(ms) „Ich hab Zeit / Wir haben so viel Zeit, Babe.“
Leider, leider kann Keyboarder Christian Hummer das nicht mehr für sich behaupten. Eine offensichtlich sehr schwere Krankheit hat das Gründungsmitglied von Wanda nicht überlebt und wenige Tage vor Veröffentlichung des neuen Albums (30. September) starb er. Ein junger Kerl, der sicherlich schon allerhand mit dieser Band erlebt hat, erleben durfte. Aber noch so viel mehr lag vor ihm. Was für ein trauriger Verlust. Und das soll nun nicht zynisch klingen: Auch zu so einem Zeitpunkt. Das neue Album ist in den Startlöchern, allerhand Termine stehen an, eine Tour steht in den Startlöchern. Da ich nicht spekulieren möchte zur Realisierung dieser ganzen Dinge nur eines: Mögen die unmittelbar Betroffenen übermenschliche Kräfte haben, um das alles zu verstehen - was für Nervenstränge müssen das denn sein?!
Da steht nun dieses Album. Zu viert wird wohl weitergemacht.
Muss man es nun anders bewerten? Hm, ich glaube nicht.
Wir intensiv Christian (noch) an der Erstellung dieser Platte beteiligt war, weiß ich nicht.
Ich hoffe, dass er seinen Teil noch beitragen konnte. Also: Es ist die letzte Platte mit ihm an den Tasten. Vielleicht lässt es sich nun am ehesten als Ende einer gemeinsamen Zeit und Schnitt zu einer Neuen hin sehen.
Wanda ist ein gutes Album geworden. Ein Klassisches, so viel kann mittlerweile sicher schon behauptet werden. Diese Band ist einfach extrem schnell durchgestartet und hat es geschafft, sich mit einem eigenen, unverkennbaren Stil zu etablieren. Eine fast schon romantische Geschichte in einer oft
Quelle: fm4.orf.at
als schneller wahrgenommenen Welt. Nein, die großen Überraschungen bietet das neue Album nicht. Vielleicht auch nicht die allergrößten Hits. Es ist eine Standortbestimmung: Hier sind wir, so klingen wir, wir sind gut, das ist unser Stil, keine Ahnung noch, wie lange das so weiter geht, aber wir sind da und so schnell nicht weg zu kriegen, dreht mal auf, wir machen weiter!
Ein selbstbetiteltes Album also. Passt doch irgendwie zur Standortbestimmung. Bereits letztes und vorletztes Jahr sind Singles erschienen, die sich nun auf diesem Album wiederfinden. Vielleicht wurden Dinge umgeworfen, Pläne neu geschmiedet oder es bot sich einfach an, einen als gut erachteten Song schnell als Tageslicht zu befördern. Wer weiß. Durch die unterschiedlichen Strategien, ein Album zu veröffentlichen, bin ich noch nie so wirklich gestiegen. Wanda also. Hören wir uns das mal an.
1. Rocking in Wien: Direkter Bandsound. Direkter Wandasound. Direkte Wandathemen. Eine gewisse Orientierungslosigkeit im Leben. Alkohol. Die Liebe zur Stadt Wien. Weitermachen - eine Leitlinie, die noch an anderen Stellen zu hören sein wird. Selbstzitate. Ein recht unspektakulärer Song, der aber den Standort bestimmt.
2. Rot ist die Farbe: Auch hier wenig Überraschungen im Sound, sie haben einen Eigenen entwickelt und spielen ihn. Why not?! Auch hier geht es um gar nicht so viel, außer, dass es gerne so weitergehen kann. Heißt im Umkehrschluss ja auch, dass der Moment, der aktuelle Zustand, sehr gut ist. Das ist im Grunde genommen ja eine ziemlich tolle Aussage.
3. Orte an denen wir waren: Hach, Österreich! Was wärst du nur ohne deine krude Beziehung zum Tod? Ein Lied, das nun natürlich in einem anderen Licht erscheint. Ja, bleibt nichts von uns, außer die Orte, an denen wir uns aufgehalten haben? Klar, das kann eine Sichtweite sein, die etwas Schönes hat: Lass uns das mal alles nicht so wichtig nehmen mit dem Leben. Genießen wir es also so heftig, wie es geht. Eine fast schon euphemistische Deutung der sonst so morbiden Sicht auf den Tod aus Kunst und Literatur aus Rot-Weiß-Rot.
4. Wir sind verloren: Ist das ein Liebeslied? Schon, oder? Wenn es heißt, dass „lächerliche Zeit vergeht“ ist es nichts anderes als eine weitere Hymne auf ein Leben, das keinen richtigen Zweck hat, also nichts anderes übrig bleibt, als uns Hals über Kopf in allem zu verlieren. Ja, verloren-sein darf hier durchaus mit triumphal in die Luft gereckte Faust gedeutet werden.
5. Immer willst du tanzen: Hach, toll. Es gibt ja einige Wanda-Lieder, die irgendwie gar nicht viel aussagen. Dieses gehört dazu und es geht um nicht mehr als der Titel schon verrät. Weiter.
6. Va bene: Willkommen zu meinem persönlichen Highlight der Platte. Altes Thema: Weitergehen muss es. Aber hier auf so inbrünstige Art dargeboten, dass es mir Gänsehaut macht. Zugegebenermaßen packte mich dieses Lied nicht beim ersten Mal. Doch da schwingte schon direkt was mit, was ich bei den nächsten Durchläufen immer lauter und lauter gedreht habe. Dieses große Gefühl, das Wanda erzeugen kann… ich liebe es! Und dafür auch diese Band!
7. Eine ganz normale Nacht in Wien: Der nächste Kracher. Ja, es ist nicht die Platte, auf der die Musik sich sonderlich in den Vordergrund drängt und hängen bleibt. Dies ist eines der textlich stärksten Lieder der Gruppe - meines Erachtens. Zum Einen ist es die große Frage, wie eine Familie in dieser Welt zu organisieren und erziehen ist. Zum Anderen ein weiteres Lob auf das gute Leben, das nicht immer rational erklärt werden muss. Und Amore für solche Zeilen: „Ich denk nur halb so gern, wie ich rauch.“
8. Pilot: Herrlich, ein weiteres Liebeslied, ein Unterstützungslied, das wenig Höhepunkte bietet, aber das Versprechen gibt, für den anderen da zu sein.
9. Jurassic Park: Dieses Lied erschien tatsächlich schon vor zwei Jahren. Nun auch auf Platte festgehalten. Geht es um eine Amour Fou, die verrückte Liebe, eine seltsame Abhängigkeit, die in den Wahnsinn - die Verfolgungsjagd - treibt? Möglich…
10. Die Sterne von Alterlaa: Auch ein Stück, das schon länger zu hören ist. Noch mehr verrückte Amore inmitten der Betonstadt Wiens. Was muss das erzählende Ich verliebt sein, wenn es fürs Aufmerksamkeiterzeugen unterm Fenster der Angebeteten eine Schlägerei anfängt?! Wundervoll! Aber muss es zum Rausch wirklich Averna sein?! Bah!
11. Kein Bauplan: Ja, es gibt keinen Plan für dieses verkorkste Leben. Ein Hoch darauf!
12. Eine Gang: Argh! Das musste aber zum Ende hin nicht wirklich sein, oder? Ja, bis hier war es ein recht unaufgeregtes Album mit wenigen Höhepunkten, das aber auch nicht genervt hat. Leider nervt das letzte Lied in Schunkel-Zusammenhalt-Manier. Puh, das geht aber besser Wanda…
Also: Möge Christian auf dieser Platte verewigt sein. Möge es auch sein Vermächtnis sein, diese Standortbestimmung. Ja, mehr ist es nicht. Aber eine tolle Standortbestimmung einer wunderbaren Band für die es weitergeht, immer weitergeht!
(ms/sb) Ja, es geht hier um Musik und nicht um Fußball. Aber ab und an geht es noch um Bier. Und da wir beiden Schreiberlinge auch ein großes Fußballherz haben, darf das hier mal rein. Der eine hängt am TSV 1860 München, der andere am FC Sankt Pauli. Ersterer ist ein Fußball- und Groundhoppernarr, der andere geht momentan lieber zu Konzerten als ins Stadion, und das liegt nicht an der grausamen Darbietungen am Millerntor und auswärts. Dennoch hat es mich letztes Wochenende nach Hamburg ins Stadion geschleppt. Doch in das andere. Ein guter, verrückter Freund ist inbrünstiger Fan von Fortuna Düsseldorf, wir sehen uns nicht so oft und er fragte, ob ich mit wolle. Nun gut. Also, Thema Bier und Fußball in Hamburg. Das ist ohnehin total beknackt. Am Millerntor muss man das schlimme Astra saufen und im Volkspark ist es noch schlimmer. Also wirklich grausam. Außen, an den Kneipen und in den Biergärten ums Stadion herum gibt es nichts anderes als Holsten. Widerlich. Und dann geht man in diesen furchtbaren Betonpalast, der an allen Ecken und Enden auseinanderzufallen droht, kommt dann KöPi aus den Hähnen. Ganz ehrlich: Wer geht da denn freiwillig alle zwei Wochen hin?! Es gibt so viele Gründe, die dagegen sprechen…
Auf der anderen Seite gibt es viele gute Gründe, frische Musik zu hören, wir liefern diese ab:
stockdale
(sb) Wie gut ist der Track Afterimage denn bitte? Wenn man sich den Song anhört, denkt man unweigerlich an Mike Skinner. Dry Your Eyes. Das ist wirklich ganz großer Sport und stellt für mich das absolute Highlight des Albums Screensaver dar. Nichtsdestotrotz müssen sich aber auch die anderen zehn Songs nicht verstecken und bilden eine sehr attraktive Einheit, die sich zwischen Hip Hop und Pop bewegt. stockdale waren mir bis dato gänzlich unbekannt und als ich mich nach dem Hörgenuss über die Band informierte, war ich überrascht, dass es sich dabei um ein Kollektiv aus Deutschland - genauer gesagt: Berlin - handelt. Was für talentierte junge Leute! Hört Euch das an, gebt Euch hin und genießt...
No Fun At All
(sb) 1991 wurden No Fun At All erstmals gegründet, im Laufe der Jahrzehnte folgten zwei Auflösungen und Reunions. Bewegte Zeiten also. Eins ist jedoch beständig: der Sound der Schweden! Ich hatte es ja neulich bereits in meinem Konzertbericht zum Auftritt in Lindau geschrieben: Auch 26 Jahre nach meinem letzten Besuch eines NFAA-Gigs konnte ich die Lieder sofort wieder mitsingen, waren die Melodien sofort wieder im Kopf und die Liebe neu entflammt. Dass das neue Album Seventh Wave (VÖ: 14.10.) da wie Benzin wirkt, dass die lodernde Glut weiter hochschießen lässt, liegt auf der Hand. Ambitionierte Gitarren, treibende Drums und diese unverschämt unbeteiligte Stimme, die so prägend für die Musik des Quintetts ist, bilden eine unwiderstehliche Kombination, die mich immer wieder begeistert. So wirklich überrascht wird man von den Schweden zwar nicht, aber zumindest mir ist das in diesem Fall sehr recht.
Shapka
(Ms) Argh, das ist ein Thema, bei dem es sehr, sehr schwierig ist, aus männlicher Perspektive drüber zu schreiben: Körperbehaarung bei Frauen. Scheinbar einfach wäre es zu sagen: Ja, lass doch wachsen, ist mir doch egal. Aber so einfach ist das nicht, glaube ich. Der unausgesprochene gesellschaftliche Druck, dass Frauen sich unter den Achseln und im Schritt rasieren, scheint hoch zu sein. Glaube ich. Shapka aus Wien haben dazu den passenden Track gemacht: Mein Fell. Sehr guter Name! Aus Sorge, dass ich mich mit Vermutungen auf inhaltlich brennendes Terrain begebe, lasse ich das lieber sein. Doch eines kann ich sagen: Hey Jungs, wir haben keinerlei Macht, irgendwelchen Mädels zu sagen, dass sie sich rasieren sollen. Das steht uns nicht zu. Punkt. Der gemeinsame Track mit Kerosin95 ist ein wundervoll schräger Mix aus Sidos Mein Block und programmatischer Musik aus den 80ern. Knallt komplett, ich finde es gut!
Tapete Records
(Ms) Wir sagen Dankeschön, 40 Jahr Die… Argh, falsches Lied, falscher Film. Gratulieren möchten wir dennoch auf recht unkomplizierte Art und Weise. Das wunderbare Label Tapete Records wird dieses Jahr spritzige 20 Jahre jung und bringt aus diesem Anlass Ende Oktober einen Sampler zum eigenen Jubiläum bei. Supergut! Er trägt den einprägsamen Namen Intact And Smiling - The Weird & Wonderful World Of Tapete Records Vol I. 28 Hits aus den vergangenen beiden Dekaden gibt es darauf zu hören, ein herrlicher Querschnitt des eigenen Schaffens. Wir bedanken uns auch. Kleine, unabhängige Labels sind das, worum es uns beim Musikhören ja auch so lange geht. Labels, die Mut haben, das zu unterstützen, das vielleicht nicht auf Heavy Rotation auf den großen Popwellen rauf und runter dudelt. Das, was im Kleinen schön ist. Das, was aneckt. Das, wo Mut drin steckt. Tapete hat nicht nur einen super Namen, sondern mit Bureau B auch einen Ableger für elektronische Musik und dem Ventil-Verlag einen Literatur-Sparte. Richtig stark. Vielen Dank für die tolle Musik und: Gratulation!
(ms) Dieses Album ist eine Provokation. Und das direkt auf mehreren Ebenen. Das lässt sich sehr gut erklären, am besten mit Hilfe einer kleinen Reportage, die es in der ZDF Mediathek zu sehen gibt. Darin geht es um Spotify. Dem Streamingdienst stehe ich persönlich ohnehin skeptisch gegenüber - nutze ihn auch nicht. Dennoch fand ich ein paar Aspekte noch mal schön zusammengefasst, beispielsweise das Bezahlmodell oder die Art und Weise wer wie welche Playlisten zusammenstellt. Doch am erschreckendsten fand ich, wie heftig die Macht von Spotify die Herangehensweise ans Musizieren an sich verändert hat. Wie kalkuliert nun Musik erzeugt wird, um die Hörenden mindestens 30 Sekunden am Ball zu halten. Oft geht es ja um mehr gar nicht. Dass Lieder mittlerweile kürzer sind oder direkt mit dem Refrain anfangen, um direkt Aufmerksamkeit zu generieren, halte ich für einen gravierenderen Einschnitt in die Kunstform Musik, als die Beschränkung auf drei bis fünf Minuten durch das Radio früher oder die Spieldauer eines Albums von gut einer Dreiviertelstunde durch die Limitierung der Schallplatte. Anders als in der Doku lapidar mitgeteilt. Ein Lied, das vielleicht durch Improvisation erdacht wurde oder das erstmal eine Minute nur instrumental ist, wäre konträr zum Streaminggedanken, wo es heißt, Menschen schnell am Ball zu behalten. In meinen Augen und Ohren ist das einfach nur enorm kalkuliert, kaum geht es um die Aussage des Liedes, eine Stimmung, die sich vielleicht über fünf, sechs, sieben Minuten aufbaut, eine komplexe Geschichte, die erzählt wird. Es geht darum, nicht ins Hintertreffen zu gelangen. Das ist eine enorm wirtschaftliche Denkweise. Ich frage mich: Wo bleibt die Kunst? Wo bleibt der geniale Gedanke? Wo bleibt die kreative Kraft? Wo bleibt der Mut, an einer ausgefallenen Idee festzuhalten? Ungewohnte Harmonien zu nutzen? Den Takt zu brechen? Gar nicht zu singen? Bei mir bleibt der schale Eindruck, dass offensichtlich den Hörenden gar nichts mehr zugemutet werden kann. Dadurch wird Musik immer beliebiger, langweilig und austauschbar. Man redet gar nicht mehr darüber. Sie ist ein selbstverständliches Hintergrundgeräusch, das nach 30 Sekunden Klick macht und das war‘s. Zudem setzen viele MusikerInnen nicht mehr auf das Albumformat. Auch das für mich eine Bankrotterklärung der Hörerschaft gegenüber. Kann ich es Menschen (nicht mehr?) zumuten, sich ein zusammenhängendes Kunstwerk über 40, 50 Minuten anzuhören? Ist es zu viel verlangt, Motive wiedererkennen zu lassen? Darüber nachzudenken, wann welcher Song am besten passt? Einem Album ein Konzept, ein Thema zu geben, um es am Stück zu hören?
Argh, all das macht mich wahnsinnig traurig. Und ich bin entsetzt. Das hat doch nichts mit Coolness zu tun. Das ist einfach nur ein Abgesang an Aufmerksamkeit, eine Weigerung Kunst zu erfahren und sich Zeit für Kreativität zu nehmen. Gar nicht davon angefangen, dass die digitale Hörweise ein massiver Verlust an Qualität bedeutet.
Das sind alles Gründe, warum das Album Music For Animals von Nils Frahm, das diesen Freitag erscheint, eine massive Provokation ist. Zugegebenermaßen eine sehr leise und sanft schwingende Provokation. Allein diese eine Zahl ist eine satte Ankündigung: Dieses Album dauert drei Stunden und sechs Minuten! 186 Minuten insgesamt. Im Kino müsste man für Überlänge bezahlen, vielleicht wäre sogar eine Pause dabei. Es hätte sogar noch länger gehen können, genug Material dafür ist vorhanden. Ohnehin, warum, wieso und weshalb Nils Frahm dieses Album gemacht hat, lest ihr am besten in diesem sehr guten Interview von Das Filter nach, das muss ich hier nicht abschreiben.
Das kürzeste Lied dauert sieben, das Längste siebenundzwanzig Minuten. Fast eine halbe Stunde für ein Lied, auf dem fast nichts passiert. Sphärische Töne, keine Melodie, Geräusche wie aus dem Weltall, eine andere Daseinsform. Trotz - oder gerade wegen - dieser extremen Unaufgeregtheit, wirkt diese Musik sehr, sehr heilsam. Ja, ich würde ihr medizinische, therapeutische Wirkung attestieren. Es tut ungeheuer gut, sich dieser Reise von Nils Frahm hinzugeben. Denn es geschieht etwas, das beim Streaming sicher nicht so schnell geschieht: Ich als Hörer trete in Verbindung zur Musik. Wir bauen eine Beziehung auf, da passiert etwas. Es entstehen Bilder, Erinnerungen, Wünsche, Gefühle. Da diese Lieder die absolute Ruhe sind und mir wirklich nichts vorgeben, entwickle ich einfach meine eigene Geschichte dazu. 10 Lieder - 10 Geschichten. Mindestens. Diese wundervolle Musik ist nichts anderes als traumhafte Erholung, Durchatmen ohne esoterischen Beipackzettel.
Lassen wir uns also provozieren. Geben wir uns dem hin. Drei Stunden lang. Am besten am Stück. Ich wette, dass wir als andere Menschen wieder zurückkehren.
(Ms) Vielleicht ist die größte Rebellion des Menschen in dieser Welt, im Trubel einfach mal vor Genuss und Innehalten die Augen zu schließen. Ständige blinkt irgendwas, irgendwas ploppt auf, ohne Unterlass ballern Signale auf uns ein und lassen keine Ruhe mehr. Nicht nur einige Arbeitgebende möchten ihr Personal ständig erreichbar haben, ich merke es auch im privaten Umfeld, dass eine direkte Antwort auf eine Nachricht, ein Bild, irgendwas halt, schon erwünscht ist. Der Blick richtet sich eher auf die schwarze Mattscheibe als ins Angesicht meiner Mitmenschen. Die Ohren hören eher dem Nachrichtenton als wem anders zu. Die Aufmerksamkeit liegt selten für einen längeren Zeitraum im Moment, getrieben durch eine kleine Maschine lassen wir ab. Traurig. Daher gibt es so viel zu hören, sehen, spüren, erleben, verarbeiten, das analog stattfindet.
Beispielsweise ein Abend mit The Notwist. Am Freitagabend spielten sie in Bremen und dieser Auftritt hinterließ großen, großen Eindruck. Die Vorband Aloha Input nicht, dafür aber der Veranstaltungsort. Im Schlachthof unweit des Bahnhofes war ich noch nicht und staunte deshalb nicht schlecht. Im Sockel eines Turmes erstreckte sich der Konzertraum über mehrere Ebenen. Kein Problem, direkt vor der Bühne zu stehen, aber viele Nischen und Emporen ließen auch Rückzugsräume zu. Ganz, ganz großartig gemacht. Aus vielen Winkeln lässt sich dort ein Abend erleben. Ein hoher Raum, mit Backsteinen erreichtet, strahlt viel Wärme und Gemütlichkeit aus. Hinzu kam, dass an so einem tollen Ort auch noch der Sound ungeheuer gut war.
Beste Voraussetzungen also für einen Abend mit einer Band wie The Notwist. Ihre Musik erklingt bei mir privat nur selten. Nicht, weil ich sie nicht mag (wäre dann ja auch bescheuert, auf ein Konzert zu gehen). Sondern weil die richtige Stimmung oftmals fehlt. Ich halte ihre Art der Musik schon für komplex und anspruchsvoll. Nicht immer ist das das Richtige für die Ohren, die im Alltagstrubel auch mal eine Pause brauchen. Zudem glaube ich auch, dass man sich nicht zwingend mit dem Werk dieser Band auskennen muss, um einen großartigen Abend zu erleben. Denn Singles oder einzelne Songs stehen aus meiner Sicht nicht im Vordergrund ihres Auftritts. Viel mehr geht es um Dynamiken, Zusammenspiel und Können. An dem Abend standen sieben Menschen auf der Bühne, die jeder für sich und im Kollektiv gezeigt haben, wie genial sie sind. Und wie sie es schaffen, sieben Talente zu einem Ganzen zusammenfließen zu lassen. Klar, das ist auch was fürs Auge. Denn zu sehen gibt es bei solch einem Konzert eine ganze Menge. Wer macht wann was? Wo genau kommt gerade die Melodie her? Wer spielt welches Instrument auf welche Weise? Geht der Vibraphonist wirklich mit einem Geigenbogen über sein Instrument? Ist das eine Bassklarinette? Und daneben wirklich ein Sousaphon? Und warum wirkt Christoph Beck auf der Bühne so wahnsinnig distanziert? Oder ist das die reine Konzentration? Tausend Fragen sind das. Einige können im Nachheinein beantwortet werden, einige sind egal.
Ganz unegal ist die Wirkung der Musik. Die trifft nämlich ungeheuer. Sie trifft so stark, dass mich das Herumgucken auf der Bühne eher ablenkt. Klar, ich staune nicht schlecht bei dem, was dort alles passiert. Ich will es auch zumindest kurz sehen, um es ein wenig verstehen zu können. Doch die visuellen Reize dämpfen den klanglichen Genuss. Daher habe ich immer wieder rebellisch die Augen zu gemacht. Dann ging die Reise ab. Die Töne wurden konkreter in meiner Wahrnehmung, ich habe die Energie viel deutlicher gespürt, konnte alles einatmen, was ging. Das sich ändernde Tempo, die Dichte der Klänge, den Fokus noch schärfer setzen. Welches Lied dabei gespielt wurde, war mir gänzlich egal. Klar, ich habe Lieder wiedererkannt, doch das war mir unwichtig. Ich wollte es erleben, aufsaugen, in mir behalten. Wie das alles ging, was da passierte, wer wann welchen Knopf gedrückt hat - geschenkt. Ist mir egal. Der Kopf war leer und bereit diese zweistündige Klangreise zu begehen. Es ist gelungen. Mit geschlossenen Augen. Großartig. Vielen Dank, The Notwist!
(Sb/ms) Kaum zehn Meter geht der Mensch an der frischen Luft, ohne mit Werbung zugeballert zu werden. Von wirklich guter Werbung in den Straßen meiner Wahlheimat bin ich großer Freund, nur ist sie oft viel zu plump oder billig. Wenig Kreativität oder Pfiff ist zu sehen. Da sind manche Aufschriften auf Firmenautos oder -LKW wesentlich besser. Ein Design hat mich unter der Woche aber ziemlich ratlos zurück gelassen, ich weiß nicht mal, ob das überhaupt Werbung war. Ja, also schon. Aber die Werbung auf dem LKW hat hoffentlich nichts mit dem transportierten Inhalt zu tun. Das wäre schockierend und höchstgradig verwirrend. Leider konnte ich vor lauter Staunen auch nicht erkennen, wofür dieser LKW tatsächlich durch die Gegend fährt. Dein Aufschrift war nämlich groß und eindeutig: der Organspendeausweis. Klar, eine super Sache, keine Zweifel. Doch was war in dem 15m-langen Anhänger drin? Ausweise? Organe? Unfallopfer? Ohgottohgott. Ich will gar nicht weiter nachdenken. Auf der anderen Seite muss ich konstatieren: wirkmächtige Werbung!
Yasmo & Die Klangkantine
(Ms) Hach, ich liebe die Kreise, die die Musik zieht. Und die Wege, auf denen ich wirklich tolle KünstlerInnen entdecken kann. Hier ist eine Geschichte: Letztes Jahr erschien der sehr gute Sammelband Awesome HipHop Humans von Sookee und Gazal. Mannigfaltige Wege quer-feministischen Raps im deutschsprachigen Raum, die dort aus erster Hand berichtet werden. Die Steine, die im Weg legen, in den Weg gelegt werden und dann kraftvoll beseitigt werden. Bei der Lektüre hat mich der Beitrag von Yasmo direkt angesprochen, extrem lesenswert ist ihre Geschichte. Als Kind mit migrantischer Geschichte, der Liebe zur Sprache, zur Performance. Über Poetry Slams zur Musik. Richtig genial, da die Songstruktur eine andere ist. Beim ersten Hören fand ich es etwas gewöhnungsbedürftig, da mir die Spoken Word-artige Darbietung von Text im Rap so noch nicht untergekommen ist. Der kurzen Eingewöhnungsphase folgte die blanke Begeisterung. Nicht nur ihre Texte sind großartig, aufrichtig, teils hart, manchmal unterhaltsam, immer ehrlich. Auch die musikalische Umsetzung ist großartig. Kein DJ, der im Hintergrund an den Turntables dreht. Nein. Ihre Band ist die Klangkantine. Brasssound! Yeah, man. Das knallt richtig geil. Am 7. Oktober erscheint ihr neues Album Laut Und Lost und könnte phantastisch werden! Rap mit Haltung, Raffinesse und endlich mal wieder ohne Autotune-Kacke. Passend zur Ankündigung kommt mit 100K eine neue Single raus. Der Feature-Part von Mila Lu Kovacs gefällt mir nicht so sehr, aber wurscht, Musik ist und bleibt Geschmackssache. Das hier wird wohl ein tolles, tolles Album werden! Und ich hoffe inbrünstig, dass die Wienerin nach der Tour nördlicher als München auftreten wird.
10.11. - LINZ » Posthof Linz 11.11. - KLAGENFURT » Kammerspiele Klagenfurt 12.11. - ST. PÖLTEN » Freiraum St. Pölten 17.11. - DORNBIRN » Spielboden Dornbirn 18.11. - INNSBRUCK » Treibhaus Innsbruck 23.11. - SALZBURG » Arge Kultur 01.12. - WIEN » Porgy & Bess 02.12. - WIEN » Porgy & Bess 14.12. - MÜNCHEN » Milla Club
Pascow
(Ms) Im Vergleich zur Zeit, die es diese Band gibt, hat sich meine Liebe zu ihr ziemlich rasant in gut zwei, drei Jahren ins Extreme entwickelt. Erst mit Jade habe ich Pascow so wirklich kennengelernt, da gab es die Gruppe aus dem Saarland schon zwanzig Jahre. Ziemlich schnell und intensiv überkam mich eine irre Faszination für dieses Tempo, diese Inbrunst, diese Haltung, diese Aggression, diese absolute Hingabe an die Musik, die Töne, den Druck, die Energie. Dieser knallharte Punkrock flackert durch die Ohren in jede meiner Zellen, alles bebt, zittert, bewegt sich. Zum großen Teil ist es die Dichte der Musik, doch immer wieder schieben sich die inhaltlichen Aussagen nach vorne, lassen mich lauthals mitgrölen, die Lautstärke immer weiter nach oben drehen. Punkrock war nie so ganz mein Genre. Doch das hier packt mich wirklich stark. In kurzer Zeit haben es Pascow geschafft, bei meinen persönlichen Lieblingsbands sehr, sehr weit nach oben zu steigen. Zwei Mal sah ich sie live, zwei Mal war ich komplett überrumpelt und begeistert zugleich und finde nichts Vergleichbares. Daher jagte ein Schwall der Begeisterung durch mich, als nun herauskam, dass die Band mit Sieben am 27. Januar ein neues Album rausbringen wird. Ja, man! Superheld! Den ersten Track Himmelhunde gibt es bereits samt Video zu sehen, startet unerwartet langsam, nimmt immer weiter Fahrt auf zwischen Lebenshunger, Mittelfinger, wenn man die richtigen Leute an seiner Seite weiß. Boah, hab ich Bock!
Amiga // Max Herre & Dexter
(Ms) Musik aus der DDR. Da muss ich ganz ehrlich gestehen, dass ich für eine wirkliche Einschätzung einfach viel zu jung bin, Jahrgang 1990… Dennoch ist es ja möglich, sich da rein zu hören, einen kleinen Einblick zu erhaschen. Nach Lektüre weiß ich immerhin ein wenig über Punkrock in der DDR. Das fand öffentlich so gut wie gar nicht statt. Anderes dennoch schon. Ausnahmen bestätigen immer die Regeln, auch die der sozialistischen Kulturpolitik. Dazu gehörte sicher auch das Label Amiga. Es brachte eine ziemlich irre Bandbreite an Musik heraus, von volkstümlichen Sphären über progressive Rockmusik bis wiederum zu Jazz. 75 Jahre würde das Label nun werden. 1994 wurde das aktive Kapitel beendet, doch der Katalog wird immer noch betreut. Und zum Jubiläum wurde eine alte Sampler-Reihe mehr oder weniger wieder ins Leben gerufen. Sie hieß Hallo und kam in den 70er Jahren raus. Der Mix des Labels sollte damit der Öffentlichkeit bekannt(er) gemacht werden. Viele Jahre später, 2022, wurde an Max Herre und Dexter der Auftrag gegeben, die Soul- und Funkschiene der 70er zu kompilieren. Dass letzterer für seine Beats Jazz, Funk und Soul samplet, ist bekannt, und auch Max Herre ist wohl mit dem DDR-Sound bestens bekannt. Hallo22 heißt sinnigerweise das Ding, das am 30. September erscheinen wird. Neben Liedern von früher, gibt es auch zwei neue Stücke. Eine überarbeitete Version von Panta Rheis Aus Und Vorbei und Das War Nur Ein Moment, auf dem Max Herre nun dank Dexter ein Duett mit Manfred Krug singt. Klar, das ist alles sehr spleenig, aber auch irre hörenswert, da gierige Musikgeschichte!
Grandbrothers
(Ms) Das war mit Abstand, das Faszinierendste, was ich letztes Jahr live gesehen habe. Klar, es ging insgesamt nicht ganz so viel, aber ich habe verhältnismäßig viel mitgenommen. Dieser Trip nach Rotterdam sollte sich lohnen. Dort spielte das Düsseldorfer Duo Grandbrothers und ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Zum Einen war es ein ganz schön tanzbarer Abend in einem Kino - hat man ja auch nicht alle Tage. Zum Anderen wollte ich die ganze Zeit verstehen, was die beiden da auf der Bühne überhaupt machen. Glücklicherweise haben sie es auch erklärt und die Achtung vor diesem künstlerischen Schaffen stiegt noch weiter an. Klavier-Techno würde ich das mal nennen. Und das auch noch live. Die beiden arbeiten gänzlich ohne Samples - irre! Das liegt auch daran, dass einige selbstgebraute Teile und Maschinen zum Einsatz kommen, um über allerhand Technik Sounds aus dem Klavier zu kreieren. Ist genauso verrückt, wie es sich anhört. Also im doppelten Sinne. Den Song Yonder haben die beiden in Vorbereitung auf die vergangene Tour erdacht und erscheint nun. Es ist nicht untertrieben, zu behaupten, sie haben eine ganz eigenständige Musikrichtung erschaffen. Wer sie auf Tour sehen kann, sollte das auf jeden Fall wahrnehmen - grooooße Empfehlung!
Oct 20 - Cork (IE) - Live at St. Luke's
Oct 21 - Kilkenny (IE) - Set Theatre
Oct 23 - Dublin (IE) - National Concert Hall
Oct 24 - Manchester (UK) - Band On The Wall
Oct 25 - Glasgow (UK) - Mono
Oct 26 - Birmingham (UK) Hare & Hounds
Oct 27 - London (UK) - Islington Assembly Hall
Oct 28 - Utrecht (NL) - TivoliVredenburg
Oct 29 - Luxembourg (DE) - Rotondes
Oct 30 - Frankfurt (DE) - Zoom
Oct 31 - Hamburg (DE) - Kampnagel
Nov 01 - Berlin (DE) - SO36
Nov 03 - Vienna (AT) - Flex
Nov 23 - Toulouse (FR) - Le Metronum (Pre-sale starts soon)
Nov 24 - Barcelona (ES) - Razzmatazz
Nov 25 - Madrid (ES) - Café Berlin
Pabst
(sb) Oha, das geht aber gut! 12 Tracks, 12 Treffer - Pabst hauen mit Crushed By The Weight Of The World ein Highlight des Musikjahres 2022 raus und fliegen doch noch immer ziemlich unter dem Radar. Schade eigentlich, aber das Business ist halt ein Arschloch. Der leicht psychedelisch angehauchte Grunge mit Punk-Attitüde der drei Berliner ist jedoch ziemlich unique und lässt sowohl die Beine zappeln als auch die Mähne wirbeln. Geordnetes Chaos in Reinkultur, das gerne auch mal (Brit-)Pop-Töne zitiert und sich so zu einem einzigartigen Klangerlebnis mausert. Holla die Waldfee, ist das stark!
(ms/sb) Klar, es ist voll kitschig, aber es war der erste Gedanke, der mir bei dem Bild durch den Kopf schoss: Das sind zwei Engel.
Unter der Woche war ich kurz in der Stadt unterwegs. Selbst mittags gut gefüllt, wollte ich nur schnell ein paar Dinge erledigen, um schnell wieder aus den Shoppinghöllen zu entschwinden. Und das humanste, das ich gesehen habe, ereignete sich nur wenige dutzend Zentimeter über dem Boden. An einer Häuserecke saß ein bettelnder Mann, dürr, sichtbar in einem schlechten Zustand. Und vor ihm ging ein Licht auf. Zwei Mädels, um die zwanzig vielleicht, knieten sich vor ihn und sprachen mit ihm. Es sah unglaublich ungezwungen und sehr ehrlich interessiert aus. Ich sah das ganze nur in einem wortwörtlichen Augenblick, doch da schwappte so viel Güte und Interesse gegenüber einem Ungesehenen über, dass ich kurz sehr sprachlos war. Ich weiß nich, was sie sprachen und wie es allen dreien nun geht. Aber vielleicht sollten wir öfter mal zuhören.
Und das nicht nur bei Musik. Aber auch. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Bitte:
Gaddafi Gals
(ms) Eben mal einen Artikel überflogen, der die Subgenres vom Rap beschreiben will. Ganz ehrlich. Da bin ich raus. Da kenne ich mich viel zu wenig aus. Über den deutschsprachigen Rap zwischen Mädness, WTG und Neonschwarz weiß ich ein wenig Bescheid. Dann endet auch meine Kenntnis. Was Trap, Boom-Bap oder Trip-Hop ist, weiß ich nicht. Es darf der erneute Kommentar in der Genrehaarspalterei gelten: Egal. Was Gaddafi Gals also genau machen: Keine Ahnung. Für mich klingt es wie eine sehr soulig-poppige Spielweise von Rap, die sich eher zurücklehnt, als aufzubegehren. Die Bässe sind saftig, die Melodien eher zurückhaltend und entspannt. Gaddafi Gals sind die beiden MCs Ebow, Nalan und ihr Produzent walter p99 arkestra. Und sie bringen Ende September mit Romeo Must Die ihr neues Album raus. Hier darf ich mal eben eine Plattitüde nutzen: Das Album entwickelt sich ganz stark beim Hören. Denn beim erstmaligen Wahrnehmen war ich wenig angetan, es war wenig dabei, was sofort zündete. Über die Zeit jedoch bin ich immer weiter in das Album eingetaucht und fühle mich nun sehr, sehr wohl in den warmen Tönen, den melancholischen Strophen und erwische mich immer wieder beim unbewussten Kopfnicken. Das beste Kompliment, wenn Musik dann doch zündet.
100blumen
(sb) Hoffnung, halt's Maul! Klasse Albumtitel, der ja durchaus vielversprechend ist und zum Anhören animiert. Also rein in die Anlage, laut aufdrehen und Luser durchrauschen lassen. Und dann? Hm, ich mag es ja eigentlich, wenn Bands sich variabel zeigen und es draufhaben, sich nicht auf eine Musikrichtung zu beschränken. Das darf durchaus auch auf einem Album geschehen, bei 100blumen komm ich darauf aber einfach nicht klar. Mir persönlich klingt das zu wild durcheinander gewürfelt, zu unstrukturiert, zu sehr ohne Linie. Das ist eigentlich schade, denn wenn man die Tracks seperat betrachtet, ist da durchaus Potential vorhanden und die ein oder andere Perle zu erkennen. Hardcore, Punk, Elektro - das alles findet man auf dem neuen Album der Düsseldorfer, die sich aber durch die Anordnung der Songs selbst ein Bein stellen. Schade eigentlich.
Live aber vermutlich dennoch sehenswert:
30.09. Köln, Sonic Ballroom
01.10. Frankfurt, Exzess
02.10. Karlsruhe, Alte Hackerei
03.10. Zürich (CH), Dynamo
05.10. Mannheim, Blau
06.10. Jena, Kassablanca
07.10. Berlin, Cassiopeia
08.10. Düsseldorf, Ratinger Hof
21.10. Hannover, Stangriede Stage
22.10. Hamburg, Hafenklang
28.10. Leipzig, Werk 2
Element of Crime
(ms) Die richtigen Worte bei einem Todesfall zu finden. Das ist eine wahre Kunst. Wenn es überhaupt Worte sein müssen. Doch umarmen kann ich den Rest von Element Of Crime nicht, die dieser Tage um David Young trauern. Er arbeitete auch mal mit Duke Ellington und David Bowie zusammen. Über 30 Jahre gehörte er zur Band, erst im Studio, dann lange, lange auf den Bühnen. Meist stand er da und spielte versunken seinen Bass ohne groß aufzufallen. Zupfte die Saiten, deren Rhythmus die übrige Band Melodie und Gesang beisteuerte. Ich hoffe, dass irgendwo da oben seine warmen Töne weiter erklingen.
Bruno Bavota & Chantal Acda
(ms) Dies ist vielleicht das schönste Hobby, was ich mir je ausmalen konnte. Aus einem musikbegeisterten Fan ist jemand geworden, der auf einigen Verteilern von Labels und PR-Menschen ist, um vor Veröffentlichung Neues hören zu können. Die Flut an Neuem ist über die Jahre doch ziemlich groß geworden. Vieles kann aus Zeitgründen gar nicht angehört werden. Doch dann tauchen immer wieder für mich unbekannte Namen auf und ich lasse mich gerne schnell verzaubern. Manchmal verfliegt der Zauber schnell wieder. Manchmal bleibt er. Bei Chantal Acda bleib er schnell. Und ein Wort gesellte sich schnell im Kopf zu diesem Namen: Wärme. Sie singt nicht nur unfassbar weich, sondern versteht es enorm, berührende, zarte, unaufgeregte Melodien zu spielen und/oder zu singen. Das meiste oft auf einem brüchigen Boden, der aber sehr berührend ist. Nun hat die Niederländerin mit dem Italiener Bruno Bavota ein Album aufgenommen. Covid machte die intensive Arbeit an einem Projekt, ohne je gemeinsam in einem Raum zu sitzen, möglich. Acdas wunderbare Stimme, ihre gefühlvollen Gitarrenbegleitungen und Bavotas Klavier sind die perfekte Kombination für ein leises, aber sehr eindringliches Album. A Closer Look erscheint am 7. Oktober. Die neun Lieder werden es mit stiller Wucht in sich haben. Versprochen!
Megadeth (sb) Anfang der 80er Jahre war Dave Mustaine Mitglied bei Metallica, wurde jedoch noch vor Veröffentlichung des Debüt-Albums wegen Drogenproblemen rausgeworfen. Eine verpasste Chance, die ihm jahrzehntelang nachhing. Kurz danach gründete er jedoch Megadeth und stieg mit seiner neuen Band zusammen mit Metallica, Anthrax und Slyer zu den „Big Four“ des Thrash Metal auf. Augfrund äußerst zweifelhafter politischer und religiöser Ansichten geriet Mustaine immer wieder in den Fokus, seinem musikalischen Wirken tat dies jedoch keinen Abbruch. Kürzlich erschien das 16. Studioalbum von Megadeth namens The Sick, The Dying...And The Dead! und hämmert genau das in die Gehörgänge, was man erwarten durfte.
Ich gebe zu, dass meine Metal-Zeiten eigentlich lange vorbei sind, aber das gute Stück erinnert mich schon daran, warum ich sowas einst gerne gehört habe. Vor ein paar Tagen habe ich mir mal wieder mein Lieblings-Metallica-Album Kill 'Em All (aus dem Jahr 1983) reingezogen und Megadeth sind da gar nicht so arg weit davon entfernt. Klar, die Produktion ist deutlich cleaner und mehr auf den Punkt, dafür fehlt ein enig die Rotzigkeit. Wie dem auch sei: Megadeth können es noch immer und zeigen auf ihrem ersten Album seit 2016, dass sie gewillt sind, ihren Top 10-Platz, den sie in Deutschland mit dem Vorgänger Dystopia erreicht hatten, zu wiederholen.
Woods Of Birnam
(ms) Wenn Kunst so richtig große Kreise zieht, lässt meine Fasination nicht lange auf sich warten. Schauspiel und Musik sind selbstredend nah beieinander. Jemand steht auf einer Bühne im Mittelpunkt und spielt mit der eigenen Stimme, dem Körper, Klang und Eindrücken. Bei einigen ist das eher schlimm (Axel Prahl oder Jan Josef Liefers), doch zum Glück gibt es auch ganz herausragende Beispiele. Hier und heute: Christian Friedel. Nach seiner tollen Leistung in Babylon Berlin, zeigte er nun auf der wirklichen Bühne in Düsseldorf sein Können in Dorian. Es folgt ab Samstag Macbeth in Dresden! Nicht nur, dass das mit 30 Personen auf der Bühne sicherlich ein großer Hingucker wird, Friedel führt auch Regie, spielt die Hauptrolle und hat mit seiner Band Woods Of Birnam den Soundtrack dazu erschaffen. Der erscheint bereits heute und ist nicht nur was für kundige Theaterfans. Ein weiteres Mal zeigt diese Band, was Kunst im Musikalischen auch bedeuten kann. Dieser Klang geht wirklich in die Tiefe. Wummert oft. Bindet das Stück mit Spoken Word-Beiträgen mit ein und ist somit ganz, ganz nah an den Hörenden. Satte 17 Stücke sind darauf enthalten, mal mit Melodie und Gesang, mal instrumental. Mal wuchtig, mal zart. Mal poppig, mal dramatisch. Also: sehr variabel und dennoch hörbar aus einem Guss! Das Album als Theater für zu Hause. Wenn Kunst große Kreise zieht…
Björk
(Ms) Apropos Kunst, damit sind wir automatisch bei Björk. Was die Dame seit einigen Jahrzehnten macht, ist genau das! Doch es ist nicht nur die extreme musikalische Varianz. Es ist Neugier, Können, Gefühl, Furchtlosigkeit. Seit Jahren geht Björk sehr unbedarft und für die Hörenden absolut unvorhersehbar an ihre Musik. Man könne meinen, dass sie sich immer neu erfinde. Das würde ich nicht sagen. Viel mehr nutzt sie die Zeit, um all das zu zeigen, was sie kann. Und ihr Können ist enorm. Ende des Monats erscheint mit Fossora ihre neue Platte. Umfassend kenne ich mich mit Björks Schaffen nicht aus, mir fällt es schwer, von der Single Atopos auf das Gesamtwerk zu schließen. Zu genial ist die Isländerin, um auf dem ganzen Album viele Überraschungsmomente in der Hinterhand zu haben. Diese gibt es auch schon in dieser Single. Die Bassklarinetten und die Ästhetik mögen schnell den Begriff „Cantina Band“ nach sich ziehen, doch nur für eine Millisekunde. Ein höchst ungewohntes Instrument in den Breiten der Popmusik, das hier den Ton angibt. Gepaart mit dem teils harten elektronischen Beats und ihrer unverwechselbaren Stimme und Art zu singen, brauchte ich ein paar Anläufe, dann habe ich es lauter und lauter gedreht. Super gut. Dieses Album könnte eine irre Reise werden!
(Ms) Es ist Anfang September und die Saison der draußen stattfindenden Konzerte geht langsam zu Ende. In meinem Terminkalender war der Auftritt von Tocotronic am Freitag der letzte Draußen-Gig für dieses Jahr. Damit setzen sie den Schlusspunkt eines sehr heißen, aber auch sehr schönen Musiksommers.
Bad Zwischenahn. Das ist sicherlich für die meisten Menschen, die nicht im Nordwesten wohnen, ein gänzlich unbekannter Ort. Nah an Oldenburg gelegen ist Bad Zwischenahn Teil des Ammerlandes. Dieses wiederum ist bekannt für seine Baumschulen. Kein Scherz. Wie der Name der Kleinstadt schon verrät, ist es ein Kurort. Hält man sich dort am Wochenende auf, sieht man viele Patienten und Patientinnen des eher höheren Alters. Der Veranstaltungsort war der Park der Gärten, wo nicht nur unterschiedliche Pflanzen und kleinere Gärten zu sehen sind, er ist am Abend wirklich schön beleuchtet. Mittendrin eine Freilichtbühne für 1200 Gäste. Kurz war ich verdutzt, dass Tocotronic genau dort spielen sollen. Doch aus meinem Blickwinkel ergibt es vollkommen Sinn. Ein Naherholungsgebiet für höhere Semester, ein Ort der zu den Lieblingen des Feuilleton mehr als passt. Und ganz nüchtern und ohne Nicklichkeiten: Ja, es wirklich schön dort. Also: Hin da!
Tocotronic ist eine Band, die irgendwie immer da ist und war. Ich habe die meisten ihrer Alben, würde mich aber zu keiner Zeit als radikaler Fan bezeichnen. Diese Gruppe höre ich in unregelmäßigen, dann aber intensiven Abständen. Ihre Lieder haben sich tief ins Unterbewusstsein eingeprägt. Von dort werden sie bei Konzerten schnell wieder freigesetzt. Die Vorband nichtseattle haben wir leider nur entfernt gehört, da sich unsere Gruppe erstmal finden musste inklusive kurzem Austausch.
Rechts von der Bühne war erheblich mehr Platz als links, also auf zu luftigen Ecken des Abends. Mit dramatischer Einlaufmusik erklimmt das Quartett die Bühne und wird im Vorhinein frenetisch gefeiert, bevor es zu verwirrenden Aussagen kommt. Das Konzert, so alle Plakate und Infos im Netz, sollte Teil der Nie Wieder Krieg-Tour stattfinden. Ebenso finden in diesem Sommer Best Of-Konzert der frühen Hamburger und der späteren Berliner Zeit statt. Diese waren auch so ausgewiesen. Plötzlich fanden wir uns aber in einem Berliner Zeiten-Konzert wieder. Nun gut. Da ich das aktuelle Album eh kaum auf dem Schirm habe, kam ich gut damit zurecht. War dennoch verwirrend.
Ab Pure Vernunft Darf Niemals Siegen bis zur aktuellen Platte wurden dann chronologisch ausgewählte Lieder gespielt. Das war selbstredend ein toller Kniff. Denn irgendwie war klar, was ungefähr als nächstes kommt, aber welche Lieder es genau sein werden, war unklar. Die meisten Lieder des Abends wurden mal als Single ausgekoppelt, daher gab es leider kaum Überraschungen. Was ein wenig schade war. Denn genau dieses chronologische Konzept wäre ja dafür prädestiniert, selten live gespielte Lieder darzubieten, anstatt etwas wie einen Berliner Best Of-Abend zu veranstalten. Das sind aber auch eher Gedanken, die im Anschluss kamen. Denn das Konzert an sich war großartig. Durch schlechte Erfahrungen bei den Editors dieses Jahr in Hamburg, die leider draußen viel zu leise waren, hatte ich Sorgen, dass auch Tocotronic durch Lautstärkeregelungen eher gedämmt auftreten. Das war nicht der Fall. Lag eventuell auch an dem Zeltdach, das bestimmt einiges an Dezibel abgefangen hat.
Programmatische Ansagen, Wucht, Intensität, Schönheit, Liebeslieder, Parolen. Es war ein Tocotronic-Konzert, wie es zu erwarten war. Ziemlich gut also. Gegen Den Strich, Sag Alles Ab, Ich Will Für Dich Nüchtern Bleiben, Zucker, Electric Guitar, Ich Tauche Auf. Ein Streifzug durch die eigene Geschichte. Zum Glück haben sie die letzte Zugabe, konträr zum Konzept, mit Explosionen beendet. Eine sehr gute Entscheidung aus meiner Sicht. Denn ungern hätte ich Ich Hasse Es Hier mit schlimmen Reimen (Chance - Dosenchampignons) oder Jugend Ohne Gott Gegen Faschismus als letztes gehört. Tocotronic als Lautsprecher der Jugend? Ein schlechter Scherz. Daher lieber mit lautem Krach, verzerrten Tönen und Energie den wunderbaren Abend beendet.
(ms/sb) Hier stand schon eine Einleitung. Durch irgendeinen Fehler wurde das ganze aber nicht abgespeichert und ging verschütt. Vielleicht war das gut, vielleicht auch nicht. Ich stecke in einem Dilemma. Denn eigentlich weiß ich, dass eine kleine Passage unfair war, ließ sie aber dennoch stehen. Es ging unter anderem um einen fülligen Mann, der rauchend und oberkörperfrei ein Fenster im ersten Stock rausrauchend ausfüllte. Und ich schrieb, ich hoffte, er käme wieder hinaus. Kann das nun unterhaltend sein oder ist es diskriminierend? Oder beides? Ich las, dass die mich nicht interessierende Band Die Ärzte ein altes Lied nicht mehr spielen würde, weil sie sich da (auch) über vollschlanke Menschen lustig gemacht haben. Was ist nun Kunst, was ist ein satirischer Kommentar und was gehört verboten? Ehrlich gesagt, bin ich da ziemlich überfordert. Klar, man kann alles Diskriminierende verbieten. Das Antidiskriminierungsgesetz regelt das sogar und stellt sich auf die Seite der Diskriminierten. Richtig so. Ist die Kunstfreiheit damit auch betroffen oder nicht? Ist die Position von Serdar Somuncu, dass jede Minderheit ein Recht auf Diskriminierung hat, einfach nur ekelig oder für die Kunst gültig? Ich komme da echt nicht weiter. Daher als intellektuelle Pause eine Runde Musik. Bitte sehr:
Talco
(sb) Talco sind Talco sind Talco. Soll heißen: So wirklich überraschend kommt der Sound auf dem neuen Album der Italiener nicht daher, aber das ist in ihrem Fall alles andere als negativ zu verstehen. Videogame (VÖ: 30.09.) versorgt die zahlreiche Fangemeinde mit mitreißenden Bläsern, wunderbaren Gitarrenriffs und stets treffenden politischen Texten. Alles beim Alten also - und das ist gut so! Aufgenommen wurde das gute Stück bereits im Jahr 2020, die Veröffentlichung erfolgt coronabedingt jedoch erst jetzt, was durchaus nachvollziehbar ist, da sich Talco in erster Linie als Liveband verstehen und ihre Musik natürlich auch auf die Bühne bringen wollen - und dort sind sie bekanntlich eine Wucht.
Apropos:
04.11. Hamburg, Fabrik
05.11. Berlin, Astra
18.11. Bochum, Bahnhof Langeneder
19.11. Stuttgart, Im Wizemann
25.11. Nürnberg, Hirsch
26.11. Köln, Live Music Hall
27.11. Amsterdam (NL), Melkweg
01.12. Wiesbaden, Schlachthof
02.12. Leipzig, Felsenkeller
03.12. München, Backstage
04.12. Zürich (CH), Dynamo
08.12. Prag (CZ), Futurum
09.12. Dresden, Tante Ju
10.12. Magdeburg, Factory
11.12. Hannover, Faust
The Hirsch Effekt
(sb) Oha, was haben wir denn hier Schönes? Zwei EPs zu einem Album zusammengefasst klingt erstmal nach Mogelpackung, stellt sich im Falle von Solitaer / Gregaer jedoch als wunderbare Symbiose zweier diametraler Ansätze heraus. The Hirsch Effekt hauen zunächst mit Paligenesis, Nares und Amorphus drei komplett neue Tracks raus, die es ordentlich krachen lassen, ehe sie mit der Bandversion des Songs Gregaer auf gleichnamige EP überleiten. Dort hat die Band drei bekannte Songs neu arrangiert und mit orchestralen Elementen versehen. Komplettiert wird das Werk durch den Titeltrack, der auch im ursprünglichen Gewand bestens funktioniert. Das ist ganz große Kunst und so verwundert es nicht, dass das Genre der Hannoveraner auch als Artcore bezeichnet wird.
Live hier - also hin da:
02.09. Bremen, Tower
03.09. Erfurt, Engelsburg
08.09. Bochum, Rotunde
09.09. Saarbrücken, Garage
10.09. Augsburg, Soho Stage
11.09. Luzern (CH), Sedel
14.09. Leipzig, Naumanns
15.09. Marburg, KFZ
16.09. Siegen, Vortex
17.09. Düsseldorf, Tube
21.09. Hamburg, Logo
22.09. Wiesbaden, Schlachthof
23.09. Göttingen, Exil
24.09. Braunschweig, Eulenglück
24.02. Rostock, MAU Club
25.02. Kiel, Die Pumpe
01.03. Nürnberg Z-Bau
04.03. Stuttgart, JuHa West
Pogendroblem
(sb) Manchmal reichen im Musikbusiness eineinhalb Minuten, um auf den Punkt zu kommen. Pogendroblem können im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied davon singen. Dieses heißt Wie betäubst Du Dich und ist ein Vorbote auf den bevorstehenden Album-Release Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen (VÖ: 18.11.). Ein Titel, der auch von Tocotronic stammen könnte, es aber (Gott sei Dank) nicht tut. Egal. Die Single kommt mit reichlich Punkattitüde daher und handelt vom Klarkommen und Nichtklarkommen, vom Aufwachsen und dem Umgang mit Problemen und Herausforderungen. Schau ma moi, was da noch kommt...
Paul Gerlinger
(sb) Natürlich könnte ich jetzt zeilenlang von Paul Gerlingers Stimme schwärmen und, na klar, jedes einzelne Wort wäre gerechtfertigt und hochverdient. Das wäre aber natürlich nur die halbe Wahrheit und würde dem Talent des Künstlers nicht gerecht werden. Auf seinem Mini-Album Keine Kompromisse glänzt der Mannheimer auch mit astreinem Songwriting und bezaubert ganz besonders mit dem Track Mond. Hach, was ist das schaurig schön! Repeat immer und immer wieder... Das unten verlinkte Nachricht von Dir ist zwar fast schon wieder ein bisschen zu radiotauglich, aber alles in allem hält der Sänger an seinem Indie-Ansatz fest und lässt Konventionen Konventionen sein. Wie man textlichen Schwermut mit teilweise so spielender Leichtigkeit transportieren kann, ist mir ein Rätsel, aber ich bewundere das sehr. Wieder mal sehr stark!
Team Scheisse
(ms) Ob sie in den nächsten Jahren auf den mittelgroßen Festivals einen späten Slot bekommen oder ob der Hype bald wieder vorbei ist, das wird die Zeit zeigen. Mich hat die Band voll in ihren Bann gerissen. Und das liegt definitiv auch am Namen. Team Scheisse. Was war das für ein kranker Abriss beim Appletree Festival?! Die Band sprach von Heftigness und das ist wohl auch der richtige Begriff, um den Wahnsinn zu beschreiben. Vor ein paar Wochen erschien ihre neue 4-Track-EP 20:15. Bei dem letzten Besuchs meines Lieblingsplattenladens Greenhell in Münster hatte ich das große Glück noch eine abzugreifen und die ballert nun regelmäßig durch meine Bude. Der Titeltrack eine Ode an Gottschalk, Rich Kids ein EC-Karten-Traum, Dudelsack ein Abgesang auf eben jenen und Gott Snoozt ein gehöriger Tritt gegen jede Kirchenmauer. Ich bin Fan.
07.09.22 - Dresden, Groovestation
08.09.22 - Berlin, SO36
09.09.22 - Erfurt, Kalif Storch
14.09.22 - Köln, Gebäude 9
15.09.22 - Osnabrück, Kleine Freiheit
28.09.22 - Dortmund, FZW
29.09.22 - Wiesbaden, Schlachthof
30.09.22 - Karlsruhe, Alte Hackerei
01.10.22 - München, Feierwerk
19.04.23 - Münster, Gleis22
20.04.23 - Köln, Kantine
21.04.23 - Frankfurt, Zoom
22.04.23 - Stuttgart, Im Wizemann
03.05.23 - Kiel, Die Pumpe
04.05.23 - Hamburg, Markthalle
05.05.23 - Wolfsburg, Hallenbad
06.05.23 - Bremen, Schlachthof
18.05.23 - Berlin, Festsaal Kreuzberg
19.05.23 - Leipzig, Conne Island
20.05.23 - AJZ Talschock
NEU! (ms) Seit ein paar Jahren interessiere ich mich mit wechselnder Intensität für experimentelle elektronische Musik aus den 60ern bis 80ern hierzulande. Mittlerweile wird das unter Krautrock geführt, ein Begriff der erst viel später kam und auch suggeriert, dass diese Gruppen und MusikerInnen irgendwie ein Netzwerk bildeten. Das war nicht so. Klar, die Düsseldorfer Fraktion kannte sich schon untereinander, aber was aus München oder Berlin kam, blieb dann meist auch unter sich. Eine der wichtigsten Bands dieser Zeit war NEU! Die als Duo von Michael Rother und Klaus Dinger gegründete Band hat einen noch nie da gewesenen Sound entwickelt, der sich auf die Generation danach auswirkte. Zur aktiven Zeit blieb der Formation der große Ruhm eher aus, das kam dann danach. Und so ist es auch nur logisch, dass zum 50. Geburtstag des Debuts eine Werkschau erscheint. Sie enthält die ersten Alben und eine Tribut-Platte, auf der große Namen ihren Hut vor der Band der 70er ziehen. Unter anderem sind darauf Yann Tiersen, Mogwai oder The National vertreten. Der Einfachheit halber heißt das Ding 50! Erscheinen wird es am 23. September und ist auch ein halbes Jahrhundert danach noch mehr als wert, diese Band zu entdecken.
Sebastian Madsen
(Ms) Jan Delay bringt ein neues Album raus. Ah, nee. Es gibt ein neues Best Of von Udo Jürgens, das in der Vorweihnachtszeit erscheint, um die Kassen mal wieder klingeln zu lassen. Ah, auch nicht. Nein, es ist Sebastian Madsen, der Ende September ein Solo-Album rausbringt, und wenn das so wie die titelgebende Single klingt, die diese Woche erschien, dann wird das ganz, ganz, ganz schlimm. Diesen gewollten Bläser-Sound finde ich bei Jan Delay schon schlimm, aber beim Madsen-Frontmann klingt es noch aufgesetzter. Zumindest in meinen Ohren. Sicherlich wird Ein Bisschen Seele die kreative Ader ausleben lassen, für die es in der Band keinen Platz gibt und das ist ja auch ganz schön so. Aber ich habe das ganz schnell wieder ausgemacht, alle Nackenhaare waren überzeugt, dass das eine ganz geringe Halbwertzeit hat.