© David Koenigsmann Universal Music |
Aber wie geht man es an? Wie nimmt man seine erste Platte nach einer gefühlten Ewigkeit auf, wenn
man den deutschsprachigen Hip Hop geprägt und darin mehr erreicht hat, als dafür überhaupt je vorgesehen war? Wenn man die Hall of Fame von innen und seine Szene von außen kennt, weil zwischenzeitlich andere Kleinigkeiten wie Familiegründen, kreative Versenkung und Soloprojekte mit Platinüberzug anstanden? Wenn da draußen Leute warten, die dieser Musik nicht weniger als ihre
verdammte Jugend verdanken, und dahinter bereits Massen von YouTube-Experten und andere Wwwahnsinnigen mit den Hufen scharren? Die Beginner haben das getan, was vermeintlich nahe liegt und dennoch so verdammt schwer sein kann: sie haben den riesigen Sack mit den Erwartungen über Bord geworfen, sich kurz gestreckt und einfach mal das gemacht, was sie am Besten können.
Um es gleich mal vorweg zu nehmen: nicht jeder der 12 Tracks ist ein Top-Hit, aber was solls? Ich hatte insgesamt nicht mit so viel Qualität, so fetten Beats, so aussagekräftigen Texten und so viel Wortwitz gerechnet. Ich hatte befürchtet, die Beginner würden sich auf ihrem Namen ausruhen, sich damit zufrieden geben, wieder da zu sein und durch ihre bloße Anwesenheit wieder in den Olymp einzuziehen. Aber davon keine Spur, denn schon das Comeback-Intro "Ahnma" lässt, äh ja, erahnen, in welche Richtung das Album gehen wird. Klar, man feiert sich ne Runde selber, ist sich der eigenen Bedeutung durchaus bewusst, lässt den bereits erwähnten Torch zu Wort kommen, schlägt doch die Brücke von den absoluten zu den überragenden Beginnern und baut mit Gentleman und Gzuz alte Weggefährten und neue Hip Hop-Heroen ein. Fast schon folgerichtig erschien die Single just an dem Tag, als Gzuz mit seinem Album die Top-Position der deutschen Charts stürmte.
© Nils Müller Universal Music |
"Es war einmal...", die zweite Auskopplung schlägt in die selbe Kerbe, zäumt das Pferd aber von hinten auf und erzählt die Bandgeschichte in knapp fünf Minuten. Ziemlich gechillt, das Ganze, aber zur vollen Entfaltung kommt der Track erst in Verbindung mit dem genialen All-Star-Video, das ich Euch unter dem Artikel angehängt habe. Amüsantes Detail am Rande: Eiz und Denyo lassen sowohl in diesem Song, als auch später im Album immer mal wieder bekannte Zeilen der Deutsch-Rap-Historie einfließen und zaubern so ein Schmunzeln auf die Lippen des geneigten Hörers.
Mit Samy Deluxe darf bei "Meine Posse" wieder ein Gast mitrappen, der die alte Schule des einheimischen Hip Hop repräsentiert. Der Track hakt an mancher Stelle ein bisschen, kommt mitunter ein bisschen sperrig rüber und ganz ehrlich: ich tu mir ein bisschen schwer, wenn Menschen in dem Alter den Posse-Gedanken hochleben lassen.
© David Koenigsmann Universal Music |
Auch "Schelle" reißt mich nicht gerade vom Hocker, wobei es schon ganz witzig ist, wie den
Möchtegern-Gangstern der Szene vorgehalten wird, dass es nicht immer gleich die Pumpgun sein muss. Mit "So schön" kehren die Beginner zusammen mit Dendemann jedoch zurück in die Erfolgsspur und legen textlich wieder eine Schippe zu. "Rambo No. 5" lässt anschießend zunächst Schlimmes befürchten und lässt den Hörer bei den ersten drei Hördurchgängen ratlos zurück, aber irgendwann ist der Shice dann doch sehr catchy und wird vor allem live wahnsinnig gut funktionieren.
Zusammen mit Megaloh strecken die Beginner mit “Thomas Anders” den stolz
gereckten Mittelfinger gegen die durchnormierte Langeweile der Selbstoptimierungsstreber
und Spießbürgerkings. Dann hat Haftbefehl seinen großen Auftritt und prollt durch "Macha Macha" - keine Ahnung, ob das sein muss, ob das Provokation sein soll oder einfach ein Statement, dass die Beginner sich alles leisten können, weil sie eben die Beginner sind? Wie dem auch sei: der Track funktioniert überraschenderweise sehr gut.
© David Koenigsmann Universal Music |
Und zum Abschluss des Albums beleuchten Eizi, Denyo und Professor Mad mit
dem ihnen eigenen schwarzen Hanseatenhumor die Greuel einer jeder Reise:
Woanders is’ auch scheiße, wo bitte gehts hier wieder “Nach Hause”?
Mein Fazit hatte ich ja ziemlich zu Beginn bereits einfließen lassen, aber nun nochmal: ich kann mir gut vorstellen, dass manch Zuhörer, der die
Beginner "damals" schon kannte und liebte, beim ein oder anderen Track
die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wird. Mich hingegen hat "Advanced Chemistry" positiv überrascht, das Album klingt mit jedem Anhören noch besser und ich bin froh, dass die Beginner wieder da sind, zumal ich mit den Soloprojekten der Bandmitglieder nicht so arg viel anfangen konnte. Ich bin sehr angetan und gehe sogar so weit zu sagen, dass das Comeback über die ganze Spielzeit gesehen sogar das ausgeglichenste und beste Album der Bandgeschichte darstellt.
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