Donnerstag, 22. Juni 2017

Ich knie nieder: Tall Ships' Album "Impressions"

Quelle: soundcloud.com
(ms) Diese Geschichte nahm seinen Lauf im Winter vor fünf Jahren. Dort spielten die großen Nada Surf - ich werde sie immer verehren - in Bochum. Der Weg war nicht zu weit, ich war da und genoss einen unvergesslichen Abend. Das lag aber nicht nur den den drei Übersympathen aus New York.
Vier andere spielten dabei die größere Rolle. Sie kommen aus Brighton und nennen sich Tall Ships. Sucht man die Band bei Google, findet man seitenweise große Segelschiffe: logisch. Als Musiknerd erkundigt man sich natürlich, was die Vorband aus dem Königreich so kann und ich fand das Lied mit dem einprägsamen Titel "T = 0". Es ist bis heute eines der wuchtigsten Songs, die ich je gehört habe. Stöbert man bei ihrer Musik ein wenig weiter, denkt man schnell an die Editors, die zu jener Zeit einen ähnlichen Stil verfolgten. Aus Nostalgiegründen legte ich vor kurzem ihr aktuelles Werk "In Dream" nochmal ein und habe mich gewundert, wie wenig es mir gibt. Der Glanz von "Smokers Outside The Hospital Doors" oder "Munich" ist längst verblasst. In diese Lücke rücken Tall Ships ein ohne es sicher je gewollt zu haben. Und - ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster - überstrahlen mit ihrem neuen Album "Impressions" vieles, das die Editors je herausgebracht haben.
Fünf Jahre haben die vier Briten sich Zeit gelassen, um an ihrem zweiten Werk zu schrauben. Jeder Tag war es wert, den sie daran gearbeitet haben. Es sind zwar "nur" neun Songs dabei herausgekommen, die in ihre Momenten hingegen so sehr glänzen, vor Energie strotzen und phasenweise irre nah ans Herz gehen.
Die damalige Vorband habe ich irgendwie zwischendurch aus den Augen und den Ohren verloren, wie es so oft passiert. Anfang des Jahres stolperte ich über die Ankündigung des Zweitlings und die Vorfreude stieg und stieg: Veröffentlichung Ende März, zwei Wochen Lieferzeit, noch mehr Zeit um in die Melodien einzutauchen und das Ergebnis dessen nun endlich in Worte zu fassen. Gut Ding hat Weile.
So sammeln sich auf den neun Stücken Textfragmente, die sich ohne Weiteres eignen, sich auf prominente Stellen am Körper zu tätowieren, man wird es nicht bereuen.
"Lucille" ist so ein herrlich melancholisches Lied über das Ende einer Beziehung und der Protagonist zerbricht beinahe an der anschließenden Einsamkeit. Doch das Herzstück ist "Meditations On Loss". Was für ein Hit, was für ein Song. Es behandelt die Auseinandersetzung mit Versprechen, die einem spirituelle oder religiöse Angebote machen und erinnert inhaltlich an Kettcars Bonmot "Ich mag den Gedanken an etwas zu glauben, doch ich bin nicht gläubig". Die Kraft im Refrain ist kaum auszuhalten und gepaart wird dies mit einem bildgewaltigen Video; es ist ohne Umschweife (und wie hier ja unschwer zu erkennen ist) ein heißer Kandidat meiner Top-5-Song-für-immer. Allein dafür und für den herrlich treibenden Bass lohnt die Anschaffung von "Impressions".
Der Bruch zum Lied danach ist groß, inhaltlich und auch musikalisch. Denn es geht ruhig mit sphärischen Klangwänden und einem langsam pulsierenden Schlagzeug um den Tod, den Verlust eines lieben Menschen, eine bewegende Beerdigung. Enden tut das Album mit einer Hymne auf das Leben, "Day by Day": "'Cos With Only One Life There Is No Room For Regrets."
Ich bin hin und weg, völlig erlegen, seit Langem nicht so gepackt worden von einer Platte. Vielen Dank dafür, Tall Ships!








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