(sf) Als Karōshi (jap. 過労死, Tod durch Überarbeiten) bezeichnet man in Japan einen
plötzlichen berufsbezogenen Tod. Todesursache ist meist ein durch Stress
ausgelöster Herzinfarkt oder Schlaganfall - so Wikipedia. Nach acht Jahren Pause besteht diese Gefahr bei der gleichnamigen Kölner Punkband wohl eher nicht, aber die Herren werden ja auch ned jünger. Ganz anders verhält es sich bei der französischen Band The Moorings: die legen nach zahlreichen Liveauftritten nun endlich auch in Deutschland ihr erstes Studioalbum vor und stürzen sich vollends ins Celtic-Folk-Getümmel.
In Frankreich ist "Unbowed", das neue Werk der Damen und Herren aus Sélestat (nahe Strasbourg) bereits erschienen, bei uns ist am 01.09. so weit und wir dürfen uns auf eine gehörige Portion Traditionals im Stile der Dropkick Murphys, Pogues oder Dubliners gefasst machen. In nüchternem Zustand mag die energiegeladene, irisch beeinflusste und oft durch den markanten durch Violine getragenen Sound mitunter auf die Dauer etwas anstrengend wirken, aber mit dem einen oder anderem im Tee und vor allem live geht das richtig gut ab. The Moorings stellen dabei nicht nur eine Antwort auf Genregrößen aus den USA oder dem UK dar, sondern verleihen ihren Songs durch gelegentliche französische Texte das gewisse Etwas. Punkrock, Balladen, Protestsongs - man kann sich durchaus wiederfinden und als eigentliches Highlight lockt "Amsterdam", eine Coverversion des Klassikers von Jacques Brel.
Bereits am 25.08. veröffentlichen Karoshi ihr neues Album "Rabauken und Trompeten" und zwar ausschließlich auf Vinyl und digital. Irgendwie schon cool sowas. Auch wenn der letzte Release der Kölner schon acht Jahre zurückliegt, sind die Herren noch nicht eingerostet und hauen Gitarrenriffs raus wie die ganz Jungen. Wie heißt es in der PR-Meldung des tollen Labels "Rookie Records" so schön: "Wer hätte anno 2003 auch nur einen Pfifferling darauf gesetzt, dass unsere ungemein unsteten Freunde des unrasierten Blaspunks eine solch lange Lebenszeit erreichen würden." Sind wir froh, dass es so ist, denn so konnten knackige 10 Songs in 31 Minuten gepresst werden, die zu keiner Zeit langweilig sind. Wer auf Punk steht, der ist hier richtig und dürfte sich gelegentlich an die Mad Caddies, die Mighty Mighty Bosstones oder Less Than Jake erinnert fühlen. So, genug Schubladen, jetzt hörts Euch einfach an, auch wenn ich vom aktuellen Album leider noch kein Video gefunden habe.
Wer spielt da? Genau: Feine Sahne Fischfilet. Foto: luserlounge
(ms) Man kann es sich in etwa so vorstellen: Man ist älter und hat längere Zeit seine Enkel nicht gesehen; bei einem Wiedersehen staunt man nicht schlecht mit dem Satz: "Was bist Du groß geworden?!"
So ähnlich erging es mir, als ich am letzten Wochenende in der Nähe von Cuxhaven auf dem Deichbrand Festival gewesen bin. Denn 2012 war ich schon mal Teil dieses Spektakels mit damals gut 20.000 Besuchern. Kaum zu glauben, aber fünf Jahre später ist dieses Gewächs von FKP drei Mal so groß geworden und eine feste Größe (im wahrsten Sinne) in der hiesigen Festivallandschaft. Mitten auf dem Acker zwischen Milchkühen und einem Militärflugplatz siedelten sich für vier Tage Vollprogramm Trinkfeste, Partywütige und Dauertänzer an, um ein sehr angenehmes Wochenende zu verleben. Hier ein paar Anmerkungen, Eindrücke, Konzertberichte.
Organisation und Programmvielfalt
Die Anfahrt ist ein geplantes Chaos geworden. Das liegt nicht nur an unserer Mitfahrgelegenheit, die sich am Donnerstagmorgen am Supermarktparkplatz das Dach seines Wohnmobils abgefahren hat, sondern auch vor Ort in Wanhöden. Die Shuttlebusse standen halt genauso im Stau wie alle anderen. Zudem war die Beschilderung vor Ort eine reine Katastrophe, denn: Vom Eingang und Campinggelände Süd kam man nicht zum Campinggelände Nord, das heißt: Mit Sack und Pack zu Fuß einmal um das gesamte Gebiet herum, um dann im Schlamm anzustehen. Geregnet hatte es am Mittwoch und Donnerstagmorgen ganz gut. Selbst Besucher aus den letzten Jahren wussten zu berichten, dass es so umständlich noch nicht gewesen ist. Bei dem Ansturm war die Gepäckkontrolle dann de facto auch hinfällig.
Die drei seperaten Campinggrounds haben über ausreichend Toiletten und Duschen verfügt, gut gemacht. Aber: Muss da zusätzlich ein Partyzelt für etwa 750 Leute stehen, das nachts mit einem so derben Bass wummert, dass selbst die wenigen Stunden Schlaf zur Tortour werden?! Dazu gab es Tanzmöglichkeiten genug.
Eine nicht nachvollziehbare Frechheit des Veranstalters war, dass während des laufenden Betriebs anscheinend Kosten gesenkt werden mussten und Securityleute vom Campingplatz abgezogen wurden, sodass einzelne Ein- und Ausgänge geschlossen wurden. Das war eine selten dumme Idee zum Missfallen aller Beteiligten. Bei dieser Größenordnung an diesem Faktor zu sparen ist schwer nachvollziehbar.
Aber: genug gemeckert.
Wirklich positiv aufgefallen ist, dass es möglich war von morgens früh bis spät in die Nacht (oder halt ohne Pause) am Programm teilzunehmen. Ob Yoga, Schminken, Volleyball, Ausflug an den Strand, Musik, Party oder hemmungslose Sauferei auf dem Campingplatz (inoffiziell), es war alles dabei. Ob das alles nötig ist, soll jeder selbst beurteilen.
Musikprogramm
Astreise Wall of Death bei Audio88 & Yassin. Foto: luserlounge
Es gibt ja Menschen, die pausenlos alle Konzerte sehen, die angeboten werden. Zugegeben, ich gehörte da auch mal zu. Aber nach knapp 30 Festivals weiß man zu sieben. Vielleicht schaut man sich dann nicht mehr die Donots an oder Kraftklub oder die Broilers. Aber auch dies sei jedem selbst überlassen.
Der Donnerstag bot allerdings schon ein kraftvolles Highlight mit Swiss & Die Andern. Aus den Videos war mir nicht zwingend bewusst, was das für ein Muskelpaket ist. Die Verbindung aus beinhartem Punk und gekonntem Sprechgesang kam extrem gut an beim Publikum. Ehrlich: Ich habe selten so angenehm-rücksichtsvoll aber auch mit voller Power im Moshpit gepogt. Es war ein Fest, das anschließend gebührend begossen wurde.
Der Freitag glänzte mit perfektem Festivalwetter, trocken und gut 26°C (Ich frage mich noch, wie es zum Sonnenbrand auf den Ohren gekommen ist...). Im geräumigen Palastzelt haben nachmittags Audio88 & Yassin eine hervorragende Show abgeliefert mit ihren herrlichen Pastorenkostümen, guten Ansagen, einem Kurzauftritt von Monchi und herzlichem Pogo zu Rap (s.o.). So kann es weitergehen! Die letzte Viertelstunde von In Extremo hat sich nahtlos hervorragend angeschlossen. Feine Sahne Fischfilet haben danach eine Stunde geglänzt, anders ist es nicht zu sagen. Wanda blieben sich treu auch ohne die neue Single (glaube ich zumindest...). Abends kam mit Placebo mein persönliches Highlight und neben der ganz feinen Runde auf dem Campingplatz der Grund für die Anreise. Ich wurde nicht enttäuscht, auch da ich mich der Stimme von Brian Molko und ihrem eigenen Gitarrensound seit Jahren ergeben fühle. Es war eine irre Show, ein vielleicht etwas unpersönlicher Auftritt aber musikalisch herausragend. Da es kalt wurde, hat man sich danach noch für zwanzig Minuten bei Egotronic im Palastzelt warmgetanzt. Wieso nicht?!
Zeltplatz, Bier, versuchen zu schlafen, essen, klar kommen.
Denn der nächste starke Auftritt ließ nicht lang auf sich warten: Fatoni spielte um 14 Uhr auf einer der großen Bühnen und es kamen schon einige bierselige und ausgeschlafene, textsichere Fans. Zur großen Freude aller Anwesenden ließ sich Juse Ju auf der Bühne blicken, um die gute Stimmung weiter hochzuschrauben. Anschließend konnte man das gute Wetter genießen, mit fremden Leuten Bier trinken oder verdutzt mit Ja folgende Frage beantworten: "Sag mal, hast du nicht mit Jessy zusammen studiert?!" Guten Gewissens schauten wir uns Zugezogen Maskulin statt AnnenMayKantereit an, die mir persönlich arg auf den Senkel gehen. ZM haben gewohnt provoziert mit ihrem eigenen Sound aber auch neues Material präsentiert. Erstaunlich langweilig war der Gig von Parov Stelar, auf die ich mich eigentlich gefreut habe. Nach einer Viertelstunde klang einfach jedes Lied wie das vorherige. Nicht so bei Marteria, der diesem Abend den Rest gegeben hat mit einem astreinen Auftritt. Selbst Arnim Teutoburg-Weiß kam für Aliens vorbei. Marten Laciny ist ein top Rapper, ein super Entertainer, der immer mindestens 105% gibt, man sieht es ihm an, dass alles stimmt. Ein würdiger Headliner.
Wegen studentischer Verpflichtungen bin ich am Sonntag schon abgereist und trauerte den Auftritten von Apocalyptica, Drangsal, Emil Bulls und Turbostaat hinterher.
Der riesen Jägermeisterhirsch. Foto: luserlounge
Zusammenfassend: Auf dem Festivalgelände gut organisiert, sehr viele extrem freundliche und hilfsbereite Menschen, so gut wie immer starker Sound und maßlos Spaß. Da konnte auch der Regen in der Nacht von Samstag auf Sonntag nichts dran ändern.
Gute Idee 1: Die Klos von Goldeimer auf dem Campingplatz sind eine tolle Idee für die ich auch bereit bin Geld zu zahlen.
Gute Idee 2: Mit Fernbussen direkt zum Gelände hin und zurück. Der Rückweg am Sonntag Mittag hat problemlos und sehr angenehm funktioniert.
(bf/sf) Auch 2017 gibt es das Poolbar noch und man kann nur sagen: zum Glück. Jedes Jahr aufs Neue brodelt wieder die Gerüchteküche, dass die ganze Geschichte nach Wien umzieht.
Aber noch dürfen wir ins idyllische Feldkirch pilgern, die positive Atmosphäre der, auch in diesem Jahr wunderschönen, Holzinstallation vor dem alten Hallenbad aufsaugen, bevor es ins Innere geht. Aufgrund der höheren Anfrage leider nicht in den kultigen Pool, sondern in die obere Halle, die sich trotz seit ein paar Jahren installierten Ventilatoren wieder in eine Sauna verwandelt. Aber wie sollte es auch anders sein, denn Fiva ist zu Gast und hat die wundervolle Jazzrausch Bigband (JRBB) mitgebracht.
Doch zunächst genießen wir den Support Act, nämlich den jungen Münchner Singer/Songwriter Liann und kommen gerade rechtzeitig zum Beginn seines Sets. Leider ohne Geige, die ihn bei seinen letzten Alben begleitet hat, dafür mit umso besseren Texten und sehr melodisch.
Nach "Eismann" will man seine weggezogenen Freunde sofort anrufen, um wieder was auszumachen, während "Eva" wie ein Unplugged-Ärzte-Lied daherkommt und ein breites Schmunzeln in die Gesichter des Publikums zaubert. Mitsingen kann man alles. Sehr sympathisch das Ganze, speziell wenn dann auch noch die Kollegin Fiva unterstützend einen Stuhl plus ihren Schal bringt, weil während des Konzerts der Gitarrenriemen abgeht. :-)
Dann füllt sich die Halle fast bis auf den letzten Platz und wir warten voller Vorfreude auf Fiva, die mit der orchestergroßen Jazzrausch Bigband wieder einen neuen Weg gefunden hat, die Herzen und Tanzbeine der Zuhörer in Bewegung zu versetzen. Wir hatten ja Ende letzten Jahres bereits die Möglichkeit, Nina und ihre Truppe im Dornbirner Conrad Sohm zu bewundern, aber von der frischgebackenen Mama kann man ja sowieso nie genug bekommen. Was für eine unfassbar sympathische Ausstrahlung, was für eine Herzwärme. Wenn wir könnten, würden wir den luserlounge-Beziehungsstatus auf "in einer Beziehung mit Fiva" abändern...
Von Anfang an ist die Verbindung da, man fühlt sich wie bei einem Wohnzimmerkonzert, erlebt
sogar während der Songs kurze Freestyleeinlagen (sogar eine vom Schlagzeuger) und würde am liebsten zuhören, bis dass der Morgen graut.
Neuinterpretationen gefallen dabei genau so gut wie die paar neuen Lieder, die jede Angst vor Legenden sofort wegwischt. Nina ist uns dankbar, wir ihr auch. Und als sich nach der ersten Zugabe und Verabschiedung die Halle schon mindestens zu einem Drittel geleert hat und der Rest noch immer eine Zugabe fordert, werden wir erhört - die Stadt gehört wieder uns. Zum zweiten mal und nun richtig. Danke, Nina. Danke, Poolbar.
(ms) Superpunk ist tot. Lang lebe Superpunk.
Ja, das ist ein platter Einstieg in diesen Text, aber er halt auch so wahr und Carsten Friedrichs hat diesen Satz oder einen, der das gleiche meint mit großer Wahrscheinlichkeit schon hundert Mal gehört. Nun unterscheidet sich der Sound und die Textebene seiner beiden Bands kaum, daher ist dieser Einstieg schon gerechtfertigt.
Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen bekommen nicht nur einen Preis für ihren großartigen Namen, sondern auch für das neue Album, das auf den Titel "It's Okay To Love DLDGG" hört. Und es ist nicht nur okay, es ist vollkommen angebracht diese Band tief ins Herz zu schließen. Für ihren Sprachwitz, die tolle Eingängigkeit (bitte hier im allerbesten Sinne verstehen) und das Talent kleine Geschichten in große Songs zu verwandeln. Und auf der neuen Scheibe tummeln sich elf Stück, die so kurzweilig sind, dass der Hörer gezwungen ist, die immer und immer wieder zu hören, bis auch der letzte Refrain auswendig gelernt ist. Und nicht nur gefühlt kurzweilig, das Album geht gerade mal etwas länger als eine halbe Stunde, brilliert mit Saxophonmelodien, Chorgesang, Hooklines ohne Ende, die den Hörer in schiere gute Laune versetzen von ganz allein.
Dafür sind die Kürze der Songs verantwortlich und die grandiosen Geschichten, die Friedrichs erzählt. Zum Beispiel von Eis-Gerd, der einen kleinen Tante Emma-Laden hatte, wo es neben Eis (logisch...) Gummitiere und Frikadellen auch Schnaps und Bier gibt. Das Klo eignet sich halt auch, um eine Line Speed zu nehmen, der Eigentümer bekommt davon nichts mit. Jeder - ja wirklich jeder - kennt so einen Laden. Beim Verfasser war ein ein kleiner Bäcker auf dem Schulweg, wo Haribo-Tüten für ein paar Pfennig zusammengestellt wurden; ein herrlicher Schabernack (ohne Speed-Konsum selbstredend).
Ganz selbstironisch mit "Bababababa"-Mitsinglinien geht es bei der "Ballade von der Band" zu: "Die Bassanlage, sie ist so schwer, die Treppe hoch und die Bandkasse leer." Traurig-romantische Wahrheit einer jeden Musikgruppe.
Der große Höhepunkt wird dann bei "Der große Kölner Pfandflaschenbetrug" ausgerufen. Der schräge und wahnsinnig unterhaltsame Song geht auf eine wahre Begebenheit zurück: Ein 37-jähriger Mann hat einen Pfandautomaten manipuliert, ein und dieselbe Flasche 177.451 Mal hindurchlaufen lassen und so gut 45.000€ erwirtschaftet. Was sich genial liest, hört sich von den Gentlemen noch viel besser an. Repeat ist hier angesagt, denn das Gepfeife in der Mitte ist ein spitzenmäßiger Gutelauneohrwurm!
So kann man sich freuen, wenn die fünf Herren im Herbst endlich wieder auf Tour gehen. Liebe Leser, geht hin, es wird ein großes Fest, denn "It's Okay To Love DLDGG" ist ein unglaubliches Album!
14.07.17 Hamburg - Hafenklang
15.07.17 Berlin - Monarch
13.09.17 Bielefeld - Nr.z.P.
14.09.17 Hannover - Bei Chez Heinz
15.09.17 Köln - Gebäude 9
16.09.17 Wolfsburg - Saunaclub
29.09.17 Leipzig - Naumanns im Felsenkeller
30.09.17 Mainz - Schon Schön
01.10.17 Karlsruhe - KOHI
02.10.17 Stuttgart - Goldmarks
12.10.17 Düsseldorf - Tube
13.10.17 Aachen - Raststätte
14.10.17 Münster - Gleis 22
Quelle: http://www.fabersingt.com
Copyright: Stefan Braunbarth
(sf) PR-Agenturen und Labels haben
es nicht immer leicht. Zu jedem Release muss es einen PR-Text geben, der den
Medien das neue Werk des Künstlers schmackhaft machen soll. Oft ist das
bestimmt alles andere als leicht, wenn die Musik einfach nicht sonderlich gut
ist, gelegentlich stockt aber auch die PR-Maschinerie und spuckt inhaltlose
Phrasen, platte Attitüden und ziemlichen Schwachsinn aus. Anders bei FABER:
hier stimmt nicht nur das Produkt (dazu gleich mehr), sondern auch die
Bewerbung seitens Vertigo. Ein Traum zum Hören und Lesen!
Auf seinem Debütalbum „Sei ein
Faber im Wind“ verwandelt der Zürcher Songschreiber FABER vermeintlich Profanes
in Wahrhaftigkeit. FABER ist keiner, der über das Leben singen würde, ohne
überhaupt gelebt zu haben. Wie erfrischend doch ein Album ist, das mit folgenden Worten beginnt: „Es
ist so schön, dass es mich gibt“, also Musik, die sagt: Erzähl mir doch nix!
Infantile Poesiealbum-Weisheiten, Kalenderblattphilosophie, die Geschwätzigkeit
der sozialen Netzwerke – alles Humbug! „Bleib Dir nicht treu“, „Sei niemals Du
selbst“ und vor allem „Halt Dich an keiner Regel fest“. Insofern ist es sehr
gut, dass es dieses Album nun gibt: „Sei ein Faber im Wind“ enthält alle
zitierten Zeilen und noch viel mehr. und ja, es ist schön, dass es FABER gibt, denn so etwas hat man lange nicht gehört und ich habe mich schon gefragt. ob ich das nächste große deutschsprachige Songwriter-Ding noch erleben darf. Die Antwort ist "ja": dies ein Affront gegen die Verbrämung von
Sprache in schmutzigen Zeiten und von A bis Z fantastisch.
FABER singt „ficken“ und „blasen“,
er nennt einen Song „Brüstebeinearschgesicht“ und lässt die Protagonistin „im
Stehen pissen“. Ganz klar: FABER ist keiner für Leute, die bei Faber an Sekt denken
und Max Frisch nie gelesen haben.
Doch der Reihe nach. Schon immer
hatte FABER eine ganz genaue Vorstellung, was er mit seinem Leben anfangen
wollte. Der 23-jährige Musiker ist italienischer Abstammung, wuchs
aber in Zürich auf. Bereits der Vater machte Musik, aber die in der Schweiz weit
verbreitete musikalische Früherziehung interessierte den jungen FABER nicht. Er
wollte lieber gleich was Richtiges machen. Ungefähr mit 15 begann er eigene
Songs zu schreiben. Die erste EP finanzierte er noch mit Crowdfunding, ein Jahr
später folgte bereits eine zweite und dann ging immer schneller. Für das erste
Album begibt er sich schließlich mit Tim Tautorat in die legendären Berliner
Hansa Studios, wo der Produzent ein Studio unterhält. Das Ergebnis dieser
Zusammenarbeit – „Sei ein Faber im Wind“ – bringt nun erstmals alles auf den
Punkt, worum es in dieser Musik geht, und das ist eine ganze Menge.
Quelle: http://www.fabersingt.com
FABER ist mit sizilianischen
Volksliedern aufgewachsen, er liebt Trubai, die coolen Chanson-Franzosen,
Polka, aber auch Folk und Nuancen aus den alten amerikanischen Stilen. Man
denkt an Francesco Paolo Frontini, Jacques Brel, Georges Moustaki oder an
Fabrizio de André, dessen Spitzname ebenfalls „Faber“ war. Das Verdienst des
Fabers, um den es hier geht, ist nun, dass er all diesen Einflüssen die
distinguierte Rotweinseligkeit austreibt und sie auf die Straße zerrt, wo sie
herkommen und hingehören.
Auf „Sei ein Faber im Wind“ geht es
immer um absolut alles und irgendwie auch um nichts, weil manchmal ja alles so
herrlich egal sein kann. Man fühlt sich erinnert an österreichische Szenegrößen wie Nino aus Wien, doch der Schweizer geht noch einen Schritt weiter. Wir hören Posaunen und Gitarren und Geigen und ein
Klavier und vor allem hören wir diese Stimme. FABER singt seine Lieder mit
einem gewaltigen Furor und maximaler Hingabe. In „Nichts“ singt er über
Nostalgie und Besserwisserei als einzig verbliebende Währungen des
neidzerfressenden Biedermanns. „Es könnte schöner sein“ beschreibt wiederum die
Spießigkeit der Neo-Biedermeier-Millenials: „Du rebellierst, du bist dagegen - immer wenn’s zur Stimmung passt“.
FABER lässt jenen scharfen Blick
mit lakonischer Lässigkeit in seine Texte einfließen, aus dem Wahrhaftigkeit
entsteht. Er ist gerade einmal 23, klingt und schreibt aber wie ein 50-Jähriger
- und die jungen Alten sind natürlich die besten Alten, die wir haben. Anders
ausgedrückt (und ich wiederhole mich hier gerne): FABER ist keiner, der über das
Leben singen würde, ohne überhaupt gelebt zu haben. Das macht seine Musik so
wertvoll. Also sei ein Einhorn und nicht du selbst. Und wenn du kein Einhorn
sein kannst, sei ein „Faber im Wind“.
Und wenn Du dieses Jahr nur fünf
Alben kaufst, dann stelle sicher, dass dies eins davon ist, denn dieses Werk
ist grandios, hat was zu erzählen, ist textlich und melodisch in der Champions
League anzusiedeln und Du kannst irgendwann behaupten: Ich verfolge den großen
FABER schon seit seinem Debüt. Also geh raus, besuche den Plattendealer Deines
Vertrauens und kauf das Ding – Du wirst es nicht bereuen!
Bitte verpasst FABER auch live
nicht; die Termine findet Ihr u.a. auf seiner Homepage und zwar genau hier!
Die Sondaschule auf Streifzug. Foto: Bastian Harting
(ms) Wir kommen ohne Umschweife, ohne Vorgeplänkel direkt zur Band: Sondaschule. Sie kommen aus Mühlheim an der Ruhr, eine Stadt, durch die man lieber durch fährt. Ruhrpottromantik können sicherlich nur die fühlen, die darin fest verwurzelt sind. Genau das sind die sechs Herren trotz vieler Wechsel in der Konstellation. Sänger Tim Kleinrensing und Gitarrist Mirko Klautmann sind das Herzstück der Ska-Punker.
Als Stammgast des Open Flair Festivals, haben sie dem Verfasser schon oftmals bewiesen, wie sie die Meute zum tanzen, grölen, abgehen bringt. Das auch schon mal Sonntagmittags vor circa 10.000 Leuten, die vom Vortag noch zerstört sind. Ein, zwei, drei Reparaturseidl genügen, um zu den Spaßpunkern wieder aufgetankt zu sein.
Nun mag genau das der größte Vor- und Nachteil dieser Band sein; der Spaßaspekt. "Mein Penis" oder "Dumm aber Glücklich" sind Stimmungsgaranten. Der Rest des Bandrepertoires?! Keine Ahnung.
Nun bringen sie am 7. Juli ihr neues Album auf den Markt, das auf den Namen "Schere, Stein, Papier" hört. Wir haben die Scheibe durchgehört.
Und, was soll man sagen?!
Neben dem relativ beliebig klingenden Titel des Albums ist es ein zweischneidiges Schwert: Größtenteils plätschern die Lieder vor sich hin, dass es sich ganz übel zieht. Auf der anderen Seite versuchen sich die Mühlheimer sich vom oben genannten Party-Image zu emanzipieren und ihren Songs ein politischeres Fundament zu verpassen. Das gelingt nur nebenbei aber immerhin passend zum heute beginnenden G20-Gipfel in der nördlichen Hansestadt.
Hier ein kleiner Blick auf die Platte mit den besten und schlimmsten Zitaten:
Zu Beginn die Single und Kiffer-Hommage an Holland: "Komm mach mit, schieß dich hoch auf unsere Wolke, ach du schönes Amsterdam-dam-dam..." (Amsterdam). Trotz des ziemlich platten Textes ist Waffenschein bei ALDI ein Song mit ordentlich Wumms, ich sehe mich in der Crowd, wo sich gerade mein voller Bierbecher in die Höhe verabschiedet... Lang habe ich mich beim Titeltrack gefragt, wo die Schwäche liegt und dabei ist herausgekommen, dass es das Gesamtbild des Liedes ist: gähnende Gitarren, ein müder Text, der nicht mal von den schönen Bläsern zum Ende hin abgelöst wird. Mond hat einen feinen Reggae-Riff, der zum Ende hin gitarrenschwer aufgehoben wird; sehr stark und glänzt halbromantisch: "Dunkle Schatten und Gespenster, ich bin dein kleiner Hui-Buh; du siehst so gut aus am Fenster, mach' den Vorhang noch nicht zu." Ostberlin fasst die aktuellen politischen Strömungen gut zusammen und sollte vor den Hamburger Messehallen laut ertönen, auch wenn die Mundharmonika schlimm an Reinhard May erinnert! Darauf ist Arschlochmensch eine schlimme postpubertäre Nummer: "Hallo Arschlochmensch, es wär' schön wenn du jetzt wieder gehst, sonst wünsch' ich Weihnachten, dass du nicht mehr lange lebst."
"Schieb' die Wolken zur Seite, such Gold in der Scheiße" aus Gold schließt sich daran nahtlos an, obwohl auch hier der Riff wieder zu überzeugen weiß!
Folgendes aus Nicht immer leicht lassen wir mal so stehen: "Du bist zwar nicht gerade einfach, und manchmal echt ein Idiot, doch wenn der Aufzug mich nach unten reißt, fährst du ihn immer wieder hoch."
Wahrscheinlich darf man von Sondaschule auch nicht den großen Wurf erwarten, weder musikalisch noch textlich. Die Platte kann man wunderbar mit Freunden bei mehreren Bier hören. Unter diesen Umständen ist sie sicherlich auch entstanden.
Bei aller Kritik an den Liedern sind sie live - wie schon erwähnt - hervorragend.
Daher bitte hier ansehen:
08.07.2017 Theley - Volcano Festival
21.07.2017 Dieburg - Traffic Jam
22.07.2017 Dieburg - Traffic Jam
05.08.2017 Hannover - Fährmannsfest
09.09.2017 SONDASCHULE OPEN AIR - Gelsenkirchen - Amphitheater
27.10.2017 Wiesbaden - Schlachthof