Mittwoch, 4. Juli 2018

Hello Emerson - Above The Floorboards

Papierkrieg mit Sam Bodary
(ms) Sam Bodary hat vor Kurzem sein Literaturstudium an der Ohio State University beendet. In seiner Abschlussarbeit beschäftigte er sich mit der Verbindung von Kurzgeschichten von David Foster Wallace und J.D. Salinger. Spätestens da hat man mich!
Von Salinger las ich letztes Jahr den Fänger Im Roggen, Frédéric Beigbeder hat ein Buch über die Beziehung von Oona O'Neill und Salinger geschrieben, die spätere Frau von Charlie Chaplin hatte mit dem Schriftsteller eine intensive und kurze Beziehung. Von Wallace habe ich sowieso alles gelesen, was zu haben ist (natürlich auch Unendlicher Spaß!), inklusive einer Abhandlung über die Fatalismus-Theorie von Taylor (hab aber nicht alles verstanden).
Dieser Literaturstudent kennt sich nicht nur mit Intertextualität (so nennt man diese Querverweise in der Literatur) aus, sondern ist auch Musiker, nennt sich Hello Emerson und hat letzte Woche sein erstes Album Above The Floorboards veröffentlicht, das hierzulande über Kumpels & Friends Records erschien.

Sanft und warm beginnt das Album mit Streichern, die eine Begrüßung an den Hörer haben: Hello (so heißt das Intro), hier bin ich, die Platte, mit der Du jetzt mindestens die nächste Dreiviertelstunde verbringen wirst.
Dass Nebengeräusche vom Aufnahmeprozess zu hören sind, finde ich immer sehr sympathisch, als ob man ganz nah am Künstler und seinem kreativen Prozess dabei ist. Da darf es gerne knacken und rauschen, obwohl ausnahmsweise keine Vinylplatte sich dazu dreht.
Ruhig, unaufgeregt und doch mit klarer Richtung geht es weiter. Sams Stimme ist rein, doch eine gewisse Zerbrechlichkeit darin ist nicht zu leugnen, zum Glück hat es jedoch nichts Weinerliches. Der Sound bei Bridge ist breit und filigran: Aufgrund der Instrumentation ist es einleuchtend, dass über 20 Leute bei der Produktion von Above The Floorboards beteiligt waren. Herrlich, dass der Klang dennoch so fein bleibt, es ist beim zweiten Stück schon ein Album, für das man sich gerne Zeit nimmt.

Ein technisch schneller Start an der Gitarre leitet Straw ein, den man fast gar nicht bemerkt hätte, wenn die Tracknummer sich nicht von zwei auf drei gesprungen wäre. Die Lieder gehen geräuschlos ineinander über, eine Verfahrensweise, die man so bei dem minimalen Folk-Pop nicht erwartet hätte: sehr schön!
Die Stärke der Platte liegt weiterhin in der Ruhe und dass es nur selten man lauter wird, wenn man das so überhaupt nennen kann, es gibt ja gar kein Schlagzeug und keine verstärkten Gitarren. Doch das ewig kopierte Mumford-and-Sons-Konzept wird hier zum Glück nicht bedient. Doch eigentlich gibt es ja derzeit genügend Jungs-mit-Gitarre-um-den-Hals-Musiker. Hello Emerson sticht dennoch heraus, weil seine Lieder so leise allein mit dem Saiteninstrument funktionieren. Die einsetzenden Streicher, die Percussion-Arrangements machen diese Musik jedoch tiefer und stärker, müssen nicht zwingend sein und - das mag jetzt paradox klingen - erweitern den Klang auf wundersame Weise.
Und schon wieder... den Übergang von Travel zu Uncle habe ich gar nicht richtig realisiert, auch wenn ich total entspannt auf dem Sofa liege und diesem tollen Album lausche. Das Wort Eskapismus bahnt sich an.

Nebenbei ist es übrigens kaum zu glauben, dass Sam Bodary erst 23 Jahre jung ist. Die Arrangements der Tracks und das Gesamtbild klingen so rund, ausgefuchst und erwachsen, dass er locker auch fünfzehn Jahre älter sein könnte.
Flamenco ist ein weiteres schönes Beispiel für die Unaufgeregtheit des Albums. Einfache Elemente kommen und gehen, lassen die Ohren aufmerksam lauschen, wie alle Fassaden so gut zusammen gebaut sind. Ja, dieses Loblied hört nicht auf, das Genießen dieser Platte wird immer mehr zu einer Insel der Ruhe mit einem ganz sanften Lächeln auf dem Gesicht, bis Lake nochmal alles raushaut, was Bodary sich so ausgedacht hat, ein tolles Finale!
Das genaue Hinhören bei englischen Texten ist immer eine Facette, die sich mir persönlich tatsächlich nie so oft auftut. Sam hat jedoch was zu sagen, was man in einem sehr liebevollen und detailreichen Booklet nachlesen kann. Literatur am Anfang und Literatur am Ende; eine Analyse lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch hier gut durchführen.

Live gibt es diese herrliche Musik ab August hier zu hören:

26.08.18 Offenbach – Hafen 2
27.08.18 Chemnitz – Inspire Chemnitz
28.08.18 Hamburg – Freundlich & Kompetent
29.08.18 Berlin – Ä
30.08.18 Berlin – Art Stalker (mit Wayne Graham)
01.09.18 Annaberg-Buchholz – Alte Brauerei
02.09.18 Dresden – The Sound of Bronkow Music Festival
04.09.18 Bayreuth – Sübkültür
05.09.18 Marburg – Q
06.09.18 Düsseldorf – Zakk
07.09.18 Karlsruhe – Nun Kaffehaus (mit Wayne Graham)
08.09.18 Freiburg – Swamp (mit Wayne Graham)
09.09.18 Hof – Dachbodenkonzert
10.09.18 Münster – Pension Schmidt




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