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Top 3 Alben 2017:
Benjamin Clementine – I Tell A Fly
Das Album, das mich dieses Jahr wohl am meisten wachgerüttelt hat, war I Tell A Fly von Benjamin Clementine. Hier wird der Hörer herausgefordert, es werden Songstrukturen durchbrochen, neue Wege beschritten, Elemente miteinander verbunden, die einen nach dem Hören nichtsahnend zurücklassen. Man möchte verstehen, was dort passiert ist, hört sich das Album nochmals an und man tut es immer wieder. I Tell A Fly ist ein Album zum Hinhören, es mag beim ersten Durchlaufen abschreckend wirken. Wie das Eintauchen in eine neue Welt, in der man sich erst einmal zurecht finden muss. Aber es ist eine Welt voller musikalischer Finessen, eine Welt, in der Klassik auf neuartige Klänge trifft und die den Zuhörer über seine gewohnten Muster wachsen lässt. Es lohnt sich, sich einen Abend Zeit zu nehmen, zusammen mit einem Erfrischungsgetränk eurer Wahl und sich auf die Reise zu begeben, auf die Benjamin Clementine einlädt.
Alt-J – Relaxer
Alt-J ist wohl jedem Leser des geschätzten Musikblogs luserlounge ein Begriff. Die drei Musiknerds haben es mit den letzten Alben geschafft eine neue Seite der Indie-Szene in das Bewusstsein des Mainstreams zu bringen, die vorher lediglich Kennern vergönnt war. Mit ihrem diesjährig erschienenen Album haben sie ihre musikalische Reise nun fortgeführt und eine neue Facette der Band hervorgeholt. Hatte man bei ihrem Debüt noch das Gefühl, dass dort eine Band nur darauf wartet sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, voller Ideen im Kopf, ist dieses Gefühl bei Relaxer nun nicht mehr in solch einem Maße zu spüren. Es scheint als wäre die Band in einer Phase der Selbstfindung angekommen, die sich in experimentellen Klängen äußert. Alt-J wissen, was sie ausmacht und genau diesen Ansatz nutzen sie, um Experimente mit dem zu wagen. Das Album hat für mich in diesem Jahr einen besonders großen Stellenwert, weil es genau im richtigen Moment erschienen ist. Inmitten einer Phase der Neuorientierung hat das Trio diese musikalisch untermalt und Musik dazu geliefert, die dazu einlädt sich auf das Wesentliche zu berufen, Schritte zu überdenken und voller Elan voranzuschreiten. Insbesondere In Cold Blood weiß mit seiner Inszenierung zu überzeugen, Blasinstrumente heben den Chorus auf eine neue Ebene, nur um das Lied daraufhin wieder zusammenfallen zu lassen und das ganze zu einem Ende zu führen, das es in sich hat.
Royal Blood – How did we get so dark?
Wenn sich die Rhythmussektion einer konventionellen Band zusammentut, um Lieder zu schreiben, könnte der Eindruck entstehen, die von uns allseits geliebte E-Gitarre würde eine schmerzliche Lücke hinterlassen . Dass diese Formation doch sehr gut funktioniert wissen wir spätestens seit Death From Above 1979, die den Bass derartig prägnant in Szene setzen, dass man gar nicht merkt, dass sich da eine Person zu wenig auf Bühne und Album befindet. Dieses Prinzip haben Royal Blood fortgeführt und mit ihrem Debüt gezeigt, dass Rock-Musik auch ohne Gitarren auskommt. Mit dem Nachfolger How did we get so dark? hat das Duo nicht nur bewiesen, dass sie an alten Schemas anknüpfen können, sondern direkt einen energiegeladenen Soundtrack für Nächte hingelegt, die durchzecht werden wollen, vollgepackt mit Basshooks, die man in die Dunkelheit hinaussingt.
Top 3 Songs 2017:
Portugal. The Man – Feel It Still
Gerne hätte ich Portugal. The Mans Album Woodstock in die Liste der Top-Alben aufgenommen, ist diese Band doch seit Jahren mein musikalisches Mekka, das es mit jedem Album gekonnt schaffte eine Phase meines Lebens musikalisch zu untermalen. Im neuesten Werk der Lords of Portland (den Namen haben sie sich übrigens selbst gegeben), fehlt irgendwie dieser Anknüpfungspunkt. Zwar haben es Portugal. The Man geschafft im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit anzukommen, sogar jüngst auf den American Music Awards vor einem Publikum Musikschaffender zu spielen, die den Sound des Mainstreams bedeutend prägen, doch hat die Band auf diesem Weg ein wenig ihrer Individualität für mich verloren. Die Songs des Albums sind nicht schlecht, stehen aber im Schatten der extrem großen und reichhaltigen Discographie der Band, die in ihrer Anfangszeit so produktiv war, dass sie jedes Jahr ein Album herausbrachten. Feel it still ist dennoch ein Song, bei dem man schwerlich die Füße still halten kann, der prägnante Bass, John Gourleys einzigartige Stimme und die Eingängigkeit des Songs reißen mit und werden sicher auf der ein oder anderen Indie-Party für exzessive Tänze sorgen.
Queens of the Stone Age – The Way You Used To Do
Ähnlich geht es mir mit Queens of the Stone Age, die mit ihrem Vorgänger …Like Clockwork ein derartiges Epos hervorbrachten, dass diese Platte wahrscheinlich in 40 Jahren noch Gänsehautmomente bereiten wird. Ihr neuestes Album kann da nicht ganz mithalten, aber The Way You Used To Do wird in einer Lässigkeit präsentiert, die dazu verkeutet am liebsten sofort die eigene Lederjacke und Sonnenbrille herauszuholen und sich lässig im Takt der Musik auf der Tanzfläche zu bewegen (selbst wenn man wie ich keine Lederjacke besitzt).
Father John Misty – Total Entertainment Forever
In Zeiten, in denen fast jedes Bedürfnis quasi mit einem Klick befriedigt werden kann, liegt die Frage nah, wie es dazu kam und wohin das ganze noch führen mag. Diese Absurditäten des Lebens hat Father John Misty, ehemals Folk-Barde bei den Fleet Foxes und nun Solokünstler mit dem Hang zum Zynismus, mit seinem neuen Album vertont und festgestellt, dass es sich beim Leben um eine große Pure Comedy handelt. Total Entertainment Forever zeigt auf humorvolle Weise auf, was die mediale Veränderung und der ständige Drang nach Unterhaltung mit uns macht und paart das ganze mit einer ohrwurmverdächtigen Melodie, die von einer orchestralen Instrumentalisierung getragen wird. Ein Lied, das einem lange im Kopf bleibt, auch aufgrund der Thematik.
Bestes Konzerterlebnis 2017:
Alt-J auf dem Southside Festival
Ich habe Alt-J vor einigen Jahren bereits auf dem Southside Festival gesehen und war von ihrer Performance zu diesem Zeitpunkt ein wenig enttäuscht. Man erwartet von dem Trio jetzt zwar keine fuluminante Show mit Pyroeffekten und ellenlangen Ansagen, aber irgendwie war der Eindruck trotz sehr guter Alben getrübt. Alt-J konnte diesen Eindruck dieses Jahr jedoch wieder wettmachen und mich davon überzeugen, dass sie live genauso mitreißend sind wie auf ihren Alben. Drei Musiknerds aus der ersten Reihe dabei zu beobachten, mit welchem Können sie ihre Fach beherrschen war eine wahre Freude. Zwar beschränkten sich die Ansagen auf ein einfaches Dankeschön, aber der Funke ist übergesprungen. Ich hatte mindestens genauso viel Spaß beim Zuschauen wie die Band beim Spielen der Lieder. Dank Live-Mitschnitt kann ich das ganze nun auch immer wieder Revue passieren lassen und Zuhause vorm PC so laut mitsingen wie auf dem Southside Festival :)
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