Montag, 29. September 2025

Me And My Two Horses - And The People - Ah, The People

Foto: Liv Pedersen
(Ms) Wenn sich abends leichter Nebel über die Felder legt und dichter wird, dann schimmern die Laternen dahinter nur noch schemenhaft hindurch. Ein diffuses Bild entsteht, eine mystische Stimmung, die einengend sein kann. Lauert da eine Gefahr? Oder ist eigentlich alles wie immer nur nebulöser? Leichte Ungewissheit liegt im Raum, diesem Szenario ist nicht ganz zu trauen.
In diese Situation passen die acht neuen Stücke von Me And My Two Horses. Am 26. September erschien ihr neues Werk And The Prople - Ah, The People. Schon in diesem Titel steckt etwas aus dem oberen Moment. Den Menschen ist genauso oft wenig zu trauen. Was stellen sie schon wieder an? Haben sie schon wieder nicht nachgedacht? Wie kommen sie nur auf die nächste Idee, die sich im Grunde genommen gegen sie wendet? Ja, Kristin Drechsler, die hinter diesem teils schaurigen Projekt steckt, seufzt auf diesem Album oft - was haben die Menschen nur alles an Dämlichkeiten angestellt? Doch sie steckt den Kopf nicht in den Sand. Wie soll es denn besser werden, wenn uns niemand zeigt, was aktuell schief läuft? Das passiert (unter anderem) auf diesem tollen Werk!

Der Vorgänger No Man‘s Land von vor sechs Jahren wurde noch mit einer Band aufgenommen und war sehr wuchtig, düster und teils angenehm bedrückend. Diese neue Platte hat die Hamburger Musikerin ganz allein aufgenommen, gemischt und gemastert. Das hier ist Kunst auf ganz hohem Niveau. Und sie ist düster, erinnert an Amanda Palmer oder einer gedimmten Version von Anna von Hausswolff.

Im Vordergrund steht das Klavier und Kristin Drechslers Stimme. Dazu gesellten sich unterschiedlichste Instrumente und Sounds. Mal knallt eine E-Gitarre, dann kommt ein Beat, dann zeigt das unterschätzte Akkordeon, was in ihm steckt. Doch vor allem steckt ganz viel Tiefe in dieser Musik, hörbare Aufrichtigkeit, die niemandem gefallen muss. Doch in diesem dunklen Tagtraum namens And The People - Ah, The People steckt auch wahnsinnig viel Schönheit!

Die große Kunst dieses Albums liegt nicht nur in der herrlich schaurigen Musik. Sondern logischerweise auch in den Texten. Da zeigt die Musikerin, was sie beeinflusst und vertont zu Beginn der Platte das Gedicht Alone von Edgar Allan Poe. Auf Waltz verschmelzt das Private mit dem Politisch-Gesellschaftlichen, wenn das lyrische Ich bemerkt, wie dunkel es geworden ist, doch: „You thought you could be a king / And I should be your Queen / but that was just a Dream.“ Das Arrangement ist ab der zweiten Hälfte so großartig, wenn ihre Stimme durch den Raum schwebt, eine Violine dazu umhergeistert, ein Cello Tiefe mitbringt und ganz viel Kraft in der Luft liegt - wow! Auf Masquerade überzeugt dunkler Kammer-Pop mit einer ähnlichen Sprache, wir Menschen seien wenig human, sondern viel mehr Ghouls „and their King is who tolls“. Ja, Recht hat sie. Und der Schauder zieht über den Rücken, wenn am Ende ein kleines Glockenspiel erklingt. Dass die Kraft der Veränderung in uns allen liegt, wird auf There Is Not Enough Space To Dance klar. Nicht nur die Worte von Simone de Beauvoir zu Beginn des Stücks zeigen auf, was falsch läuft, doch hier zeigt Kristin Drechsler, dass das eigene Tun alles in Bewegung setzen kann. Eben, hier ist keine Resignation. In der ganzen Verzweiflung steckt doch immer eine Aufforderung zum Handeln. Zudem ist dieses Stück in seinem düsteren Schwindel sicher ein Highlight des Albums. Auf People schreit sie sich ihre Zweifel an der Menschheit aus dem Leib. Weniger opulent im Sound, dafür in seiner Feinheit gänsehautmachend.

Zum Ende dieses kunstvollen Werks singt sie sogar zum ersten Mal auf Deutsch. Knochen heißt das letzte Stück. Da schnürt es einem fast den Hals zu bei der Geschichte, die sie uns ins Ohr säuselt.
Ja, das hier ist kein eingängiger Pop, der schnell in die Beine geht. Das will diese Musik auch gar nicht. Die Düsternis in diesem Sound, in diesen Texten ist großartig, der Schauder faszinierend, die Instrumentierung feinsinnig, wuchtig und sehr rund. Dieses Album ist ein dunkler Stern, der aber hell leuchtet!

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