Bild: Wolfgang Sehofer (Universal Music) |
(mb) Die neuen Austropop-Helden WANDA veröffentlichen an diesem Freitag
ihr drittes Studioalbum „Niente“. Eine Band, die so schnell gehyped wurde, dass
es ihr selbst wohl schon unheimlich war. Nicht nur die Heavy Rotations auf den
Radiosender, auch die ekstatische Performance auf der Bühne sprach sich schnell
herum. Jeder hörte es, jeder wollte und will die Wiener sehen. Die Band ist
quasi fast ununterbrochen drei Jahre lang unterwegs gewesen. Das spiegelt sich
auch im neuen Album „Niente“ sehr stark wider.
Der neue Longplayer ist äußerst selbst referentiell
und spielt sich – augenscheinlich – in der Zeit vor dem ersten Album ab. Es ist
ein Konzeptalbum, das musikalisch mit größeren, ja fast opulenten Arrangements
garniert wurde, die dem Sound merklich guttun. Am Klang erkennt man WANDA
dennoch sofort wieder. Wenngleich weniger rotzig, dafür orchestrierter und
aufgeräumter. Die textliche Verschrobenheit ist auch nichts Neues, Sänger Marco
Wanda überlässt die Deutungshoheit seit jeher dem Hörer. Natürlich angenehm Wienerisch
singt er so daher - um einen Referenzrahmen beim Hörer zu stiften und um Metaphern
vergangener Erinnerungen zu kreieren.
Aber in Wahrheit ist die Platte eine düstere
Konsequenz der letzten Jahre. Ein Erklärungsversuch.
„Niente“ eröffnet mit „Weiter, Weiter“. Ein Stück, ganz typisch orchestriert, handelt vom
getriebenen Gegenwarts-Ich, welches auf der Suche nach der Unbekümmertheit
vergangener Tage ist. Man nehme die Zeile „immer
brauch ich mehr und mehr, immer leichter wird es schwer und schwer“. Die
Angst wird größer – „alles wirft mich aus
der Bahn“. In der Hoffnung, dass das alltägliche Hetzen bald ein Ende hat
und man aus dem Hamsterrad raus kann – „vielleicht
dauert´s nimmer lang, vielleicht fängt es von vorne an, irgendwann“.
Bild: Universal Music |
Anschließend nehmen die beiden sehr soliden Single-Auskopplungen
„Columbo“ und „0043“ einen Platz ein, die die Sehnsucht an vergangene
Kindheitserinnerungen wieder aufleben lassen. Mit „Lieb sein“ folgt ein nerviger, völliger unnötiger Track, der mit
der kindlich gesungenen Art einfach herausradiert gehört. In „Wenn du schläfst“ wird die
Vergänglichkeit thematisiert, die glücklichen Momente zuhause - damals und
jetzt. Das Ganze wird kontrastiert vom ständigen getrieben sein „oh wieso geht’s immer weiter“.
Textlich verankert man sich anschließend in der
Adoleszenz. Die Themen kreisen um Jugend, Liebe und das sorglose Umhertreiben.
Mit „Lascia mi fare“ findet sich auch
definitiv ein Hit, kein „Bologna“,
aber derart eingängig arrangiert und unbeschwert.
In das „Ende
der Kindheit“ wird das ernste, steife und zum Teil auch falsche Auftreten
der Erwachsenen diskreditiert, ohne es jemals in den Mund zu nehmen. Wie fast
bei jedem Song, schwingt hier die Bedeutung zwischen den Zeilen.
Mit „Cafe
Kreisky“ spielen WANDA mit dem Gefühl der Veränderung und Auseinanderlebens,
während sie in „Einfacher Bua“
Unsicherheit und die Illusion des Heranwachsendens darstellen, um sich dann für
die ästhetische Selbstverwirklichung und gegen das verantwortungsbewusste,
konforme Handeln entscheiden. Es scheint fast so, als hätte man für den Moment
seinen Frieden mit sich und seinen Entscheidungen gemacht.
„Ein letztes Wienerlied“ steht in guter
Gesellschaft zum Kanon der existierenden Wienerlieder, mit der Bitte um
Aufnahme in diesen. Der Track fällt komplett aus dem Rahmen, ist durch den
prominenten Einsatz des Pianos und des kunstvollen Gesangs fast schon
avantgardistisch - und dadurch im klaren Widerspruch zu sonstigen WANDA Seligkeit
Scharmützel.
Das Album endet plakativ mit dem Titel „Ich sterbe“. Zum wiederholten Male
bleibt hier wieder das Ungesagte wichtig. Die Zeile „Alle Häuser haben etwas Weißes an“, hat etwas Unbeflecktes, Reines.
Die Band war unentwegt unterwegs, das zehrt an den Kräften des Gegenwarts-Ich.
Man versucht den dionysischen Lebensstil, die Sünden der schweiß- und
alkoholgetränkten Abende abzuschütteln. „Mein
Herz aus Marzipan fängt zu brennen an“ bestätigt den reinen Kern, der
schauderhaft verkommt. Man kann nur hoffen, dass die fünf Wiener noch nicht
genug haben. „Aber ist es nicht bequem, schöne Menschen anschauen zu gehen“ ist
ein stummer Schrei danach, mal nicht im Mittelpunkt zu stehen, sondern sich
passiv und lustvoll dem Geschehen hinzugeben. Einfach mal ungestört durchatmen
zu können.
Also wie ist das neue WANDA Album dann?
Für mich ist es die persönlichste, ehrlichste und
verletzlichste Platte, die WANDA mit „Niente“
geschaffen haben. Das Konzeptalbum wirkt stringent,
authentisch (es war sonst schon sehr viel Pathos im Spiel) und genügsam. Es ist
ihr bisher stärkstes Album.
Bleibt zu hoffen, dass sie weiterhin Bock auf den
Trubel haben.
So leid es mir tut WANDA, aber ihr seid musikalisch
und textlich definitiv erwachsen geworden.
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