Freitag, 13. Dezember 2019

Adventskalender, Türchen 13: Die luserlounge selektiert!

Quelle: tier-adventskalender.com
(sb/ms) Klar, es gibt genügend Gründe, warum man niedergeschlagen und hoffnungslos durch den Alltag stampfen könnte. Ein Blick in die internationale Politik, völlige Lethargie in der Klimasache, völliger Ausverkauf des Fußballs, große Unterschiede in der Vergütung zwischen Männern und Frauen...
Ach, ich wollte doch keine Abwärtsspirale zeichnen, sondern etwas entgegensetzen. Gegennarrative nannte der wunderbare Hannes Wittmer das auf seinem Konzert in Hamburg.
Hier ist eins: Bin dieser Tage am späten Nachmittag heim, genügend Aufgaben warten noch, ich war müde und kaputt aber irgendwie gut drauf. Ah, ich brauchte auch noch ein Brot, zum Glück ist der Bäcker meines Vertrauens nur wenige Meter entfernt. Also noch hin. Und da stand sie, meine Lieblingsbäckereifachverkäuferin mit einem irren Lächeln im Gesicht. Die gute Dame ist 92 (zweiundneunzig!!!), arbeitet seit 55 (fünfundfünfzig) Jahren in dem gleichen Geschäft und ist putzmunter. Wir plauderten etwas, sie erzählt von ihren Söhnen und Enkelinnen, auf die sie mächtig stolz ist. Klar. Sie empfahl mir ein Brot, das sie auch gerne mag. Und dann das: "Wenn mich die Leute fragen, was mein Geheimnis ist, wie ich so alt geworden bin?! Dann sage ich: Ich habe immer gutes Körnerbrot gegessen." Mann, ich glaube dieser Frau alles. Auch den Abschlusssatz: "Früher gab es mehr Torte." Eine tolle Frau!

Und vom leicht sentimentalen Ausflug in die Welt der Töne. Luserlounge. Freitag. Selektion!

Hanse Song Festival
(ms) Stade. Da fährt man durch, wenn man von Hamburg aus nach Cuxhaven an die Nordsee möchte. Vorher geht es noch durch Buxtehude. Ja, richtig gelesen. Die große Frage lautet: Wie hat sich diese Stadt nur zu einem spannenden Ort musikalischer Ereignisse gemausert?! Klar, es kann nicht immer nur alles in HH stattfinden. Denn neben dem sommerlichen Müssen Alle Mit gibt's stets um Ostern das Hanse Song Festival. Beide Veranstaltungen eint, dass das Line-Up stets mit unglaublich viel Geschmack, Händchen und Erfahrung kuratiert ist. Das Hanse Song Festival findet an einem Tag in mehreren Veranstaltungsorten statt, so kann man sich treiben lassen ohne gestresst zu werden! Der einzige Nachteil ist sicherlich, dass Jever der große Sponsor ist. Es gibt auch im Norden leckereres Bier! Doch wenn Niels Frevert, Wallis Bird, Lambert oder Ian Fisher spielen, ist auch egal, welches Getränk gerade in den Händen auf Genuss wartet. Große Empfehlung für einen Trip in den Norden!



Noisehausen New Year's Bash 
(ms) Okay, dann gibt es direkt die nächste Ankündigung für ein Festival, das handverlesene Künstler auftreten lässt. Das Noisehausen New Year's Bash! Vom Norden also nach Oberbayern! Über Schrobenhausen kann ich nun gar nichts sagen, da brauche ich mit der Bahn 7 Stunden hin, nach Stade etwas mehr als eine.
Einerlei. Es geht ja um Musik. Mastermind hinter den Noisehausen Festivals ist übrigens unser 3. Adventskalendertürchen! Und die gute Frage 'Warum nicht mal ein Festival im so frischen Jahr?' wird hier direkt beantwortet. Ein guter Anlass die ganzen Pseudovorsätze direkt zu brechen. Im Jugendzentrum GreenHouse wird kräftig aufgedreht, sodass die 17.000 Einwohner bitte etwas davon mitbekommen, wenn Sedlmeir zum Tanz lädt oder Blackout Problems die Boxen zum Beben bringen. Tickets in all möglichen Variationen gibt's natürlich immer am besten beim Veranstalter selbst. Eine spitzen Idee, wenn ihr - so wie ich - auch noch überhaupt keine Vorstellungen habt, was für die Lieben unter'm Baum landen soll!




Kliffs
(sb) Sie aus Deutschland, er aus Kanada - und trotzdem wurde aus einem Traum Wirklichkeit und Temporary Cures vergangenen Freitag veröffentlicht. Als "echtes Transatlantik-Baby" bezeichnen Mark Bérubé und Kristina Koropecki ihr Debütalbum und könnten stolzer kaum sein. Kein Wunder bei der Vorgeschichte, denn nachdem sich die beiden Musiker bereits vor über zehn Jahren in Montreal kennengelernt hatten, schloß sich Koropecki Marks Soloprojekt zunächst als Livemusikerin an und tourte ausgiebig mit, ehe man gemeinsam in Berlin strandete und - man möchte es kaum gleuben - erstmal wieder getrennte Wege ging, obwohl bereits die ersten gemeinsamen Songs entstanden waren. Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? So dauerte es bis 2018, bis endlich das gleichberechtigte Duo-Projekt Kliffs aus der Taufe gehoben wurde - was für eine schwere Geburt! Das Warten hat sich indes gelohnt, denn Temporary Cures pendelt gekonnt zwischen klassischem Songwriting und einfachen, aber dennoch mitreißenden Grooves. Gerade diese Diversität ist es, die das Album aus der Masse hervorhebt und Vorfreude auf die im Frühjahr 2020 anstehende Europatour bereitet.



Hello Emerson
(sb) Folk as folk should be! Echt jetzt! Hello Emerson stammen aus Ohio, also strammer Mittlerer Westen, Trump-Land - und doch hört man jedem einzelnen Track an, dass die Band um Sänger und Songwriter Sam Bodary ganz sicher nicht zur Wählerschaft des gelbhaarigen Cholerikers zählt. Nicht etwa, weil How To Cook Everything (VÖ: 24.01.2020) ein besonders politisches Album wäre (ist es beileibe nicht!), sondern weil es trotz reichlich Herzblut sehr intelligent, witzig und wortgewandt ist und geradezu vor Kreativität sprüht. Insbesondere textlich glänzen Hello Emerson durch zahlreiche Perlen und erzählen außergewöhnliche Geschichten wie die des Torwarts einer Hallenfußball-Mannschaft, dem die Bälle nur so um die Ohren fliegen oder die der Frau mittleren Alters, die erstmals ihre Heimat Arkansas verlässt, um Jahre später die verflossene Liebe zu ihrem Highschool-Schwarm aufleben zu lassen. Knapp 50 Musiker waren übrigens an der Fertigstellung des Albums, dessen Titel übrigens einem gleichnamigen Kochbuch entliehen wurde, beteiligt. Eine logistische Meisterleistung, diese Vielzahl an Künstlern innerhalb von nur drei Studiotagen zu arrangieren, aber das Ergebnis kann sich mehr als hören lassen. Und bei Am I The Midwest wirds dann halt doch politisch, aber hört selbst...



Fat Freddy's Drop
(ms) Die Redaktion eures Vertrauens hat durchaus unterschiedliche Geschmäcker. Sonst wäre eine so dermaßen abwechslungsreiche Rubrik wie diese hier auch gar nicht machbar. Ja, ab und an gehen wir natürlich auseinander. Aber bei einem sind wir seit einiger Zeit erstaunlich einig: Dass die allermeisten Künstlerinnen und Künstler aus dem Genre Neo-Klassik eine erstaunlich beruhigende und faszinierende Wirkung auf uns haben. Bezaubernd. Höre das gerne, wenn ich abends länger am Schreibtisch sitze und mich konzentrieren muss.
Dieser Tage lief da aber gänzlich andere Musik und ich war ebenso entspannt und konzentriert. Ein Effekt, den ich zugegebenermaßen nicht erwartet habe. Es lief: Fat Freddy's Drop mit ihrem neuen halben Album Special Edition Part I, das am 10. Januar erscheint. Die andere Hälfte folgt kommendes Jahr nach einer größeren Tour, die auch hierzulande Halt macht (s.u.). Mit so einer Veröffentlichungspolitik tue ich mich äußerst schwer. Da schwingt zu sehr Geldmacherei mit und über eine größere ideologische Leitlinie weiß ich nichts. Bauchschmerzen.
Keine Bauchschmerzen habe ich allerdings beim Hören, trotz dass ich seit Ewigkeiten keinen Reggae mehr bewusst hörte. So strömt bei allen sechs Liedern doch eine wunderbare Entspannung, eine wahnsinnige Lässigkeit und ja, auch etwas Sommergefühl mit. Über die Vermarktung muss sich jeder ein eigenes Urteil machen, der Sound überzeugt in jedem Fall!

07.03.2020 Zürich - Halle 622
09.03.2020 Frankfurt - Jahrhunderthalle
13.03.2020 Berlin - Max-Schmeling-Halle
14.03.2020 Ludwigsburg - MHP-Arena
16.03.2020 Fürth - Stadthalle
12.05.2020 Köln - Palladium
13.05.2020 Bremen - Pier 2



13 Crowes
(sb) Schottland, Arbeiterklasse - wer das schon live erlebt hat, der weiß, wie die Leute ticken und dass das nicht gerade ein Zuckerschlecken ist. Cammy Black, Frontmann der 13 Crowes, weiß davon ein Lied zu singen (genauer gesagt: mehrere!), steht in seiner Vita doch bereits Boxer, Maurer und Sohn einer Familie, die über Generationen hinweg aus Fabrikarbeitern besteht. Klar, das klingt schon verdächtig nach The Gaslight Anthem, aber da gibts wahrlich schlimmere Referenzen. Textlich wird Authentizität groß geschrieben und Solway Star (VÖ: 24.01.2020) erzählt Geschichten aus dem wahren Leben.

19.02.2020 CH-Zürich, Hafenkneipe
20.02.2020 DE-Stuttgart, JuHa West
21.02.2020 DE-Trier, Mergener Hof
22.02.2020 DE-Bochum, Trompete
23.02.2020 DE-Hamburg, Astra Stube
25.02.2020 DE-München, Zehner
26.02.2020 DE-Frankfurt, Nachtleben
27.02.2020 DE-Hannover, Lux
28.02.2020 DE-Berlin, Cassiopeia
29.02.2020 DE-Mönchengladbach, Waldhausen Astoria



Georgia
(ms) "Worüber ich derzeit viel nachdenke" ist auch einer der dämlichsten Einleitungen überhaupt. Was interessiert es den Lesenden denn, womit der Schreibende seine Zeit verbringt?! Wir machen es trotzdem: Ich denke derzeit in puncto Musik viel über rote Fäden in Alben nach. Muss ein durchgehendes Motiv erkennbar sein? Ein roter Faden zum Hören? Brauche ich das, um Musik harmonisch genießen zu können? Verfliegt der musikalische Geist, wenn zu viele Brüche darin enthalten sind?! All das ist möglich. Georgia bietet eine astreine Konfrontation genau mit dieser Frage auf ihrem Album Seeking Thrills, das am 10. Januar auf Domino erscheinen wird. Natürlich ist das ganz viel großer Pop. Dieser ist ganz fein arrangiert. Gute Autofahrmusik, sehr geeignet zum Tanzen. Bis zu diesen besonderen Takten und Punkten. Wenn gebrochen wird. Auf Mellow ist es Trap auf dem Opener Started Out gar klassisch avantgardistischer Gesang. Eine enorme musikalische Reife schwappt aus diesem Album heraus, und das ist gerade mal das Zweite der Künstlerin. Und das wirklich Bemerkenswerte: Es passt wirklich. Ja, der rote Faden ist hörbar, wenn auch nicht ganz klar zu benennen. Vielleicht ist es gerade dieser äußerst experimentelle Faktor, der ein Ganzes bildet.
Wie sich das live anhört, ist hier zu entdecken:

13.02.2019 - Köln, Luxor
16.02.2019 - Hamburg, Uebel & Gefährlich
22.02.2019 - Berlin, Gretchen

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