Montag, 14. April 2025

Leselounge: Rafael Schmauch - Battlerap

(Ms) In meiner Lieblingsbuchhandlung gibt es ein ganzes Regal nur für Bücher über Musik. Biographien, die KiWi-Reihe über Popmusik, Bildbände undundund. Tatsächlich finde ich sowas wenig interessant. Bücher über Musik, ihre geschichtliche Wirkung, Funktionsweisen müssen schon wirklich gut geschrieben sein, damit sie spannend sind, damit man beim Lesen etwas lernen kann, damit sie auch zu einem gewissen Grad Unterhaltung sein können. Klar, auf dieser Seite gibt es auch einige, richtig gute Bücher wie Electri_City oder Futuromania.

Doch das Buch über Musik, das ich in den letzten Tagen in meinen Händen hielt, schlägt ein gänzlich neues Kapitel in diesem literarischen Subgenre auf. Denn Battlerap von Rafael Schmauch ist nicht nur unsagbar gut geschrieben, toll recherchiert, sondern vielleicht auch etwas wie ein modernes Standardwerk für ein ganzes Genre. Zugegebenermaßen habe ich noch nie ein Buch über Rap gelesen oder gar die HipHop-Kultur außer Signifying Rappers von David Foster Wallace. Das, was Rafael Schmauch hier darbietet, ausbreitet, analysiert, ist schlicht und einfach genial. Und das liegt daran, dass er die Perspektive von innen und außen kennt. Rafael Schmauch ist Battlerapper und nennt sich dann Papi Schlauch und kennt die Szene ziemlich gut. Und genau das ist es auch, eine Szene. Battlerap, das habe ich auch dazu gelernt, hat wenig mit dem Studio-Rap zu tun, über den wir hier auch schreiben. Große Liebe an Waving The Guns, Juse Ju, Zugezogen Maskulin, Fatoni und auch die Altvorderen Fettes Brot. Die Texte, die die Battle-Kontrahenten schreiben, sind nur für diesen einen Moment, in dem sie sich gegenüber stehen. Wochen und Monate tüfteln sie an den richtigen Reimen und der richtigen, passenden, treffenden Form der Beleidigung.

Denn darum geht es. In der Szene und im Buch. Und wie Rafael Schmauch die unterschiedlichen Weisen der Beleidigungskunst seziert, ist nichts anderes als beeindruckend! Wichtig für das Verständnis ist, dass es immer nur um die Kunstfigur mit einem Alias auf der Bühne geht. Die Beleidigung soll clever, unterhaltsam, mitunter auch hart sein. Aber die Beteiligten des Wettkampfs geben auch zu Protokoll, dass sie sich dadurch nicht persönlich angegriffen fühlen. Das sind die unausgesprochenen Regeln. Wie viel Zeit in so einem Text stecken kann, wie viel Vorbereitung, Recherche zeigt der Autor in zahlreichen Beispielen. Was für eine Mühe! Denn die lassen sich nicht nachlesen. Rafael Schmauch muss also stundenlang Battles angesehen und transkribiert haben!
Und dann geht das Buch so richtig auf. Denn Papi Schlauch seziert einzelne Battles, dröselt Reimstrukturen auf, analysiert das Für und Wider einer gelungenen Punchline und geht dabei auch immer wieder mit sich ins Gericht, wenn er über Gelungenes auf der Bühne und Griffe ins Klo berichtet. Dabei portraitiert er unterschiedliche Protagonisten, von denen ich bislang noch nie gehört habe. Zudem gibt er eine Übersicht über die unterschiedlichen Battle-Ligen und deren Funktionsweise.

Beim Lesen dieses Buches habe ich mich auch gefragt, warum diese Szene so wenig künstlerische Aufmerksamkeit bekommt?! Das, was die Rapperinnen und Rapper immer wieder in der Crowd bieten, ist hohe Kunst. Die Leute, die sich dort gegenüber stehen, haben ein irres Gespür für Sprache, einen extrem ausgebauten Wortschatz, viel Sinn und (Bauern-)Schläue, mit Sprache umzugehen! Bis es soweit ist, dass diese Menschen den Grimmepreis bekommen, ist die Lektüre dieses Buchs angebracht! Das ist einfach nur genial und eine große, große Leseempfehlung.

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