Montag, 30. März 2020

Hamilton Leithauser - The Loves Of Your Life

Quelle: Grassnote Records
(ms) Als vor vier Jahren I Had A Dream That You Were Mine von Hamilton Leithauser und Rostam erschien, haben mehrere internationale Musikjournale geschrieben, dass nun Leithausers Karriere erst richtig losgehen würde. Zugegebenermaßen kannte ich Leithauser bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht; drei Klicks später war ich schlauer: Er war jahrelang der Sänger von The Walkmen. Kurz reingehört und zu dem Ergebnis gekommen, dass es ein großes Glück ist, dass er nun mehr oder weniger auf Solopfaden unterwegs ist. Seine Musik ist nicht mehr so beliebig und glatt, seine herausragende Stimme kommt wesentlich stärker zur Geltung und dieser rotzig-unperfekte Klang der Instrumente ist ein wundervolles Alleinstellungsmerkmal. Das bewies er schon auf dem oben genannten Album, das ich gerne und regelmäßig höre.
Am 10. April legt er nun nach. Unter eigenem Namen. Mit eigenen Ideen. Mit eigenem Sound und eigenen Geschichten. Wobei... da kommen wir gleich zu. Hört man die neue Platte The Loves Of Your Life, dann macht sich ein breiter Band-Sound zwischen Indie, Country, Jazz und Blues bemerkbar. Das Erstaunliche: Er hat (beinahe) alles selbst eingespielt. Für den Hintergrundgesang hat er sich Hilfe in der Familie gesucht und einzelne Gäste dazu geholt, die noch andere Instrumente bedienen können. Trotz (oder wegen?!) Eigenregie entstand ein sehr rundes Soundbild.



Zu den Geschichten der Song: The Loves Of Your Life ist ein eher ungewöhnliches Konzeptalbum. Es ist eine Liebeserklärung an seine Heimat New York und die wunderbaren, liebenswerten, schrägen, tollen Menschen, die dort wohnen. Um die geht es. Für die elf Lieder hat er Geschichten aus Begegnungen mit fremden Personen aufgegriffen und verarbeitet. Manche waren Treffen mit Gesprächen, andere nur Auftritte im Augenwinkel. Denn wie oft fragt man sich beim Anblick Fremder: Wer bist du? Was hat dich hier her verschlagen? Wie geht es dir? Was bringt dich zu deiner jetzigen Stimmung? Man würde es so gerne wissen und weiß nie, wie man es herausfinden kann. Hamilton Leithauser hat sich das zum großen Teil einfach ausgedacht und in seine Songs verpackt. In meinen Augen und Ohren ein wunderbarer Ansatz, um Lieder zu schreiben. Mit Einfühlungsvermögen, Empathie, Aufmerksamkeit, Humor, Phantasie. Bei näherer Betrachtung der Texte kommt dieses Konzept natürlich zu einem gewissen Dilemma: Als Hörer weiß ich natürlich nicht, über wen Leithauser gerade singt. Also nehme ich den Track auf und bastel mir meine eigene Geschichte aus der Vorlage.

Bei The Garbage Men kann man sich noch denken, worum es geht. Der Sound: Ein Albumstart wie ein brummender Bienenschwarm: Streicher, bis seine herrlich, irgendwie brüchige Stimme einsetzt, die in alle Himmelrichtungen schwingt, aber nie wackelt.  Der Song entfacht relativ schnell eine schöne Dramatik; das Schlagzeug schleppt und tobt gleichzeitig. Man darf behaupten, dass Leithauser einen markanten, eigenen Sound erschaffen hat. Isabella könnte eine verträumte Tänzerin in der Stadt sein. Ein angenehm, bluesiger Klang mit unheimlich viel Groove entsteht zwischen hoher Stimme, Rhythmusgitarre und den harmonischen Backgroundstimmen, der sich irgendwann zu einem call-and-response-artigen Mix entwickelt.
In Cross-Sound Ferry wird dieser country'eske Klang weiter gespinnt, ein klanglicher Mix aus Saloon und entspanntem Wandern an der frischen Luft. Dazu entwickelt sich das Lied zu einem schönen, wilden Ritt. Don't Check The Score bewegt sich zwischen Abschied, Freundschaft, Wiedersehen, Hoffnung und Sehnsucht und arbeitet mit dem Hintergrundgesang als Melodie! Wack Jack hingegen erzeugt schon mit der Instrumentierung einen melancholischen Hauch, passt mit seinem urigen, unheimlich sympathischen Klang aber auch in eine verrauchte und Whiskey-getränkte Bar. Inhaltlich mag es um Tod, Wehmut nach jemand Verstorbenen gehen, der einem mal sehr, sehr nahe stand. Gerne möchte man sich beim Hören und Lesen der Texte und Lieder von Leithauser erzählen lassen, was seine Geschichten hinter den Songs sind, warum er sie geschrieben hat, wer ihm dafür vor Augen herumgeistert. So bleibt uns als RezipientInnen nur die Interpretation.
Doch auch Liebeslieder dürfen nicht fehlen. Bei The Other Half dreht es sich noch um eigene möglicherweise vergangene Liebe mit einem ungelösten, unbefriedigenden Ende und der nicht erloschenen Hoffnung, dass es doch noch mal die Chance auf ein erneutes Entflammen gäbe. Das letzte Stück, The Old King, zeigt nochmal seinen schönen, eigenen Klag. Auch durch den herrlichen Kinderchor, der den Track begleitet, hat man immer wieder den Eindruck, dass es immer ein bisschen knarzig und schief ist. Ich vermute, dass das genauso gewollt ist. Passt!

The Loves Of Your Life von Hamilton Leithauser ist nicht nur ein Album, das die musikalische Raffinesse vom Songwriter und Musiker zeigt, sondern auch stets seine nie endende Kreativität in den Geschichten, die ihm am Herzen liegen. Es ist rund, es rüttelt manchmal auf und das Album ist auf unheimlich sympathische Art und Weise nahe gehend.

Er soll am 10. Juni in Berlin spielen. Schauen wir mal ;-)

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