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Luserlounge: Hallo Kommando Kant und vielen Dank,
dass Ihr Euch Zeit für ein Interview mit uns nehmt. Euer Album „Ziehen Sie ’ne
Nummer“ ist ja nun seit ca. zwei Monaten draußen; seid Ihr zufrieden mit der
Resonanz? Wie waren die Kritiken und hat sich das gute Stück auch verkauft?
Björn: Erst mal danke zurück,
dass auch Du Dir die Zeit nimmst!
André: Hm ... also
die Rückmeldungen, die uns bislang erreichten, waren zwar überwiegend positiv,
allerdings hätte es insgesamt etwas mehr Resonanz geben dürfen. Es hat über ein
Jahr gedauert, bis das Album endlich draußen war, und wir wurden,
glücklicherweise, immer wieder gefragt: „Wie lange noch?“ Nun ist es endlich
da, aber abgesehen von einer kurzen Freudenwelle zum Release blieb die
allgemeine Reaktion aus unserem Umfeld eher verhalten à la „Joa. Ist nun halt
draußen“. Das liegt aber auch daran, dass es für diejenigen, die uns schon
länger begleiten, keine wirklichen Überraschungen auf dem Album gibt, bis auf
das letzte Lied „Hudtwalcker“. Alle anderen Lieder gehören zum Teil seit Jahren
zu unserem Live-Repertoire, dem entsprechend kennen unsere Fans sie auch schon.
Björn:
Ich sehe das
etwas positiver: Klar hätten es hier und da ein paar mehr Reaktionen geben
dürfen. Andererseits haben wir mit „Ziehen Sie ’ne Nummer“ auch nicht die
Musikgeschichte neu geschrieben, sondern vor allem eingefangen, was sich in den
Jahren davor bei uns so abgespielt hat. Wir haben viel mitgenommen für die
Zukunft, was Songwriting, aber auch das ganze Drumherum bei der Veröffentlichung
eines Albums angeht. Dass das Album von den meisten gut aufgenommen wurde und
zum Teil überraschend positive Reaktionen kamen, kommt für mich eher noch on top.
Marius: Der Gentleman redet
natürlich nicht über Verkaufszahlen. Unsere nagelneuen iPhones und Sportwagen
sollten Indikator genug sein.
Luserlounge: Ihr lauft ja unter „Hamburger Band“,
kommt aber tatsächlich ganz woanders her. Erzählt doch mal ein bisschen über
Eure Wurzeln und wann und wieso es Euch in die Großstadt verschlagen hat.
André: Björn, Marius und ich
kommen aus dem Raum Husum in Nordfriesland und na ja, soo anders ist es dort
gar nicht im Vergleich zu Hamburg. Klar, es ist da oben wesentlich ruhiger,
entschleunigter und halt ländlicher, aber im Großen und Ganzen hat Hamburg trotz
Millionenstadt einen dörflichen Charakter. Man trifft dauernd Bekannte aus
Nordfriesland, die Stadt ist verhältnismäßig grün und die allgegenwärtige
maritime Atmosphäre verbindet Husum wie Hamburg gleichermaßen. Trotzdem liegen
an manchen Tagen Welten zwischen beiden Bezugspunkten, was wir auf „Ziehen Sie
’ne Nummer“ auch immer wieder zum Thema der Songtexte gemacht haben.
Björn: Wenn man von da oben
kommt und nach der Schule Hummeln im Hintern hat, gibt es eigentlich nur zwei
Möglichkeiten: ein paar hundert Kilometer weg in eine der nächsten großen
Städte ziehen oder ganz abhauen. Wir haben uns für Ersteres entschieden, weil
man dann doch irgendwie am Norden hängt.
Jannis:
Ich habe auch eine
starke Bindung zu Nordfriesland. Um genau zu sein, zu der Insel da oben neben
Sylt – Föhr. Meine Mutter ist dort aufgewachsen und wir haben dort eine
Wohnung, die wir/ich seit 21 Jahren jährlich besuchen. Abgesehen davon fällt es
mir schwer, meine Wurzeln genau zu verorten, da meine Familie und ich aufgrund
der Arbeit meines Vaters in der Hotellerie von 2006 bis 2012 außerhalb von
Deutschland in drei verschiedenen Ländern gelebt haben. Genau aus dem Grund ist
Föhr, wie ich gerade wieder mal feststelle, der einzig konstante
Wohnsitz/Rückzugsort in meinem Leben. In meinen Liedern spiegle ich das jedoch
nicht wider, da ich keine schreibe.
Luserlounge: Fühlt Ihr Euch nun dort angekommen?
Oder seht Ihr Hamburg nur als Zwischenstation, um – wie so viele – dann nach
Berlin weiterzuziehen?
Jannis:
Auch wenn ich immer
eine gewisse Reiselust verbunden mit Fernweh empfinden werde, freue ich mich
jetzt, vorerst hier zu bleiben, und habe auch nicht so schnell vor weiterzuziehen.
André: Geht mir genauso. Zu
Berlin habe ich ein etwas unentschiedenes Verhältnis. Generell ist mir die
Stadt zu groß und impulsiv, andererseits merke ich, dass ich mich dort von Mal
zu Mal wohler fühle. Ich glaube, Berlin ist ein guter Ort für einen Neuanfang
und Suchende; wenn man Single ist, alle Brücken abgebrannt hat oder einfach auf
der Suche nach neuen Abenteuern ist.
Björn: Ja, das stimmt. Man
bekommt in Berlin oder ähnlich großen Städten schnell das Gefühl, es gäbe noch
so viel mehr zu entdecken auf der Welt und es wird Zeit, mal rauszukommen.
Gleichzeitig machen so viele Optionen vielleicht auch gar nicht glücklich, wer
weiß.
Luserlounge: Ihr selbst macht ja deutschsprachige
Musik. Gibt’s irgendwelche Bands, die Euch inspirieren und wenn ja, sind diese
auch aus Deutschland? Wieso habt Ihr Euch denn dafür entschieden, auf Deutsch
zu singen?
Marius: Also bei den deutschen
Einflüssen muss ich mit Tocotronic alle hanseatischen Gymnasiasten-Klischees
bestätigen. Ist aber auch wahrscheinlich unmöglich, sich nicht auf die zu
beziehen.
Björn: Ich würde gerne
englisch texten können, versuche mich auch immer mal daran. Aber ich habe das
Gefühl, auf Englisch ist es noch gefährlicher, in Plattitüden zu verfallen, vor
allem wenn es nicht die Muttersprache ist. Zum Glück gibt es in beiden Sprachen
reichlich positive und negative Beispiele, um sein eigenes Zeug etwas besser
einordnen zu können.
André: Es gibt haufenweise
Einflüsse und die sehen auch bei jedem von uns anders aus. Das ist mal Fluch –
wenn man z. B. bei Songwriting-Diskussionen einfach nicht zu einem Nenner
findet, weil jeder eine andere Vision vor Augen hat –, oft aber auch Segen,
denn ich glaube, dass der bunte Mix dessen, was wir privat hören, uns zu einem
eigenständigen Stil verhilft, wenn auch eher unterbewusst. Und das mit dem
Deutschsprachigen geschah meiner Einschätzung nach ganz von alleine. Wir sind
nun mal Muttersprachler im Deutschen und glauben daran, dass man in seiner
Muttersprache immer noch die authentischsten Lieder schreiben kann. Bei mir
konkret kommt da an Vorbildern vieles zusammen: Was die Texte/Gesänge angeht,
stehen dann schon eher deutsche Lieblingsbands à la Muff Potter oder
Schrottgrenze Pate, beim Gitarrenspiel gucke ich mir hingegen gerne mal was von
meinen internationalen Helden wie Neil Young, The Cure oder Modest Mouse ab ...
oder versuche es zumindest. (lacht)
Jannis:
Ich spiele
Schlagzeug. Over ’n’ out. (lacht)
Luserlounge: Die Hamburger Musikszene ist ja nun
nicht gerade klein und hat einige sehr bekannte Acts am Start. Gibt’s da schon
Berührungspunkte, z. B. gemeinsame Auftritte?
Marius: Ich glaub’, sowohl Udo
Lindenberg als auch Jan Delay sind mal an mir in St. Pauli vorbeigelaufen. Für
’nen gemeinsamen Auftritt hat dieses Networking jedoch nicht gereicht.
Arrogante Säcke!
Luserlounge: Wo ich gerade schon Auftritte
angesprochen hatte: wo kann man Euch denn demnächst mal live sehen?
Björn: Am 19. November
spielen wir in Hamburg ein Soli-Konzert mit den Leuten von Spandau für Pro
Asyl, da freuen wir uns sehr drauf. Außerdem haben wir es für dieses Jahr
endlich geschafft, ein Konzert im Husumer Speicher um die Weihnachtszeit zu
organisieren – am 17. Dezember, das wird „Homecoming“ at its best!
Marius: Da werden wir dann Keine
Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen supporten! Außerdem haben wir die Ehre, am
8. Dezember für die wunderbaren Delorentos aus Irland in der Molotow SkyBar zu
eröffnen. Das wird schön!
Jannis:
Genau, für diesen
Auftritt lasse ich sogar eine Weihnachtsfeier sausen. Oh nein ...
Luserlounge: Auch wenn Ihr gerade erst ein Album
veröffentlicht habt, richtet Ihr den Blick ja sicher auch nach vorne. Sind
schon neue Songs in Planung und wie läuft der Songwriting-Prozess bei Euch ab?
André: Wie ich eingangs schon
sagte, sind die Lieder auf „Ziehen Sie ’ne Nummer“ allesamt etwas älter.
Deshalb haben sich tatsächlich schon zwei neue Songs in unsere Live-Sets
gemogelt. Zwei weitere befinden sich zurzeit im Proberaumstadium und von mehr
oder weniger fertigen Song-Ideen hat noch jeder von uns Zuhause ’nen Keller
voll! (lacht) Im Prinzip kann das zweite Album also bald kommen.
Björn: Um ehrlich zu sein,
kann ich kaum die Füße still halten, was neue Songs angeht! Da ist einiges
passiert seit den Albumaufnahmen und am liebsten würde ich damit sofort nach
vorne preschen. Aber ein bisschen Geduld ist da wohl leider noch gefragt. Auch
beim Songwriting hat sich was getan: fürs erste Album sind die meisten Songs
noch eher in Einzelarbeit entstanden und die Anderen aus der Band wurden erst
recht spät eingebunden. Mittlerweile passiert da mehr zusammen und jeder kann
sich mit seinen Stärken einbringen, das macht auch echt mehr Spaß!
Luserlounge: Mal ein ganz anderes Thema: Wie
schaut’s bei Euch in Sachen Fußball aus? Interessiert? Fans? Die
luserlounge-Redaktion besteht ja aus München Blau, München Rot und St. Pauli.
Habt Ihr da was beizusteuern?
Jannis:
Hätte
man mir vor 15 Jahren diese Frage gestellt, hätte ich Euch stundenlang von
Kahn, Ballack und Co. erzählen können. Jetzt ist das anders – auf das eine oder
andere St. Pauli-Spiel gehe ich schon, aber mehr als, wo das Millerntorstadion
ist, weiß ich über Fußball nicht ...
André: Wenn ich mich für eine
Sache so gar nicht interessiere, dann ist das Fußball. Sorry! Ganz so anti wie
Björn, der ja an WM-Spielen bewusst trotzig etwas anderes macht, bin ich zwar
auch nicht, aber da fragst Du dennoch den komplett Falschen.
Björn: Da der HSV ja
„unabsteigbar“ ist (hust), kann man sich als Hamburger getrost zurücklehnen und
sich Wichtigerem widmen. Und das mit der WM ist weniger Trotz als vielmehr die
Ausnutzung der seltenen Gelegenheit: Wann hat man schon mal die ganze Stadt für
sich, weil alle vor dem Fernseher hocken?!
Marius: Sonntagabends beim
Tatort? Hach, deutsches Fernsehen. Fazit: Kommando Kant sind die unsportlichste
Band Deutschlands. Wobei: Schaut Jochen Distelmeyer nach einem anstrengenden
Tag als Diskurs-Popper abends Sportschau?
Luserlounge: So, dann kommen wir langsam zum
Ende, aber ein paar zackige Stichworte habe ich noch mit der Bitte um spontane
Antworten und kurze Erklärungen:
1. Song des Jahres
2. Album des Jahres
3. Konzert des Jahres
André:
Puuh, ich fange
mal andersrum an. Mein bestes 2016-Konzert bisher war Kristofer Åström hier in
Hamburg. Der hat einfach richtig gute Musik gespielt, Punkt. Keine große Show,
kein Geschnörkel oder Gepose, nur gute Musik und zum Schluss noch ein Cover von
The Cures „Lovesong“. Bei der tollen Frage nach dem Album ärgere ich mich, dass
ich’s immer noch nicht geschafft habe, mir die neue Iggy Pop und die neue
Wintersleep anzuhören! Sicher heiße Kandidaten. Tja, dann fällt die Wahl wohl
auf Kommando Kants „Ziehen Sie ’ne Nummer“! (lacht) Und bei Song des Jahres
würde ich einfach mal spontan Spion Spion mit „Selbst meine Mutter“ nennen und
liebe Grüße nach Köln/Siegen raushauen!
Björn:
Das
Abschiedskonzert von Findus im Hamburger Uebel & Gefährlich – toll und
traurig zugleich.
Marius: Jannis und ich haben
erst vor ein paar Wochen die Swans aufm Kampnagel gesehen, das war extrem.
Außerdem hat der große Max Rieger bzw. All diese Gewalt mit „Welt in Klammern“
lässig das Album des Jahres aus dem Ärmel geschüttelt.
Jannis:
GoGo
Penguin haben mir im Mojo Club, auch in Hamburg, zu Anfang des Jahres den Atem geraubt!
Richtige Freaks!!!
Luserlounge: Super, vielen Dank. Wir wünschen
Euch alles Gute und hoffen, dass wir Euch demnächst auch auf der Bühne zu sehen
bekommen. Liebe Grüße ganz aus dem Süden in den Norden.
Björn: Wir haben zu danken!
Beste Grüße zurück.
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