Kettcar als Headliner. Foto: luserlounge |
Aber das Areal des Festivals ist gleich geblieben und ich erkannte die Gestaltung fix wieder. Ja, am Freitag war der Wettergott etwas unentschlossen, wie er dieses Wochenende in Niedersachsen einläuten soll. Hat er sich erst für Regen entschieden, so hat er - sicherlich auf Grund der astreinen Musik an diesem Tag - sich später doch dagegen entschieden und der Trockenheit weitestgehend walten lassen.
Wo die Ihme in die Leine mündet, stand am Freitag die große Festivalbühne, deren Wiesen sich nach und nach sehr ordentlich gefüllt haben. Das lag sicherlich an dem geschmackvollen Booking für den Abend, aber auch an der persönlichen Note der Veranstaltung. Ich mag Veranstaltungen, bei denen Moderatoren durch den Abend führen. Der informationelle Mehrwert ist sicherlich streitbar, aber es macht das ganze heimelig und nimmt das Festival aus einem anonymen Nacheinander-Auftreten heraus.
Als es noch etwas nieselte, betrat der Drei-Mann-Dampfer Fortuna Ehrenfeld die Bühne und hat eine halbe Stunde abgeliefert, was das Zeug hält. Was ist das einfach für eine irre Band? Habe sie nun schon ein paar Mal live gesehen und jedes Mal steigt die Vorfreude immens! Natürlich liegt das auch an Martins Schlafanzug und der Pulle Rotwein, doch in Wahrheit sind es die Texte. Die von unglaublich wahr und nah bis gaga nichts auslassen und genau deshalb so ehrlich sind. Ganz große Klasse natürlich, dass zum Abschluss Puff von Barcelona gespielt wurde!
Nach wildem, aber planvollem Umbaugewusel auf der Bühne, standen da vier Hipster-Typen an den Instrumenten. The Districts. Ich habe vorher mal reingehört und es als solide empfunden. Was dann allerdings passierte, war kaum auszudenken. Die vier Kerle aus Pennsylvania haben jeden Funken Energie aus ihren Kehlen und Saiten und Trommeln geholt, die vorhanden waren. Wenn mich Musik umhaut, dann liegt das meist an etwas, das ich Dynamik nenne. Und die haben es raus gehabt. Insbesondere der letzte Track - völlige Verausgabung - war große Klasse. Super Booking!
Anmerkungen zu Isolation Berlin: Wenn ich Tocotronic hören will, gehe ich zu Tocotronic. Wenn ich Drangsal hören will, gehe ich zu Drangsal. Wenn ich Element of Crime hören will, gehe ich zu Element of Crime. Aber ich will keinen üblen pseudointellektuellen Mix aus diesen großartigen Gruppen haben. Durchsage beendet.
Den Abschluss gaben Kettcar. Und sie waren abermals der Grund, warum ich vor den unterschiedlichsten Bühnen stehe. Über ihre musikalische Qualität - auf Platte und auch live - kann man auf diesem Blog an anderen Stellen nachlesen. Warum gehe ich zum 27. Mal Kettcar angucken? Wird das nicht langweilig, werde ich gefragt? Spielen die nicht immer die gleichen Lieder, werde ich gefragt? Ja, sie spielen zum Großteil die gleichen Lieder, aber langweilig wurde es noch nie. Gründe, warum ich süchtig nach dieser Band bin: alle haben ein Mikrophon vor sich, niemand steht wirklich im Mittelpunkt, auch wenn Marcus singt und Reimer viele Ansagen macht. Es ist null Attitüde dabei; alles, wirklich alles kommt aus dem Herzen. Und genau da landet es halt auch wieder. Die Songs von Kettcar berühren mich jedes Mal. Manchmal auch, wenn ich es nicht erahnt habe. Es sind die politischen Lieder, die mich genauso hart treffen wie die Befindlichkeitsfixierten. Als Fan einer Band verbindet man natürlich auch Tracks mit eigenen Stationen und Situationen im Leben. Und während eines Konzerts wird dann oft ein innerer Film abgespult, der einen zum Schmunzeln bringt und genauso die Tränen ins Auge treiben. Zudem habe ich die Vermutung, dass die Band nun erstmal eine Pause einlegen wird, seit zwei Jahren sind sie extrem viel und erfolgreicher dennje auf Tour. Und Danny Simon muss nun bei Thees Uhlmann wieder Gitarren über die Bühnen werfen! Bis zum nächsten Mal, Kettcar. Bis zum nächsten Mal, tolles Fährmannsfest!
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