvolle Melodien. Wenn die Dämonen kommen, ist jeder, der ein Mensch ist, dein Freund; so singt er es. Dann zeigt sich auch, wer nicht Mensch ist. Knifflig, gut! In der Mitte des Albums kommen drei Stücke, die herausragen aufgrund ihrer extrem vielseitigen Instrumentalisierung. Was er textlich in Die Sprache Der Augen meint, weiß ich nicht. Doch wenn man ihn liest, entfacht sich eine große, magische Wirkung lyrischer Kunst. Eingewickelt ist der Text in großem, aber auch dramatischem Pop. Die Streicher im Vordergrund und der durchaus satte Bass dahinter sind eine sehr starke Kombination! Genauso großer Pop, aber in völlig anderem Gewand, ist in Verloren zu hören: Percussion-Pochern im Hintergrund, darüber elektronischer Sound, der dicht und dynamisch ist und mit der weiblichen Stimme, die über allem strahlt, eine ungeheure Kraft entwickelt. Immer wieder fragt man sich, in welche Dunkelheit es PeterLicht getrieben hat oder in welcher Düsternis er unsere Gesellschaft sieht. Das Besingen einer Ausweglosigkeit ist da oft konsequenter als leiernde Durchhalteparolen! Und dann ertönt noch E-Scooter Deine Liebe; ein tanzbarer feel-good-Track mit irrem Ohrwurmpotential. Doch die Fröhlichkeit ist vakant und nur "ein Schritt schneller als die Depression". Der verschwurbelte Selbstoptimierungs-Quatsch wird hier auf die anglizistische Schippe genommen! Ideal!

So zeigt Beton Und Ibuprofen viele Gesichter. Musikalisch extrem vielseitig und klug. Textlich sehr oft unklar, aber das gehört zur Marke PeterLicht einfach dazu.
Die letzte und sehr schöne Gefahr besteht nun darin, das einfach gut zu finden. Ganz ohne (psuedo-)intellektuellen Brainfuck.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (siehe Blog-Startseite unten) und in der Datenschutzerklärung von Google.