Freitag, 5. September 2025

KW 36, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: pixabay.com
(Ms) Schräge Welt: Wenn man im Internet Dinge erfährt, die es ohne das Internet nicht geben würde. Und das auch nur durch Zufall. Es ist doch nur schwer verdaulich, dass es tatsächlich Menschen gibt, die sich über das neue Design der Milram-Käseverpackungen aufregen, oder? Haben diese Menschen wirklich nichts anderes zu tun? Ganz ehrlich. Wem ist denn so langweilig, dass das ein Thema wird? Oder: Wer ist denn so seltsam verdrahtet, dass einem das Nerven kosten kann? Eine Plastikverpackung eines Käses. Ich glaube, diese ganzen armen Willis müssen dringend mal geknuddelt werden. So richtig dolle. Und ein Schmatzer drauf. Oder wie TOcotronic singen: „Darum muss man sie bekämpfen / Aber niemals mit Gewalt / Wenn Wir sie auf die Münder Küssen / Machen wir sie schneller kalt.“ Amen.

Steiner & Madlaina
(Ms) Ach, du wunderbare Liebe. Was wäre die Kunst nicht ohne die Liebe und all den Zuständen, die sie uns beschert: Die Großen, die Kleinen, die Schwebenden, die Rosaroten, die Niederschmetternden, die Verträumten. Auf Du Kannst Nicht Gut Allein Sein, der neuen Single von Steiner & Madlaina wird viel geträumt. Da ist diese neue, aufregende Person, die man kennengelernt hat und sie verschwindet nicht aus den Gedanken. So viele Wünsche, dass sie immer da ist, noch ein Getränk an der Bar zusammen genießen und bitte nicht von der Seite weichen. Mal ist dies alles real, mal ist dies aber auch alles nur im Kopf. Und aus dieser letzteren Perspektive singen uns die beiden Schweizerinnen ein wunderbares Lied, das zugleich die erste Single ihres neuen Albums Nah Dran ist, das am 7. November erscheint. Oh, das wird ganz wunderbar!

07.11. Dresden – Ballsaal - Parkhotel Dresden
08.11. München – Technikum
09.11. Berlin – Kesselhaus
10.11. Hamburg – Mojo Cub
11.11. Köln – Kulturkirche Köln



Laura Lee & The Jetts
(Ms) Electric Guitar - was hast du uns nicht alles schon für wahnsinnige Momente geschenkt?! Ja, mir gefallen auch einige Genreweiterentwicklungen wie dieser moderne 80er-New-Wave-Kram (siehe unten), aber es gibt auch Momente, so die pure E-Gitarren-Power einfach unsagbar glücklich macht. Wenn die Regler aufgedreht sind und die Boxen scheppern. Dass Laura Lee dieses Handwerk außerordentlich gut beherrscht, ist seit einiger Zeit längst klar. Nicht nur mit Gurr war sie sehr erfolgreich, sondern auch ihre weitere Band Laura Lee & The Jetts weiß sehr zu gefallen. Heute veröffentlichen sie ihr zweites Album. Zehn frische Tracks, die wuchtig nach vorn preschen, mal das Tempo rausnehmen und nie langweilig werden. Das gelingt ja auch nicht allen. Mal liegt es am vielschichtigen Gesang, mal an den starken Arrangements, manchmal an der Wucht, die viel Spaß macht. Laura Lee weiß, wie es geht und hat die Platte obendrein selbst produziert. Tough Love Paradigm sollte bitte laut durch die Nachbarschaften zu hören sein!



Die Benjamins
(Ms) Wie geil - Musik, die sehr direkt ist, macht viel Spaß, weil man nicht viel über Interpretation nachdenken muss. Zeilen, die unmissverständlich sind und dazu von einer berauschenden Energie begleitet wird. Gemeint ist die Band Die Benjamins, nichts weniger als eine grandiose Supergroup. Dort, wo sonst bekannte Gesichter aus verschiedenen Gruppen zusammen kommen, wird es manchmal zu gewollt kommerziell oder es geht nach hinten los. Hier geht alles nach vorn, nach oben, es knallt in die richtige Richtung, wenn Annette Benjamin, Max Gruber, Charlotte Brandi, Thomas Götz und Julian Knoth zusammen spielen. Vor zwei Jahren haben sie eine EP zusammen veröffentlicht, jetzt geht die Reise weiter und heute veröffentlichen sie zwei Singles. In 10 Jahren stellt die einfache Frage, was von einem in nicht allzu ferner Zukunft bleibt - „Heute underground / morgen schlecht gelaunt“. Knallt enorm gut. Genauso Pas De Deux, der andere Track. Der ist so schnell, dass er fast schon aus den Boxen herauswill mit einem Sound, der den Puls anziehen lässt. Ein Geist der 80er gepaart mit modernem New Wave heißt die Geheimrezeptur, die hier unablässig nach vorne prescht und wahnsinnig viel Spaß macht! Wow! 


ENDE
(Ms) Als ich die neuen Tracks von Drangsal gehört habe, war ich wenig angetan vom neuen Geist. Jeder Musikgeschmack ist anders. Gut aber, dass die österreichische Band ENDE ziemlich genau in die gleiche Kerbe haut, die Max Gruber vor einigen Jahren bearbeitet hat. Das Duo aus Linz und Wien schenkt uns heute einen Track, der uns an Orte transportiert, die besser sind als der jetzige, wenn es da mal wieder knallt oder eine große Frustration und Unzufriedenheit herrscht. Laufen heißt der Song, auf dem der Bass rollt und die Gitarren eine herrliche Energie heraufbeschwören. Ich prognostiziere, dass spätestens im Herbst auf ihrer Tour oder nächstes Jahr auf diversen Festivals hunderte Hände zu diesem unglaublichen Stück abgehen werden! Weg, weg, weg, lauf, lauf, lauf, flieh, flieh, flieh!


Naked Lunch
(Ms) Das Kunstspektrum von Musik ist so wunderbar groß. Oft bleiben Musik und Text ja nicht alleine stehen. Es gibt ein Cover, eine Bühnenshow, ein Banner, Videos. Und wenn die Musik um eines (oder mehrere) dieser Facetten erweitert wird, entfacht sie manchmal noch mehr Kraft. Es gibt Musikvideos, die einem Track noch mehr Energie verleihen - ist das nicht genial?! Aktuelles Beispiel: Go Away, die neue Single von Naked Lunch. Ja, im Grunde genommen passiert nicht viel. Oliver Welter stellt im Nirgendwo sein Auto ab und lässt alles, was sich angestaut hat, auf diesem weitläufigen Feld raus. Dazu dann diese wuchtige Musik, die sowohl glänzt als auch kratzt. Was passen hier Ton und Bild gewaltig zueinander, insbesondere wenn die Szene vom Tag in die Nacht schwenkt. Wow - ich bin ganz begeistert. Zurecht, oder? Zum Glück gibt es diese Band noch und zum Glück bringt sie ein neues Album raus. Light (And A Slight Taste Of Death) erscheint am 7. November bei Tapete Records und wird ein Highlight sein - versprochen.

17.01.26 Ebensee - Kino
22.01.26 Wien - Arena
23.01.26 Graz - PPC
29.01.26 Innsbruck - Treibhaus
30.01.26 Dornbirn - Spielboden
31.01 26 Salzburg - ARGEkultur
05.02.26 Leipzig - Naumanns
06.02.26 Berlin - Berghain Kantine
07.02.26 Hamburg - MS Stubnitz
04.03.26 München - Milla
05.03.26 Stuttgart - Merlin
06.03.26 Steyr - Röda
28.05.26 Klagenfurt Festival


Lambert & Thorsten Nagelschmidt
(Ms) Diese Freitags-Rubrik auf diesem Blog baut sich immer im Laufe einer Woche auf, sodass ich im besten Fall freitags nur noch auf den Veröffentlichen-Button klicken muss. Von dieser Information hier pfiff noch kein Spatz von irgendeinem Dach, aber die Vorfreude ist enorm. Thorsten Nagelschmidt veröffentlicht kommende Woche nicht nur sein neues Buch Nur Für Mitglieder, sondern er hat mit niemand geringerem als Lambert ein gleichnamiges Album (VÖ: 7. November) dazu erarbeitet. Wow! Was für eine Kombination! Dies wird kein Hörbuch sein, zu dessen Worten der maskierte Pianist ein paar Töne beisteuert, sondern es soll ein (weitestgehend) eigenständiges Werk sein, dass auf Spoken Word setzt. Ein bisschen Geduld ist noch gefragt, denn erst kommende Woche kommt die erste Single raus, nicht dass den Lesenden etwas vorweg genommen wird. Gut, gut. Und es kommt noch besser. Zusammen gehen sie auf Tour im Dezember, um dieses Material live zu präsentieren. Hier könnten jegliche Grenzen von Konzert und Lesung gesprengt werden. Das wird ganz großartig - ehrlich!

08.12.2025 Köln, Gloria
09.12.2025 Hamburg, Kampnagel
10.12.2025 Bremen, Schlachthof
11.12.2025 Dortmund, Domicil
12.12.2025 Wiebaden, Museum
13.12.2025 Darmstadt, Centralstation
14.12.2025 Neunkirchen (Saar), Stummsche Reithalle
15.12.2025 Münster, LWL Museum
16.12.2025 Erfurt, Haus Dacheröden
17.12.2025 Berlin, Peter Edel
20.12.2025 München, Deutsches Theater
21.12.2025 Leipzig, Conne Island

Mittwoch, 3. September 2025

Ghostwoman - Welcome To The Civilizied World

Foto: Andrin Fretz
(Ms) Viele Erzählungen für einzelne Stücke oder ganze Alben funktionieren nach diesem Schema: Die Welt ist dem Untergang geweiht. Wir haben sie erfolgreich gegen die Wand gefahren. Klima hinüber, der gesellschaftliche Zusammenhalt droht zu zerrütten, ein politischer Rückschritt in eine Zeit, die es nie gab. Viele MusikerInnen bleiben an diesem Punkt der Resignation nicht stehen, sondern appellieren an das Gute in uns und an die Hoffnung, dass wir das mit genug Liebe und Zuversicht schon schaffen werden (und ich finde die Erzählung auch ganz gut, weil sie mir auch viel Positives schenkt). Für Evan Uschenko und Ille Van Dessel gibt es diesen frohgemuten Blick in die Zukunft nicht. Und aus diesem Standpunkt der absoluten Resignation erwachte ihr neues Album Welcome To The Civilized World, das am 5. September erscheint. Es ist das vierte Ghostwoman-Album und das zweite, dass die beiden zusammen schreiben.
Allein dieser Schreibprozess ist faszinierend. Ein paar Tracks gingen von der einmalig aufgenommenen Testversion direkt auf die Platte. Zum Anderen haben sie sich extra für die Aufnahmen gebrauchte Instrumente gekauft, sie aufgearbeitet und nach der Benutzung wieder weiter verkauft. Alles für den einzelnen Track, alles für den Moment. Denn diese Platte, deren Titel ja schon keine Hoffnung mehr übrig lässt, wurde an vielen verschiedenen Orten aufgenommen. Sowohl in Uschenkos kanadischer Heimat als auch in den Bergen Belgiens, wo Ille van Dessel herkommt. Dieses Duo harmoniert so wahnsinnig gut, dass es fast schon beängstigend ist.

Hört man die neuen 38 Minuten von Ghostwoman, fällt auf, dass die Tracks weniger derbe sind. Auf dem Vorgänger Hindsight Is 50/50 war mehr Dampf drauf. Gut ist, dass sie ja nicht das gleiche nochmal machen. Welcome To The Civilized World erscheint eher wie ein Roadtrip durch verlassene, verödete Städte und Landschaften, wo einst Leben herrschte und nun nur noch ein paar Übriggebliebene hausen (später mehr dazu). Allein dieser Vibe der Lost Places macht dieses Album richtig spannend!
Sich mit den Texten auseinander zu setzen, ergibt keinen Sinn. Denn der Text ist laut Evan Uschenko nur Mittel zum Zweck, Inhalt ist so gut wie egal, er ist die Begleitung zum Sound. Daher wird er hier auch ausgeklammert.

Mit dem zum Album gleichnamigen Track eröffnet die Platte. Ein paar verlorene Klavierklänge und nach einer halben Minute rollen Schlagzeug und Gitarre los und werden auch nicht mehr aufhören. Ja, dieses Album ist cineastisch, da die düsteren Bilder von ganz alleine kommen. Wie gut Sound und Bild zueinanderpassen, ist in einigen der Singles auf großartige Weise zu sehen. Alive wird im Video mit zusammengeschnittenen Tourerlebnissen eingefangen. Nirgendwo zu Hause, überall Beton und Straße. Tatsächlich ist der Track recht melodisch. Doch die Melodien erinnern eher an einen nostalgischen Blick ins vergangene Gute. Noch eindrücklicher wird es bei Levon. Das Video passt so derart perfekt zum Sound, dass es beinahe schon gruselt. Verlassenheit in einer Trailer-Siedlung, die Langeweile der jungen Erwachsenen dort und die gesammelte Trostlosigkeit drumherum. Dazu scheppern Evan Uschenkos Gitarren und Ille van Dessel treibt und treibt und treibt die Resignation nach vorn.
Richtig schrammelig kommt 5 Gold Pieces daher und zwischen E-Gitarren-Ausbrüchen flüstert uns Uschenko in Endlosschleife die Wörter des Titels ins Ohr. Doch die Hoffnungslosigkeit ist nicht immer nur derbe, sondern entfacht im Stillen vielleicht noch mehr Kraft. Dafür steht Dime A Dozen exemplarisch und eindrucksvoll. Mein Highlight ist When You All Where Young, weil es roh, direkt und unmissverständlich ist und genau daher richtig viel Wucht entwickelt. Ja, beinahe geht es hier schon hypnotisch zu.

Welcome To The Civilized World ist nicht unbedingt ein Album, das durch einzelne Tracks lebt. Vielmehr ist es ein Gesamtkunstwerk, das eine Stimmung transportiert. Dies sollte jeder mal live erlebt haben. Und unbedingt dafür Gehörschutz mitnehmen, auch wenn die Platte nicht zwingend brutal rüber kommt. Doch wenn Evan Uschenko live seine Gitarre bearbeitet und Ille van Dessel dazu auf die Trommeln haut, wird es einfach nur unfassbar laut und wild und auch sehr beeindruckend. Diesen Trip in die Resignation sollte sich niemand entgehen lassen!

10.11. Gebäude 9 - Köln
11.11. Molotow - Hamburg
12.11. Festsaal Kreuzberg - Berlin
13.11. Moritzbastei - Leipzig
17.11. Live/Evil - München
18.11. Manufaktur - Schorndorf