Donnerstag, 25. Februar 2021

Brisa Roché & Fred Fortuny - Freeze Where U R

Foto: Christophe Crenel

(ms) Frankreich! USA! Tja. Man weiß gar nicht so genau, wo dieses Album geographisch einzuordnen ist. Zweifellos sind beide Länder für das Schaffen und Leben von Brisa Roché extrem bedeutsam. Sie wuchs in Kalifornien auf, verbrachte dann viele Jahre in Frankreich unter anderem als Straßenmusikerin in den Metrostationen. Die Frage ist berechtigt, ob das dann überhaupt der richtige Begriff dafür ist und nicht eher Metromusikerin. Naja. Halb so wild...
Was hat Roché uns zu erzählen?! Oha, eine Menge! Eine unglaubliche Menge an Leben! Sie hat viele Genres ausprobiert von Jazz bis Postrock. Es ist immer das gleiche Herz. Und dieses Herz wurde von unterschiedlichen Begebenheiten erschüttert, demoliert, zerrissen. Doch Brisa Roché ließ sich nie niederringen, von niemandem. Vor allem nicht von Männern! Männer aus intimen Beziehungen oder geschäftilichen Kontexten. Von denen hat sie die Schnauze voll - das lässt sich frank und frei behaupten! Freeze Where U R ist ein abwechslungsreiches, feines Album, das unter anderem solche Geschichten erzählt. Geschichten einer starken Frau, die wichtig sind. Lieder und Texte von Emanzipation, Wut auf Männer und vergangene Lieben.
Das gilt es nicht nur textlich zu entdecken, sondern auch musikalisch. Für diesen Part ist Fred Fortuny verantwortlich. Roché schrieb, Fortuny arrangierte, schickt ihr die Ideen, sie improvisierte darüber und es wurde runder und runder. Erst ganz zum Schluss wurde die Platte im Bandsound aufgenommen. Dass beide phantastisch miteinander harmonieren, zeigen viele der Lieder. Denn manchmal gehen Text und Musik auf beinahe ironische Art miteinander, genauso eindrücklich stehen sie sich dann auch wieder gegenüber. Hören wir uns das mal an.

Cover der Platte
Es ist ein Singer/Songwriter-Album mit Anleihen zum Pop, Jazz, Soul und beginnt ironischer Weise mit dem Last Song. Die lockere Bandatmosphäre zeigt direkt zu Beginn: Rochés Stimme steht im Vordergrund, wenn sie davon singt, dass eine selbst bestimmte Trennung auch immer heißt, nicht wütend zu werden, durchzuatmen und darüber zu stehen in der Erkenntnis: Das ist es nicht wert. Ein Trennungslied ist auch Tempted Tune, wo sie mit gedämpfter Stimme und reiner Klavierbegleitung in Chanson-Tradition singt. Die Assoziation zum schwarz/weiß-Film bleibt unvermeidlich. Und: Das Lied ist zweigeteilt. Erst blickt sie zurück, danach fällt sie ihre Entscheidung, Schluss zu machen und die Zweifel aus dem Weg zu räumen. Ja, sie hat alles richtig gemacht.
Ihre Stärke, dass sie auf den eigenen Beinen steht und sich von niemandem etwas sagen lässt, zeigt sie in Don't Want A Man. Der Titel steht für sich, die Musik ist ebenso kräftig und unterstreicht die Aussage. I'm Happier Alone - gut so!
Rund ist der Klang auf diesem Album, sehr rund und vielseitig. Die Schwere im Klavier auf Woman With A Star schwankt zwischen Melancholie und Zuversicht. Sich selbst Gutes tun und mit sich zufrieden sein - das klingt gruselig nach Coelho, doch Brisa Roché überhöht hier nichts, sagt es direkt raus: Ich stehe hier und der Rest kann mich mal!
Dass Fortuny und Roché durchaus verstehen, wie man Humor und Musik zusammen bringen kann, zeigen sie auf I Love You. Textlich ein schönes Liebeslied. Doch verzerrte Töne und Aufnahmen aus TV und Radio stehen derart im Vordergrund, dass der Text kaum wahrzunehmen ist. Ist das dann noch ein Liebeslied? Tja... schwer zu sagen, aber toll arrangiert!
Doch es geht auf dem Album nicht nur um sie, die vergangene Liebe und Emanzipation. Auch Gesellschaftskritik geht ihr leicht von der Feder! Blue Light erscheint erneut im Chanson-Stil und bricht damit herrlich mit der Thematik des Liedes: Das blaue Licht des digitalen Endgeräts engt uns ein in einen Minikosmos und macht uns doof. Denn: Draußen warten die Geschichten. Die Guten und die Harten, das weiß Roché!
Fred Fortuny hält sich selbst eher zurück auf dieser Platte. Zuerst ist seine Stimme auf The Pattern zu hören, einem Lied, in dem elektronische Elemente erneut im Vordergrund stehen und das schmerzhafte Zurückblicken auf eine vergangene Liebe vertonen.
Satt im Klang und klar in der Stimme singt sie zum Ende hin auf Window Gun von der Sehnsucht nach Nähe. Ja, die Liebe scheint immer wieder durch die Texte, mal zwischen den Zeilen, mal fett gedruckt, hier am Stärksten. Brisa Roché zeigt uns auf diesem vielseitigen, extrem hörenswerten Album all die Facetten der Menschlichkeit! Und wenn die Klarinette neben den Stimmen tanzt, ist klar: Natürlich treffe ich meine Entscheidungen allein und möchte mich gerne hingeben!

Brisa Roché und Fred Fortuny haben hier nur beim ersten Hören ein kurzweiliges, schönes Album produziert. Freeze Where U R wird immer besser, klarer, kraftvoller je mehr die Texte durch die feine Musik schallen. Super umgesetzt. Punkt.

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