Die alten Bekannten. Foto: luserlounge |
Der Erste, der nun mit "Nazis" oder so einem Schwachsinn ankommt, bekommt eins auf die Pappnase. Denn leider klebt dieser schönen Stadt immer noch das 90er-Jahre Klischee an und die abscheulichen Taten von Lichtenhagen müssen natürlich in Erinnerung bleiben, können aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Rostock eine alternative, bunte und feine Stadt an der Ostsee ist. Das haben in den letzten Jahren eindrucksvoll Marteria, Feine Sahne Fischfilet oder Waving The Guns gezeigt. Dafür steht unter anderem auch der M.A.U. Club direkt am Hafen. Dort haben am Freitag Kettcar Halt gemacht. Die sind ja seit letztem Jahr so wahnsinnig viel und beinahe ununterbrochen unterwegs, dass es sie nun in die Hansestadt zog. Neben diversen Festivalauftritten wie Rock am Ring, Deichbrand, Sziget oder Haldern Pop machen sie immer wieder Stopp in kleineren Clubs der entsprechenden Gegend, damit sich so eine Busfahrt auch lohnt. Man könnte ihnen vielleicht vorwerfen, dass das Geldmacherei sei, aber das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dafür glänzen die Augen von Christian, Erik, Lars, Reimer und Marcus zu sehr, wenn sie auf der Bühne stehen.
Eröffnet wurde der Abend vom Grand Hotel van Cleef-Neuzugang Dorit Jakobs. Im warmen, aber nicht allzu dicht gedrängten, also gut gefüllten Club hat sie wunderschöne Lieder gesungen, dabei Gitarre gespielt und wurde von einer dreiköpfigen Band unterstützt. Leider war der Sound noch nicht so gut eingestimmt, sodass nicht alle hörenswerten Zeilen in Gänze zum Zuhörer durchdrangen. Nach Stöberei auf den eingängigen Onlineportalen durfte mich aber nachträglich bestätigt sehen, dass sie durchdachte, kluge Texte aus dem Leben schreibt: Empfehlung! Und ja, die Assoziation zu Judith Holofernes hatte ich auch...
Dann war es soweit - und ich mache da auch kein Geheimnis draus: für mich das siebte Kettcar-Konzert innerhalb von zwölf Monaten. Und wenn ich dann gefragt werde, ob das nicht langweilig sei, dann verstehe ich die Frage nicht. Als ob ein Auftritt dieser wunderbaren Gruppe wie ein anderer sei. Und der letzte Freitag war eine erneute Demonstration genau davon. Natürlich, ein Großteil der Lieder ist gleich, weil das Repertoire an sich begrenzt ist und noch begrenzter wird, da nicht jedes Lied live gespielt wird, was schade aber verständlich ist.
So gab es zwei prägende Momente: Sommer '89 (Er Schnitt Löcher In Den Zaun) ist ein enormes Lied in der Geschichte der Band. Letztes Jahr habe ich es in Düsseldorf zum ersten Mal live gehört und ich bekomme immer noch eine irre Gänsehaut, wenn es läuft. Doch während sie es spielten, kam mir der Gedanke auf, dass das Lied in Ostdeutschland gespielt ja noch mehr Kraft entwickelt, als wenn es in Dortmund oder Frankfurt durch die Boxen strömt. Der Altersdurchschnitt am Freitag zeigt, dass nicht wenige noch den Alltag in der DDR erlebt haben könnten. Vielleicht ist ja der ein oder andere geflohen, unwahrscheinlich ist es nicht. Gänsehaut zum Quadrat.
Moment Nummer zwei: Nach gut fünfundachtzig Prozent des gespielten Konzerts, sprechen die Musiker auf einmal untereinander in eine Weise, wie sie es sonst nicht tun. Ist was falsch gelaufen? Ist der Ton mies? Haben sie Durst? Wollen sie zurück an die Elbe? Alles falsch, denn die Setlist wurde spontan umgeschmissen. Reimer, Lars, Erik und Christian verlassen die Bühne, Marcus bleibt mit Akustikgitarre zurück und bei mir macht es Klick: Mein Skateboard Krieg Mein Zahnarzt. Ein nicht häufig live gespieltes Lied, das dann umso mehr Spaß macht. Super, super, super!
Diese kleinen Momente oder die Ansagen, wo Reimer aufrecht und fest behauptet in jeder Stadt, in der sie spielen tagsüber mit einem ortsüblichen Bier (hier: Mahn & Ohlerich, lecker!) am lokalen Hotspot abzuhängen, machen Kettcar-Konzerte zu einzigartigen Erlebnissen.
Daher: Es folgen in jedem Fall Konzerte Nummer 25, 26, 27, ...
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