Montag, 27. April 2015

Calexico - "Edge of the Sun"

casadecalexico.com
(ms) Als ich mitbekommen habe, dass Calexico via einem meiner Lieblingslabels, CitySlang, ein neues Album rausbringen werden, habe ich mich irre gefreut. Seit ein paar Jahren haben die Herren aus Kalifornien, Mexiko und ja, Deutschland mich mit ihrem Mariachi-Folk-Polka-Gitarrenpop gepackt und in ihren Bann gerissen. Letztes Jahr habe ich sie endlich beim Juicy Beats in Dortmund live sehen können und war total begeistert. Nicht nur musikalisch top und in etwa so, wie ich es mir vorgestellt habe, sondern einfach auch irre sympathisch, man hat in ihren Gesichtern gesehen, wie viel Spaß beim musizieren sie haben.
Vor ein paar Wochen kam nun mit "Edge of the Sun" das siebte richtige Studioalbum raus, nebenher haben sie immer in unterschiedlichen Projekten und in anderen Konstellationen Tonträger veröffentlicht, doch der Name Calexico blieb haften und damit haben die offiziell sieben Männer einen festen Platz im internationalen Business gesichert, immerhin sind sie jetzt auch seit zwanzig Jahren im Geschäft. Aber keinerlei Anzeichen, sich zur Ruhe setzen zu wollen. Innovation steht stattdessen im Vordergrund, etwas mehr herumexperimentieren und ein paar neue Klangfacetten ins Werk einfließen lassen. Denn wenn wir ehrlich sind, dann kann man ein relativ einfaches Rezept für einen klassischen Calexico-Song oder -Album aufbauen: sanfte Gitarre, leichte Percussion, irgendwann setzt Gesang ein, dann Trompeten, irgendwann singt wer auf Spanisch, es klingt nach einer langen Autofahrt in der Wüste: ein bisschen gewöhnlich, ein bisschen spannend und geheimnisvoll, voller Weite und mit einem Hauch Exotik.


Und so ähnlich klingt auch der neue Silberling, oder wer Glück hat, eine farbige Vinyl erwischt hat; laut meinem Plattendealer sei diese Extended Version recht schnell beim Label ausverkauft, was auch den aktuell höchsten Einstieg der Band in die deutschen Mediacontrol-Charts mit Platz 6 beweist.
Doch die große Vorfreude auf das Album wurde nach dem ersten Hördurchgang getrübt. Es fehlt im Gesamteindruck an Flow, Drang, Dramatik, etwas strengeren Rock-Gitarren. Zu viel seichter Folkpop, zu wenig Trompeten, zu wenig Dunkles und Geheimnisvolles im Klang. Und das fast schlimmste: elektronische Einspieler, die die Bläser an einigen Stellen komplett oder zum Teil ersetzen. Nein, das musste nicht sein, damit schneidet man sich ins eigene Fleisch.
Das soll nicht heißen, dass die Platte eine komplette Enttäuschung ist, das auf keinen Fall. Sie hat auch ihre Stärken und Sternstunden, doch eben auch einiges, das ich einfach mal als Füllmaterial kennzeichnen würde. Die Single "Falling from the Sky" bedient zwar den elektronischen Ausflug, hat aber Groove und ein schönes, verwirrendes, außergewöhnliches Video mit José Gonzales in der Hauptrolle, dem ein seltsamer Außerirdischer im Hotelzimmer begegnet: klassischer Calexico-Song! "Bullets & Rocks" kommt auch noch gut daher, schöne Gitarrenlinien! Doch beim dritten Titel mit "When the Angels played" angekommen, tritt das oben geschilderte ein. Bei "Tapping on the Line" hört man tatsächlich so ein Beat-automatisches-Schlagzeug-Ersatz-Gerät, puh! "Cumbia de Donde" läd zum Tanzen ein, doch dieses Getute aus dem Sythesizer nervt ein bisschen. Mit "Beneath the City of Dreams" und "Miles from the Sea" liefern sie aber noch starke Songs, die es zu entdecken lohnt. Enden tut "Edge of the Sun" mit "Follow the River". Wie, wer denkt denn da an Lykke Li? Ich zumindest nicht; kleiner Musik-Scherz. Aber mit dem Titel schleppt sich das Album dem Ende entgegen.
Puh, naja. Man hätte auch die wirklich starken Songs zu einer EP versammeln und über das neue Konzept nochmal nachdenken können. Irgendetwas haben sich die Desert Rocker dabei aber gedacht. Es bleibt ein kleines Trostpflaster, dass sie wahrscheinlich live immer noch große Klasse sind.

Doch Stopp!
Hast Du dir eventuell auch die Doppel-Vinyl mit den sechs Bonus-Songs geholt? Dann weißt Du ja, dass auf diesen sechs Liedern die gesamte Stärke, der Druck und die Leidenschaft und ein grober Eindruck zum Gesamtschaffen der Band zu hören ist. Nicht nur ein Must-Have für Fans, sondern eine wirklich lohnenswerte Investition!


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