(lp) Es gibt Tage, an denen der Föhn dichter über der gefüllten Badewanne
baumelt. Tage, Wochen, vielleicht sogar Monate, an denen man feststellt, dass
man die Talsohle seiner „Lows“ nicht selbst definieren kann. Durchhalteparolen,
Galgenhumor, Ironie des Schicksals – Die Immunität gegen probate Hilfsmittelchen steigt, wie beim stündlichen Schweinefleischverzehr. Wenn letztlich
weder „Pick-Up“ noch „Let's Dance to Joy Division“ helfen, ist es Zeit für eine Alltagsflucht im XXL-Format. Für einen Entschleuniger der Extraklasse. Etwa einem
Musikfestival, abseits vom bisher Dagewesenen. Dem Trænafestival!
Drei Tage, ein genreübergreifendes Line-Up und diverse Campingmöglichkeiten.
Auf den ersten Blick scheint das Trænafestival sich nicht von den zahlreichen,
vom Gigantismus geschwängerten Europäischen Festivals zu unterscheiden. Wäre
Træna nicht eine der kleinsten norwegischen Kommunen, inmitten des atlantischen
Ozeans mit über 1000 kleinen Inseln, auf deren zwei eben jenes musikalisches Zusammenkommen zelebriert wird.
Dass das alles nicht so recht zusammen passen will, erfährt ein jeder eher früher als später am eigenen Leib. Allerspätestens jedoch beim Versuch das Festivalgelände zu erreichen. Trotz aller Vorbereitungen bleibt es keinem erspart, nordische Geduldsproben über sich ergehen zu lassen, die einem kalten Entzug nicht gerade unähnlich sind. Unzureichende und falsche Informationen, zahlreiche Ortswechsel, mehrstündige Wartezeiten und sogar schemenhafte Fremdsprachkenntnisse sind im norwegischen Outback eher Regel als Ausnahme. Doch bleibt es immer bei Ungeduld und Vorfreude, als bei einem wirklichem Stressgefühl. Letztendlich dürfte aber sogar ein von Geburt an blindes Huhn den richtigen Fährhafen finden und nach etwa drei Stunden auf der hohen See an der Hauptinsel Husoy anlegen.
An der Anlagestelle begrüßen die Dorfkinder die ankommende Meute mit
Geschäftssinn und somit voll freudiger Erwartung, um den
gut vergüteten Kurierauftrag gen Campingplatz erteilt zu bekommen. Auf jenem steht eine
moosbedeckte, windgebeutelte Fläche direkt am Meer einer vom
Teenie-Partyvolk bevölkerten, kahlrasierten Wiese im Inneren der Insel
gegenüber. Schwierige Entscheidungen sehen definitiv anders aus! Nach erfolgtem
Zeltaufbau geben sich die temporären Inselbewohner schließlich den
festivaltypischen Riten hin. Die letzten Zweifel einer Rentnerfahrt im Faschingskostüm zerschlagen sich und so besteht die eintretende gesellschaftliche Ordnung aus
Erkundungsgängen, dem Knüpfen sozialer Beziehungen, sowie dem damit
einhergehenden Konsum von diversen alkoholischen Kaltgetränken. Fast wie ein
normales Festival. Fast! Wäre da nicht die Mitternachtssonne, unglaubliche
Konzertlocations, selbstlose Gastgeber, begeisternde Newcomer, kulinarische Spezialitäten und der Ozean. Ja ja, der Ozean...
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