(mb) Endlich gibt es wieder einen Wolf im Wald. Einen, der einsam jault inmitten einer sternenklaren, kalten Aprilnacht. Einen, der melancholisch verträumt, nicht vom Hunger sondern von seinen Träumen getrieben umherirrt, von Kieferbaum zu Kieferbaum, planlos, in Gedanken versunken. Kleine Schäfchen erschrecken sich beinahe zu Tode ob der zufälligen Begegnung. Doch der Wolf torkelt einfach vorbei, sehnsüchtig der nächsten erhabenen Erscheinung nachhängend.
Lord Huron ist eine amerikanische Band aus Minnesota, die für das gerade geschilderte Szenario den Soundtrack liefern könnten. Die Schablone an animalischen Texten, die weniger evolutionär als traumwandlerisch und existenziell verstanden werden kann, ist sehr großflächig angelegt. Deshalb folgt dem Inhalt auch die Betitelung des Albums stringent: "Strange Trails". Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es eben nicht immer heraus.
Wie schon Bon Iver, S.Carey oder Edward Sharpe jault der einsame Koyote Ben Schneider, seines Zeichens Mastermind und Sänger hinter dem Quintett mit wechselnder Besetzung, gehörig in den Wald hinein und bedient damit einige nordamerikanische, romantisch verklärende Klischees. Mytische Gruselgeschichten reihen sich im Bluegrass/Americana Mantel gehüllt an dem wahren amerikanischen Traum auf: Sink or swim. Wenn du nicht kämpfst, hast du schon verloren. Es kann nicht jeder schaffen. Darum entfliehe wo du nur kannst. Oder lauf einfach weiter. Immer weiter, einsamer Gefährte.
Abgesehen von mancher Banalität und allzu vielen Halleffekten ist das Album, welches bereits Anfang April erschienen ist, vor allem den bärtigen Hipstern zu empfehlen, die sich nach außen hart geben und in Wahrheit gar nicht so happy damit sind ständig sinnlose Projekte zu pitchen. So gern würden sie mit ihren Fixie Bikes in den Wald fahren und rasiert und nackt (natürlich seelisch) vor einer Blockhütte frühmorgens stehen und in den frischen Tau zu blicken, während sie viel zu scharfen Filterkaffee trinken. Aber selbst der Otto-Normal Folk-Fan kann bedenkenlos zugreifen, denn man verliert sich schnell in diesen unwegsamen Gelände an Genuschel, Getuschel und Gitarrengezupfe.Vor lauter Bäumen sieht man den Wald kaum noch.
Highlights des Albums sind "Fool for Love", "Cursed" und "The night we met". Hierzulande sind sie leider dieses Jahr voraussichtlich nicht zu bestaunen. Das stört den einsamen Wolf nicht.
Dem sei eines noch hinzuzufügen:
Füchse sind doch gar keine Rudeltiere.
Wölfe aber eigentlich schon.
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