Donnerstag, 7. Januar 2021

Richard von der Schulenburg - Moods And Dances 2021

Cover der Platte
(ms) Trotz des weltmännisch klingenden Namens und einer üppigen, eigenständigen Schaffenshistorie, bringt man Richard von der Schulenburg vornehmlich mit der Band Die Sterne in Verbindung. Immerhin neun Jahre hat er doch die Tasten bedient, bis er wieder ausstieg. Immerhin drei Studioalben wurden in dieser Zeit eingespielt und sicher unzählige Konzerte gespielt. Und noch mehr verbindet RVDS (der Einfachheit wegen) mit Frank Spilker. Beide kommen aus der öden Steppe nahe Bielefeld. Spilker aus Herford und der Adelige aus Leopolshöhe. Da ich selbst auch nicht unweit aufwuchs, weiß ich, dass man dort schnell weg möchte. Logisch, nach Hamburg. Traumstadt, Fenster zur Welt.

Seit jeher schafft RVDS jedoch auch Solomusik. Also immer schon. Ob es jazzig oder poppig ist, egal: Hauptsache es ist reichlich elektronisch und mit allerhand Knöpfen, Tasten, Pedalen, Effekten und Sythiesounds hergestellt. Ende des Monats, am 29. Januar veröffentlicht er auf dem äußerst geschmackvollen Hamburger Label Bureau B (die mit Tapete Records verwandt sind) sein neues Album Moods And Dances 2021. Das klingt natürlich reichlich visionär und zum Teil halt auch programmatisch, soweit rein instrumental-elektronische Musik das überhaupt sein kann. Trotz umfangreichem Pressetext, ist nicht ganz klar, ob das vergangene Jahr mit seiner lang anhaltenden Ausnahmeerscheinung Einfluss für die Klänge hatte: Corona-Ablenkung gewissermaßen. Was schlägt RVDS also vor für dieses Jahr? Wie klingen seine Ideen, welche Stimmungen und Tänze 2021 vorherrschend sein können?

Karibisch-urlaubig beginnt das Album mit Mrs Yamahas Summer Tune. Hang-Sounds zu langsamen Beats. Er scheut auch nicht davor, im Hintergrund Möwengeräusche einspielen zu lassen. Extrem unaufgeregter und lässiger Beginn. Dazu kann man fröhlich hin und her schwoofen. Hörbar dissonanter geht's auf Caravan Of The Pentanamics weiter. Nach welchem Mood könnte es hier klingen? Zweifel? Brüchige Melancholie? Wütende Trauer? Insgesamt tut sich hier nur wenig. Die Stimmung, der Beat, die Melodie ist von Anfang an da und bleibt. Fast hat man den Eindruck, dass es sich stetig wiederholt. Doch das trügt. Die Änderung betreffen nur Nuancen. So tänzeln auf dem dissonanten Beat immer wieder Synthie-Töne umher.
Genauso geht es weiter. Der herzschlagartige Beat auf Flowers For The Farfisa Sphinx kommt vertraut daher. Die Töne darüber jedoch knarzen, piepsen, wollen störend sein. Hier kommt auf jeden Fall zwei Mal Mood hintereinander. Einen Dance dazu kann ich mir schwer vorstellen - und synthetische Drogen nehme ich nicht. Bei den Stimmungen befindet sich RVDS auf jeden Fall auf der düsteren Seite. 

Es folgt mit Rolands Night Walk eine Reise ins Tropenhaus des nächsten Zoos. Erneut ist Vogelgezwitscher im Hintergrund zu hören. Bislang erschien die Platte als sehr eigenständiges, schwer einzuschätzendes und daher sehr rundes Werk. Nun sind erste Vergleiche zu ziehen. Hier klingt Schulenburg wie Erobique. Ja! Nicht wie der DJ, sondern wie der Score-Schreiber. Beispielsweise zum Tatortreiniger. Da würde dieser Song extrem gut rein passen, wenn Schotty zerknittert mal wieder von Merle enttäuscht wird.
Zwischenstand: Ja, die Platte hat bis hier eher den Eindruck von funktionaler Musik, Geräuschen, die nebenbei auftreten können. Da spielt sich wenig in der Vordergrund und zum Tanzen ist einem auch noch gar nicht zumute. Bis hier ein sehr guter Filmsoundtrack, das auf jeden Fall: für lange, triste Autofahrten (ohne dem Künstler hier auf die Füße treten zu wollen). Auf der anderen Seite sind es natürlich auch viele elektronische Spielereien, die sich auf den Liedern die Klinke in die Hand drücken.

DX7s Broken Hearts klingt wie ein Blick in die Glaskugel, aber andersrum. In die Vergangenheit. Und reichlich nach Kraftwerk. Ja, den Meistern darf natürlich stets die Ehre erwiesen werden! Man muss sich mittlerweile die Frage stellen, ob die Musik von RVDS einen bestimmten Zweck verfolgt oder gerade nicht verfolgen will. Denn im Vordergrund spielt sich wirklich nicht viel ab. Wurde hier funktionale Musik für den Hintergrund, für nebenbei, für eine Art Soundtrack ohne Film konzipiert. Dann wäre dies der Track, mit dem ein Agententhriller untermalt wird. Eine leichte Spannung baut sich auf und dehnt sich durch den Sound. Ja, das muss der Fall sein. Auf Wersimatic Space Bar jazzt sich ganz entspannt ein leichter, gut gelaunter Klangteppich durch den Raum, erinnert ein bisschen an Helge Schneider auf Elektro: hypnotisierend, einnebelnd, bestechend. Planet Dragon ist bislang der einzige Track, wo Stimmen zu hören sind. Und auch kein Gesang, sondern nur der Liedtitel wird ab und an hineingerufen.

Tja, ganz ehrlich: Ich weiß nicht so recht, was ich mit diesem Album anfangen soll. Insgesamt verstehe ich es, dass man Musik funktionalisiert und in den Hintergrund des Geschehens verschieben möchte. Doch mir fehlt ein roter Faden. Klar, man kann sich in die Musik hineinfühlen und -versetzen und sich seine eigenen Geschichten, Bilder und Ideen basteln. So richtig klappt das hier aber nicht - logisch, rein subjektive Empfindung. Mir werden keine Moods oder Dances klar auf der Platte. Was irgendwie schade ist. Gerne hätte ich mich gut in das Album reingefühlt. Doch das gewisse unaussprechliche Etwas, das zündet, um durch die Nervenbahnen des Hörenden zu flattern, entsteht hier nicht. Vielleicht verstehe ich auch die Sound-Spielereien nicht. Immerhin verweisen die Songtitel auf Instrumente. Doch selbst der Hint knallt bei mir nicht. Umso mehr hoffe ich, dass es bei anderen Feuer entfacht.

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