(ms) Der Name dieser Band: Tour of Tours.
So größenwahnsinnig der Name ist, so fantastisch klingt es auch. Das haben sie schon zwei Mal unter Beweis gestellt; wir waren da und damals schon völlig aus dem Häuschen. Umso schöner und voller Vorfreude, dass sie vor vielen Wochen angekündigt haben, erneut gemeinsam auf musikalische Reise zu gehen.
Die einzelnen Bands sind: Honig, Ian Fisher, Jonas David, Town of Saints und Tim Neuhaus.
Ihre Akteure sind: Martin Hannaford, Stefan Honig, Tim Neuhaus, Florian Holoubek, Ryan Carpenter, Ian Fisher, Heta Salkolahti, Harmen Ridderbos, Jonas David und Davide Iacono.
Zusammen bringen sie zum Einen eine Wucht auf die Bühne, die ihresgleichen sucht, zum Anderen so eine Passion und Präzision, dass es kaum auszuhalten ist.
In der Sputnikhalle Münster haben sie gestern den Auftakt zur fünftägigen Tour gegeben. Mit ihrem gemeinsamen Lied Song of Songs startete eine zweieinhalbstündige Show, die auch dieses Mal lange nachhallen wird: I want nothing else but this, going nowhere else but here. So wahr, so wahr.
Das Programm gestaltete sich nach dem gleichen Schema wie bei den ersten beiden Streichen: Alle spielen das Material von allen. Und damit sind nicht nur die fünf vermeintlichen Sänger gemeint. Nein, auch ihre unterstützenden Mitmusiker durften ihre Lieder präsentieren. Spätestens zu diesen Zeitpunkten wurden jegliche Genregrenzen gesprengt: Davide Iacono haute die begeisterte Menge mit einem herrlich italienischen Popsong um, Heta Salkolahti wusste mit einem elektronisch-düsteren Track zu überzeugen, Flo Holoubek mit Rafinesse und Percussionwahnsinn, Martin Hannaford mit allerbestem Indierock. Wer sie vorher schon gesehen hat, weiß, dass Ryan Carpenter der geborene Entertainer ist. Und wäre er früher geboren, müsste er Gründungsmitglied von Monty Python sein, so unfassbar unterhaltsam war seine mit Musik untermalte Kurzgeschichte: Grande!
Foto: luserlounge
Drei Tage haben sich die Akteure in Haldern eingeschlossen, um vierzehn Stunden täglich zu proben, zu üben, zu planen. Die Herausforderung dabei war, dass seit der letzten gemeinsamen Reise alle neue Alben aufgenommen haben oder dabei sind. Ergo: Die alten Sachen waren bekannt, es mussten nun über ein Dutzend Lieder in einer neuen, genialen Konstellation eingeübt werden. Dass es hier und da mal hapert, hat man kaum mitbekommen, so konzentriert sind sie wohl am Werk gewesen. Passionierte Tüftler halt. So konnte man am Dienstag in Münster und in den kommenden Tagen in München, Köln, Hamburg und Berlin zu hören bekommen, woran unter anderem Honig und Town of Saints arbeiten.
Zehn Verrückte, die die Töne, Rhythmen, Melodien und Strophen lieben, die in diesen Tagen nicht wirklich viel Geld verdienen werden, denen aber die Freude und die Magie der Musik aus den glänzenden Augen zu lesen ist.
Bitte, schaut es euch an. Es lohnt sich mehrfach!
Köln ist leider ausverkauft.
28.02.18 München Ampere
01.03.18 Köln Gebäude 9 - SOLD OUT
02.03.18 Berlin Lido
03.03.18 Hamburg Knust
(ms) Gottfried Boehm ist einer der führenden Kunstphilosophen und Kunsthistoriker im deutschsprachigen Bereich. Er befasst sich unter anderem mit der scheinbar einfachen Frage, was ein Bild sei. Kommt man gedanklich etwas in diese Welt hinein, ist die Beantwortung nicht leicht. Zudem beschreibt er etwas umständlich und schwer zugänglich, was ein starkes Bild ist. Unter anderem wird ein starkes Bild stark, wenn es keine Referenz besitzt. Wenn es also für sich steht und einen gewissen Geniegeist durchscheinen lässt.
Damit sind wir automatisch bei der achtköpfigen Gruppe Superorganism, die an diesem Freitag via Domino ihr selbstbetiteltes Debutalbum vorlegen werden.
Denn: Etwas Vergleichbares - Referenz halt - kommt einem nach mehrmaligem Hören nicht in den Sinn. So abgefahren und gut ist das.
Orono, Emily, Harry, Ruby, B, Robert, Tucan und Soul heißen die Musiker und Künstler - denn nicht alle Mitglieder bedienen ein Instrument - und machen nicht nur auf den Pressefotos den Eindruck, dass sie frisch von einer Hipser-Modemesse kommen, oder sich gerade zufällig am Späti getroffen haben, so unterschiedlich treten sie auf, sind aber eine feste Einheit.
Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass sie im allerbesten Hausbesetzerstil zusammen in London wohnen. In Japan haben sie die jetzige Sängerin Orono kennengelernt, die ihnen aus dem amerikanischen Internat ihre ersten Demos zusandte. So gründet man heute also eine Band, die Großes vor hat. Kaum war ihre erste Single Something For Your M.I.N.D. fertig, ging sie steil. Radiosender griffen sie auf, Frank Ocean und Ezra Koeing (Vampire Weekend) empfahlen das Hören. Sie haben einen künstlerischen Kosmos gebaut, der sich in den bunten Videos genauso wie im Bühnenbild und Outfit wiederfindet. Sie wollen keine Kinder des Intertnetzeitalters sein, doch wenn die eigene Geschichte so verläuft, man sich in Foren kennenlernt und via Clouddiensten an der Musik baut, erfüllt man das Bild jedoch vollständig!
Wichtige Frage: Wie klingt das Ganze denn nun?
Konventionslos. Angenehm konventionslos. Es gibt nichts, an dem sie sich orientieren oder orientieren müssen. Keine Vorgaben, jeder mit seinen Ideen und den unterschiedlichen Hintergründen. Es ist Popmusik mit Synthies, mit Hintergrundgesang, im Hauptgesang manchmal sprechend. Und sie arbeiten - massiv und dabei niemals störend - mit Samples und Soundschnipseln. Ab und an hört man das Abbeißen eines Apfels, Tier- und Verkehrsgeräusche oder das Klicken einer alten Kasse. Bei einem guten 2.0- oder 2.1-System kommt man ab und an ins Grübeln, ob das Gehörte nun aus der Box oder von Nebenan kommt.
Prägnant ist der wuchtige Bass, natürlich elektronisch betrieben. Er gibt der knapp halbstündigen Platte Drive, Wiedererkennungswert und ein gewisses Markenzeichen. Auch vor Autotune wird kein Halt gemacht, kommt super an!
Ein gutes Beispiel für den Groove, den diese zum Tanz animierende Musik ausstrahlt, ist Everyone Wants To Be Famous. Der Song ist so herrlich eingängig, dass das Kopfnicken von ganz allein kommt und locker bei diesem zweiten Lied des Albums schon auf Repeat gestellt werden kann. Mitreißend! Reflections On The Screen ist nicht nur ein Abgesang auf die Generation Smartphone, Daumenwischerei und nach-unten-ins-Blaugraugeschimmern-gucken, sondern eine ruhige Pophymne. Auch ein in seiner Gestalt etwas sperriger Song wie SPRORGNSM passt gut ins Bild und stört mit keinem einzigen Takt, weil der Refrain halt wieder so catchy ist! Und ohne sich zu wiederholen ist das oben erwähnte Something For Your M.I.N.D. der Höhepunkt der kurzweiligen Platte, weil die Gitarren so daherschwingen und man sich auf unerklärliche Art und Weise wie der Punkt beim Karaoke fühlt. The Prawn Song ist dann genauso genial wie sein Titel.
Oh ja, das ist schräg und genial.
Starke Musik ohne Referenz.
Es macht fröhlich und leicht.
Und im besten Falle abhängig.
Im Sommer sind sie hier auf dem Mellt! Festival zu sehen.
Und hoffentlich auch noch wann anders.
(sb/ms) Auch den sportlich nicht Interessierten ist ja derzeit bekannt, dass die olympischen Winterspiele in Südkorea laufen. Da gibt's ja allerhand Disziplinen, von denen man sonst - insbesondere bei höheren Temperaturen - nichts mitbekommt. Und dass ausgerechnet bei der kuriosen Sportart Curling der erste Dopingfall ans Licht kommt, muss zwingend als lustig interpretiert werden. Nun beklagen sich die Nischensportler ja immer - zurecht! -, dass sie von anderen Großereignissen, insbesondere dem kommerzialisierten Fußball verdrängt werden. Das ist korrekt und schade.
In der Musikbranche ist es nicht anders.
Die großen Namen sind die Platzhirsche, schwierig an denen vorbei zu kommen. Oder gar als ganz unbekannte, neue, junge Band an den anderen mittleren oder kleinen Bands sich vorbei zu drängeln. Schauen wir auf die großen Festivals diesen Sommer. Wer sind die Headliner? The Killers, Die Toten Hosen und Casper beim Deichbrand. Arctic Monkey, Arcade Fire, The Prodigy und Billy Talent beim Hurricane und Southside. Foo Fighters, Muse, Gorillaz und Thirty Seconds to Mars bei Rock am Ring und im Park. Also, liebe Musikliebhaber und Sportsgeister: Alles normal. Aber: Wer geht als Passionist denn auch zu diesen Riesenfestivals?! Eben!
Wir haben nämlich auch ganz feine Vertreter guter Musik in dieser Woche für euch, die überraschen!
The Baboon Show
Dass aus Skandinavien nicht nur dunkel geschminkte und böse Metaller ihre brachiale Musik verströmen, ist klar. Ein herrliches Gegenbeispiel neben den großen Poppern Mandio Diao oder The Hives sind The Baboon Show aus Stockholm. Letzte Woche haben sie ihr mittlerweile achtes (in Zahlen: 8.) Studioalbum veröffentlicht. Es hört auf den Namen Radio Rebelde. Es ist knallharter Punkrock mit rotzigen Gitarren und viel Tempo. Holiday weiß sofort zu begeistern oder das historische Maritimcover Same Old Story. Erfrischend und beeindruckend kommt der Gesang von Cecilia Boström in jedem Takt daher. Ein Release aus dem Februar, das eine Hymne für den Sommer werden kann. Vom Stil nicht verwunderlich, dass es gute Freunde von Feine Sahne Fischfilet sind.
21.03. - Faust, Hannover
22.03. - SO36, Berlin
24.03. - Conne Island, Leipzig
25.03. - Groovestation, Dresden
27.03. - Rock Cafe, Prague
28.03. - Arena, Wien
29.03. - Club Vaudeville, Lindau
31.03. - Dynamo, Zürich
01.04. - Walfisch, Freiburg
02.04. - Kranhalle Im Feierwerk, München
04.04. - Schlachthof, Wiesbaden
05.04. - Gebäude 9, Köln
06.04. - Lagerhaus, Bremen
07.04. - Uebel & Gefährlich
01.05. - Speicher, Husum
L’Impératrice
Das muss ein déja-vu sein. Haben wir vor Kurzem nicht schon verbreitet, dass aus Frankreich ganz famose elektronische Musik kommt? Ja, haben wir. Jetzt kommt direkt die nächste Kombo um die Ecke. Sie haben sich keinen geringeren Namen als L’Impératrice gegeben. Zu deutsch: Herrscherin. Sie haben sich selbst auch als Logo eine Krone gegeben; kann man machen. Nun ist bei einzelnen Tracks der kommende Woche erscheinenden EP Dreaming Of You ein Sound, der sehr stark an Justice erinnert, nicht abzusprechen. Aber es macht ungeheuer Laune! Endlich mal wieder ganz unbekümmert tanzen. Ideal fürs Wochenende!
Attic Giant
2017 beglückte uns Daniel Tischler aka Attic Giant mit seiner grandiosen Flush EP, heute (23.02.) legt er mit einer weiteren EP nach. Mit den beiden Songs "m t h r s (a short collapse of constancy)" und "m o t h e r s (split/crack of time)" wählt er dabei bewusst ein eher untypisches Veröffentlichungsformat und auch die beiden sehr ähnlichen Tracktitel lassen light=whatwesee recht mysteriös erscheinen. Song 1 besteht dabei nur aus Klangfragmenten von Piano und Glockenspiel, Song 2 beinhaltet einen dialogähnlichen Gesang, in dem sich Tischler und die Multiinstrumentalistin Natasja Ronock über Erinnerungen und Zeit austauschen.
Insgesamt ist die EP auch aufgrund der kurzen Spieldauer nicht so leicht zugänglich wie ihr Vorgänger, bezaubert aber kein bisschen weniger und macht sehr neugierig auf zukünftige Releases. Vor Genregrößen wie Bon Iver etc. muss sich Attic Giant also definitiv nicht verstecken.
The Courettes
Ein dänisch-brasilianisches Duo, das Sixties-Garage-Punk raushaut? Abgefahrener Scheiß und doch richtig geil. Am 30.03. erscheint ihr Album "We Are The Courettes", für den 17.03. ist die Vorabsingle "Voodoo Doll" angekündigt - seid gespannt und hört Euch bis dahin mal deren Debütalbum an. Rotziger Gitarrensound meets The Pipettes - und fertig ist eine Melange, die den Kopf wackeln lässt und die Beine unwillkürlich zum Tanzen anregt.
Kenneth Minor
Googelt man nach der Band, kommt man erstmal auf einen Mann, der von seinem Opfer beauftragt worden war, ihn zu töten, damit die Familie eine hohe Versicherungssumme erhält und der daraufhin zu 12 Jahren Haft verurteilt wurde. Hm, interessante Namenswahl, zumal die Musik, die den Hörer auf "Phantom Pain Reliever" erwartet, so gar nichts Gewalttätiges mit sich bringt, sondern eher sanft daherkommt. Ein bisschen Indie, etwas mehr Folk, überwiegend sehr entspannt und nie anstrengend - ja, das lässt sich auch über längere Zeit sehr gut aushalten. Das erste Album der Band um Bird Christiani seit 2010 erschien bereits im September letzten Jahres, wir wollen es Euch aber trotzdem jetzt noch näherbringen.
(ms) Außenstehenden das Wesen und den Charakter der Stadt Rheine zu erklären, ist nicht ganz einfach. An der Grenze zu Niedersachsen, zwischen Osnabrück und Münster liegt diese mittelgroße Stadt mit heute gut 70.000 Einwohnern. Ja, zwischen Domstadt und Domstadt ist das weder Fisch noch Fleisch. Mit dem Auto kommt man selten dran vorbei. Mit dem Zug fährt man durch auf der IC-Strecke Amsterdam - Berlin oder wenn man an die rauschende Nordsee Richtung Emden möchte.
Ja, Rheine hat einen relativ unschönen Bahnhof, okay die eine Seite wurde in den letzten Jahren modernisiert. Die Innenstadt kann mit nicht viel bieten: C&AH&MEinEuropShopsKaufhäuserBuchläden. Wie überall halt. Doch ein paar schöne Ecken sind herauszuheben, unter anderem die schöne und prächtig herausstehende Basilika; hier dürfen auch Protestanten staunen.
In diesen Gefilden der absoluten Normalität und Langeweile wuchs Thorsten Nagelschmidt auf. Den Gitarrenliebhabern unter uns ist er als Nagel und damit ehemaliger Texteschreiber und Sänger der großartigen Muff Potter bekannt. Die Band hat sich vor Jahren leider aufgelöst, Nagelschmidt ist der Kunst und den kreativen Prozessen zum Glück treu geblieben und legt nun mit Der Abfall der Herzen seinen dritten Roman vor. Er erscheint heute im S.Fischer-Verlag.
Zwei weitere Bücher und einen Kunstband hat er vorher schon veröffentlicht, ist also schon etabliert auf dem Literaturmarkt. Keine ungewöhnliche Karriere, wenn man daran denkt, was Sven Regener, PeterLicht, Markus Berges oder Frank Spilker alles geschrieben haben.
Foto: Harald Hoffmann
Worum geht es nun in Der Abfall der Herzen, diesem ungeheuer lesenswerten Roman?
Es ist eine Lesereise, die die Realität auf gewisse Art und Weise sprengt. Denn es geht - so wird es dem Leser zumindest verkauft - autobiographisch zu. Angesetzt ist die Geschichte im nördlichen Westfalen im Jahre 1999. Zwei Alben haben Muff Potter zu dieser Zeit auf dem Markt und sie spielen zwischen Quakenbrück und anderen Weltstädten. Es geht um Nagelschmidt selbst, er schreibt in der Ich-Perspektive. Und das auf angenehm einnehmende Weise direkt, persönlich und unverstellt. Man glaubt ihm jedes Wort, wenn er den furchtbaren Zustand seiner damaligen WG beschreibt, seine verkorkste Beziehung in Worte windet und mit Liebe zum Detail und sehr viel Menschenkenntnis all die Personen aus seinem Umfeld dem Leser so nahe bringt, dass sie im Geist Gestalt annehmen. Hauptsächlich sein Freundeskreis aber auch die Arbeitskollegen. Mit Lagerarbeiten hält er sich über Wasser, ist vorsichtshalber - für die Eltern und das Semesterticket - an der Uni Münster eingeschrieben, schon im x-ten Semester, hat aber noch keinen Seminarraum von innen gesehen.
In diesem Setting wird man mit auf die Reise genommen, die irgendwie nicht so ganz geradeaus geht, sondern einige Kurven einschlägt, einschlagen muss. Die Situation in der WG und mit dem Vermieter ist ungewiss, die der Band auch und die Liebe ein großes Thema. Nicht kitschig, sondern so hart, wie sie jeden einmal erwischt, der richtig verliebt war. Dagegen - und sonst auch zu einigen Gelegenheiten - wird viel getrunken. Schnaps und Wein beim Protagonisten, Schnaps und Bier beim Rest.
Es soll nichts vorweggenommen werden von diesem als Roadtrip anmutenden Roman. Denn jede Seite, die sich so herrlich leichtfüßig und genussvoll lesen lässt, ist es wert, in Nagelschmidts Leben und Kosmos einzutreten. Und hier gelingt ihm ein wirklich gelungener Kniff, der dem Buch ein schönes Alleinstellungsmerkmal gibt. Denn er erzählt nicht nur einfach die Ereignisse von vor neunzehn Jahren, sondern auch den Schreibprozess des Buches an sich. Immer wieder wird man von 1999 nach 2016 katapultiert und erfährt, was leicht und schwer fällt beim Schreiben und was überhaupt der Grund war, die alten Tagebücher herauszuholen und in neuem Licht zu bewerten.
Anders als seine oben genannten Kollegen im Geiste, macht Thorsten Nagelschmidt keine Musik mehr, ist reiner Autor. Das liest man ihm an. Es steckt Leidenschaft, Witz und handwerkliches Geschick in der Art und Weise seines Schreibstils. Das macht Freude.
Davon kann man sich auch bald live überzeugen, wenn er auf Lesereise geht:
Das Buch ist als Hardcover und als ungekürzte Hörbuchversion ab heute überall zu haben. Holt es euch, schließt euer Zimmer ab und lest!
Hier gibt's neben dem Trailer auch eine Leseprobe vom Verlag.
(sb) Sänger Andy Cairns hat
mittlerweile zwei Soloalben veröffentlicht und glänzt des Öfteren mit Features
bei anderen Bands (z. B. bei Thirty Six Strategies, The Wildhearts. The
Almighty und Manchild), Drummer Neil Cooper spielte kürzlich einen Gig mit
seiner ehemaligen (und längst aufgelösten) Band The Beyond und nun wandelt auch
Therapy?-Bassist Michael „The Evil Priest“ McKeegan auf Solopfaden und nahm zusammen
mit RoryMcGeown und Willy Mundell (Throat, Dutch Schultz) als eine Art
nordirische Soupergroup namens HAUNCH das Album Lay My Bones Beside The Others
auf. Das gute Stück erschien bereits am 26.01., aber manchmal rutscht selbst
uns so ein Release durch und glaubt mir: auch einen knappen Monat nach Veröffentlichung
ist das Album noch klasse und darf sehr gerne gekauft werden.
Aber was erwartet den Hörer
überhaupt? Ist das ein billiger Therapy?-Abklatsch? Da kann ich Euch beruhigen,
denn mit dem Sound meiner Lieblingsband hat Haunch wenig bis gar nichts gemein,
vielmehr erinnert mich Lay My Bones Beside The Others an die älteren Alben von
Throat, was durchaus positiv zu verstehen ist, da ich diese immer wieder gerne
höre und mich ärgere, dass die es auf kommerzieller Ebene nie so recht aus dem
Underground geschafft haben. Wahrscheinlich muss man die
kleine nordirische Küstenstadt Larne besuchen, um die Konnotation zu
verstehen, die die Pressemeldung zu Haunchs Debütalbum einleiten. Von einem „Ödland“ist dort die Rede, das Einfluss auf die
musikalische Entwicklung der drei Künstler hatte - ich war dort und zugegeben:
eine Schönheit ist Larne in der Tat nicht und da die Herren ja auch nicht mehr
die Jüngsten sind, kann ich mir schon vorstellen, dass auch die politischen und
konfessionellen Spannungen in Nordirland damals ihre Spuren hinterlassen haben
und als Saat für den heutigen kreativen Output gesorgt haben. Der lokalen Verbundenheit folgend, wird Lay
My Bones Beside The Others auf Robyn G. Shiels neuem Label Black Tragick Records
veröffentlicht.
Vor einer gefühlten Ewigkeit (im
Jahr 2000, um genau zu sein), als nordirische Bands mit einem lauteren Sound
jenseits der Weichspüler-Grenze noch eine Chance hatten, die britischen Top 40 zu erreichen, war
Throat eine der weniger bekannten Bands, die immer nah dran waren am
Durchbruch, es aber trotz herausragender Melodien wie Sonny's Hired Killer und
Soho nie ganz schafften. Eigentlich eine Schande, wenn man bedenkt, welch
riesiges Potential schon damals in der Band steckte und was alles hätte möglich
sein können. Wie dem auch sei: aus Throat wurden Dutch Schultz, es folgten zwei
weitere melodische Noise-Rock-Alben und nun also die Kooperation mit Michael Mc
Keegan, dessen Hauptband Therapy? dieses Jahr sein sage und schreibe 15. Studioalbum
veröffentlichen wird. Doch zurück zu Haunch: das
Album beginnt mit Twitching und der Track gibt die Richtung schon recht gut
vor.Einprägsame Melodie, schön
verspielte Lines seitens der Leadgitarre, eine ausgeprägte Songdynamik und
zweistimmiger Gesang – man hört vom ersten Ton an, dass hier keine Anfänger am
Werk sind. Diese Routine zieht sich durchs komplette Album und das ist bitte
nicht negativ zu verstehen. Was Haunch hier abliefern, ist großer Sport und
geht weit über das hinaus, was man von einem eigentlichen Side Project erwarten
darf. Ich bin sehr froh, dass ich (zwar eher zufällig, aber immerhin) auf das
Album aufmerksam wurde und die Möglichkeit bekam, mich intensiver damit zu
beschäftigen. Man wird sehen, inwieweit
Haunch das Album auf die Bühne bringen werden und ob es eines Tages einen
Nachfolger von Lay My Bones Beside The Others geben wird. Wünschenswert ist es
auf jeden Fall, zunächst dürfte der Fokus des Evil Priest aber wieder auf
Therapy?, deren neuem Album und einer umfangreichen Tour liegen. Wer sich selbst ein Bild von
Haunch machen möchte, der folge bitte diesem Link: https://haunch.bandcamp.com/releases
(sb) Reden wir nicht lange um den heißen Brei rum: Ghetto Mi Nix O, das neue Album der Exil-Niederbayern dicht & ergreifend ist eine verdammt gute Scheibe, wobei ich beim ersten Hören noch a bisserl enttäuscht war und erst beim ca. fünften Durchlauf gemerkt habe, welch Potential das gute Stück eigentlich besitzt. Seitdem hat das neue Werk der Herren Lef Dutti und George Urkwell den Player nicht mehr verlassen und läuft eigentlich immer, wenn ich mal ne freie und ruhige Minute habe. Als "Soundtrack nebenher" eignet sich Ghetto Mi Nix O indes eher weniger, denn auf die Texte sollte man unbedingt - und noch mehr als beim grandiosen Debüt Dampf der Giganten - unbedingt achten.
Schauen wir aber nochmal kurz zurück: das erste Video aus dem neuen Album, Don't Believe The Like, wurde von YouTube direkt mal gesperrt (und erst in einer zensierten Version wieder zugelassen), die zweite Single Schofal Boogie konnte mich auch nicht überzeugen und so war ich doch sehr gespannt, was mich auf dem Longplayer erwarten würde.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich beim ersten Anhören der beiden Auftakttracks O. N.T. H. und Ghetto Mi Nix O dachte: "Oha, des is aber a weng überambitioniert. Wo ist denn die Leichtigkeit hin?" Mittlerweile ist dieser Zweifel verflogen und ich bin froh, dass dicht & ergreifend es gewagt haben, sich nicht auf den Lorbeeren ihres Debütalbums auszuruhen, sondern einen Entwicklungsschritt zu nehmen, der ebenso beachtlich wie mutig ist.
Mir persönlich gefallen zwar gerade die Uptempo-Nummern à la Schofal Boogie nicht so gut, aber bei einem Album mit 18 Tracks liegt es auf der Hand, dass einem nicht jeder Song zusagen kann. Auch die instrumentalen Anlehnungen an die bayerische Volksmusik, die auf Dampf der Giganten noch so außergewöhnlich, experimentell und großartig waren, fielen mir beim ersten Hören des neuen Albums gar nicht so auf - doch sie sind da und Tuba, Trompete & Co. wissen einmal mehr zu überzeugen.
Textlich bewegen sich Lef Dutti und George Urkwell auf sehr vielfältigem Terrain: mal geht's einfach nur saulustig und skurril zu (Bierfahrerbeifahrer), dann wird's politisch engagiert (Ned Dahoam) und gesellschaftskritisch (Don't Believe The Like), aber auch den Themen Umwelt (Grias De God Scheene Gegn'd) und Ernährung (I Frieß So Gern) nehmen sich die Dichtis an. Das liest sich jetzt hier gerade sehr nüchtern, aber die Art und Weise, wie dicht & ergreifend das präsentieren, ist unwahrscheinlich vielfältig und macht wahnsinnig viel Spaß. Dass man der bairischen Sprache mächtig sein sollte, um die Buam und ihre Lyrics zu verstehen, liegt dabei auf der Hand, aber wie sagte schon Hans Söllner einst so schön: "Im Grunde unseres Herzens samma doch olle Bayern."
Damit hat er zwar Recht, aber Bayern ist halt nicht nur landschaftlich schön, sondern auch konservativ verpestet, was dicht & ergreifend immer wieder gerne aufgreifen und dem geneigten Hörer um die Ohren hauen. Guad so!
"Sie song "Dahoam schdeam d'Leid" und des stimmt sogoa
in Damaskus zreißts an Kinderchor
Hoppala, Blindgänger, kimmd moi vor
zwoa Finga miassn glanga, um des Peacezeichen zum zoang.
Ihr habts nixe g'wusst? De Splitterbombm war von Thyssen Krupp
immer dieser Rüstungsdruck
etz kemmans olle eina in am Flüchtlingszug.
Auf oamoi muas a Führer her
olle jammand ummananda, woin a Bürgerwehr.
Vor dem Syrer Gschwerl hams Angst, wean panisch
dengan, irgendwann wead Garmisch islamisch
wia da Cassius Clay.
Schutz gega Soizneger? Pfefferspray!
Hey, jeder Treffer zeyd
Eia Tresenlogik drammbed auf da Schdey.
Okay, wer auf Menschen zielt, is a Lokalpatriot und grenzdebil
Ihr vahungerts no an geistiger Magersucht
wega Deppen wia eich bin i auf Fahnenflucht."
aus "Ned Dahoam"
Abgerundet wird Ghetto Mi Nix Odurch Fensdabuzza, einem zehnminütigen Epos über die Ungerechtigkeiten im Leben und die Rache des kleinen Mannes, illustre Gastauftritte von Rappern aus Bayern und dem benachbarten Ausland (Surprise, surprise!), sowie wieder mal geniale Interludes. Freut Euch auf "Nousenrämmi" und "Ssssäianäigl"...
(ms/sb) Als Dauergast auf bestimmten Festivals sind einige Bekanntmachungen schon ein Augenaufschlag wert. So spielen auf dem diesjährigen Open Flair Festival im schönen Eschwege die Musiker, die sich Tocotronic nennen. Das Festival ist im Grunde genommen immer relativ (Punk-)Rock-lastig, was auch extrem schön ist. Andere große Vertreter ihres Genres kommen allerdings auch gern vorbei. In den letzten Jahren: Iggy Pop, Pendulum, KoRn, Rise Against, In Flames. Auch deutsche Hochkaräter sind (Stamm-)Gäste: Casper, Marteria, Broilers, Kraftklub oder die wundervollen Beatsteaks. So feuilletonistisch-verkopft wie bei Tocotronic geht es eher selten zu. Das gibt mehr Zeit, um in der Augustsonne lecker Bier zu tanken. Umso erfreulicher, dass sie im Sommer aufs Werdchen kommen und die Meute verzaubern werden.
Die diesjährigen Festivalschlampen (ja, ist halt so ein geflügeltes Wort) sind wohl Feine Sahne Fischfilet, die mal wieder an jeder Milchkanne Pfeffi verteilen.
Wir haben Euch auch diesen Freitag erneut Tolles aus der Musikwelt zusammen gesammelt:
Sebastian Block
Nein, deutschsprachige Singer-Songwriter, die sich beim Namen nennen, brauchen wir eigentlich nicht mehr. Siehe Radioikonen wie Mark Forster, Andreas Bourani, Adel Tawil. Bei den Herren ist der Kotzreiz vorprogrammiert. Andere, viel feiner gestrickte wie Spaceman Spiff oder Matze Rossi sind uns hingegen äußerst willkommen. Heute erscheint das Album Wo Alles Begann von Sebastian Block. Man, ist das schöne, warme, kluge Gitarrenpopmusik. Lieder wie Bist Du Die Antwort oder Warum Rufst Du Mich Nicht An werden schnell zu neuen Lieblingsliedern. Seit 12 Jahren macht er Musik und die Erfahrung ist herauszuhören. Über das Label Timezone Records erscheint sein Werk und wir legen es Euch ans Herz. Kauft. Das!
Heute Abend spielt er mit Jo Stockhölzer ein Release-Konzert im Berliner Cassiopeia. 20 Uhr.
Van Schelln
Es gibt Bands, Lieder und Videos, die einen einfach nur leicht verstört zurücklassen. Dazu gehört ab heute die Band Van Schelln aus Erlangen. Wir sind keine Franken und verstehen daher nicht so viel vom Text des Liedes Broudwoschdghäggwägg. Okay, es geht um den Brotbelag, das geht noch. Auf eigenwillige Art und Weise macht das ganz schön Bock. Auf Albumlänge gibt es das dann ab dem 30. März: Schellnbringer heißt das gute Stück. Auch wenig verwunderlich, dass Van Schelln ihre Musik ohne Label vertreiben. Aber seht und hört selber:
An dieser Stelle muss ich, sb, den Kollegen ms mal eben korrigieren: ich bin tatsächlich Halbfranke, mit einer Fränkin verheiratet und verstehe durchaus, was der Kollege Van Schelln da zum Besten gibt. Verstört bin ich trotzdem...
So, weiter geht's im Text: diese Woche landete ein Päckchen von Rookie Records in meinem Briefkasten, prall gefüllt mit fünf neuen Alben. Über s/t, das Debütalbum von Acht Eimer Hühnerherzen breite ich lieber den Mantel des Schweigens, auf die anderen vier möchte ich aber zumindest kurz eingehen.
The Lombego Surfers
Die nicht mehr ganz so jungen Schweizer klingen frischer als mancher Youngster, der Sound (Garage, Punk, Rock'n'Roll) erinnert jedoch manchmal zu krass an die großen Ramones. Das Album Heading Out (VÖ: 27.04.2018) kann man sich gut anhören, stellt sich aber nach ein paar Tracks die Frage, warum man nicht direkt zum Original gegriffen hat. Macht live vermutlich noch deutlich mehr Spaß als auf Platte.
Custody
Bei den Finnen vereinen sich mehr als 100 Jahre Bühnenerfahrung und vielleicht ist es gerade diese Routine, gepaart mit der Lust, nochmal was Neues zu probieren, die das selbstbetitelte Album (Release: 23.03.2018) so gut werden ließen. Feiner melodischer Pop-Punk, der zu keiner Zeit eintönig oder langweilig wird. Super Sache!
The Stanfields
Ebenfalls am 23.03. erscheint Limboland, das fünfte Album der kanadischen Rockband The Stanfields. Die irischen Wurzeln der Mitglieder sind nicht zu leugnen, das Ganze ist sehr unterhaltsam und nach dem ein oder anderen Bier (zu viel) kann man dazu ordentlich abgehen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten: daheim ist mir das Album zu anstrengend, beim Autofahren geht's aber ausgesprochen gut.
Not Scientists
Kommen wir zum heutigen Testsieger: die Band Not Scientists wurde Ende 2013 gegründet und nach einer EP, einer 7'' und dem Debütalbum Destroy To Rebuild erscheint am 13.04. ihr zweiter Longplayer Golden Staples. Die musikalischen Einflüsse der Franzosen reichen dabei von den Buzzcocks über The Thermals (hurra!) bis hin zu Hot Water Music und Superchunk. Nichtsdestrotrotz klingt es manchmal so als hätten Blink182 vor zwanzig Jahren Musik für Erwachsene gemacht. Hm, versteht man das jetzt? Egal. Golden Staples ist auf jeden Fall ein richtig gutes Album und hat mich dazu verführt, mir auch direkt den Back-Katalog der Not Scientists reinzuziehen.
(ms) Im 18. und 19. Jahrhundert war Frankreich kulturell gesehen das Vorbild für viele andere europäische Länder. Das savoir vivre, das gute Essen und die Feinheit der Sprache haben viele Leute extrem beeindruckt und zum Nachahmen animiert. Das ist lange vorbei, jedoch kann man nicht leugnen, dass sowohl die Wahlkampagne als auch das forsche Auftreten von Emmanuel Macron hierzulande auch den ein oder anderen hat staunen lassen.
Und wie sieht es in der Musiklandschaft aus? Da fällt auf, dass es insbesondere in elektronischen Gefilden Akteure gibt, die extrem erfolgreich sind. Beispiele: Daft Punk, MGMT, C2C und die alten Pioniere von Air.
Mit Flora Fishbach tritt nun eine junge Frau auf dieser Bildfläche auf und das mit ganz schön viel Wumms. Über Sony France erscheint diesen Freitag ihr Debutalbum A Ta Merci auch hier., in ihrer Heimat gibt es das schon seit einem Jahr. Aber es ist nicht einfach nur klug ausgetüftelter Elektropop, sondern bereits so etwas wie Neo-Chanson? Denn es sind nicht nur die Beats und guten Hooklines, die dieses Album hörenswert machen, sondern auch die Stimme der 26-Jährigen.
Mit 15 hat sie die Schule geschmissen und in allerbester Studentenmanier Gelegenheitsjobs en masse angenommen, um sich über Wasser zu halten und an einem Traum zu arbeiten. Früh begann sie auf dem Tablet Musik zu kreieren, A Ta Merci ist das beeindruckende Ergebnis davon.
Das Album hat einen schön-verspielten Anfang mit Ma Voir Lactée, in dem man einen ersten umfangreichen Eindruck ihrer durchdringenden Stimme bekommt. Eine Alternativkarriere in der Oper oder einem richtig guten Chor müsste kein Problem sein. Der belebende Sound: Dominiert durch Synthie-Hooks (oft extrem tanzbar), ergänzt von Schlagzeug, Percussion und Gitarren. Einige Takte und Melodien erinnern so herrlich an einen revitalisierten Klang der 80er, dass die Euphorie darüber kaum auszuhalten ist (u.a. Y Crois Toi). Schön ist auch, dass sich nichts Klischeehaftes im Fabelhafte-Welt-der-Amelie-Stil oder in Yann-Thiersen-Manier findet. Eher eröffnet sie auch dunklere Klangräume. Und ja, es ist ein Segen, dass sie in ihrer Muttersprache singt und nicht wie die großen Namen (s.o.) davon abweicht. Ach, hätte man damals im Unterricht besser aufgepasst, wüsste man auch, was sie singt und nicht nur, dass Arthur ein Papagei ist: Boum, c'est le choc!
Ganz große Tanznummer, die durch einen energetischen Refrain und fantastische Basslinie überzeugt ist Un Autre Que Moi! Heidewitzka, Frau Kapitänin! Mysteriös-düster und daher einnehmend kommt plötzlich Feu um die Ecke: Überraschungen sind garantiert. Auch On Me Dit Tu ist derbe hitverdächtig.
A Ta Merci ist ein facettenreiches Elektropopdance-Album, das es in sich hat.
Nicht nur die Pressemitteilung schreibt, dass man Fishbach live gesehen haben muss.
Nach mehrmaligem Hören ist der Schreiber auch davon absolut überzeugt und hat Lust.
In die Tat umsetzen kann man das demnächst hier:
26.02. - Köln, Blue Shell
27.02. - Berlin, Frannz Club
28.02. - Hamburg, Nachtwache
03.03. - Frankfurt, Zoom
04.03. - Karlsruhe, Tollhaus
05.03. - München, Villa
(sb) „Liebe ist eine Bezeichnung
für stärkste Zuneigung und Wertschätzung. Nach engerem und verbreitetem Verständnis ist Liebe ein
starkes Gefühl,
mit der Haltung inniger und tiefer Verbundenheit zu
einer Person (oder Personengruppe), die den Zweck oder den Nutzen einer
zwischenmenschlichen Beziehung übersteigt und sich in der Regel durch eine
entgegenkommende tätige Zuwendung zum anderen ausdrückt. Das Gefühl der Liebe
kann unabhängig davon entstehen, ob es erwidert wird oder nicht.“ So weit und
so richtig Wikipedia. Was allerdings verschwiegen wird: Liebe mach kreativ -
egal, ob zurückgewiesene oder erwiderte. Und das musikalische Ergebnis davon
ist oftmals sehr hörenswert, wie auch auf der neuen EP des Würzburger Duos
Hannah & Falco.
Vor nicht einmal 1 ½ Jahren
berichteten wir Euch von Chapter 5 und waren ganz aus dem Häuschen. Die damals
Hoffnung auf ein Album wurde leider nicht erfüllt, dafür meldet sich Sänger
Falco Eckhof nun aber zusammen mit seiner Freundin Hannah Weidlich zurück und
erneut bin ich schwerstens entzückt über das Gehörte. Natürlich kann man die
beiden EPs nicht miteinander vergleichen, zu unterschiedlich sind die Musikstile,
doch eins ist klar: Falco ist ein hervorragender Songwriter und hat mit Hannah
nicht nur privat, sondern auch musikalisch ein klasse Pendant zur Seite. Dass die beiden Musiker erst 22 bzw. 19 Jahre alt sind, hört man
ihrer EP Blind For The Moment nicht an. Zwar klingen Hannah & Falco
durchaus frisch und unverbraucht, die eingeschlagene Musikrichtung (Americana,
Folk, mitunter fast a bisserl countryesk), lässt die beiden Würzburger aber
automatisch älter erscheinen. Zudem gibt das Paar dem Begriff „oldschoool“ eine
völlig neue Bedeutung, haben sie doch ihre EP in Falcos alter Schule
aufgenommen: ohne großes Studio wurde ein Musikraum für drei Ferientage zum
Aufnahmeraum umfunktioniert und der eigene Bestand an Equipment und Mikrofonen
kurzerhand durch Leihgaben von Bekannten aufgestockt. Produktion und Aufnahme
nahm Eckhof in die Hand und auch der Mix der Songs wurde selbst im eigenen
Studio umgesetzt. Einzig zum Mastering ging es für die EP in die USA: in
Nashville, TN, verpasste der erfahrene Engineer Alex McCollough von True East
Mastering den Aufnahmen den letzten Schliff. Herausgekommen ist eine Melange aus euphorischen, vor Freude
schreienden schnelleren Stücken und ruhigen Songs, die zerbrechlicher kaum sein
könnten und die in dieser Form vermutlich tatsächlich nur von zwei Musikern aufgenommen
werden können, die seit fünf Jahren auch privat zusammen durch Dick und Dünn
gehen. Ihr könnt Hannah & Falco demnächst auch live
erleben und zwar hier:
Das Hipseroutfit hört man zum Glück nicht in ihrer Musik: Great News. Foto: Linn Heidi Stokkedal
(ms) From Bergen to the world.
Bei aller Bescheidenheit ist das kurioserweise noch nicht mal das Ziel der drei Norweger Even Kjelby, Ole Kristian Einarsen und Kim Age Furuhaug. Dabei haben sie sich doch als Musiker den etwas größenwahnsinnigen Namen Great News gegeben. Spätestens nach dem Hören ihres Erstlings, das am kommenden Freitag über das Label Eget Selskap das Licht der Welt erblickt, bekommt der Name Berechtigung.
Dazu muss man auf jeden Fall wissen: Sie sind Musiknerds im allerbesten Sinne; ihr Hipsteroutfit lassen wir dabei mal außen vor. Mit unterbezahlten Jobs, die ausschließlich dafür dienen, den eigenen Lebensunterhalt so gut es geht zu bewerkstelligen, sorgen sie dafür, dass sie nebenbei ihrem Traum nachträumen können. Der wird mit Wonderfault nun Realität. Zusätzlich sind Kjelby, Einarsen und Furuhaug Idealisten: "Wenn wir eine Person mit unserer Musik berühren, dann ist unsere Mission erfüllt."
So eine Aussage als Musiker! Jeder, der sich vornimmt ernsthaft Melodien, Harmonien und Texte zusammen zu basteln und auf eine Platte pressen zu lassen, hat ja per Definition das Bedürfnis, dies auf der Bühne auszuleben. Die wenigsten werden sich mit einem Hörer zufriedengeben. Also große Neuigkeiten an alles Enden und Ecken.
Wie klingen die Leidenschaftler denn?
Mit Überzeugung, steif und fest kann man behaupten: Nach einer fantastischen Mischung aus 80s, Britpop und elektronischem Indierock. Sie selbst bezeichnen ihren Sound als Daze Pop. Catchige Gitarrenläufe, große Hymnen und der einnehmende Gesang wirken schnell. Es ist im besten Sinne eingängig und entfacht immer wieder eine enorme Kraft, die zum Tanzen oder Faust-in-die-Luft-Recken bewegt.
Der Opener Sleep It Off ist schon ein herrliches Beispiel, wie die Nordlichter ticken. Ein ruhiger, angenehmer Start, der in der 51. Sekunde völlig aus sich bricht und groß, gitarrenlastig, ja beinahe hitverdächtig wird. Da ist es kaum schon zu glauben, dass sie diesen Sound zu dritt erzeugen. An vielen Stellen fühlt man sich an die große Namen aus dem Indie-Brit-Pop erinnert, ohne konkret eine spezifische Band nennen zu können. Einnehmend sind Tracks wie Never Get My Love, die zusätzlich mit Percussion und mehrstimmigem Gesang einen psychedelischen Rausch erzeugen können. Die Leichtigkeit von Secrets macht einem nahezu Angst, kommt aus dem Norden doch meist nur knochenharter Metal, der schaurige Geschichten über den Tod und das Leiden erzählt. Mit dem Rausschmeißer It's Easy, der immer weiter fortschreitend eine ungeheure Energie und Macht entwickelt, fällt es einem wirklich extrem leicht diese Platte und die Band schnell zu mögen.
Zum Schluss noch eine schwierige Frage: Wohin mit all den großartigen, innovativen, unbeschwerten Bands, die leider so klein sind, dass sie voraussichtlich eher auf einem schmucken Indie-Festival spielen anstatt die Aufmerksamkeit inklusive Zuschauerzahlen bekommen, die sie verdienen? Einfache Antwort: Solange sie sich mit einem ergriffenen Hörer zufrieden geben und dann die Mission erfüllt ist, ist alles gut. Idealisten halt.
Die Band heißt Great News und kommt aus Bergen, Norwegen.
Das Album Wonderfault ist ein Wirklichkeit gewordener Musikertraum!
Gebt ihnen eine Chance, hört Euch durch und lasst euch mitreißen!
In Holland und Norwegen spielen sie demnächst:
19.-21.04. - Motel Mozaique Festival - Rotterdam, Niederlande
26.-28.07. - Fres Festival - Fresvik, Norwegen
07.-11.08. - Øya Festival - Oslo, Norwegen
(mm/sb) Schlechte Laune? Keine Motivation? Einfach ein absoluter
Sch…tag? Dagegen gibt’s was! Zwar nicht von Ratiopharm, dafür aber von Talco. Die „Punkchanka“-Herren aus
Italien mit einer gefühlten Sprechgeschwindigkeit von 1000 Wörtern pro Minute
haben ihr neues Album And The Winner Isn’t herausgebracht.
Ich habe für euch reingehört und bin begeistert.
Gut, ich muss gestehen, beim ersten Hören war ich schon ein wenig
ernüchtert - es ist zwar der typische Talco-Sound und es macht Spaß zu hören,
aber das richtige Highlight fehlt doch irgendwie. Kein La Parabola die Battagghi oder Danza
dell'autunno rosa, das lange im Ohr bleibt. Aber: nachdem ich es nun zum
zehnten Mal gehört habe, muss ich sagen: stört mich überhaupt nicht mehr.
Mittlerweile ist für mich jedes Lied so ein Kracher, dass ich mich immer wieder
freue, wenn ich das Album höre.
Schauen wir uns also mal die Titel an: Al parto sfigurato della superiorità als erster Song mit 1:30
Minuten sehr kurz, aber ein wunderbarer Appetizer des Albums. Onda immobile ruft dann eindeutig wieder
die Talco-Gefühle hervor, man möchte unbedingt wieder auf einem Konzert
ordentlich drauf abgehen. Absolut genial! Señor
hood und Reclame sind okay, für
meinen Geschmack ein bisschen zu ruhig. Dafür knallen Bomaye (eine Hommage an Muhammad Ali), La veritá und Domingo Road dann wieder schön – könnten Lieder
werden, die dann doch zumindest teilweise im Kopf bleiben, weil man zumindest
mal auch ohne Italienisch-Kenntnisse was mitsingen kann. Es ist eben eine
schöne Mischung aus weniger energiegeladenen Liedern und solchen, die dann
richtig zum Durchatmen einladen. Auch Lunga
la macabra stanza ist auf der Platte jetzt nicht unbedingt mein Favorit,
kann ich mir aber sehr gut beim Konzert vorstellen. Der Namensgeber des Albums And the Winner Isn't und Intervallo sind mit je einer Minute und
reiner Instrumentalversion Besonderheiten des Albums – auch weil Ersteres eher
an ein Seemannslied erinnert als an Talco. Avatar,
Matematica idea und Silent avenue (nella strada II) bilden
schließlich den runden Abschluss der ersten CD. Und alle machen unbedingt Lust
auf mehr.
Ich hatte glücklicherweise noch den Luxus, die Bonus-Version
genießen zu dürfen. Hier finden sich zwei spanische, eine englische und auch
eine deutsche Version alter Lieder:
St. Pauli (Deutsche Version)
La Torre (Spanische Version)
La Danza Dell'Autunno Rosa (Spanische Version)
La Mia Cittá (Englische Version)
Doch Obacht: wer meint, jetzt von den Lyrics mehr zu verstehen, der
täuscht sich leider: Selbst bei der deutschen Version von St. Pauli verstehe ich nur einen Bruchteil. Trotzdem machen alle vier
extrem Spaß, weil man die Lieder eben schon kennt und mit La Danza Dell'Autunno Rosa und La
Mia Cittá Lieblinge von mir dabei sind. Insgesamt ist das Album extrem kurzweilig und für mich eines der
wenigen Alben, die mich in der Wohnung rumhüpfen und die schlechte Laune
verfliegen lassen (und das will bei mir was heißen). Aber Vorsicht: aus
leidvoller eigener Erfahrung möchte ich davon abraten, beim Hören in der Küche
mit Messern zu hantieren… kann schief gehen! Auf der Autobahn hingegen sorgt And The Winner Isn’t für eine leicht
verkürzte Fahrzeit – man kennt das ja. Großes, großes Lob an Talco
für dieses großartige Album. Auch nach Jahren macht ihr mir immer noch Spaß.
Kommt gern wieder in die Bodensee-Region, ihr seid hier immer willkommen und
werdet sehnsüchtig erwartet.
(ms/sb) Tesla zum Mond, Koalitionsvertrag, Winterspiele in Südkorea und Rolf Zacher ist tot. Zum Glück gibt es auch wirklich gute Nachrichten. Bevor es weiter unten Töne und Eindrücke gibt, muss hier ganz subjektiv etwas festgestellt werden.
Einer der Schreiber hier findet die Gruppe Kettcar aus Hamburg so stark, dass er kaum damit aufhören kann, sie sich live anzuschauen. Innerhalb der letzten sieben Monate waren es fünf Konzerte. Innerhalb der letzten eineinhalb Wochen zwei. Der Auftritt in Dortmund war ein Fest, der Sound - wir sprachen davon - ein Genuss für die Seele. Fortuna Ehrenfeld haben fein eingeheizt und während eines Konzertes, wenn die Band alles gibt bei den lauten oder leisen Tönen, ist es ab und an reizvoll, sich umzudrehen und in die Gesichter der anderen Besucher zu schauen. Dort war sowohl in Dortmund als auch diesen Dienstag in Hamburg viel Glanz, Freude und Glück zu entdecken. Kettcar sind nicht nur eine wichtige Band für die deutschsprachige Musiklandschaft, sondern haben mit Ich Vs. Wir ein tiefsinniges, wohlüberlegtes Album hingelegt. Seit Jahren begleiten sie das Leben vieler Menschen und bekommen auf der Bühne davon viel zurück. So spielen sie auf der aktuellen Tour auch Der Tag Wird Kommen aus dem Solo-Album von Marcus Wiebusch: Große Klasse, wichtiger Song. Beim Spielen ging Wiebusch irgendetwas so nah, dass ihm die Tränen in den Augen standen. Das war berührend, das war stark, das war schön. Die Kraft von Musik ist unbegreiflich.
Umso trauriger ist es dann jedoch, wenn einen alte Helden enttäuschen, weil die neuen Sachen einfach nicht mehr so ziehen wie die geliebten Klassiker, wenn entweder gar keine Weiterentwicklung festzustellen ist oder man mit der eingeschlagenen Richtung des Künstler so gar nichts anzufangen weiß. Wobei wir auch schon beim Thema wären...
Gestern erschienen drei Alben von Bands, die durchaus mal zu überzeugen wussten, heutzutage aber ein Schatten ihrer selbst sind.
Franz Ferdinand - Always Ascending
Alter, was waren die Schotten mal gut, szeneprägend und ein Flagschiff der britischen Musikszene, als es sich eigentlich schickte, ein "The" am Anfang des Bandnamens zu haben. Und heute? Nick McCarthy, Franz Ferdinands Link ins bayerische Bad Aibling, ist bekanntermaßen nicht mehr an Bord, die Band ist mittlerweile zu fünft, der Sound ist immer noch der Gleiche - und genau das wirkt 2018 irgendwie aus der Zeit gefallen. Das Album plätschert vor sich hin, man wartet auf Innovatives, wartet, wartet, wartet, langweilt sich - und dann sind die knapp 40 Minuten Spielzeit abgelaufen. Fad.
Dashboard Confessional - Crooked Shadows
Neun Jahre Zeit nahm sich DC-Mastermind Chris Carrabba für dieses Album - und dann kommt sowas raus. Meine Herren... Klingt wie immer, nur a bisserl weniger empathisch. Nichts gegen Teenie-Girls, aber jemand anderen als herzschmerzige 16-jährige Mädels werden Dashboard Confessional mit ihrem Album (hoffentlich) nicht erreichen.
MGMT - Little Dark Age
Auch so eine Band, deren Ruhm auf einem Song basiert ("Kids") und die seitdem denkt (und vermutlich gesagt bekommt), sie sei gut, ideenreich, ganz toll und was Besonderes. Tatsächlich hat es aber der Monaco Franze bereits in den 80er Jahren treffend zusammengefasst: "A rechter Scheißdreck war's. Altmodisch bis provinziell war's. Des war's."
Dem ist hinsichtlich des neuen MGMT-Album nichts hinzuzufügen.
Zum Abschluss noch zwei Videos, die einen dann doch wieder an das Gute in der (Musik-)Welt glauben lassen: zum Einen Arionce, deren EP Deep Ocean Grey am 06.04. erscheinen wird und zum Anderen Juse Ju. Dessen Album "Shibuya Crossing" wird am 16.03. veröffentlicht und wir werden darüber berichten, denn: wir sind Fans!
(ms) Coheed And Cambria ist eine Band, die es sich zur Aufgabe gemacht hat in ihren Texten eine ausgefeilte Geschichte zu erzählen. Deren Kapitel befinden sich alle im gleichen Kosmos und drehen sich um das Ehepaar Coheed und Cambria. Die leben in einem anderen Sonnensystem und erleben dort allerhand Kuriositäten. Was als Serie (Game of Thrones) oder Filmreihe (Star Wars) kommerziell extrem gut funktioniert, ist also auch möglich mit Musik auf die Bühne zu holen. Eine ziemlich irre Idee, die mit wahnsinnig viel Aufwand, Gedankenspielereien und Konzeption zu tun hat.
Was die New Yorker seit Jahren beeindruckend schaffen und fortsetzen, hat jetzt ein kleines Pendant hierzulande. Klar, Orph spielen eine ganz andere Art von Musik und sehen auch viel besser aus. Den Durchbruch auf einer Ebene wie den angesprochenen Amerikanern ist ihnen von Herzen zu wünschen, denn ihr zweites Album The Pyramid Tears Of Simba, das heute auf Kick The Flame erscheint, ist eine Science Fiction-Erzählung. Das Quintett um Texteschreiber und Mastermind Marco De Haunt spielt Zukunftspop: Sphärisch, geheimnisvoll und tief. Einflüsse aus Klassik und Elektronik sind unüberhörbar, geben den 12 Liedern Drive und machen neugierig. Ähnlich waren sie schon mit ihrem Erstling Poems For Kui unterwegs. Sechs Jahre sind inzwischen vergangen, die Besetzung hat sich geändert und so ein Universum muss auch erst einmal kreiert werden! Bekanntlich liegt in der Ruhe die Kraft.
Nach diesem Motto ist es unerlässlich, dem Album Zeit zu geben und seine Ecken und Winkel zu erkunden. Denn davon gibt es viele!
Mit dem gleichnamigen Titel wie dem Album starten die 42 Minuten Ausflug ins Ungewisse: Leise, zart, verschleiert aber bestimmt. Ein sanft treibendes Schlagzeug, breite Synthie-Klänge und ab und an mehrstimmiger Gesang werden nun zum charakteristischen Moment. Ähnlich geht es mit The Mosaic, The Whale And It's Hunter weiter, in dem auch groovige Gitarren zum Einsatz kommen. Die Titel der einzelnen Songs sollte man sich hier bereits auf der Zunge zergehen lassen (u.a. auch Josephine And The Conservation With An Astronaut). From Century To Century besticht durch die eingängige Hookline, es wird psychedelisch und elektronisch, stark! Where The Tiger's Gone ist ein gutes Beispiel, dass man der Platte Zeit geben muss, denn beim ersten Hören kann man sie noch nicht ganz erfassen. Hier wird man vom Klang erfasst, die Hintergrundchöre sind so leicht, dass deren Aufsingen einem ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Manchmal wünscht man sich, dass es ein wenig eindeutiger und nicht ganz so verschachtelt zugeht. Doch wer hat gesagt, dass es einfach zugehen soll in der Musiklandschaft?
Und neben den ganzen nebulösen Konzeptionen ist Buildings Are On Fire eine herrliche Reminiszenz an den großen Sound der 80er!
Wenn die Platte zu Ende ist, wird man aus dem Kosmos rausgeworfen.
Zurück bleibt anfangs ein verdutztes Staunen, weil man vielleicht nicht alles verstanden hat.
Gibt ein schöneres Motiv, als nochmal von vorne anzufangen?
Heute Abend spielen sie noch in Jena im Trafo.
Sicherlich wird man sie im Sommer auf einigen Festivals sehen. Es bleibt spannend!
(sb) Norwich, County Norfolk,
ca. 200.000 Einwohner und doch recht abgelegen im Osten Englands. Gerüchten
zufolge soll es eine lebhafte Musikszene geben, Leuchttürme á la Sheffield
(Arctic Monkeys etc.), Liverpool (The Wombats etc.) sucht man allerdings
vergeblich und auch der lokale Fußballverein, Norwich City, hat die besten
Zeiten weit hinter sich. Vor 25 Jahren wurden die Canaries Dritter in der
höchsten englischen Liga, kegelten mit Clublegenden wie Ruel Fox, Bryan Gunn,
Chris Sutton und Jeremy Goss den mit
Nationalspielern gespickten FC Bayern aus dem UEFA-Cup und träumten von großen
Erfolgen. Heute dümpelt man im Mittelfeld der Zweitklassigkeit herum - irgendwie
sinnbildlich für die gesamte Stadt, denn im Fokus steht Norwich eher selten. Doch
das soll sich nun ändern, denn I Said
Goodbye blasen mit ihrem Debütalbum Fairweather zum Angriff.
In England wird das Album
bereits Ende Februar erscheinen, hierzulande müssen wir uns noch bis zum 06.04.
gedulden, ehe wir CD oder Vinyl in den Händen halten können. Dank Spotify wird
man aber die Zwischenzeit sinnvoll überbrücken und sich schonmal einen Eindruck
verschaffen können – und das lohnt sich!
Graeme Philliskirk (Bassist der
Punk-Band Leatherface) arbeitet auf seinem Label Little Rocket Records vorzugsweise
mit Nachwuchskünstlern und gibt ihnen eine Chance, auf seine Erfahrungen in der
Musikwelt zurückzugreifen. Bei diesem Album unterstützte er
Sänger Alan Hiom,
der die Aufnahmen als Solokünstler startete und im Laufe der Produktion mit
Gastmusikern arbeitete, die dann Mitglieder der Band wurden. So schnell kanns
gehen… Dass diese Entwicklung durchaus fruchtbar war, hört man Fairweather aber von der ersten Note an
an. Schon der Opener Better Luck Next
Time gibt die Richtung vor: Indie-Rock mit starken Einflüssen von Punk und
Emo – wer The Get Up Kids mag, wird hier sicher nicht enttäuscht. Auch Freunde
von Samiam dürften sich wiederfinden, wobei I Said Goodbye ihre britische Herkunft deutlich anzuhören ist.
Es wäre vermessen zu
behaupten, dass das Quartett aus Norwich mit ihrem Album kommerziellen Erfolg
haben werden, zumindest in Deutschland halte ich das für ausgeschlossen, doch
das soll die Qualität des Albums in keiner Weise schmälern. Die Scheibe gibt
ordentlich Gas, enthält keinerlei Komplettausfälle, jedoch mit Take Me Home und Quicksand gleich zwei Tracks, die es in die Indieclubs schaffen
könnten. Leider fehlt es manchmal etwas an Abwechslung, aber das ist Jammern
auf hohem Niveau.
Somit bleibt festzuhalten: einst
sagte man in Norwich „Bye, bye, Bayern“, zukünftig heißt es nur noch I Said Goodbye.