Mittwoch, 26. Juli 2017

Deichbrand Festival 2017 - Die Review

Wer spielt da? Genau: Feine Sahne Fischfilet. Foto: luserlounge
(ms) Man kann es sich in etwa so vorstellen: Man ist älter und hat längere Zeit seine Enkel nicht gesehen; bei einem Wiedersehen staunt man nicht schlecht mit dem Satz: "Was bist Du groß geworden?!"
So ähnlich erging es mir, als ich am letzten Wochenende in der Nähe von Cuxhaven auf dem Deichbrand Festival gewesen bin. Denn 2012 war ich schon mal Teil dieses Spektakels mit damals gut 20.000 Besuchern. Kaum zu glauben, aber fünf Jahre später ist dieses Gewächs von FKP drei Mal so groß geworden und eine feste Größe (im wahrsten Sinne) in der hiesigen Festivallandschaft. Mitten auf dem Acker zwischen Milchkühen und einem Militärflugplatz siedelten sich für vier Tage Vollprogramm Trinkfeste, Partywütige und Dauertänzer an, um ein sehr angenehmes Wochenende zu verleben. Hier ein paar Anmerkungen, Eindrücke, Konzertberichte.

Organisation und Programmvielfalt

Die Anfahrt ist ein geplantes Chaos geworden. Das liegt nicht nur an unserer Mitfahrgelegenheit, die sich am Donnerstagmorgen am Supermarktparkplatz das Dach seines Wohnmobils abgefahren hat, sondern auch vor Ort in Wanhöden. Die Shuttlebusse standen halt genauso im Stau wie alle anderen. Zudem war die Beschilderung vor Ort eine reine Katastrophe, denn: Vom Eingang und Campinggelände Süd kam man nicht zum Campinggelände Nord, das heißt: Mit Sack und Pack zu Fuß einmal um das gesamte Gebiet herum, um dann im Schlamm anzustehen. Geregnet hatte es am Mittwoch und Donnerstagmorgen ganz gut. Selbst Besucher aus den letzten Jahren wussten zu berichten, dass es so umständlich noch nicht gewesen ist. Bei dem Ansturm war die Gepäckkontrolle dann de facto auch hinfällig.
Die drei seperaten Campinggrounds haben über ausreichend Toiletten und Duschen verfügt, gut gemacht. Aber: Muss da zusätzlich ein Partyzelt für etwa 750 Leute stehen, das nachts mit einem so derben Bass wummert, dass selbst die wenigen Stunden Schlaf zur Tortour werden?! Dazu gab es Tanzmöglichkeiten genug.
Eine nicht nachvollziehbare Frechheit des Veranstalters war, dass während des laufenden Betriebs anscheinend Kosten gesenkt werden mussten und Securityleute vom Campingplatz abgezogen wurden, sodass einzelne Ein- und Ausgänge geschlossen wurden. Das war eine selten dumme Idee zum Missfallen aller Beteiligten. Bei dieser Größenordnung an diesem Faktor zu sparen ist schwer nachvollziehbar.
Aber: genug gemeckert.
Wirklich positiv aufgefallen ist, dass es möglich war von morgens früh bis spät in die Nacht (oder halt ohne Pause) am Programm teilzunehmen. Ob Yoga, Schminken, Volleyball, Ausflug an den Strand, Musik, Party oder hemmungslose Sauferei auf dem Campingplatz (inoffiziell), es war alles dabei. Ob das alles nötig ist, soll jeder selbst beurteilen.

Musikprogramm

Astreise Wall of Death bei Audio88 & Yassin. Foto: luserlounge
Es gibt ja Menschen, die pausenlos alle Konzerte sehen, die angeboten werden. Zugegeben, ich gehörte da auch mal zu. Aber nach knapp 30 Festivals weiß man zu sieben. Vielleicht schaut man sich dann nicht mehr die Donots an oder Kraftklub oder die Broilers. Aber auch dies sei jedem selbst überlassen.
Der Donnerstag bot allerdings schon ein kraftvolles Highlight mit Swiss & Die Andern. Aus den Videos war mir nicht zwingend bewusst, was das für ein Muskelpaket ist. Die Verbindung aus beinhartem Punk und gekonntem Sprechgesang kam extrem gut an beim Publikum. Ehrlich: Ich habe selten so angenehm-rücksichtsvoll aber auch mit voller Power im Moshpit gepogt. Es war ein Fest, das anschließend gebührend begossen wurde.
Der Freitag glänzte mit perfektem Festivalwetter, trocken und gut 26°C (Ich frage mich noch, wie es zum Sonnenbrand auf den Ohren gekommen ist...). Im geräumigen Palastzelt haben nachmittags Audio88 & Yassin eine hervorragende Show abgeliefert mit ihren herrlichen Pastorenkostümen, guten Ansagen, einem Kurzauftritt von Monchi und herzlichem Pogo zu Rap (s.o.). So kann es weitergehen! Die letzte Viertelstunde von In Extremo hat sich nahtlos hervorragend angeschlossen. Feine Sahne Fischfilet haben danach eine Stunde geglänzt, anders ist es nicht zu sagen. Wanda blieben sich treu auch ohne die neue Single (glaube ich zumindest...). Abends kam mit Placebo mein persönliches Highlight und neben der ganz feinen Runde auf dem Campingplatz der Grund für die Anreise. Ich wurde nicht enttäuscht, auch da ich mich der Stimme von Brian Molko und ihrem eigenen Gitarrensound seit Jahren ergeben fühle. Es war eine irre Show, ein vielleicht etwas unpersönlicher Auftritt aber musikalisch herausragend. Da es kalt wurde, hat man sich danach noch für zwanzig Minuten bei Egotronic im Palastzelt warmgetanzt. Wieso nicht?!
Zeltplatz, Bier, versuchen zu schlafen, essen, klar kommen.
Denn der nächste starke Auftritt ließ nicht lang auf sich warten: Fatoni spielte um 14 Uhr auf einer der großen Bühnen und es kamen schon einige bierselige und ausgeschlafene, textsichere Fans. Zur großen Freude aller Anwesenden ließ sich Juse Ju auf der Bühne blicken, um die gute Stimmung weiter hochzuschrauben. Anschließend konnte man das gute Wetter genießen, mit fremden Leuten Bier trinken oder verdutzt mit Ja folgende Frage beantworten: "Sag mal, hast du nicht mit Jessy zusammen studiert?!" Guten Gewissens schauten wir uns Zugezogen Maskulin statt AnnenMayKantereit an, die mir persönlich arg auf den Senkel gehen. ZM haben gewohnt provoziert mit ihrem eigenen Sound aber auch neues Material präsentiert. Erstaunlich langweilig war der Gig von Parov Stelar, auf die ich mich eigentlich gefreut habe. Nach einer Viertelstunde klang einfach jedes Lied wie das vorherige. Nicht so bei Marteria, der diesem Abend den Rest gegeben hat mit einem astreinen Auftritt. Selbst Arnim Teutoburg-Weiß kam für Aliens vorbei. Marten Laciny ist ein top Rapper, ein super Entertainer, der immer mindestens 105% gibt, man sieht es ihm an, dass alles stimmt. Ein würdiger Headliner.
Wegen studentischer Verpflichtungen bin ich am Sonntag schon abgereist und trauerte den Auftritten von Apocalyptica, Drangsal, Emil Bulls und Turbostaat hinterher.

Der riesen Jägermeisterhirsch. Foto: luserlounge
Zusammenfassend: Auf dem Festivalgelände gut organisiert, sehr viele extrem freundliche und hilfsbereite Menschen, so gut wie immer starker Sound und maßlos Spaß. Da konnte auch der Regen in der Nacht von Samstag auf Sonntag nichts dran ändern.

Gute Idee 1: Die Klos von Goldeimer auf dem Campingplatz sind eine tolle Idee für die ich auch bereit bin Geld zu zahlen.
Gute Idee 2: Mit Fernbussen direkt zum Gelände hin und zurück. Der Rückweg am Sonntag Mittag hat problemlos und sehr angenehm funktioniert.

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