Quelle: dribbble.com/shots/291357-38-Final |
Das Reeperbahn Festival ist ein Branchentreffen mit knallharten Auflagen. Für das Sehen und Gesehen-werden müssen Künstler zwei Gigs an einem Tag spielen oder drei Gigs an drei Tagen oder ein einzigartiges Ensemble aufbieten. Das RBF (wie man so schön abkürzt) will mit solchen Angeboten natürlich auch seinen Standort festigen. Zwischen Millerntor, dem Clochard und viel Viertelpolitik (Esso-Häuser, Mietpreise etc.) lauert natürlich auch eine Menge Folklore, das dem Festival einen unprätentiösen Rahmen gibt. Es ist das wichtigste Treffen für die Branche hierzulande, dort werden Deals, Tourneen oder Verträge verhandelt und unterzeichnet. So kommen einige Manager und Booker erst gegen Abend dazu, sich Bands anzugucken, daher knubbelt sich das Programm auch massiv ab 18 Uhr. Daher muss man für alle Konzerte früh da sein, eine halbe Stunde reicht oft nicht aus. Außerdem werden die Clubs nach den Konzerten nicht geräumt, in den Augen eines einfachen Festivalbesuchers natürlich eine Frechheit. Dennoch werde ich morgen wieder da sein und freue mich - hoffentlich - Stars und Dagobert zu sehen und mich viel treiben zu lassen. Es wird berichtet.
Doch heute... heute ist Freitag. Ihr wisst, was das bedeutet: Luserlounge. Selektion. Bitte:
Muse
(sb) Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum veröffentlichen Muse am 06.12.2019 eine umfangreiche Chronik ihres Frühwerks mit dem Titel Origin Of Muse. Bei Hardcore-Fans setzt an dieser Stelle wohl die Schnappatmung ein, doch auch für normale Sympathisanten der Briten dürfte die Deluxe Box etliche positive Überraschungen bieten: 9 CDs, 4 Vinyl-Alben, ein 48-seitiges Buch samt ausführlichem Interview, 40 bisher unveröffentlichte Songs und insgesamt 113 Tracks sorgen für einen fantastischen Einblick in das Schaffen von Matthew Bellamy und Konsorten.
Ganz günstig dürfte der Spaß vermutlich nicht werden, aber wann bekommt man schon mal die ersten paar Jahre einer derart erfolgreichen Band (über 20 Millionen verkaufte Alben weltweit!) so detailliert präsentiert?
Spermbirds
(sb) Es war der 17.12.1994, der Tag an dem ich meine Lieblingsband Therapy? zum ersten Mal live sah. Neben den großartigen Terrorvision und Pet Lamb waren auch die Spermbirds als Support dabei und brannten sich nicht zuletzt aufgrund des Namens ins Gedächtnis. Musikalisch kann mich nur dran erinnern, dass es laut war - und das ist ja schon mal ein guter Anfang.
Es folgten zig Jahre, in denen ich quasi nichts mehr von der Band aus Kaiserslautern hörte, bis plötzlich eine Email im luserlounge-Postfach landete und ein neues Album samt Tour ankündigte. Holla, die Waldfee! Dass ich das noch erleben darf! Go To Hell Then Turn Left wurde schließlich vergangenen Freitag (13.09.) veröffentlicht und ist, nun ja, größtenteils laut. Die Spermbirds gelten nicht umsonst seit ca. 35 Jahren als maßgebliche Band der europäischen Hardcore- und Punkszene. Ja, sie können es immer noch und man merkt ihnen förmlich an, dass sie den Spaß an der Musik noch lange nicht verloren haben.
23.10. Essen, Zeche Carl
24.10. Jena, Kassablanca
25.10. Berlin, Clash
26.10. Hamburg, Knust
13.11. Köln, Gebäude 9
14.11. Karlsruhe, Alte Hackerei (ausverkauft!)
15.11. Kaiserslautern, Kammgarn
16.11. Schrobenhausen, GreenHaus
Sedlmeir
(sb) Und gleich noch einer von der alten Schule: Sedlmeir hat die 50 auch schon geknackt, denkt aber nicht im Entferntesten daran, sich musikalisch irgendwie anzupassen. Herrlich ist das! Sein neues Album Senioren gegen Faschismus pendelt zwischen Chanson, Trash, Elektro und Punk und ist textlich mitunter so abgedreht, dass man unweigerlich an den Kollegen Heinz Strunk denkt. Erstaunlicherweise greifen da viele Räder ineinander und das Ergebnis ist absolut stimmig. Eine überaus positive Überraschung, die man sich auch live reinziehen sollte:
20.09. Plauen, Malzhaus
27.09. Berlin, Cortina Bob (Record Release Party)
03.10. Tübingen, Blauer Salon
04.10. Bamberg, Pizzini
25.10. Saarbrücken, Theaterschiff Maria-Helena
07.11. Unna, Spatz & Wal
08.11. Mönchengladbach, Blu Box Studio
09.11. Celle, MS Loretta
22.11. Altötting, Festsaal MKT
05.12. Basel (CH), Hirscheneck
06.12. Zürich (CH), Helsinki Klub
07.12. Freiburg, Slow Club
Rainhard Fendrich
(sb) Ich wurde in den 80ern musikalisch sozialisiert und durch die räumliche Nähe zu Österreich und die alljährlichen Urlaube in der Alpenrepublik habe ich seit jeher ein Faible für Land, Musik und Leute. Klar, dass Künstler wie die EAV, Peter Cornelius, Wolfgang Ambros, STS oder Georg Danzer da in der Gunst ganz oben stehen. Der liebste war mir aber immer Rainhard Fendrich, mit dessen Songs ich quasi aufwuchs. Waren es einst die eher lustigen Lieder wie Es lebe der Sport, Strada del Sole oder Oben Ohne, die mir gefielen, wurden es später die gefühlvollen á la Weus'd a Herz hast wia a Bergwerk oder Es tuat so weh, wenn ma verliert - ganz zu schweigen von der inoffiziellen österreichischen Hymne I am from Austria, die Fendrich 2016 dem Grünen-Kandidaten Alexander van der Bellen im Bundespräsidenten-Wahlkampf gegen den bräunlich angehauchten Norbert Hofer zur Verfügung stellte.
Mittlerweile zählt Rainhard Fendrich stolze 64 Lenze und präsentiert sich politischer denn je. In Zeiten wie diesen wohl eine absolute Notwendigkeit und in seiner Tiefgründigkeit und Intensität sehr beeindruckend. Fendrich ist ein hervorragender Beobachter des Weltgeschehens und seit jeher in der Lage, dies in Worte und Melodien zu verpacken, die Herz, Hirn und Verstand ansprechen. Auf Starkregen (VÖ: heute!) steht der zwischenmenschliche Klimawandel ebenso im Fokus wie intime Gedanken zum Leben im Alter oder die eigene Vergänglichkeit. Vor allem textlich sehr hörenswert!
Kaltenkirchen
(ms) Philip Maria Stoeckenius hat sein Musikprojekt nach dem Heimatort seines Vaters benannt: Kaltenkirchen. Insbesondere mit dem zweiten Vornamen, sagte mir mein Bauch als erstes, dass diese Ortschaft mit großer Sicherheit im tiefsten Bayern liegt. Doch: Massiv falsch gedacht! Kaltenkirchen liegt etwas nördlich von Hamburg, zwischen Itzehoe und Lübeck. Kurz vor Silvester - am 27.12. - veröffentlicht er sein erstes Album Namens Antischlager. Das ist zudem die Programmatik der Musik. Breite Synthie-Flächen, elektronisches Schlagzeug à la 80er und Texten, die ganz bewusst mit derbem Kitsch spielen. Zwischen Drangsal, Dagobert und ganz viel NDW bewegt sich Stoeckenius und weiß damit stark zu irritieren. Auch die Presse-Informationen sprechen von einem Mix aus Nena und Rammstein. Dem füge man noch eine selbstbewusste Portion Modern Talking hinzu und die Verstörung ist komplett. Dass das aufgeht und halt nicht mies klingt, mag in dem Zauber dieser Zutaten liegen. Am besten überzeugt man sich selbst davon:
Snøffeltøffs
(ms) Ja, außergewöhnliche Namen machen immer noch einen gewissen Reiz aus. Dass das bei der Gruppe Snøffeltøffs aus Berlin auch so ist, liegt auf der Hand. Sie machen nicht nur einen bestechenden LoFi-Gitarren-Rock, sondern geben dem Format Video einen schönen Drive. Denn im Bewegtbild der brandneuen Single Frohnau passiert eigentlich nichts. Gar nichts. Und das ist beinahe dramatisch. Denn der Protagonist liegt rücklings im Wasser, die Arme ausgebreitet, die Augen geschlossen, doch er singt als wäre er - vermutlich - nie gestorben. Und so hundertprozentig aufgelöst wird das Ganze am Ende auch nicht. Sehr pfiffig gemacht. Doch: Keine Single ohne Album! Und so erscheint die zweite Platte der aufs Trio angewachsenen Band am Nikolaustag. Es trägt den gleichen Namen wie die Single und irgendwo zwischen den frühen Tocotronic, einem urbanen Sound und einer sympathischen Unkonventionalität.
Dameer
(ms) Es ist ja bekanntlich immer eine Frage der Einstellung. Ich verkehre bei Twitter und Instagram nicht, weil ich darin keinen nennenswerten Mehrwert sehe. Wenn ich mich informieren will, reicht mir meist mein Facebook-Feed aus und noch häufiger der direkte Besuch der Internetauftritte meiner favorisierten Medien und natürlich wird auch Zeitung gelesen! Doch wenn es mal wieder Informationen, Debatten, Berichte über Querulanten, Krisen, Wahlen und Fußballergebnissen gibt, bei denen man gar nicht mehr zurecht kommt, braucht man eine Pause. Dafür eignet sich die Musikrichtung Easy Listening. Wer Hintergrundmusik sagt, verliert! Ich liebe zum Beispiel Lambchop. Dameer hingegen kommt nicht aus Nashville, sondern aus Bangladesh. Was überhaupt nichts zur Sache tut. Was jedoch wirklich erstaunlich ist: er ist erst 17 Jahr jung und macht so eine wahnsinnig entspannte, groovige, catchy Musik... das ist irre. Sun ist der zweite Track des jungen Herren und weiß unheimlich schnell zu gefallen; in Ansätzen vergleichbar mit Roosevelt. Lieber Dameer, bewahr dir deine Leichtigkeit und bring bitte bald so ein Album raus!
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