Mittwoch, 30. Januar 2019

Dendemann - da nich für!

Foto: Nils Müller (Universal Music)
(ms) 1. Die Vorankündigung und Verklärung: So richtig still um Dendemann war es ja nicht in den letzten Jahren, auch wenn das an allen Ecken und Enden behauptet wird. Beim Neo Magazin Royale war er der pfiffige musikalische Sidekick und ab und an gab es ein kleines Lebenszeichen durch die sozialen Netzwerke. Dadurch, dass aber über acht Jahre kein neues Album kam, wurde sein Status als lebende Legende bizarrerweise in Stein gemeißelt. Je länger die Wartezeit, desto höher die Erwartungen, desto tiefer aber auch der mögliche Fall. Doch gefallen ist der nicht, im Gegenteil. Wir waren auch hellauf begeistert, als da nich für! im letzten Jahr angekündigt worden ist. Keine Parolen ist ein super starker Song, mit dessem politischem Inhalt ich nicht zwingend gerechnet habe. Desto größer die Überraschung. Doch was ist wirklich um die Person Dendemann in den letzten Jahren und Monaten passiert?! Man hat den Eindruck, er sei ein Überbleibsel aus einer goldenen Rap-Ära, der es in die Gegenwart geschafft hat. Einige seiner ehemaligen Wegbegleiter sind nicht mehr so richtig im Geschäft. Liegt es daran, dass der Comeback-Hype so riesig ist? Nein, natürlich nicht. Er ist und bleibt einer der wortgewandtesten Protagonisten im Genre, keine Frage. Doch sind neue Namen im Spiel, mit denen er sich messen muss. Zwischen seinem letzten Album und heute hat Rap einen gehörigen Schwung nach oben erlebt und Dendes Generation spielt dabei kaum noch eine Rolle.
Gerne erinnere ich mich einige Jahre zurück. Da zog er sich zurück und behauptete groß, er würde Rap neu erfinden. Mit Vom Vintage Verweht ist das definitiv gelungen. Und glaubt man Moses Schneider, dann ist er nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Studio ein Perfektionist.
Also: Vorfreude groß, Erwartungen immens.



2. Das Album und seine Umstände: Dann kam letzte Woche die Platte raus und ich habe es mir einige Male angehört und komme nicht umhin, enttäuscht zu sein. Das liegt vor allem am Sound. Die Pfütze des Eisbergs ist eiskalter, sauberer, bärenstarker Rap, wie er sich für 2006 gehörte. Der Nachfolger war so kreativ und originell im Klang, dass das für ein spitzenmäßiges Album schon beinahe ausreichte. Doch nun ist alles glatt, normal, fast schon austauschbar. Klar, man findet einzelne Anekdoten und gewissermaßen Ehrerbietungen, aber die kicken halt nicht. Der Opener Ich Dende Also Bin Ich klingt vom Titel her ulkig, textlich auch total überzeugend und reflektierend, aber mit zu wenig Drive. Hört Ihr in Alle Jubilare Wieder auch Anklänge von Nelly?! Die Anspielungen aufs Älterwerden sind gut, aber - es ist schwer auszudrücken - da fehlt das, was überzeugt. Auch das Casper-Feature plätschert an einem vorbei.
Und genauso geht es weiter. Die Texte sind - hier lohnt die Wiederholung - zum großen Teil so wie man es von Dendemann erwartet: pfiffig, klug, mit Schneid und Witz. Doch die Kombination mit dem Klang fehlt vollends.
Oder sind die Beats absichtlich so mutlos, damit mehr auf den Text geachtet wird (Müde, Zauberland)? In Menschine wiederholt er sich sogar inhaltlich (O Robota), obwohl der Einspieler super ist; jedoch kommt er von Su Kramer, einer Sängerin aus Oldenburg, die in den 70ern ihren Höhepunkt hatte. Der Tiefpunkt ist dann mit Drauf & Dran erreicht: Skip, skip, skip, das nervt so höllisch. Auch Arnim von den Beatsteaks kann an dem mittelmäßigen Niveau nichts aufpeppen (Zeitumstellung), auch hier ist der Text teils genial, teils wieder arg flach.
Litbarski und Wo Ich Wech Bin sind klug gewählte Auskopplungen, da sie noch die Leuchttürme der Platte sind. Trotz oder wegen des Trettmann-Features? BGSTRNG ist dann auch lohnenswert: Hört Euch die Gäste an, das ist sympathisch aber auch stark nostalgisch.



3. Die Ernüchterung: Am Ende bleibt - für mich - ein schwaches Dendemann-Album. Woran es liegt? Am Sound, am fehlenden, durchgehend hohen Niveau und an zu viel Nostalgie. Politischen und/oder wortgewaltigen Rap findet man in den letzten Jahren - wo Dende nach eigener Auskunft nix gemacht hat -  dann bei Juse Ju, Fatoni, Waving The Guns, Audio88 und Yassin, Antilopen Gang, Zugezogen Maskulin undundund...

Die kommende Tour wird groß und ist schon zum Teil ausverkauft.
Ich freue mich auf das Konzert in Münster, vielleicht werden dann die Wogen geglättet, aber so groß ist die Hoffnung nicht.

04.02. Hannover - Capitol
05.02. Bremen – Pier 2
06.02. Osnabrück - Rosenhof
07.02. Dortmund - FZW
09.02. Münster - Skaters Palace
10.02. Frankfurt - Batschkapp
11.02. Heidelberg - halle02
12.02. Stuttgart - Im Wizemann
13.02. München - Tonhalle
16.02. Karlsruhe - Substage
17.02. Köln - Carlswerk Victoria
18.02. Wiesbaden - Schlachthof
23.02. Dresden - Reithalle
25.02. Leipzig - Werk2
26.02. Hamburg - Mehr! Theater
27.02. Hamburg - Mehr! Theater
28.02. Berlin - Columbiahalle

Freitag, 25. Januar 2019

KW 4, 2019: Die luserlounge selektiert

Quelle: cdn.dribbble.com
(sb/ms) Der Winter ist nun auch in Westfalen eingezogen. Und er zeigt sich von seiner schönsten Seite mit ganz leichtem Schneefall und astreinem Sonnenschein. Ein Glück, dass das dreckige Regenwetter abgezogen ist. Die Bundesliga hat ja auch wieder angefangen. Das geht uns bei der luserlounge relativ gepflegt am Allerwertesten vorbei, da unsere Vereine in der zweiten und dritten Liga spielen. Ja klar, da geht es auch noch hoch her und zum Teil gibt es viel Hochglanz, doch immerhin schlagen da noch Herzen, die Investitionen sind äußerst begrenzt, da wird noch dreckig gewonnen und noch dreckiger verloren. Wie Thees Uhlmann ganz richtig singt: "Doch Liebe ohne Leiden hat noch keiner gesehen."
In diesem Sinne haben wir nicht nur unser volles Postfach nach Hörenswertem abgegrast, sondern uns auch entschieden, was hier kommt. Bitte sehr, es ist Freitag, die luserlounge hat selektiert!

Requin Chagrin
Vive la France! Das dachte sich Emmanuel Macron auch anders als er die Präsidentschaft Frankreichs gewonnen und angenommen hat. Was man so mitkriegt, steht es ja nicht ganz so gut um die Akzeptanz in seinen Gefilden. Was dort jedoch sehr floriert ist die Popmusik und mit Requin Chagrin bringt heute eine junge Musikerin ihr Werk auf den Markt, der nur das Beste zu wünschen ist. So verträumt, leicht melancholisch und wunderschön sind die zehn Lieder, die sich auf Sémaphore finden. Der Sound pendelt zwischen Chanson und effektgeladenen Gitarren, die so dahin strömen. Worum es genau geht, weiß ich nicht, dafür ist mein vierjähriges Schulfranzösisch nicht zu gebrauchen. Doch ich mag auch die Art von Musik, wo der Klang für sich steht. Das ist hier der Fall!



Hanse Song Festival Stade
Es gibt im Norden ein paar kleine Städte, die seit jeher Beachtliches bieten. Und damit meine ich nicht die Künstlersiedlung in Worpswede, nein.  In Husum zum Beispiel gibt es zum Beispiel den Speicher, wo jedes Jahr ein großartiges Festival stattfindet, das Husum Harbour! Ein wenig weiter im Süden, unweit von Hamburg, liegt Stade. Dieses Jahr findet dort zum achten Mal das Hanse Song Festival statt. Sicherlich, über den Namen hätte man nachdenken können, geht es doch eigentlich um die Musiker und ihre Lieder, die vor Ort erschallen werden. Namhafte Künstler haben sich dort in den letzten Jahren die Klinke in die Hand gegeben. In diesem April geschieht das erneut, wenn Moritz Krämer, Sam Vance-Law, Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen, Honig und Deniz Jaspersen ihre Songs zum Besten geben. Was für ein feines Line-Up! Und ja, ich denke stark darüber nach, hin zu fahren!

Pöbel MC
Auch in dieser Ausgabe der freitäglichen Selektion darf es nicht an Rap-Künstlern fehlen. Seit einiger Zeit kennen und mögen wir Pöbel MC, der sich aus dem Dunstkreis von Waving The Guns nach oben durch preschte. Nun ist er auch bei den lieben Menschen von Audiolith dabei und veröffentlicht dort am 8. Februar das Tape Pöbel Sports! Manchmal geht es in seinen Tracks etwas holprig zu, doch das ist sicher gewollt, textet er mit Ironie und einem Augenzwinkern, um den alltäglichen Wahnsinn auszuhalten. Wie, Ihr kennt Pöbel MC noch nicht?! Zero Problemo! Denn genau das ist die Ankündigung zur kommenden Veröffentlichung. Zieht es Euch rein, denn insbesondere der letzte Teil hat es in sich!



Ill Niño 
Mensch, das wir das noch erleben dürfen! Satte fünf Jahre nach dem letzten Lebenszeichen melden sich Ill Niño zurück und präsentieren ihre neue Single Sangre. Doch nicht nur der Song ist neu, nein, auch das Line-Up der Band hat sich gehörig verändert. Neuer Sänger, neuer Gitarrist - doch musikalisch bleibt alles beim Alten. Auch 2019 sollte man Latin Metal keineswegs abschreiben...


Pascow
Gefühlt sind Pascow ja eigentlich schon immer da, denn seit 20 Jahren besteht die Band aus Rheinland-Pfalz bzw. dem Saarland bereits. Dass die Jungs auf der guten Seite sind, ist eh klar, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich mich bisher nie ernsthaft mit ihnen beschäftigt und kannte auch keinen ihrer Songs - zumindest nicht bewusst. Das ändert sich nun, denn heute veröffentlicht das Quartett ihr neues Albums namens Jade. Darauf zu finden: deutscher Punkrock - und noch viel mehr! Pascow verlassen ihr gewohntes Terrain und wagen sich bei Wunderkind sogar an eine Ballade. Steht ihnen gut!



Phela
Mama, die neue Single von Phela hatten wir Euch kürzlich ja schonmal vorgestellt, jetzt gibts auch ein Video dazu, bei der die Sängerin erstmals auch Regie führt. Das Album Wegweiser folgt am 15.03. und auf Tour geht die Künstlerin nach ihrer Babypause auch und ist demnächst hier zu erleben:

22./23.03. Falkenberg, Burg Falkenberg
24.03. Frankfurt, Brotfabrik
26.03. Leipzig, Neues Schauspiel
27.03. Köln, YUCA
28.03. Hamburg, Nochtspeicher
29.03. Magdeburg, Moritzhof
31.03. Hannover, Lux
01.04. Heidelberg, Karlstorbahnhof
02.04. CH-Zürich, Dynamo 21
03.04. AT-Salzburg, Academy Bar
04.04. Stuttgart, White Noise
07.04. München, Strom


Puppy
Alternative, a bisserl Metal und doch auch sehr melodische Elemente - Puppy sind trotz lauterer Töne durchaus noch massentauglich und fordern auf ihrer FB-Seite dazu auf, die aktuellen Lieblingsplatten doch bitte zu entsorgen, da heute ihr Album The Goat erscheine und eh besser sei. Sagen wir mal so: nö, ganz sicher nicht! Das ist sicher nicht schlecht, ein paar starke Songs sind auch dabei, aber mir persönlich gibts ned so arg viel. Zusammengefasst in einem Wort: austauschbar! Aber hört selbst:

Mittwoch, 23. Januar 2019

Live in Dornbirn: Friska Viljor, We Are The City & side effects

Foto: facebook.com/friskaviljorofficial
(sb) Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt - klingt verdächtig nach bipolarer Störung, ist aber nichts anderes als eine Beschreibung der Musik der schwedischen Band Friska Viljor, die derzeit mit brandneuem Album im Gepäck auf Tour ist und gestern im Conrad Sohm zu Dornbirn Station machte. Mit dabei waren auch ihre Landsleute side effects und als Co-Headliner We Are The City aus Vancover, Kanada - das alles passte perfekt zusammen und sorgte für einen sehr unterhaltsamen Abend in winterlicher Umgebung, bei dem es einem richtig warm ums Herz wurde.

Den Anfang machten side effects aus Stockholm, deren neues Album Some Other Day mein Kollege ms kürzlich hier in der luserlounge rezensierte. Ich habe eben nochmal reingelesen und bin erstaunt, dass die vier Burschen tatsächlich schon Mitte 20 sein sollen. Die schauen so abartig jung aus, wenn sie vor einem stehen! Wie dem auch sei: was die vier da auf der Bühne veranstalten, ist schon sehr stark und wenn Du als Band drei Leute hast, die singen können, dann kommt das natürlich gut. Ich persönlich bewundere es ja extrem, wenn der Drummer neben der Hand-Fuß-Koordination auch noch in der Lage ist, den Leadgesang zu übernehmen. Nicht dass ich auch nur ansatzweise verstehen kann, wie das funktioniert, aber deswegen schreibe ich ja auch, statt es selber zu tun...

 

Leider war das Set der side effects bereits nach 45 Minuten zu Ende, das hätte ich mir gerne noch länger angehört, aber die Herren beehren uns ja sicher bald mal wieder und bis dahin kann man aufs Album zurückgreifen. So wirklich weg waren die side effects dann aber auch gar nicht, denn zuerst verkauften sie fleißig selber am Merch-Stand, ehe sie sich unters Publikum mischten und nichts anderes waren als einfach nur Fans - sehr sympathisch. Und bei Friska Viljor gabs dann sogar noch ein Comeback auf der Bühne!

Es folgten We Are The City und obwohl mir der Name durchaus geläufig war, wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Und wow, wie geil war das denn bitte? Seit über zehn Jahren besteht die Band bereits, konnte folglich aus einem ordentlichen Repertoire schöpfen, performte aber auch den bisher unveröffentlichen Track Killer B-Side Music. Was für ein Brett! Wikipedia nennt ihren Stil Progressive Rock, für mich war das gestern einfach nur extrem heißer Schice! Ich habe selten (oder überhaupt noch nie?) einen derart dominanten Drummer erlebt, der Songs von Anfang bis Ende so getragen und geprägt hat, dass die anderen beiden Bandmitglieder (immerhin Gesang/Keyboard und Gitarre) auf der Bühne zu Nebendarstellern degradiert wurden - und das nicht, weil er so laut und erstickend agierte, sondern ganz im Gegenteil: die Kombination aller Einzelteile sorgte für einen Sound, der nicht nur mich, sondern einen Großteil des anwesenden Publikums begeisterte. Leider war auch hier nach einer guten dreiviertel Stunde Feierabend, mit We Are The City werde ich mich aber sicher noch etwas ausführlicher auseinandersetzen und checken, ob die Studioaufnahmen mit dem Live-Erlebnis mithalten können.



Als um 22 Uhr Friska Viljor die Stage des Conrad Sohm betraten, herrschte also bereits beste Stimmung und schon bald wurden mit On And On, Gold und Oh Oh die ersten Höhepunkte erreicht und das Tanzbein wurde mehr (bei anderen) oder weniger (bei mir) gekonnt geschwungen.

So, nun aber zurück zum einleitenden Satz des Artikels, denn nach soviel Partystimmung kam der aprubte Cut, lediglich die beiden Ur-Friskas Daniel und Joakim blieben auf der Bühne und Letzterer erzählte von der Entstehungsgeschichte des aktuellen Albums Broken. Kurz zusammengefasst handelt es von der Trennung Joakims von seiner Familie - angefangen mit den ersten Zweifeln über den Tag, als seine Partnerin ihn verließ, bis hin zur Gegenwart, in der er seine Kinder zwar regelmäßig sieht, die Zeit aber einfach nicht reicht, um ihnen all das zu geben, was er gerne würde. Ich als Vater verstehe das nur allzu gut, denn auch wenn ich meinen kleinen Sohn jeden Tag um mich habe, bricht es mir abends fast das Herz, wenn ich ihn ins Bett bringe und weiß, dass ich ihn jetzt die nächsten zehn bis zwölf Stunden nicht erleben kann.

Es folgten also fünf ruhige, traurige Songs, die einen doch mehrmals schlucken ließen und mitunter auch die Tränen in die Augen trieben. Wie muss man drauf sein, wenn man auf Tour Abend für Abend so einen Seelenstriptease hinlegt? Dass Joakim das noch immer sehr nahegeht, war auch gestern Abend mehr als deutlich und am liebsten wäre man auf die Bühne gegangen und hätte den Kerl in den Arm genommen. Selbst jetzt, wo ich diesen Bericht schreibe, wird mir noch ganz anders zumute und mich überfällt eine tiefe Traurigkeit. Besonders loben möchte ich an dieser Stelle aber auch mal das Publikum: wurde bei den beiden Vorbands doch noch des Öfteren ziemlich respektlos während der Songs geratscht, war es diesmal mucksmäuschenstill und der Applaus nach den Liedern auch sehr verhalten und tröstend.

Wieder zu fünft auf der Bühne wurde mit Daj Daj Die und If I Die Now gekonnt die Brücke zurück Richtung guter Laune geschlagen und bei Wohlwill war dann endgültig Party angesagt. Schon krass, wie es einer Band gelingen kann, innerhalb so kurzer Zeit Tränen der Trauer, Rührung und Freude zu verursachen... Aber genau deswegen mag ich Friska Viljor ja auch so gerne und verfolge ihren Werdegang schon seit dem Debütalbum Bravo! (2006).

Foto: facebook.com/friskaviljorofficial
Der Zugabenblock sorgte mit Arpeggio dann noch für das absolute Stimmungshighlight des Abends, ehe das Set traditionell mit Shotgun Sister abgerundet wurde und Friska Viljor einen Haufen strahlender Gesichter in die eisige Kälte Vorarlbergs entließen.

Bleibt zu hoffen, dass die Band ihre kommenden Tourstationen (siehe unten) etwas stressfreier erreicht als diesmal, denn auf dem Weg von Salzburg nach Dornbirn verlor der Anhänger des Nightliners unterwegs einen Reifen, was eine stundenlange Verzögerung mit sich brachte.

23.01. Bern, Bierhübeli
24.01. Winterthur, Salzhaus
25.01. München, Theaterfabrik
26.01. Dresden, Beatpol
27.01. Rostock, M.A.U. Club





Sonntag, 20. Januar 2019

Live in Münster: Sam Vance-Law

Foto: Patrick Schulze via facebook.com/samvancelaw
(ms) Samstagabend in Münster. Die Straßen sind mit leichtem Frost überzogen, der Hansaring füllt sich langsam mit freizeitbetontem Publikum, es ist wirklich schön auf den Straßen und geschmackssicher geht's auf ins wunderbare Gleis 22, denn niemand geringeres als Sam Vance-Law lädt zu einem Gastspiel auf seiner aktuellen Tour ein. Viele aufmerksame Leute sind gekommen, um zum Einstimmen Charlotte Brandi mit ihren beiden Mitmusikerinnen zu lauschen. Die ehemalige Frontfrau von Me And My Drummer veröffentlicht am 15. Februar ihr erstes Solo-Werk und es könnte richtig gut werden, denn die Lieder, die sie live dargeboten hat, waren filigran, toll arrangiert und mit viel Können gespielt. Ich sah sie im September beim Reeperbahn Festival. Dort wirkte sie recht gestresst und unnahbar. Ganz anders im kleinen Rahmen. Die unterhaltsamen Ansagen waren ein guter Kontrapunkt zu den teils andächtigen Liedern. Wir dürfen also sehr gespannt sein auf The Magician.

Nach einer kleinen Umbaupause hat Sam Vance-Law dann ein weiteres mal bewiesen, dass er nicht nur ein großartiger Musiker, sondern auch ein phantastischer Entertainer ist. Jemand, der auf jeden Fall auf die Bühne gehört. Ich habe ihn schon häufiger in der Band von Cherilyn MacNeil (Dear Reader) und auf der Horror-Tour von Get Well Soon gesehen. Daher für mich kein Unbekannter, aber die Vorfreude war groß, da sein Album Homotopia ein großer Wurf ist.
Mit einem lässigen Tanz betrat er die Bühne und es folgte ein wunderbarer Auftritt. Zum Einen sind er und seiner Mitmusiker wahre Könner an ihren Instrumenten, das brachte den Auftritt auf ein qualitativ hohes Level. Dazu kommen die Arrangements an sich, die zwischen Pop und Klassik oszillieren. Oben drauf die witzigen, originellen Ansagen, er könnte auch locker eine Show moderieren. Ins Line-Up gesellten sich auch neue Songs, die von seiner ersten und einzigen Trennung bislang handeln. Entsprechend traurig waren sie auch, doch nicht minder schlecht. Und für sein deutschsprachiges Publikum brachte er ein Cover mit. Stilsicher und mit der gehörigen Portion Augenzwinkern haben sie Eisbär der schweizerischen NDW-Band Grauzone gespielt. Herrlich!

Doch viel zu schnell war dieser Abend vorbei.
Zwischen guten Lachern, melancholischer Andacht und großartiger Musik beider Interpreten war alles dabei, was ein gutes Konzert ausmacht. Der heimliche Star des Abends war jedoch Isabel Ment, die in beiden Formationen gespielt hat!

Sam Vance-Law spielt demnächst noch hier:

27.04. - Stade, Hanse Song Festival
02.05. - Reutlingen, Franz K
03.05. - Darmstadt, Centralstation
04.05. - Potsdam, Waschhaus
14.06. - Duisburg, Traumzeit Festival

Charlotte Brandi spielt hier ihre kommende Tour:
04.04. - Leipzig, Naumanns
05.04. - Erfurt, Franz Mehlhose
06.04. - Mainz, Schon Schön
07.04. - München, Ampere
08.04. - Wien, Chelsea
10.04. - Nürnberg, Club Stereo
11.04. - Hamburg, Nochtspeicher
12.04. - Berlin, Silent Green
14.04. - Dresden, Polimagie




Freitag, 18. Januar 2019

KW 3, 2019: Die luserlounge selektiert!


Quelle: web.uri.edu
(ms/sb) In den letzten Tagen habe ich einen Bericht über Christian Bruhn gelesen. Kennt Ihr nicht?! Ist okay. Doch sein Werk ist Euch schon bekannt. Er schrieb zum Beispiel die Melodien zu Heidi, Marmor, Stein Und Eisen Bricht oder Zwei Kleine Italiener. Klar, ist auch nicht mein Musikgeschmack. Aber der gute Mann, mittlerweile 84 Jahre jung, hat über 2.000 Melodien geschrieben und war 25 Jahre die Nummer Eins im Musikbusiness. Der kreative Output ist schon enorm. Zudem hatte er ein tolles Händchen, was klanglich die Massen bewegen kann. Recht hatte er mit seiner Einschätzung. Denn zu einem der Lieder da oben habt Ihr sicherlich nun einen astreinen Ohrwurm. Um dem entgegen zu wirken und im Jahre 2019 zu bleiben, haben wir unsere Fühler ausgestreckt und selektiert. Bitte sehr:

OVE
Kennt Ihr noch Anajo? Ich habe eben beim Anhören des neuen Albums der Nordfriesen OVE zum ersten Mal seit langer Zeit wieder an die Band gedacht, von denen ich vor zig Jahren etliche Konzerte besucht habe. Wie das nun zu deuten ist? Es hat sicher Gründe, warum die CDs der Augsburger nun nicht mal mehr im Regal in der Wohnung stehen, sondern in Kisten im Keller vor sich hinvegetieren, aber anderseits hat mich die Musik einen gewissen Teil meines Lebens begleitet und sehr angesprochen. Abruzzo (VÖ: 22.02. auf Tapete Records) schlägt nun musikalisch (und in gewisser Weise sogar textlich) in die selbe Kerbe: das ist sehr beschwingt, die Lyrics bestechen über weite Strecken mit verspielter Naivität (und das ist keineswegs böse gemeint) und das Gesamtpaket tut keinem weh. Meins ist es insgesamt nur bedingt, aber wer auf so Bands wie Von Wegen Lisbeth steht, der wird sich mit OVE sehr wohlfühlen.


Waving The Guns
Erst gab es die schlechten und danach die guten Neuigkeiten. Zum Ende des letzten Jahres haben Waving The Guns mitgeteilt, dass Admiral Adonis das Dampfschiff verlassen hat. Wirklich schade drum, denn zusammen mit Milli Dance auf der Bühne hat das immer gut geklappt. Nun die Guten: Neue Tourdaten, neues Album, passendes Video dazu und nach wie vor bärenstarke Aussagen, astreine Beats und das Augenzwinkern haben sie auch nicht verlernt. Das Muss Eine Demokratie Aushalten Können heißt das neue Werk, das am 15. März nirgendwo anders als auf Audiolith erscheinen wird. Ab jetzt könnt Ihr Euch die Splitsingle zum gleichnamigen Song und Perlen Vor Die Säue ansehen und -hören. Worauf wartet Ihr also noch?!

15.03.2019 Hamburg - Rote Flora
16.03.2019 Flensburg - Volksbad Flensburg
17.03.2019 Bremen - Tower Musikclub
23.03.2019 Dresden - Chemiefabrik Dresden (Chemo)
12.04.2019 Köln - Artheater
13.04.2019 Karlsruhe - Substage
04.05.2019 Rostock - Peter-Weiss-Haus
11.05.2019 Berlin - Festsaal Kreuzberg
17.05.2019 Hannover - Kulturzentrum Faust
18.05.2019 Wiesbaden - Schlachthof Wiesbaden



PUP
Toronto boomt ohnehin und auch der Hype um PUP hält seit Jahren an, auch wenn der ganz große Durchbruch bisher noch nicht gelang. Nichtsdestotrotz sind die Kanadier ein ganz heißes Eisen in der Punk-/Indie-/Garage-Szene und wissen auch mit ihrer neuen Single Kids zu gefallen. Das dazugehörige Album Morbid Stuff folgt am 05.04. und sollte ein Pflichtkauf werden. Nachdem die Band zuletzt mit Frank Turner und The Manzingers auf Tour waren, darf man sie demnächst mit ihrem Support Milk Teeth live erleben:

16.04. Brüssel, AB Club
18.04. Berlin, Cassiopeia Club
19.04. Hamburg, Hafenklang
20.04. Köln, MTC Club
21.04. Amsterdam, Upstairs at Paradiso


KYTES
Hach ja, die KYTES - immer wieder schön! Es ist kaum möglich, die Beine ruhig zu halten, wenn die Herren aus den Boxen schallen und selbst der überzeugteste Nichttänzer swingt mit. Am 25.01. veröffentlichen die Münchner ihre Frisbee EP - der logische nächste Schritt nach den vorangegangenen Releases und auch die nächste Weiterentwicklung. Der Gewinn des New Music Awards war offenbar Motivation genug, die eigenen Fähigkeiten weiter zu verfeinern und das Songwriting auf eine neue Ebene zu hieven. Indie, Du kannst so geil sein, wenn Du so klingst!


Júníus Meyvant
So, bevor Ihr weiterlest, kopiert mal den Namen des isländischen Künstlers, nutzt die Bildersuche des Genregiganten und dann ratet, was der Herr für Musik macht. 3, 2, 1, und die Antwort ist: eine geschmeidige Mischung aus Pop und Soul! Glaubt ja kein Mensch...
Und das Schöne daran: das klingt auch noch richtig gut, zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht und lässt einen bei eisigen Temperaturen vom noch so weit entferneten Sommer träumen. Across The Borders von Júníus Meyvant erscheint am 25.01. und überrascht den Hörer elf Tracks lang immer wieder von Neuem. Voll radiotauglich und trotzdem toll. Live zu bewundern hier:

21.02. Hamburg, Nochtspeicher
22.02. Köln, Artheater
08.03. Berlin, Bi Nuu


Nathan Gray
Boysetsfire kennt Ihr, ne? Das ist ja so Posthardcore-Mucke und somit der komplette Kontrast zu dem, was Sänger Nathan Gray am 15.02. als unheimlich tolles Doppel-Album auf End Hits Records veröffentlicht. Live in Wiesbaden/Iserlohn klingt von den Ortsnamen her zugegebenermaßen wenig sexy, aber was der große Meister da in der Wiesbadener Ringkirche und in der Iserlohner Dechenhöhle auf die Bühne gebracht ist, ist ganz großer Sport und erinnert phasenweise an den legendären Billy Bragg - wobei sich Nathan Gray da keineswegs verstecken muss. Also los, Album kaufen und sich das Spektakel dann auch live gönnen:

04.03. Wiesbaden, Schlachthof
09.03. Hamburg, Grünspan
10.03. Leipzig, UT Connewitz
11.03. Berlin, Frannz
12.03. Hannover, MusikZentrum
13.03. Nürnberg, Z-Bau
14.03. München, Kranhalle
15.03. Langenthal (CH), Old Capitol
16.03. Stuttgart, club CANN
17.03. Bochum, Christuskirche (ausverkauft)


Jungstötter
Wir haben Euch das Solo-Projekt von Fabian Altstötter schon einmal ans Herz gelegt. Und nun gibt es noch mehr gute Gründe, sich dort fleißig rein zu hören. Denn als Jungstötter bringt der ehemalige Sizarr-Sänger am 1. Februar sein Album Love Is heraus. Sizarr wurden ganz schön gehyped, aber - und da nehme ich Kritik gerne an - so richtig durchgestartet sind sie nie. Als Produzenten und Mittexter jedoch schon.
Die ersten Höreindrücke zum Album sind schlicht und einfach überragend. Die faszinierende Stimme, der reife Klang, die bestechend gute Komposition erinnert an eine nie stattgefundene Zusammenarbeit von Get Well Soon und Amanda Palmer. Ja, das sind Vorschusslorbeeren! Schaut Euch einfach das Video zu Wound Wrapped In Song an, das er live gemeinsam mit Soap&Skin aufgenommen hat und danach dürft Ihr die Kinnlade wieder hochklappen.
Auf Tour geht er als ihr Support und danach alleine. Hingehen ist angebracht.

26.01.2019 Stuttgart, Merlin
07.02.2019 Jena, Trafo
08.02.2019 Baden, One Of A Million Festival
09.02.2019 Frankfurt, Mousonturm
05.03.2019 Berlin, Volksbühne
06.03.2019 Dresden, Beatpol
07.03.2019 Leipzig, UT Connewitz
08.03.2019 Hamburg, Nachtasyl
09.03.2019 Köln, Artheater
12.03.2019 Nürnberg, Z-Bau
13.03.2019 Mainz, Schon Schön
14.03.2019 München, Milla
15.03.2019 AT-Wien, Volkstheater
16.03.2019 AT-Graz, Orpheum Extra
09.04.2019 CH-Zürich, Plaza (mit Soap&Skin)
10.04.2019 München, Muffathalle (mit Soap&Skin)
11.04.2019 Köln,Gloria (mit Soap&Skin)
13.04.2019 Berlin, UdK (mit Soap&Skin)

Mittwoch, 16. Januar 2019

Yassin - Ypsilon

Das Cover von Chehad Abdallah
(ms) Rap, wir müssen reden. Wir sind nun keine Experten auf dem Gebiet wie die KollegInnen bei backspin, splash! mag oder Visa Vie etcetcpp. Aber wir hören wirklich sehr gerne Rap!
Daher stellt sich ganz automatisch die Frage: Was soll der dämliche Hype um die Nutzung von Autotune?
Es ist ja nicht nur ein billiges Stilmittel sondern implizit auch die Erklärung, dass man keine besonders sichere oder gute Stimme braucht, um Musik zu machen. Jeder Ton, jede Sequenz wird zum Grauen verzerrt und derzeit ist es die Modeerscheinung Nummer eins im Rap. So erfolgreich zum Beispiel Trettmann derzeit ja ist, ich erkenne die teils gute Qualität seiner Texte, aber wozu Autotune?! Wenn man sich dann Standard mit Ufo361, Gringo und Gzuz anhört, schwillt die Halsschlagader bedrohlich an. Intern nennen wir soetwas Turboscheißdreck3000. Eine bessere Bezeichnung fällt mir persönlich auch gar nicht mehr ein.
Nun gibt es auch wesentlich sympathischere Rapper als diese vier. Von uns verehrt werden beispielsweise Fatoni und Juse Ju. Doch als die beiden auf dem Im Modus-Mixtape auch Autotune nutzten, wurde ich stutzig. Die gleiche Frage: Wozu?! Weil es cool ist?! Aufgrund großen Fan-Seins verzeihe ich es den beiden.
Und jetzt springt ein weiterer bärenstarker Interpret auf diesen Zug auf und die bereits gestellte Frage wird automatisch wieder aufgeworfen und in einem Zug beantwortet: Yassin, das hast Du nicht nötig.



Und auch Yassin verzeihe ich das. Denn sein erstes Solo-Album Ypsilon, das diesen Freitag (18. Januar) auf dem eigenen Label Normale Musik erscheint, ist ein wahres Brett geworden.
Nachdem ich ihn zusammen mit Audio88 vor zwei Jahren auf einem Festival live gesehen habe, verfolge ich beide mit Begeisterung. Der Mix aus bösesten Zeilen, guten Beats und astreinen Texten und dem bewussten Ausbleiben eines Reims ließ mich schnell überzeugen.
Zum Glück setzt Yassin Autotune nicht auf jedem der elf Lieder von Ypsilon ein.

Zuerst erschien letztes Jahr als Vorbote Abendland und ich war total begeistert, trotz des Stilmittels. Denn in gut dreieinhalb Minuten zeigt er, was gutes Songwriting ausmacht. Der Song zeigt zwei wegweisende Eckpfeiler für das Album: Yassin klingt solo anders als mit Audio88 zusammen - breiter, größer, nicht so minimalistisch - und textet auch anders. Man darf Abendland schon als persönliches Lied mit klarem politischem Einschlag sehen. Insbesondere das Video arbeitet ganz stark mit der Verbindung von Bild, Text und Beat. Klasse!
Dann erschien Haare Grau und es wurde klar, dass Autotune prominent eingesetzt wird, es lustig statt nur zynisch zur Sache geht und dennoch mit qualitativ hohen Texten gearbeitet wird. Das etwas gaga wirkende Video lässt darauf schließen, dass Yassin sich hier selbst nicht ernst nimmt und ganz profan seine Haarfarbe zum Thema macht.
Als dritte Auskopplung wurde 1985 gewählt. Erinnert halt stark an die gemeinsame Veröffentlichung von Casper und Marteria; unsere Ablehnung diesem furchtbaren Album gegenüber müssen wir eigentlich nicht noch mal wiederholen. Yassin hat die autobiographische Sicht auch viel besser drauf. Die Aufarbeitung der eigenen Kindheit und der Liebe zur Musik, die bis heute alles - wirklich alles - übersteigt, gelingt bestechend gut. Und siehe da: Kein Autotune!



Und dann warten noch acht weitere Songs auf den aufmerksamen Hörer. Samthandschuhe spielt mit Rollenklischees und einem abwechslungsreichen Beat. Junks thematisiert wahnsinnig eindrücklich, fast schon einschnürend die eigene Geschichte im Umgang mit Drogen.Okay, wir können auch direkt Sucht sagen. Dass Koks scheiße ist, muss man ja keinem sagen. Das so zu hören ist ein weiteres gutes, überzeugendes Argument davon weg zu bleiben.
Natürlich hat er sich auch ein paar Gäste mit auf die Platte gehört. Ohne Audio88 geht es nicht, zusammen mit Casper ist das mehr oder weniger als Dis-Track einzustufende Eine Kugel, das durchaus auch schmunzeln lässt.
Für Nie So holt er sich Mädness dazu. Auch ein alter Bekannter, denn mit Döll und Audio88 haben sie kürzlich erst zwei Tracks veröffentlicht. In dem Lied geht es um den Vergleich mit sich und den eigenen Eltern, der Familie. Als Einwandererkind keine leichte Sache. Darüber kann man sich gut Beiträge von Aladin El-Mafaalani anhören oder durchlesen, der beschreibt nämlich sehr genau, welche Herausforderungen auf die unterschiedlichen Generationen von Zugewanderten einprasseln.

Die Trap- und Autotune-Passagen gefallen mir nicht alle gleich gut. Da Yassin auf seinen Tracks jedoch inhaltlich wirklich zu überzeugen weiß, ist es ihm zu verzeihen. Ansonsten muss Linus Volkmann recht gegeben werden, der letztens gefordert hat, dass Autotune dieses Jahr aussterben muss.
Ypsilon ist ein textlich und klanglich breit aufgestelltes Album, das so nicht zu erwarten war, wenn man die gemeinsame Arbeit mit Audio88 verfolgt. Daher: Hut ab zu dem Mut und dem großen Können.

Bald geht Yassin auf eigene Tour und wir empfehlen den Besuch an diesen Orten:

18.01. - Berlin, Baumhaus Bar (Release Show)
26.03. - München, Strom
27.03. - Stuttgart, Schräglage
28.03. - Frankfurt, Zoom
29.03. - Berlin, Musik & Frieden
30.03. - Leipzig, Naumann's
31.03. - Hamburg, Prinzenbar
02.04. - Köln, Yuca

Montag, 14. Januar 2019

Heated Land - In A Wider Tone

Bild: www.facebook.com/heatedland
(sb) Das hab ich jetzt davon: PR-Info vorher nicht gelesen, tagelang gedacht, ich höre den neuesten heißen Folk-Scheiß aus Nordamerika und dann die Erleuchtung, dass Heated Land keineswegs aus Dallas, New York, Los Angeles, Seattle oder Toronto kommen, sondern aus heimischen Gefilden. Natürlich macht das das neue Album In A Wider Tone (VÖ: 01.02.2019) keinen Deut schlechter - ganz im Gegenteil!

Ende 2014, nach den Touren zum selbstbetitelten Debütalbum von Heated Land, verschwand Mastermind Andreas Mayrock in Richtung Mittelamerika. Zunächst kamen noch Grüße aus Kuba und Mexiko, doch je weiter es ihn in den Norden zog, desto stiller wurde es. Quasi aus dem Nichts dann ein Lebenszeichen: der Mitschnitt einer Livesession aus einer kanadischen Blockhütte. Und plötzlich war er zurück in Dresden, gedanklich aber noch (oder schon wieder) in Nordamerika und kurze Zeit später dann auch tatsächlich samt Arbeitsvisum über dem großen Teich.

Drei Jahre verbrachte Mayrock in British Columbia, ehe es ihn wieder nach Deutschland verschlug, diesmal nach Hamburg. Seine Band hatte sich in der Zwischenzeit in alle Winde zerstreut, für die Aufnahmen des neuen Albums rafften sich aber alle wieder im Studio an der nordfriesischen Nordseeküste zusammen. Ein Wochenende - mehr Zeit nahmen sich Heated Land für In A Wider Tone nicht, doch genau diese Vorgehensweise verleiht dem Album seine Authentizität, seinen Spirit.

Sehnsucht und Suche, Einsamkeit und Erneuerung - all das findet man in den neuen Songs der Band, zusammengefasst in einigen wenigen Zeilen und doch so raumgreifend, dass man sich dessen nicht entziehen kann. Der Blues vom Debütalbum ist als solcher kaum noch erkennbar, Folk ist nun angesagt, durchaus auch mal mit countryeskem Einschlag. In A Wider Tone ist von allem ein gutes Stück weit entfernt und nimmt einen doch wärmend in den Arm, lässt einen teilhaben an den Empfindungen, die den Songwriter in den vergangenen Jahren begleitet und gelenkt haben. Meine persönlichen Favoriten sind 0 0 0 und Off The Trees, Ihr dürft Eure auf der bevorstehenden Tour herausfinden:

04.02. Hamburg, Knust (Record Release Show)
15.02. Leipzig, Location steht noch nicht fest
16.02. Zittau, Emil
17.02. Hof, Dachbodenkonzerte
18.02. Dresden, Ostpol
19.02. Darmstadt, Schlosskeller
22.02. Köln, Weltempfänger
23.02. Hannover, Lister Turm
24.02. Offenbach, Hafen 2
Tour wird fortgesetzt!





Freitag, 11. Januar 2019

KW 2, 2019: Die luserlounge selektiert!

logosfake.wikia.com
(ms/sb) Wir, die luserlounge, sind an zwei unterschiedlichen Orten stationiert. Während der eine im Süden im Schnee zu versinken droht, sehnt sich der andere im nieselregenverhangenen Westfalen nach etwas Weiß vom Himmel. Aber das kann man sich ja nicht aussuchen. Wenn ich mit meiner Oma telefoniere geht es auch häufig erst einmal ums Wetter, logisch. Und meistens wird sich beschwert, auch das ist klar. Da meine Oma aber eine kluge Frau mit viel Humor ist, sagt sie dann auch stets, dass man ja eh nichts ändern könne und das auch gut so ist. Wie recht sie hat!
Wir haben auch recht, wenn wir sagen: Hier warten ein paar Perlen auf euch!

Perez
Ja hallo, was haben wir denn da? Hip Hop aus Stuttgart? Da gab es ja mal eine ziemlich gute Phase (Freundeskreis, Massive Töne, Afrob), dann eine weniger gute (Cro & Konsorten) und jetzt lässt 0711 Perez los auf die Musikwelt. Und ja, das weiß über weite Strecken zu gefallen! Sowas Wie Ein Album (VÖ: 25.01.) balanciert zwischen Genie und Wahnsinn, sprich: es gibt darauf einige sehr, sehr geile Stücke (v.a. Fluchtpunkt), bei anderen Songs denke ich mir aber jedes Mal wieder, dass das nicht deren Ernst sein kann. Die beiden Rapper haben so viel Potenzial, versauen es aber an manchen Stellen durch völlig unnötigen Autotune-Einsatz - und das trübt das Hörerlebnis trotz eigentlich großartigem Songwriting durchaus. Textlich ist das Ganze nämlich überaus hörenswert und macht Lust auf mehr! Ich bin ja mal gespannt, ob der im PR-Stream enthaltene sehr, sehr tolle Bonustrack Zu Hause dann tatsächlich den Weg aufs Album schafft - es wäre überaus wünschenswert, weil Highlight!


Theodor Shitstorm
Ich bin ein großer Freund von klugen Texten, die auch einen spielerischen Charakter haben. Das bringen Theodor Shitstorm in Perfektion zusammen. Das aktuelle Album von Desiree Klaeukens und Dietrich Brüggemann heißt zudem Sie werden dich lieben. Wie toll ist das denn?! Nun haben sie ein weiteres Video veröffentlicht und fragen darin, wer an was Schuld ist: jeder und niemand. Ganz einfach, ganz gaga, ganz schön schlau. Herrlich, dass das Video auf eigentümliche Weise noch richtig schön geworden ist. Die beiden gehen in Kürze auf Tour und nehmen Flo Holoubek mit, den man am Schlagzeug von Tim Neuhaus kennt. Geht da hin, es wird gut!

16.01. Saarbrücken, Max Ophüls Preis
17.01. Köln, Weltempfänger
18.01. Kiel, Schaubude
19.01. Flensburgm Volksbad
22.01. Düsseldorf, zakk
23.01. Hamburg, Hafenklang
25.01. Leer, JUZ
26.01. Rostock, Wohnzimmerkonzert
27.01. Langenberg, KGB
30.01. Leipzig, Ratstonne
31.01. Helmbrechts, Filmwerk
01.02. München, Heppel & Ettlich
02.02. Schorndorf, Manufaktur
03.02. Dresden, Ostpol
06.03. Berlin, Badehaus
08.03. AT-Wien, Rhiz
09.03. Wasserburg, Club Leonhard festival
25.04. AT-Dornbirn, Dynamo Festival



Hi! Spencer
Es ist oft ein Trugschluss vom Namen einer Band auf die Musik, die sie machen, zu schließen. Es tut mir leid, aber Hi! Spencer ist irgendwie ein eigenwilliger Name, der nach Schülerband klingt. Doch das haben wir schnell vergessen, denn die Songs der Osnabrücker ist reif, hat die nötige Portion Gitarrenwumms dabei, ohne stumpfer Punk zu sein, sondern guter, alter, deutschsprachiger Indie-Rock. Es ist ein bisschen Madsen, ein bisschen Love A und eine richtige Menge an eigener Note. Am 15. Februar erscheint das neue Album Nicht raus, aber weiter über Uncle M Music. Dazu gehen sie auf Tour und hier könnt ihr dazu schwitzen:

16.02.19 Hagen a. T. W. – Gaststätte Stock
10.04.19 Hannover – Lux
11.04.19 Berlin – Musik & Frieden
12.04.19 Hamburg – Molotow
13.04.19 Bremen – Kulturzentrum Lagerhaus
03.05.19 Meppen – JAM
09.05.19 Wilhelmshaven – Pumpwerk
16.05.19 Köln – Artheater
17.05.19 Essen – Weststadthalle
23.05.19 Kassel – Schlachthof
24.05.19 Dresden – Groovestation




Nicola Cruz
Spannend, spannend, was wir da aus Ecuador zu Hören bekommen! Die Musik von Nicola Cruz passt eigentlich so gar nicht ins Cluster der luserlounge, aber Siku (VÖ: 25.01.) ist einfach zu gut, um es zu ignorieren. Sein Interesse für die unterschiedlichsten Klangeinflüsse, Rhythmen und Kulturen der Welt steht dabei im Mittelpunkt - kombiniert mit seinem Hang zu elektronischen Sounds. Bekannt für diesen Brückenschlag zwischen Traditionellem und Electronica, zwischen Beats und mystischen, folkloristischen Klängen, setzt der Producer sogar noch einen drauf, indem er seinen Horizont erweitert, den Blick erstmals weit über die Grenzen Südamerikas hinaus öffnet und Sounds aus allen Ecken der Welt einbezieht. Der perfekte Lounge- und Aftershow-Soundtrack. Wer sich das live zu Gemüte führen möchte, der hat in Kürze die Gelegenheit dazu:

13.02.2019, Berlin - Astra
14.02.2019, Hamburg - Übel und Gefährlich




Blood Red Shoes
Es gibt einen Haufen an bekannter, erfolgreicher und beliebter Bands, die seit Jahren gut durch die Indie-Szene laufen, auf Festivals spielen, bei guten Partys zum Tanzen animieren und mir dennoch komplett unbekannt sind. Das ging mir letztens mit Two Door Cinema Club schon so. Bei Blood Red Shoes geht es mir eigenartiger Weise ebenso: Bekannt vom Namen und mehr auch nicht. Sie spielen dieses Jahr auf dem Deichbrand Festival, das ich besuche und in zwei Wochen (VÖ 25.01) erscheint das neue Album des Duos. Es heißt Get Tragic und klingt richtig stark. Da frage ich mich ab und an, wie das passieren konnte.
Laura Mary-Carter und Steven Ansell drehen auf der neuen Platte die Synthies und denn Bass gehörig auf und insbesondere die schöne Gesangsstimme von Laura lässt tolle Melodien erklingen. Sie erzeugen reichlich energiegeladenen Druck (Eye to Eye, Bangser, Howl, Elijah) und ich frage mich, wie das live klingt. Nachdem ich mal Wye Oak gesehen habe, weiß ich das und war total erstaunt, was für ein Sound ein Duo erzeugen kann. Wahnsinn! Und auch die ruhigeren Lieder wie Beverly wissen zu überzeugen. Ein hammerhartes Brett, große Empfehlung!




L'Impératrice
Diese französische Band haben wir Euch letztes Jahr schon präsentiert. Nun gibt es ein neues Video als Ankündigung zum Erstling, der am 5. April erscheinen wird. Là-Haut heißt das Stück, das der Vorbote für die Platte Namens Matahari ist. Der Track beginnt mir entspannten elektronischen Klängen und einem sanften Beat, der bebildert den stumpfen Alltag in einem Büro zeigt und diesem dann entflieht. Schön ist, dass das Video mit ganz unterschiedlichen Stil- und Kunstmitteln arbeitet, daher empfehlen wir dringend, euch dafür kurze vier Minuten zu nehmen. Ihr werdet belohnt mit catchy Musik und vielen bunten Farben!


Donnerstag, 10. Januar 2019

Side Effects - Some Other Day

Foto: Manne Wahlstrom
(ms) Sie haben definitiv ganz, ganz viel sehr richtig gemacht. Sie, das sind Billy Cervin, Elias Jungqvist, Hugo Martensson und Joacim Nilsson. Sie nennen sich side effects (ja, klein geschrieben), kommen aus Stockholm und sehen tatsächlich aus wie eine Mischung aus den jungen Mando Diao und den Killians. Tatsächlich ist die Musik, die sie machen auch nicht ganz so weit davon entfernt. Doch es ist wesentlich besser und nicht so eingebildet wie die älteren schwedischen Kollegen und sie pflegen einen gutem Umgang. Zum Beispiel sehr intensiv mit Ebbot Lundberg, dem ehemaligen Sänger von The Soundtrack Of Our Lifes, dem wunderbaren singenden Jesus. Der brauchte für sein Solo-Projekt nämlich eine Band, mit der er auftreten und die Lieder einspielen kann. Er fand die vier Jungs, heute alle 25 Jahre jung, und sie nannten sich The Indigo Children. Dass sie Lundbergs Art und Weise Musik zu machen, verstanden haben, ist dabei deutlich zu hören.
Nun sind sie unter eigenem Namen unterwegs und veröffentlichen an diesem Freitag (11. Januar) ihr zweites Album Some Other Day. Die elf darauf enthaltenden Tracks sind so voller Tempo, angenehmer Vielseitigkeit und darüber hinaus noch schön catchy, dass sie zudem die richtige Band sind, um Friska Viljor auf ihrer anstehenden Tour zu begleiten. Das gute, alte Vitamin B...



Seit zehn Jahren machen die vier Jungs zusammen Musik. Das heißt, sie waren schlanke fünfzehn, als sie damit angefangen haben. Nach Naivität, zu hohen Ambitionen oder Dilettantismus ist jedoch - oder zum Glück - keine Spur zu hören. Am besten kann man ihren Sound mit psychedelischem Gitarrenrock bezeichnen. Interessanterweise haben ihre norwegischen Kollegen von Great News letztes Jahr ein Album veröffentlicht, das in eine ähnliche Kerbe schlägt.
Groß klingt es schon im ersten Track Seasick. Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug tun das, was sie sollen: ordentlich Dampf! Auf den Stimmen liegt eine ordentliche Portion Hall, was aber richtig gut rüber kommt! Das treibende Schlagzeug macht auch auf Slip Away viel, viel Freude. An zweiter Stelle ist dies schon ein richtig, tolles Stück! Tatsächlich es eher die Musik, die live wohl richtig gut kommt; auf einer Party bin ich mir nicht so sicher. Hitpotential ist immer wieder vorhanden, jedoch liegt die hohe Qualität eher im konstant hörenswerten Gesamtwerk.
Toll ist, dass ein beständig hohes Tempo an den Tag gelegt wird. Es gibt kaum Pausen, kaum ruhigere Lieder, nur ab und an sanftere Phasen innerhalb der Songs. Das ist in sofern stark, weil Abwechslung auch dann garantiert sein kann, wenn es keine Ballade gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist Wanna Loose You, ein Track, der den Synthies mehr Raum gibt, super! Spätestens da ist der Zeitpunkt erreicht, in dem man sich fragt: Die sind erst 25?! Uhi, dafür klingt es aber enorm reif, überlegt und professionell!
Klar, es braucht ein paar weniger starke Lieder, B.N.H. kann man skippen, obwohl hier auf sehr hohem Niveau gemeckert wird. Doch schnell hinterher kommen mit Suffer & Smile und Hide Away zwei tolle, melodiegeführte Songs.
Und der Rausschmeißer Some Other Day schließt die gleichnamige Platte gebührend ab!



Das hier ist ein richtig tolles Album geworden. Temporeich, voller Abwechslung, mit vielen hörenswerten Details. Und sie sind genau die richtige Wahl als Vorgruppe zu Friska Viljor in den kommenden Tagen, deren Album ja eher melancholisch geworden ist.

Hier sind beide Bands demnächst unterwegs:

14.01. Hamburg - Uebel & Gefährlich
15.01. Berlin - Astra
16.01. Münster - Sputnikhalle
17.01. Köln – Gloria
18.01. Wiesbaden – Schlachthof
19.01. AT-Linz - Posthof
20.01. AT-Wien - Flex
21.01. AT-Salzburg - Rockhouse
22.01. AT-Dornbirn - Conrad Sohm
23.01. CH-Bern - Bierhübeli
24.01. CH-Winterthur - Salzhaus
25.01. München - Theaterfabrik
26.01. Dresden - Beatpol
27.01. Rostock - M.A.U. Club

Dienstag, 8. Januar 2019

Friska Viljor - Broken

Foto: Dennis Dirksen
(ms) Ein Bericht zum neuen Album von Friska Viljor kommt nicht ohne eine persönliche Einbettung des Ganzen aus.
Es begab sich am 2. Mai 2008 als ich die beiden Schweden mit Band das erste Mal live gesehen habe. Damals gab es in Bielefeld eine Partyreihe der Musikzeitschrift Visions. Das war immer klasse. Ein Mal im Monat traten zwei, drei Bands für einen geringen Preis auf und anschließend wurde wild getanzt. Es kostete schlanke sieben Euro, damit Daniel, Joakim und Band uns in Ekstase versetzten. Seitdem begleite ich die Band und ihre Songs mich. Viele haben sich richtig in mein Gedächtnis und einzelne, sehr private Situationen eingebrannt. Kein Wunder, dass sieben weitere Konzerte folgten. Die beiden großen Typen mit der Mandoline in der Hand an einem zu klein eingestellten Mikrophon-Ständer damals im Mai ist ein Bild, das ich so schnell nicht vergessen werde.

Nun erscheint diesen Freitag (11. Januar) ihr siebtes Album, das Broken heißt. Wie erwachsen sie geworden sind. Denn: Als die beiden Freunde sich dazu entschlossen haben, gemeinsam zu musizieren, waren kurz vorher ihre beiden Beziehungen zerschmettert.
Die von Joakim war nun wieder vorbei. Das ist drei Jahre her. Daraus entsprangen allerdings auch Kinder, Vertrauen, Gemeinsamkeit. Ein Team zerbrach. Und Joakim auch. Die Geschichten aus dieser Zeit finden sich nun musikalisch untermalt. Keine Leichtigkeit mehr, kein Bravo.
Im Vorhinein gab es schon eine große Berichterstattung, viel Ungefähres, Vielversprechendes. Dann kam der vielzitierte Auftritt als Shotgun Sisters auf dem Reeperbahn Festival - ich war dabei. Ich stellte mich auf Party und angenehmen Biergenuss ein, doch durch ein Gespräch mit meinem Nachbarn, der in der Szene gut vernetzt und informiert ist, steckte der mir, dass die beiden ausschließlich neues Material spielen würden. Folgendes Bild ergab sich: Die zwei wundervollen, großen Typen an Gitarren und Keyboards, in Joakims Augen sah man den Schmerz, in Daniels viel Güte. Die Songs waren noch nicht fertig, aber in einem fruchtbaren Prozess.



Für Broken wurde der letzte Track im November geschrieben! An diesem Sonntag wurden die gemasterten Lieder fertiggestellt. Freitag erscheint das Album. Diese Schnelligkeit ist atemberaubend, aber Friska Viljor haben auch versprochen die Platte vor Tourstart zu veröffentlichen. Es sind zwar nur drei Tage, aber immerhin bliebt noch etwas Zeit, die Texte zu lernen!

Mit Unless You Love Me startet das Album. Bei aller Emotionalisierung der Umstände kann man zum Glück festhalten, dass der Sound der Alte geblieben ist: locker, unaufgeregt. Im Grunde genommen haben sie sich ja auch nie wirklich entwickelt und niemand hat das von Friska Viljor je verlangt. Oder doch?! Immerhin haben sie mir Is It Over zum ersten Mal ein reines Instrumentalstück dabei (belehrt mich, wenn ich hier falsch liegen sollte). Und zum Ende hin folgt mit Not The Same ein weiteres, das mit elektronischem Sound arbeitet.
Broken ist nicht nur inhaltlich ein Konzeptalbum, sondern auch von der Abfolge her. Denn die Lieder schildern nach und nach die persönliche Krise von Joakim. Es beginnt mit einer schlimmen Offenbarung. Zweifel und Niedergang folgen.
Doch die Traurigkeit ist meist in den Texten zu finden und nur ab und an in der musikalischen Stimmung. Wirklich melancholisch sind beispielsweise Failure und Trap geworden. In letzterem ist erstmals die immer etwas wackelige, unperfekte Gesangsstimme von Joakim unter einem neuen Gesichtspunkt zu hören. Eines der Höhepunkte ist sicherlich Regrets, der Song gleicht einem Spiegelbild seiner Seele.
Ab und an findet man sich auch selbst wieder in einzelnen Passagen. Wenn es in All Is Good heißt, dass schon alles in Ordnung sei, obwohl das definitiv nicht zutrifft, kennt man das. Gerne redet man sich Situationen schön oder will nicht aus mit dem Ballast, der auf einem liegt.



Nun ist Broken sicherlich das privateste Album, das die beiden je hervorgebracht haben. Den wahren Verdienst daran hat jedoch Daniel. Denn die Band stand kurz vor dem Aus. Joakim hat seine Gefühle und Stimmungen jedoch immer aufgeschrieben, kleine Liederfetzen entstanden, doch nie mit dem Ziel sie auf Platte zu bringen. Dafür war Daniel zuständig, der ihn stets ermutigt hat weiter zu machen, weiter zu schreiben und Melodien zu finden. So ist Broken nicht nur ein Trennungs-Album, sondern auch der Beweis einer großen Freundschaft.

Das Stärkste ist es nicht geworden. Dazu fehlen Hymnen wie Wohlwill Straße, Arpeggio oder In My Sofa I'm Safe. Aber es ist ein tolles Album geworden mit viel Herzschmerz und dem großen Versprechen, dass sie vorerst nicht aufhören ihre treuen Fans live zu begeistern. Das geschieht ab kommender Woche genau hier und wir raten Euch, dahin zu gehen:

14.01. Hamburg - Uebel & Gefährlich (ausverkauft)
15.01. Berlin - Astra
16.01. Münster - Sputnikhalle
17.01. Köln – Gloria
18.01. Wiesbaden – Schlachthof
19.01. AT-Linz - Posthof
20.01. AT-Vienna - Flex
21.01. AT-Salzburg - Rockhouse
22.01. AT-Dornbirn - Conrad Sohm
23.01. CH-Bern - Bierhübeli
24.01. CH-Winterthur - Salzhaus
25.01. München - Theaterfabrik
26.01. Dresden - Beatpol
27.01. Rostock - M.A.U. Club


Montag, 7. Januar 2019

Turbostaat - Nachtbrot

(ms) Zwei Freunde von mir sind wirklich verrückte Fans der Flensburger Band Turbostaat. Unabhängig voneinander haben sie schon unzählige Konzerte besucht. Die Gruppe ist an mir immer ein bisschen vorbei gegangen. Einzelne Songs wie Haubentaucherwelpen oder Tut es doch weh finde ich ebenfalls sehr stark, doch ich habe sie tatsächlich nur ein Mal auf einem Festival gesehen. Und das nur im Vorbeigehen.
Ich kann mir nicht erklären, wie mir dieser folgenschwere Fehler unterlaufen konnte. Denn diesen Freitag (11. Januar) erscheint ihr erstes Live-Album, das auf den Namen Nachtbrot hört und ich darf schon seit ein paar Wochen reinhören und bin von der ersten Minute bis zum Schlusstakt vollends überzeugt, dass das hier ein ganz großer Wurf ist. Daher folgt nun der Versuch zu erklären, warum Nachtbrot das perfekte Live-Album ist.

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum eine Band ein Live-Album produziert und es gibt unterschiedliche Herangehensweisen. Im Weihnachtsgeschäft tümmeln sich allerhand Geldzähler, manchmal ist es ein Abschieds-Release, ab und an die Aufzeichnung eines besonderen Abends mit speziellem Ambiente. Turbostaat haben sich für einen anderen, triftigeren Grund entschieden: Sie feiern dieses Jahr ihr 20-jähriges Bandjubiläum. Beachtlich: Stets in der gleichen Besetzung. Für diese Platte fuhren sie letztes Frühjahr nach Leipzig ins Conne Island, wo ein einzigartiges Publikum auf sie wartete.



So. Aus folgenden Gründen ist Nachtbrot das perfekte Live-Album: Erstens sind die Musiker dieser Band richtig, richtig gut an ihren Instrumenten. Das ist eine notwendige Voraussetzung für einen Live-Mitschnitt. Erhärtend kommt hinzu, dass es häufig Rhythmuswechsel innerhalb eines Liedes gibt, dass die beiden Gitarren scheinbar gegeneinander arbeiten. Dies funktioniert herausragend. Zudem wurde diese musikalische Dynamik bestechend gut eingefangen, man hat beim Hören wirklich den Eindruck vorne im Moshpit zu stehen.
Weiterhin gehört das Publikum dazu. Es ist in dem genau richtigen Maße zu hören. Es ist leise, wenn es leise sein soll (Wolter) und laut, wenn es laut sein soll (auch in Wolter und in den meisten anderen Liedern). Außerdem ist zu spüren, dass zwischen Band und Besuchern eine vertraute, ja beinahe freundschaftliche Atmosphäre herrscht. Man kennt sich. Das erklärt auch, warum die Menge so unheimlich textsicher ist. Diese Textsicherheit wird oft verlangt, wenn Sänger Jan es ihnen überlässt und dann, wenn das Publikum sich diesen Raum nimmt (Sohnemann Heinz).
Grund Nummer drei für die Stärke des Albums: Die Länge. Ein Live-Album mit zwölf Liedern ist unglaubwürdig. Es sind 21 Songs, die sich über 82 Minuten erstrecken. Es ist ein gefühlt volles Konzert, das an drei Abenden in einer Location aufgenommen wurde. Es harmoniert an allen Ecken und Enden, das passt saustark.
Grund Nummer vier: Die Dynamik, die Energie, die enorme Bereitschaft, die Kraft der Band. Wie sehr sie das provozieren ist nur ab und an und dann aber sehr deutlich zu hören. So ruft Sänger Jan Windmeier dem Publikum im Song Abalonia kurz vor dem Refrain einmal zu "Kommt!". Selbst wenn man nicht dabei war, weiß man ganz genau, was gemeint ist: alles geben, mitsingen so laut es geht, schwitzen was das Zeug hält, eins sein mit dem Augenblick.
Nummer fünf: Die generelle Qualität der Gruppe Turbostaat. Ich tue mich schwer damit, ihr Genre einfach mit Punkrock zu betiteln. Das wäre ihren Texten nicht gerecht, denn diese sind zu klug für Punkrock, teils zu verschachtelt. Sie sind nicht Schaum vorm Mund, sondern auch einfühlsam, ehrlich, bedacht. Die Dagegen-Mentalität, wie man sie eigentlich aus dem Punk kennt, ist zum Glück nicht zu vernehmen.



Heute, am 7. Januar, vor zwanzig Jahren kamen Jan, Rollo, Tobert, Peter und Marten das erste Mal zum Proben im Husumer Speicher zusammen, gründeten die Band mit allerhand Zweifeln und haben sich zurecht und beträchtlich etabliert in der deutschen Musiklandschaft und wuchsen zu einer überzeugenden, verlässlichen Größe heran.
Wer sich dieses Album nicht kauft, gehört ordentlich bestraft. Es sollte einen gebührenden Platz in der heimischen Plattensammlung finden und regelmäßig laut laufen.
Die beiden oben erwähnten Freunde kann ich nun mehr als gut verstehen.
Zum Glück kann man sich davon auch in den kommenden Wochen live überzeugen. Und zwar hier:

11.01. - Husum, Speicher (Ausverkauft)
12.01. - Flensburg, Volksbad (Ausverkauft)
14.02. - Hamburg, Markthalle
16.02. - Jena, Kassablanca
19.02. - Köln, Gloria
21.02. - Stuttgart, Universum
23.02. - Göttingen, Musa
13.03. - Münster, Sputnikhalle
16.03. - Hannover, Faust
19.03. - Berlin, SO36 (Ausverkauft)
21.03. - Dresden, Beatpol
22.03. - Erlangen, E-Werk

Freitag, 4. Januar 2019

KW 1, 2019: Die luserlounge selektiert!

Quelle: supercoloring.com
(ms/sb) Wir, die luserlounge, wünschen Euch natürlich ein glückliches, gesundes, lautes, taktvolles, neues Jahr! Was da nicht alles auf uns wartet. Wahrscheinlich wird die Berichterstattung hier etwas dünner werden, da sich beruflich neue Wege abzeichnen und für dieses wunderbare Hobby nicht mehr so viel Zeit vorhanden sein wird. Wir setzen selbstredend alles dafür an, Euch weiterhin mit Neuem und Hörenswertem zu versorgen. In den nächsten Wochen gibt es schon drei Neuerscheinungen, die uns jetzt schon aus den Schuhen reißen: das erste Solo-Album von Yassin, das bärenstarke Live-Album von Turbostaat und das Konzeptalbum von Friska Viljor, das immer noch kein Veröffentlichungsdatum hat, obwohl die Tour in wenigen Wochen startet. Das letzte Lied für die Platte wurde Ende November geschrieben! Langsam drängt die Zeit. Oder? Ach, quatsch. Gut Ding will weiterhin Weile haben. Live sind sie eh super.
Doch Achtung. Erstmal ist heute Freitag. Und das lassen wir euch nicht nehmen: Es wurde selektiert!

Dahlia Sleeps
Die Zeit zwischen den Jahren oder kurz nach dem Jahreswechsel bringt oft eine leicht melancholische Stimmung mit sich, oder? Latente Ängste zu dem, was kommt und ansteht. Aber auch Hoffnungen, dass das, was letztes Jahr nicht so rund lief, besser wird. Die britische Band Dahlia Sleeps hat dazu die passende Musik auf Lager und veröffentlicht am 18. Januar via Warner/Zebralution ihre EP Love, Lost. Im Vordergrund stehen sanfte Klaviertöne, die schnell mit treibenden Synthie-Elementen zu einem zarten aber energievollen Electropop fusionieren. Dafür sind Sängerin Lucy Hill und Produzent Luke Hester im wesentlichen verantwortlich. Die sieben Lieder überzeugen mit leichter Zerbrechlichkeit, schöner Harmonie. Überzeugungsarbeit gibt's hier:



Dodie
Wir haben direkt noch eine weibliche Künstlerin, die am gleichen Tag auch eine EP auf den Markt bringt. Sie kommt aus Essex, nennt sich Dodie (nicht zu verwechseln mit Dido), macht seit sieben Jahren Musik und ist 23 Jahre jung. Human ist ihre dritte EP, ihre ersten beiden hat sie unter eigener Regie veröffentlicht und dennoch Chart-Platzierungen in Großbritannien eingefahren, Hut ab! Ihre Songs sind ruhig, auf den Inhalt fokussiert und schlicht wunderschön. Beim Video zum titelgebenden Lied musste ich sofort an Real Humans (dieser Roboter-Serie aus Schweden) und den Film Her denken. Ich mag es, wenn Video und Text so passend Hand in Hand gehen:



Juse Ju
Es ist kein Geheimnis und wir geizen auch nicht damit: Wir danken Fatoni sehr, dass er Juse Ju mit nach vorne gepusht hat. Seitdem sind wir große Fans; spätestens jedoch seit Angst & Amor. Shibuya Crossing hat uns dann den Rest gegeben. Und da Juse das Handwerk des Rap sehr gut versteht, bringt er nun eine neue EP raus: sechs neue Tracks und sechs Instrumentals: Untertreib nicht deine Rolle. Das soll dann live entsprechend dargeboten werden und er geht ein weiteres Mal mit Curly auf Tour. Dazu gibt es auch einen gemeinsamen Song und seid getrost; der Track wird mit mehrmaligem Hören immer besser!

15.02. - Erfurt, Kalif Storch
16.02. - Würzburg, B-Hof
17.02. - Wien, Flex Café
18.02. - Dresden, Groovestation
21.02. - Lüneburg, Salon Hansen
22.02. - Dortmund, Junkyard
23.02. - Kirchheim, MGH Linde
07.03. - Potsdam, Waschhaus
08.03. - Rostock, Helgas Stadtpalast
09.03. - Bremen, Lagerhaus
10.03. - Kiel, Orange Club