Samstag, 27. Februar 2016

Elektroemotionen mit Enno Bunger

Mit Lichtshow. Enno Bunger im Skaters Palace, Münster.
(ms) Ein Gegensatz: Enno Bunger hat vor einigen Jahren ein fantastisches Trennungs-Konzeptalbum mit herrlichen Herzschmerzliedern gemacht. Sehr emotional, tiefgehend und persönlich. Eigentlich dafür geeignet in Liebeskummer zu baden, sich selbst in einen Strudel des Selbstmitleides zu setzen. Wenn Enno jedoch live seine brillianten Lieder spielt, sieht man ein anderes Bild. Da hängen Pärchen ganz selbstverständlich in animösen Posen nebeneinander, streicheln sich die Haare aus dem Gesicht, geben sich einen Kuss auf die Wange. Dabei geht es inhaltlich um das Gegenteil von trauter Zweisamkeit. Dies ist nur eine spannende Beobachtung, keine Anweisung bei Bunger-Livedarbietungen anzufangen hemmlungslos zu weinen. Wem allerdings danach ist: Bitte.
Seit letztem Jahr gibt der Protoostfriese, der immer wie ein norwegischer Holzfäller aussieht, der aus dem Training geraten ist, Anlass, bei seinen Konzerten auch zu tanzen. Schuld daran ist seine sehr gelungene neue Platte "Flüssiges Glück", das in Zusammenarbeit mit Tobias Siebert entstanden ist. Die große Frage, wie das live umzusetzen ist, beantwortet er derzeit mit seinen vier Mitmusikern auf der zweiten Tour zum Album. Donnerstag haben sie Halt gemacht im Skaters Palace in Münster. Von der klassischen Bandbesetzung musste notwendiger Weise Abstand gehalten werden. Einzug hielten im Gegensatz Synthies und ein Elektroschlagzeug.
Das ist allerdings nicht so spannend wie die ausgetüftelte Lichtshow, die die Musiker sich überlegt haben. Sehr stark. Plötzlich ist es taghell im Raum, danach wieder rot, gelb oder grün. Das ist nicht zwingend der Bunger, den die umschlungenen Regen-Pärchen sich wünschen. Es ist aber ein Bunger, der ganz schön abgeht, der auch mal nur das Mikro greift und seinem Sprechgesang frönt.
Apropos Sprechen. An Enno Bunger - und das ist wirklich ernst gemeint - ist ein guter Stand-Up-Comedian verloren gegangen. Vielleicht mal bei NightWash anfragen. Direkt nach den Herzschmerzsongs, gelingt es ihm die aufmerksamen Zuhörer zum Lachen zu bringen. Mit Köpfchen!

Enno Bunger live. Tanzen und Tränen. Absolute Empfehlung. Geht da mal hin!



Freitag, 26. Februar 2016

Ein unvergesslicher Abend mit Markéta Irglová und Glen Hansard!

www.popsugar.com
(sf) Ein kurzes Schlucken hat der Ticketpreis von 45 Euro dann doch verursacht, aber die Perspektive, Glen Hansard und Markéta Irglová gemeinsam auf einer Bühne sehen zu dürfen, war einfach zu verlockend und so wurde der Geldbeutel gezückt und das Ticket gekauft. Etwas verwundert war ich natürlich schon, dass es drei Tage vor dem Konzert so problemlos möglich war, noch an Karten zu gelangen und laut Veranstalter noch über 100 Tickets verfügbar waren, aber das tat der Freude keinen Abbruch und jetzt sitze ich am Morgen nach der Veranstaltung an meinem Laptop und bin immer noch hin und weg vom gestern Erlebten. Unfassbar, war das schön, großartig, bezaubernd, herzzerreißend, unterhaltsam und musikalisch einfach nur Weltklasse!

Wenn Ihr Euch jetzt fragt, wer Glen Hansard und Markéta Irglová denn eigentlich sind, dann ist das nur zu verständlich, da die beiden in den deutschen Charts weder zusammen noch als Solokünstler jemals über Platz 47 der Charts hinausgekommen sind, praktisch kein Radio-Airplay bekommen und von ihrer Persönlichkeit her auch nicht so gestrickt sind, dass sie in den Klatschmagazinen der Boulevardpresse auftauchen. Der Ire Hansard und die Tschechin Irglová sind einfach nur stinknormale und bodenständige Menschen, die ihre Liebe zur Musik zum Beruf gemacht haben und damit einen Oscar gewonnen haben. Oscar? Ja genau, diese komische, kleine Goldstatue, die in Hollywood verliehen wird! Man schrieb das Jahr 2008, als "Falling Slowly" vom Soundtrack zum wundervollen Film "Once", in dem die beiden auch die Hauptrollen spielten, ausgezeichnet wurde und die beiden Musiker über Nacht auf die Musiklandkarte brachte.

Wobei das eigentlich gar nicht stimmt, denn zumindest der mittlerweile 45-jährige Hansard war
damals schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr, war er doch bereits seit 1990 mit seiner Band The Frames aktiv und hauptsächlich in seiner irischen Heimat und in England erfolgreich. Dadurch gelangte er auch zur Schauspielerei und übernahm eine Nebenrolle im bekannten Film "The Commitments", was wiederum die Verkaufszahlen des Frames-Debütalbums "Another Love Song" ankurbelte.

Die Qualitäten der Frames sprachen sich schließlich bis nach Tschechien herum, wo ein Fan schließlich ein Konzert organisierte, die Band bei sich zuhause einquartierte und damit den Grundstein für eine großartige musikalische Liebesgeschichte legte. Dieser Fan war nämlich niemand anderes als der Vater von Markéta Irglová... Glen und Markéta musizierten erstmals zusammen, der 18 Jahre ältere erfahrene Musiker erkannte das Potenzial seiner jungen Kollegin und schon bald wurde aus den beiden die Band The Swell Season, die 2006 ihr Debütalbum veröffentlichte.

www.beyondcasual.de
Noch im selben Jahr standen die beiden für Regisseur John Carney (ehemals Bassist bei The Frames) vor der Kamera und "Once" sollte das Leben der beiden Protagonisten nachhaltig verändern.  Aus der musikalischen Liaison wurde auch eine private und über (Oscar-)Nacht waren die beiden in aller Munde und begehrte Künstler. Auch wenn die Beziehung nicht lange hielt, blieb die Freundschaft, der Respekt füreinander und die gemeinsame Liebe zur Musik. Mit "Strict Joy" wurde 2009 das vorerst letzte Album von The Swell Season veröffentlicht, gemeinsame Auftritte der beiden Musiker gab es aber auch danach, wobei man dann wieder unter den eigentlichen Namen auftrat und den Bandnamen außen vor ließ.

Sowohl Irglová, als auch Hansard haben mittlerweile jeweils zwei Soloalben auf den Markt gebracht, die von den Kritikern zwar gefeiert wurden, sich aber zumindest in Deutschland nicht so prickelnd verkauft haben, obwohl sie alle herausragend gut sind. Schade eigentlich, aber umso schöner und wichtiger ist es, dass die Künstler damit dennoch auf Tour gehen, um ihr Werk live zu präsentieren.

Den Anfang machte am Donnerstag Abend in der Werkstattbühne zu Bregenz Markéta Irglová in ihrem erst dritten Auftritt innerhalb des letzten Jahres. Von Nervosität aber keine Spur, ganz im Gegenteil: sie begleitete sich selbst mit dem Flügel und nahm das sehr aufmerksame Publikum vom ersten Ton an für sich ein. Natürlich war sie aufgrund der gemeinsamen Historie kein Support wie jeder andere, aber dennoch war es erstaunlich, wie es der Tschechin gelang, auf der einen Seite bescheiden und zurückhaltend aufzutreten, auf der anderen Seite aber durch ihre Stimme, ihre Texte und ihre Ansagen zu überzeugen. Mit "The Hill" wurde auch der erste Once-Hit dargeboten, der extrem frenetisch gefeiert wurde. Nach knapp 45 Minuten war der erste Teil des Abends leider viel zu schnell wieder zu Ende, doch dann ging es erst so richtig los.

Glen Hansard betrat die Bühne und mit ihm ein halbes Orchester: eine Pianistin, eine Cellistin, zwei
Violinistinnen, ein Bassist/Kontrabassist, ein Gitarrist, ein Percussionist, ein Trompeter, ein Posaunist und ein Saxophonist - und zumindest zeitweise wie erhofft Markéta Irglová!

Zunächst stand jedoch das Solowerk des Iren auf dem Programm, das vom Publikum sehr wohlwollend und dankbar aufgenommen wurde; der Applaus drückte weit mehr als ein sehnsüchtiges Warten auf die großen Hits aus, nein, bereits zu Beginn verfiel die Werkstattbühne dem sympathischen Künstler, der sichtlich Spaß auf der Bühne hatte und es genoß, mal wieder in einer für ihn neuen Stadt zu spielen. Musikalische Höhepunkte wechselten sich mit äußerst amüsanten Anekdoten ab, es wurde auf und abseits der Bühne viel gelacht und auch die Improvisationskünste der Mitmusiker waren wirklich beeindruckend, wenn der Meister mal wieder eine Extrastrophe hinzufügte. Ganz große Klasse!

Relativ früh kam dann der Moment, auf den alle gewartet hatten: "Falling Slowly", der Oscar-Gewinner wurde intoniert und es war magisch! Mir fehlen ein wenig die Worte, um das zu beschreiben, was während dieser fünf Minuten in der Halle geschah, aber von da an war alles anders. Wo vorher große Zuneigung gewesen war, strömte plötzlich Liebe aus dem Publikum auf die Bühne und wurde in gleicher Intensität zurückgegeben. Es war, als hätten sich Hansard, Irglová, Band und Bregenz gesucht und gefunden.

Alte und neue Songs wurden gleichermaßen gefeiert, man hoffte, es würde nie enden und Glen Hansard schien dem entsprechen zu wollen. Nach zwei Stunden ging das Licht dann aber doch aus - und eine halbe Minute später wieder an, als Hansard und zwei seiner Bandkollegen plötzlich mitten im Publikum standen, um die ersten Zugaben anzustimmen. Eine wunderschöne Geste, in deren Genuss man zwar auch bei anderen Künstlern (z. B. bei William Fitzsimmons und Friska Viljor) gelegentlich kommt, aber so authentisch habe ich persönlich es noch nie erlebt. Nach zwei Songs kehrten die Musiker auf die Bühne zurück, wurden vom Rest der Band empfangen und weiter gings. Am Ende stand Hansard über zweieinhalb Stunden auf der Bühne, Irglova gab noch einen Song zum Besten und selbst seine Band durfte mitsingen - das Mikrofon war längst ausgeschaltet, aber das wurde eh nicht benötigt, da die Zuschauer in ihrer Entzückung jegliches Reden während der Lieder eingestellt hatten und an den Lippen der Musiker hingen.

Kurz vor Mitternacht fiel dann leider doch der Vorhang und ein unvergesslicher Abend nahm sein Ende. Ich bin unendlich dankbar, dass ich dabei sein und dieses Konzert miterleben durfte. Ich hatte viel erwartet, aber das war noch so viel besser und gehört sicher zu den fünf tollsten Konzerterlebnissen meines Lebens.





Donnerstag, 25. Februar 2016

Herrenmagazin live im FZW

Herrenmagazin im wundervollen FZW
(ms) Herrenmagazin live ist immer wieder ein Genuss. Hier die wichtigsten Eckdaten:
  • Das FZW in Dortmund war für einen Mittwochabend gut gefüllt, was leider dazu führte, dass der einzige Mensch an der Bar viel zu tun hatte und die dürstende Schlange davor immer länger wurde.
  • Ein herrlicher Mix des Publikums. Natürlich war das Ottonormalindiepublikum vertreten, sowie Besucher zwischen 20 bis ca. Ende 40. Das machte eine gute Mischung und ergab ein aufmerksames, humorvolles, textsicheres und respektvolles Publikum.
  • Als Support legte der spätere wohlig in die Band integrierte Keyboarder Albrecht Schrader los. Dieser bringt am 18.3 seine erste EP "Leben in der Großstadt" raus. Soviel kann man sagen: Unbedingt kaufen! Allein sich selbst begleitend spielte er eine angenehme Mischung aus Jazz, Chanson und Popmusik mit großem textverarbeitendem Talent dahinter! Zwischendurch wusste er mit pointierten Ansagen das Publikum auf seine Seite zu ziehen.
  • Die traurige Nachricht zuerst: Herrenmagazin haben vor ein paar Wochen angekündigt, dass dies ihre vorerst letzte Tour sein wird, am Ende des Jahres folgt eine längere Bandpause. Zum Glück mit der Versicherung, dass sie sich nicht auflösen. Es ist ein weiterer Anlass, diese Band dieses Jahr unbedingt nochmal live zu sehen. Es lohnt sich so so sehr!
  • Manchmal hat man einen komischen Eindruck. Beispiel: Man findet das letzte, aktuelle Album nicht ganz so gut wie die Vorgänger. Dann sind die Erwartungen an das Konzert gemischt. Leichte Zweifel und Hoffen auf die großen Hits von "früher". Alles egal. Bei Herrenmagazin ist das alles egal.
  • Es folgten ohne Reihenfolge in etwa: 1000 Städte, Regen, Lnbrg, Sippenhaft, Landminen, Geröll, Erinnern, Alle sind so, Keine Angst, Halbes Herz, Gärten, Es reißt mich zusammen...
  • Auf die Bühne kommend sprudelt aus den vier Nordlichtern eine große Portion Bock unbedingt diese Tour zu spielen. Das herrlich sympathische ist, dass sie alle zusammen nicht mal perfekte Musiker sind. Vielleicht wollen sie es auch gar nicht sein. Dass Deniz sich bei "Sippenhaft" dann halt vertan hat, macht es locker, angenehm, menschlich. Stark irgendwie. Groß gefeiert wurde zudem, dass Paul am Tag vor Tourauftakt (endlich) seine Diplomarbeit abgegeben hat. Über Thema und Studiendauer wurde einvernehmlich geschwiegen. Es gab Schnaps auf der Bühne zwischen Bier und Lachern. Diese Band muss das Publikum nicht mehr auf ihre Seite ziehen. Mit Kauf des Tickets ist das schon lange im Voraus geschehen. Am liebsten möchte man Torben, Deniz, Rasmus und Paul mit nach Hause nehmen. Oder jeden Tag mit ihnen auf Tour sein. Herrlich!
  • Liebe Band, liebe Herrenmagazin: Gönnt euch eine schöne Pause und kommt dann stärker denn je zurück und jetzt rockt bitte diese Tour in Grund und Boden. In diesen Städten:
25.02. Osnabrück - Kleine Freiheit
26.02. Trier - Exhaus
27.02. Freiburg - Schmitz Katze
29.02. Stuttgart - Schocken
01.03. Erfurt - Museumskeller
02.03. Dresden - Scheune
03.03. Potsdam - Waschhaus
04.03. Kiel - Orange Club
05.03. Lingen - Schlachthof



Mittwoch, 24. Februar 2016

Bosse - im "Engtanz" auf die 1!

www.axelbosse.de
(sf) Aki Bosse hats geschafft: sein neues Album "Engtanz" stieg von 0 auf 1 in die deutschen
Albumcharts ein und markiert einen neuen Höhepunkt in der Karriere des sympathischen Braunschweigers, der es wie kaum ein zweiter schafft, Gefühle in Texte zu verpacken, Metaphern gezielt einzusetzen und seine Zuhörer persönlich anzusprechen, sodass man sich in den Lyrics wiederfindet und einzelne Passagen so empfindet, als seien sie nur für einen selbst geschrieben.

Aber ist "Engtanz" wirklich so gut? Geht die 1 klar oder war die Konkurrenz in dieser Woche einfach so schwach, dass es außergewöhnlich wenige verkaufte Einheiten brauchte, um die Charts zu toppen? Die Antwort ist ganz easy: Bosse hat ein hervorragendes Album rausgehauen, das gut 40 Minuten lang bestens unterhält und lyrische Perlen à la "Das Glück ist schnell wie Aubameyang." bietet - wer kann da schon widerstehen?

Etwas überraschend wurden mit "Steine" und "Immer so lieben" zwei Songs als Single veröffentlicht, die zwar solide und Bosse-typisch sind, aber sicher nicht zu den Höhepunkten auf "Engtanz" gehören. Aus meiner Sicht wären "Nachttischlampe", "Insel" oder "Dein Hurra" die deutliche bessere Wahl gewesen, womit die Highlights auch genannt wären, die mich textlich und melodisch besonders ansprechen. Einziger Komplettausfall des Albums ist leider ausgerechnet "Krumme Symphonie", die Kollaboration mit Casper, die trotz Sympathiebonus für den Bielefelder einfach Vollgas unterdurchschnittlich daherkommt.

Und sonst so? Wie schneidet "Engtanz" im Vergleich zum Vorgängeralbum ab? Schwierige Frage, denn "Kraniche" war ein absolutes Meisterwerk, das neben dem Überhit "Schönste Zeit" noch so viele weitere Juwelen beinhaltete und die Messlatte scheinbar unerreichbar hoch legte. Daran reicht der neue Release für mich folglich nicht ganz hin, auch wenn an "Engtanz" nun wirklich nichts auszusetzen ist und Aki endlich den schon lange verdienten Erfolg einfährt und im Konzert der ganz Großen mitspielt.

Apropos Konzert: Bosse geht mit seinem Nummer 1-Album natürlich auf Tour und freut sich auf Euren Besuch!

www.axelbosse.de





Montag, 22. Februar 2016

Tex & Phela - TV Noir on tour!

(sf) TV Noir ist eins der angenehmsten Formate, das die Musikbranche zu bieten hat. Das "Wohnzimmer der Songwriter" wurde von Tex Drieschner konzipiert, der auch durch die Sendung führt und neben nationalen Sternen wie Konstantin Wecker, Olli Schulz, Gisbert zu Knyphausen, Bosse oder Thees Uhlmann auch internationalen Größen wie William Fitzsimmons, Matthew Caws (Nada Surf), Fran Healy (Travis) oder Moneybrother eine Plattform bietet. Nicht zu kurz kommen aber auch eher unbekannte Künstler à la Deep Sea Diver, Me And My Drummer oder Phela - und genau mit der ist Tex, bei dem man ob seiner vielen Talente viel zu schnell vergisst, dass er ein herausragender Musiker ist, aktuell auf Tour. Wir haben das Konzert im Münchner Milla besucht und haben gar Bezauberndes erlebt.

Schon Wochen im Voraus war die Veranstaltung ausverkauft, doch dank Gästeliste kamen wir kurzfristig in den Genuss dieses in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Konzertes. Besonders auffällig und ungewohnt war zunächst einmal das Konzept: statt Support und Main Act traten Tex und Phela als gleichberechtigte Künstler auf die Bühne, wechselten sich alle 2-3 Lieder ab, unterstützten sich gegenseitig bei den Songs des jeweils anderen und auch Phelas Band (durch die Bank außergewöhnlich talentierte Musiker) war für beide Frontleute im Einsatz, was ständig für Bewegung auf der Bühne sorgte und auch dafür, dass sowohl Tex als auch Phela ihre Stücke völlig neu arrangieren und in neuen Mänteln präsentieren konnten.

Foto: Kiki Angerer
Klar, der Großteil der Besucher hat wohl wegen Tex den Weg ins Milla gefunden, ist er doch
bereits seit zig Jahren dick im Geschäft und hat es neben seinen Tätigkeiten als Karikaturist und Buchautor vor allem durch seine Songs geschafft, eine beachtliche Fanschar hinter sich zu vereinen. Schmuckstücke wie "Wenn sie lacht", "Düster bist Du schön" oder "Juli" (nachdem sich übrigens tatsächlich die gleichnamige Band benannt hat!) lassen einen schon in der Studioversion nicht kalt, aber live dargeboten ist das Ganze gleich nochmal eine Spur intensiver und sorgt für Gänsehaut im Minutentakt.

Eine wunderschöne Ergänzung zu Tex bot Phela - der von uns schon öfter gepushten Newcomerin gelang es tatsächlich, den Songs ihres Kollegen eine neue Dimension zu verleihen, da sie die gefühlvollen Balladen nicht nur stimmlich veredelte, sondern auch mit ihrem virtuosen Geigenspiel dazu beitrug, die bekannten Lieder in neue Gewänder zu kleiden. Tex, ganz Gentleman, gab Phela hierbei auch ausreichend Platz, um ihre Stärken einzubringen und beharrte selbst bei seinen eigenen Werken nicht darauf, im Vordergrund zu stehen. Eine äußerst sympathische Kombination, die die Zuhörer faszinierte und binnen weniger Minuten in ihren Bann zog.

Foto: Kiki Angerer
Apropos Zuhörer: ich habe selten ein so respektvolles und aufmerksames Publikum erlebt wie gestern im Milla. Kein Reden während des Konzerts, die geknipsten Handyfotos dürften an einer Hand abzuzählen sein und dem Ende der Lieder folgte stets eine kurze Ruhepause, bevor der Jubel begann. Nur ja keine Sekunde des Konzerterlebnisses verpassen war die Devise! Und ja, es war ein Erlebnis, denn auch der Sound im Milla war außergewöhnlich gut - das möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen und dem Veranstalter ein Lob aussprechen. Das habe ich in anderen Locations in München auch schon ganz anders erlebt und war schwerstens begeistert.

Nach so viel Tex nun zu Phela: die Wahlberlinerin hat es mit ihrem tollen Debüt-Album "Seite 24" bis auf Platz 60 der deutschen Album-Charts geschafft, durfte in den letzten Monaten bereits die Herren Bourani und Poisel, sowie Alin Coen supporten und hat nun mit Tex scheinbar einen kongenialen Partner gefunden, um ihre Songs zusammen mit ihrer fantastischen Band auf die Bühne zu bringen. "Wieder alleine", "Alles auf Anfang", "Still" - die bekannten Hits, die sie mittlerweile auch bei diversen Radio- und TV-Sendern zum Besten geben durfte, wurden vom Publikum frenetisch gefeiert und auch die eher unbekannten oder gar unveröffentlichten Stücke wie "Zwischen uns" kamen sehr gut an. Stimmlich top, sehr sympathisch, musikalisch überaus talentiert und absolut multitaskingfähig (Geige spielen und gleichzeit singen - Respekt!) - Phela hat gestern sicher den einen oder anderen Fan dazugewonnen. Sehr erfreulich fand ich persönlich, dass viele der bekannten Songs live anders arrangiert sind als auf dem Album, was dazu führt, dass das Gesamtwerk deutlich rauher und abwechslungsreicher klingt, die Melancholie etwas hintangestellt wird und Phela so nicht Gefahr läuft, als stets traurige junge Frau abgestempelt zu werden, deren Lieder wenig Hoffnungsvolles in sich bergen.

Wer sich Tex und Phela in den kommenden Tagen noch ansehen möchte, der hat hier die Möglichkeit dazu:











Donnerstag, 11. Februar 2016

David Foster Wallace – "Signifying Rappers"

Schoolly D, Quelle: medium.com

(ms) Gangster Rap. Oder Gangsta Rap? Ist wahrscheinlich ziemlich egal. Hierzulande kam dieses Musikphänomen etwa vor 15 Jahren auf. Als Sido noch Maske getragen hat und über Carmen sang. Da war Aggro Berlin vielleicht wirklich ein wichtiges Label. Das Märkische Viertel als Epizentrum der üblen und anrüchigen Zeilen. Schnell wurde sich öffentlich drüber echauffiert und seltsam beäugt. Später waren die harten Jungs dann nicht mehr so Gansta. Vielleicht Bushido noch, oder hat der noch Schulden bei den Abou-Chakers?

Es fällt einem schnell leicht die deutsche Gangster-Rap-Welt zu belächeln, wenn man sich die Anfänge in den 80er Jahren in den USA ansieht. Nicht nur, da es dort wirklich zur Sache ging und einige Protagonisten gestorben sind. Die Sozialstruktur der Großstädte sind wohl noch heftiger als in Deutschland. Die schwarzen Minderheiten – insbesondere an der Westküste, Stichwort Compton – hatten keine Chancen. Das Ergebnis waren Gewalt, Rassismus, Drogen und keine Aussichten für die Zukunft. Schoolly D war der erste, der für diese Situation Musik als Ausdrucksform gefunden hat. „Signifying Rappers“ und „P.S.K. – What does it mean?“ gelten als die Grundsteine des Gangsta Raps. Inhaltlich wirklich hart und gezeichnet. Anstößig, erschreckend.

Der damals junge Student David Foster Wallace war seit der ersten Stunde angetan. Als er noch mit Mark Costello zusammen gewohnt hat, schreib er ein gut 200-seitiges Werk genau darüber. Die deutsche Übersetzung hat die wunderbare Unterüberschrift „Warum Rap, den sie hassen, nicht ihren Vorstellungen entspricht, sondern scheißinteressant ist und wenn anstößig, dann bei dem, was heute so abgeht, von nützlicher Anstößigkeit“. 1993 hat Wallace dieses Riesenessay verfasst. Es war die Zeit von Ice Cube, N.W.A., Africa Bambaataa, Public Enemy und Eazy E. Heftige Texte, die aufrütteln und die wahre Situation der Schwarzen in ihren Ghettos beschrieb. Wallace war angefixt, hat viel Rap gehört und in diesem Text, der mittlerweile als Buch vorliegt, verarbeitet. Dies so unglaublich facettenreich, wie man es sich nur vorstellen kann. Textanalyse, soziale Verhältnisse, Radio- und TV-Beiträge. Für den fernsehsüchtigen Wallace selbstverständlich.

„Signifying Rappers“ ist ein fantastisches Buch. Geeignet für: Rap-Freunde, Musiknerds, DFW-Nerds und alle, die mal was anspruchsvolles über Rap lesen wollen, wo er wirklich bedeutend war und für Gesprächsstoff gesorgt hat. Nicht immer leicht zu lesen, und vielleicht wäre ein offener Wikipedia-Tab nebenbei hilfreich, um alles zu verstehen. Nicht nur sprachlich, was bei Wallace ja immer extrem niveauvoll ist, sondern auch inhaltlich. Sozial-geschichtliche Umstände in den USA Ende der 80er, Anfang der 90er sind wahrscheinlich nicht jedem geläufig.

Es geht um amerikanischen Rap in seiner Urform. Keine fett ausgearbeiteten Beats, Blingbling und Massenumsatz. Eminem war bei Fertigstellung des Textes übrigens erst 21.

"Signifiying Rappers" in der deutschen Übersetzung ist bei Kiepenheuer und Witsch erschienen.

Quelle: intellectures.de

Montag, 8. Februar 2016

Anna Ternheim - the meaning of being lonely

www.annaternheim.com
(sf) "I will be cautious, that's my one promise", singt Anna Ternheim in Keep Me In The Dark von ihrem neuen Album For The Young. Ein Versprechen, das die schwedische Musikerin in ihrer bisherigen Karriere gehalten hat, vor allem bei den Coverversionen, denen sie im Laufe ihrer Karriere ein völlig neues Gesicht verpasst hat und sich nicht scheute, globale Größen wir Sinatra (Fly Me To The Moon wurde in der Ternheim-Version sogar auf meiner Hochzeit dargeboten), Bowie und Waits neu zu interpretieren, sondern auch Landsleute wie Broder Daniel, deren Hit Shoreline in der Version von Ternheim kaum wiederzuerkennen ist, aber doch seinen Charme erhält. Auch diesmal darf ein Cover natürlich nicht fehlen, aber dazu später mehr - boygroupaffine Leserinnen und Leser dürfen sich aber auf einiges gefasst machen...

Während der Vorgänger The Night Visitor durch Country-Elemente auffiel (für meinen Geschmack manchmal sogar ein bisschen zu viel), verschreibt sich Anna diesmal eher dem Blues, klingt aber gelegentlich auch jazzig und sogar ein bisschen Uptempo-Pop (Still A Beautiful Day und Only Those Who Love) ist auf For The Young vertreten. Dabei wirkt Ternheim nie aufdringlich, sondern schleicht sich geheimnisvoll an, vermittelt Hoffnung und animiert zum nie Aufgeben und Weitermachen - genau so, wie es auch der Künstlerin selber gelungen ist, die trotz einer privat turbulenten Phase ein Album aufgenommen hat, das über weite Strecken Mut macht.

www.giga-music.de
Obwohl die 37-Jährige mittlerweile seit geraumer Zeit in den USA lebt (was man auch hört, v. a. wenn man die neuen Songs mit den ersten beiden Alben vergleicht), wurde For The Young vom Schweden Andreas Dahlbäck produziert, dem es gelang, ein konzeptionelles und zeitloses Werk zu schaffen, ohne sich dabei auf bewährte Muster aus Annas bisheriger Karriere zu verlassen. Klar, Ternheim bleibt Ternheim, die Stimme und die Gitarrenbegleitung sind auch weiterhin dominant, aber dennoch hat sich die Wahl-New Yorkerin ein Stück weit neu erfunden, was man u.a. im bereits erwähnten Stilwechsel erkennt. Die textliche Komponente spielt bei Ternheim seit jeher eine entscheidende Rolle, doch wo in der Vergangenheit oft Verbitterung, Sorgen und Verlust vorherrschten, mischen sich nun vermehrt Trost, Zuversicht und Lebensfreude in die Lyrics.

Und dann ist da noch die angesprochene Cover-Version: Show Me The Meaning Of Being Lonely stammt im Original von, ja genau, den Backstreet Boys. Wo Mädchenherzen früher höher schlugen und Kissen nassgeheult wurden, entdeckt man bei Ternheim, dass der Song durchaus Seele hat. Hat man der Boygroup damals als Mann Unrecht getan? Vielleicht, man weiß es nicht. Das Lied hat es dank Anna aber immerhin doch noch aufs Bankett der Nobelpreis-Verleihung geschafft - siehe unten!

www.annaternheim.com
So, jetzt hab ich so viel Positives geschrieben, möchte aber auch nicht verheimlichen, dass For The Young, obwohl es sicher ein gutes und stimmiges Album ist, nicht an Somebody Outside und Separation Road heranreicht. Warum? Schwer zu erklären, aber für mich persönlich ist das Ternheim-Typische bei der Weiterentwicklung ein wenig auf der Strecke geblieben, die Melancholie, die mich zu Beginn ihrer internationalen Karriere so in den Bann gezogen hat. Es fehlen die "Hits" à la To Be Gone, Better Be, I'll Follow You Tonight, I Say No oder Today Is A Good Day, die einen Wiedererkennungswert haben, die im Ohr bleiben und die man je nach Stimmung vor sich hinsingt.

Nichtsdestotrotz möchte ich Euch For The Young natürlich ans Herz legen und nicht versäumen, Euch auch die bevorstehenden Tourtermine zu nennen. Live ist Anna nämlich auch sehr empfehlenswert, auch wenn sie preislich im Laufe der Jahre doch ganz schön angezogen hat. Ich erinnere mich an ein Konzert im Münchner Ampere für 15 Euro - mittlerweile muss man vermutlich das Doppelte hinlegen, um in den Genuss der Schwedin zu kommen, aber das ist noch immer gut angelegtes Geld.

2016/04/05Berlin, DE Heimathafen

2016/04/06Hamburg, DE Knust

2016/04/08Basel, CH Kaserne Rosstal
2016/04/09Zürich, CH Plaza
2016/04/10Frankfurt, DE Zoom
2016/04/11Köln, DE Stadtgarten
2016/04/12Amsterdam, NL People's Place





 

Donnerstag, 4. Februar 2016

Get Well Soon - "Love"

Quelle: welt.de
(ms) Lieber Konstantin,

Als ich mitbekommen habe, dass Dein neues Album sich um das Thema Liebe dreht, war ich schon skeptisch und zugleich gespannt, neugierig und zu aller erst voller Vorfreude, dass es ein neues Get Well Soon Album geben wird. Jetzt dreht sich die schöne weiße Vinyl seit einer Woche täglich mehrmals. Und als kleine Reaktion auf ein Liebesalbum, ist ein (Liebes)Brief sicher nicht verkehrt. Die skeptische Voreinstellung wurde nach dem ersten Hören bedient. Zu ruhig, zu dünn, wenig dramatisch, kaum ein Moment, in dem man voller musikalischer Power die geballte Faust in die Höhe recken kann.
Damit ließ ich mich aber selbst nicht begnügen. Da muss mehr drin sein in den ruhigen Tönen. Aber hallo! Da tun sich Abgründe auf, es erstrecken sich elf einzelne Kapitel der Liebe. Einige so romantisch-verklärt, wie es die Verliebtheitsphase nun mal ist. Andere so heftig, wie Trennung, fehlende Liebeserwiderung oder das gewaltsame Nehmen von Liebe ist. Ach, Udo Kier, das haben Sie herausragend gemacht! Selten haben Song und Video so gut harmoniert, wenn auch erschütternd.

Ja, Liebe ist herrlich viel. Ein zärtlicher Irrglauben, eine Lobeshymne, ein Durcheinander, eine nebulöse Angelegenheit, nüchtern betrachtet eine Aufzählung der einzelnen Teile.
Wo „Rest your Head…“ vor Jahren noch sehr laut und vorantreibend war, ist „Love“ bewusst zart und detailreicher. Mehr Streicher, feinere Arrangements, hier mal eine Querflöte im Hintergrund, dort dezenter Orgelsound, der nicht sofort so zerstörerisch ist wie bei Anna von Hausswolff. Und zur Abwechslung zum Ende hin keine erdbebenähnlichen Gitarrenwände oder dämonische Percussiondramatik.

Dennoch war ich nach der der A -Seite etwas enttäuscht. Was die B-Seite wet macht. Insbesondere „Young Count Falls For Nurse“ und „It's A Mess“ haben mich total überrascht. Beinahe catchy kommt ersteres daher. Ja, poppig wie angekündigt, aber unverkennbar getwellsoonig.
Ähnlich wie bei „Vaxation“ braucht dieses Liebesalbum ein paar Anläufe. Es hat ja auch niemand behauptet, dass es einfach ist, ein Get Well Soon Album in Gänze schnell zu verarbeiten. Ja, es ist anders. Und das ist gut so. Laute Dramatik geht jederzeit, feine Lieder über eine der schönsten Sachen der Welt ohne kitschig zu werden zu komponieren, ist eine Kunst. Und Künstler bist Du ja, Konstantin. Vielen Dank dafür!

Wir sehen uns auf Tour,


Deine Luserlounge 




Hier demnächst live:

01.03.2016 Bremen - Schlachthof
02.03.2016 Berlin - Huxley's Neue Welt
03.03.2016 Köln - Gloria
04.03.2016 Hamburg - Gruenspan
05.03.2016 Leipzig - Täubchenthal
06.03.2016 Heidelberg - Halle 02
07.03.2016 Stuttgart - Im Wizemann
09.03.2016 Graz - PPC
10.03.2016 Wien - Ottakringer Brauerei
11.03.2016 München - Muffathalle
12.03.2016 Zürich - Stall 6
28.04.2016 Gera - Comma
29.04.2016 Dortmund - Konzerthaus
30.04.2016 Frankfurt - Mousonturm
13.05.2016 Orange Blossom Special
27.05.2016 Immergut Festival