(SF) 23 Bandjahre, 13 Alben und ein paar EPs – und Gott sei Dank kein Ende in Sicht! Ich muss Euch vorwarnen: Dieser Bericht wird sehr subjektiv sein, denn Therapy? sind seit 1993 meine Lieblingsband, ich habe sie unzählige Male in mehreren Ländern live gesehen und für mich wird es wohl nie mehr eine Band geben, die mir mehr bedeutet als die Herren aus Nordirland.
Gegründet wurde Therapy? in Larne von Andrew James Cairns (Gesang & Gitarre), Michael McKeegan (Bass) und Fyfe Ewing (Drums) und schon mit ihren ersten Demos eroberten sie den nordirischen und englischen Untergrund. Der erste Plattendeal ließ nicht lange auf sich warten und auch das Debütalbum Babyteeth (1991) ließ gewaltig aufhorchen. Besonders bemerkenswert finde ich, dass noch heute einige der Songs von damals regelmäßig im Live-Programm auftauchen und richtig gut funktionieren. 1992 folgten dann Pleasure Death und Nurse, die bereits erahnen ließen, zu was Therapy? fähig sein würden und mit denen die Band erstmals europaweit auf Tour gingen. Das Jahr der EPs war dann 1993: Shortsharpshock, Face The Strange und Opal Mantra wurden veröffentlicht und als ich das Video zu Letzterem auf MTV (ja, da wurde damals noch Musik gezeigt!) sah, war es um mich geschehen! Diese Rock-Attitüde gemischt mit poppigen Melodien und interessanten Texten war einfach sehr verlockend! Und als 1994 dann Troublegum auf den Markt kam und richtig steil ging, merkte ich, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine war. Das Album erreichte die Top 5 im UK und gleich mehrere Singles (Nowhere, Screamager, Die Laughing) gingen in England in die Top 20. Therapy? waren groß geworden und wurden in einem Atemzug mit Green Day, Offspring usw. genannt – und ich sah mein erstes T?-Konzert damals am 17.12.94 im Terminal1 des alten Riemer Flughafens. Eine Offenbarung! Das Shirt von damals trage ich heute noch voller Stolz…
Die Welt stand den drei Nordiren offen und ein zweites Troublegum hätte die Band wahrscheinlich auch finanziell in andere Sphären gehoben, doch Therapy? wären nicht Therapy?, wenn sie das gemacht hätten, was jeder von ihnen erwartet. Nein, es folgte Infernal Love (1995), ein durch und durch düsteres und melancholisches Album und somit das krasse Gegenteil von Troublegum. Ein kommerzieller Selbstmord, aber genau dafür liebe ich die Band so. Erstmals als Gastmusiker vertreten war hierbei der Gitarrist und Cellist Martin McCarrick, der auch für den unverwechselbaren Sound auf einem der bekanntesten T?-Tracks, dem Hüsker-Dü-Cover „Diane“, verantwortlich ist.
1996 brachte erstmals Umstrukturierungen innerhalb der Band: Fyfe Ewing verließ Therapy? (und zog sich für mehrere Jahre komplett aus dem Business zurück) und wurde durch den Iren Graham Hopkins ersetzt; zudem wurde McCarrick Vollmitglied der Band, was sich vor allem live außerordentlich positiv auswirkte, da eine zweite Gitarre und ein E-Cello natürlich völlig neue Möglichkeiten eröffneten. Therapy? gingen in Nordamerika auf Tour und beschränkten sich ansonsten hauptsächlich auf die Vorbereitung des nächsten Albums. Dieses erschien dann jedoch erst 1998 und war wieder deutlich pop-orientierter. Semi-Detached konnte dennoch nicht an den kommerziellen Erfolg von Troublegum anknüpfen und geht trotz einiger wirklich geiler Tracks (Lonely, Cryin‘ Only, …) in der Diskographie ein wenig unter; in den USA wurde die Scheibe nicht mal veröffentlicht und letztendlich trennte man sich auf sehr unerfreulich Art und Weise vom Label A&M. Keine Plattenfirma, kein Erfolg – es sah nicht gut aus um Therapy?, doch genau aus dieser Situation zog die Band eine ungemeine Kraft und wuchs zu einer Einheit, die im Begriff war, das bis dahin (und vielleicht bis heute) beste Therapy?-Album zu produzieren. Schließlich kam man 1999 bei ARK21 unter und veröffentlichte Suicide Pact - You First, ein Album, das gar nicht erst den Anspruch erhob, sich gut zu verkaufen, aber genau deswegen so genial ist. So viel Wut, so viel Energie und überragende Texte – Therapy? hatten sich neu erfunden und waren zurück!
Nach einer Best Of-Scheibe im Jahr 2000 folgte Shameless (2001) und ich muss gestehen: das Album war und ist für mich eine riesige Enttäuschung. Nach SP-YF hatte ich mir einen würdigen Nachfolger erhofft, ein Album, das daran anknüpft und rockt wie die Sau! Aber wie vorhin bereits erwähnt: Therapy? machen selten das, was man erwartet, sondern das, was ihnen gefällt – und das ist ja auch gut so. Trotzdem: Shameless und ich werden keine Freunde mehr!
Das Jahr endete mit einem fiesen Deja-Vu: der Plattendeal war weg und auch der Drummer, denn zwei Tage vor Weihnachten eröffnete Graham Hopkins der Band, dass er zukünftig seine eigenen Wege gehen werde…
Bei der folgenden Tour sitzt der mittlerweile leider verstorbene Keith Baxter an den Drums, wird jedoch kurze Zeit später durch den Engländer Neil Cooper ersetzt. Mit Spitfire wurde zudem ein neues Label gefunden und mit neuem Elan machte man sich ans neue Album.
2003 wurde High Anxiety veröffentlicht und markierte den Wendepunkt zum Guten, denn seitdem wusste wirklich jedes Album auf seine Art zu überzeugen. „Hey Satan You Rock“ als Einsteiger zeigte ganz klar, wohin der Weg führen sollte und dieser zog sich durchs komplette Album. Es sollte jedoch die letzte Aufnahme mit Martin McCarrick sein, der anschließend die Band verließ und mittlerweile sehr experimentelle Techno-Musik produziert – wem es gefällt, für den ist es riesig!
Bereits 2004 folgte Never Apologise Never Explain – der Name ist Programm bei Therapy?, die immer ihr Ding durchzogen, auch wenn Charts-Platzierungen mittlerweile absolut utopisch waren. Auch das wieder ein sehr solides und gute Album mit der ein oder anderen poppigen Melodie und dem Mörder-Gitarren-Riff bei „Polar Bear“.
Im Folgejahr wurde ausgiebig getourt und 2006 stand der Release von One Cure Fits All auf dem Programm – auch hier gilt: keine Hit-Singles, aber ein in sich stimmiges und kraftvolles Album!
Nun gönnten sich Therapy? eine kleine Verschnaufpause: Andy Cairns war Vater geworden, Michael „Mikehell, the Evil Priest“ McKeegan ausgelaugt und Neil Cooper frisch verheiratet – die Musik trat erstmal in den Hintergrung und neue Inspiration war nötig!
2009 stiegen Therapy? dann auf wie Phönix aus der Asche: Crooked Timber heißt das Comeback-Album und war (wieder mal) anders als alles, was man vorher von der Band gehört hatte! Sehr viel rhythmischer und basslastiger als die Vorgänger und A-Z stimmig! Ganz großer Sport, auch wenn man nicht glauben möchte, dass diese Band einst Troublegum produziert hat…
Es folgte das sehr starke Best Of-/Live-Album We’re Here To The End und eine ganz besondere Tour: neben den aktuellen und besten Songs spielten Therapy? mehrere Gigs, bei denen sie ihr legendäres Troublegum-Album von vorne bis hinten durchspielten. Für Fans der ersten Stunde oder später Dazugekommene natürlich der Wahnsinn und für mich persönlich eine wunderschöne Erinnerung an die Anfangszeiten!
Nun schreiben wir 2012 und A Brief Crack Of Light hat das Licht der Welt erblickt! Was soll ich sagen? Ich finde es einfach nur geil! Die Single „Living In The Shadow Of The Terrible Thing“ war als Teaser sehr gut geeignet, das Instrumental „Marlow“ fesselt ungemein, „Before You, With You, After You“ ist mein persönliches Highlight und „Ecclesiastes“ schließt ein fantastisches Album ab, das ich jedem nur ans Herz legen kann. Hört es Euch unbedingt mehr als einmal an – gerne auch in der Lila-Vinyl-Edition, die fast noch besser – weil rauher – klingt!
“The cradle rocks above an abyss, and common sense tells us that our existence is but a brief crack of light between two eternities of darkness.” Vladimir Nabokov
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