Freitag, 31. Dezember 2021

KW 52, 2021: Die luserlounge selektiert

Quelle: projectbaavan.wordpress.com
(sb/ms) Zeitreisen sind möglich. Und ich kenne die Tür, die sich dahin öffnet. Sie ist der Zugang zu einer unscheinbaren Bäckerei in meinem Heimatörtchen. Das sind ja Orte, die um die ruhigen und gefräßigen Tage gerne mal aufgesucht werden. Zur Einordnung: Ich bin Anfang dreißig und seitdem ich denken kann, sieht es in dieser Bäckerei exakt gleich aus. Die Preisschilder haben sich irgendwann mal von D-Mark zu Euro geändert. Sonst ist nichts passiert. Und selbst als kleines Kind schien dieser Laden schon aus der Zeit zu fallen. Die Menschen, die dort arbeiten, sehen auch seit dreißig Jahren gleich aus. Selbst die, die vorher dort gar nicht gearbeitet haben. Schier unglaublich. Es gibt zwei wesentliche Punkte, die so anachronistisch scheinen. Nummer 1: Die Backwaren. Die Brötchen, die dort zu haben sind, sind verhältnismäßig klein. Aber nicht so luftig, wie bei anderen Anbietern. Sie verkaufen kleine kompakte Brötchen, die sehr lecker sind und nach Handwerk schmecken. Sie haben auch Auswahl. Doch: Das Grundbrötchen ist immer das gleiche - ein kleines Normales. Für Mohn, Sesam, Kürbiskern oder gar Käse wird einfach nur die Zutat drauf gestreut. Super! Dann gibt es noch das Croissant, worüber jeder Frankophile sich kaputtlachen würde. Es ist ein Teigfladen, den man süß belegen kann. Aber geil! Nummer 2: Die restlichen Produkte. Denn in Regalen stehen Tante-Emma-mäßige Waren: Bockwurstdosen, Kaffee, einzelne Falschen Bier, Mehl, Dosenwurst. An den Leisten, auf denen sie stehen, hängen Preisschilder, die sich bestimmt noch nie geändert haben. Phantastisch.

Hier geht's aber um Musik. Ein wenig zumindest. Ist gerade nicht viel los. Los: 

Antilopen Gang
(ms) Das ist schon sehr geschickt und selbstredend mit zahlreichen doppelten Böden, die im Grunde genommen einfach zu erläutern sind. Das Trio ist stolz drauf, eine eigene Plattenfirma gegründet zu haben, sagt sich von den Strukturen los (obwohl Jochens Kleine Plattenfirma nicht zwingend Major ist) und veröffentlichen zum konsumfreien Weihnachtsfest einen Sampler. Damit geht's weiter. Einfach ein paar gute Tracks, die sie mit unterschiedlichen Gästen angesammelt haben - mal solo, mal als Antilopen Gang - auf einer Platte veröffentlichen. Ja, der Plan geht auf. Sie sind sich vor nichts zu schade, für keinen Beat und keinen Reim, nicht für Pathos oder Diss-Tracks. Das ist halt auch DIY mit Augenzwinkern zu Ende gespielt - inklusive Ironie-Reflektions-Song. Das erlaubt gefühlvollen Pop von Danger Dan mit Max Herre, ein supergeiles Feature mit Zugezogen Maskulin oder einen normalen Banger mit Fatoni. Ja, der Plan geht auf samt Gruß vom alten Plattenlabel. Antilopen Geldwäsche Sampler 1. Kauft das!


Staring Girl
(ms) Wenn Musiker eine Band betreiben und gleichzeitig noch Vollzeitjobs hinterher gehen, dann kommen aktuelle Meldungen in größeren Abständen - allzu verständlich bei der Qualität dieser Gruppe, es soll ja gut und bedacht sein. Vor Weihnachten gab es Neuigkeiten von Staring Girl! Ich habe mich sehr über die Mail gefreut. Die Hamburger haben nämlich drei Geschenke verteilt. Geschenk Nr. 1: Zwei neue Stücke, die sich hier hören lassen. Zwei weitere Beweise, dass Steffen Nibbe ein großes Text-und-gefühl-Talent hat. Einige Zeilen brauchen länger, bis sie ihre Wirkung entfalten, aber Worte wie "Ab jetzt will ich nur noch mutig sein / und verliebt neigt sie ihren Kopf", die mit einem herrlichen Zeilenbruch gesungen sind kommen schnell dort an, wo sie landen sollen. Geschenk 2: Den Ausblick auf ein neues Album, das 2022 erscheinen wird. Ein genaues Datum steht noch aus. Geschenk 3: Zwei Live-Termine. Sofort habe ich mir Karten für Kiel besorgt, aber ob das stattfinden wird, ist meines Erachtens mehr als ungewiss. Hoffen tue ich weiterhin!

13.01.2022 - Hamburg, Knust
15.01.2022 - Kiel, Hansa48


Manic Youth
(ms) Erst in meiner späten Jugend in den 00er-Jahren bin ich auf Indie-Gitarren-Pop/Rock gestoßen. Eine Musik, die mich seitdem begleitet, aufbaut und bei Liebeskummer unterstützt. Auch wenn meine Hörfühler in den letzten Jahren keinen Halt mehr von Genregrenzen machen, ist diese Musik immer noch der Kern. Wahnsinn, wenn man dann Bands entdeckt, die man mit so einem Klang gar nicht erwartet hätte. Zum Einen gelingt es Manic Youth exzellent einen Sound zu spielen, der so gar nicht mehr zeitgemäß und dennoch wunderschön ist. Handwerk aus den 00er-Jahren, bei dem ich sofort an Death Cab For Cutie denken musste! Zum Glück ist es nicht ausschließliche Nostalgie, sondern ihre Songs brechen auch gerne mal aus und legen mehrere Schippen drauf! Zum Anderen ist das Quartett ein sehr guter Beweis, dass Rock aus Österreich nicht nur folkloristischer Pop mit Dialekt sein muss. Sie klingen halt eher nach UK als Wien. Daher solltet ihr das aktuelle Album Funland dringend mal hören!


Gregor McEwan
(ms) Auch alles für heute Abend schon besorgt? Dieses Jahr ist es ja gefühlt noch ätzender als im letzten, was damals kaum auszudenken war. Alle Pläne sind über Bord geworfen. Was vielleicht auch gar nicht so schlimm ist, denn immerhin ist Silvester doch das Fest mit durchaus hohen Erwartungen, die aber nie erfüllt werden, oder? Vorteil an diesem Jahr: Erneut zum Glück keine Böllerei in den Straßen, weit im Vorhinein abgesagt (dass dieser Wirtschaftszweig wohl nicht staatlich entschädigt wird halte ich dennoch für falsch, die können ja nichts dafür). Genau darüber hat Gregor McEwan mal wieder ein extrem passendes Lied geschrieben. Es geht nicht nur um den tollen, hörens- und lesenswerten Text (unterm Video), in dem alte Bekannte und viele gute Ideen auftauchen, sondern er schafft es auch mal wieder mit spielerischer Leichtigkeit den richtigen Klang dazu umzusetzen. Zum Einen ist es die sanfte Spielart zu zwei Dritteln, die das Herz erwärmen und eine nachdenkliche Stimmung unterstützen. Zum Anderen unterstreicht das letzte drittel sehr gut die Daten und Fakten, die er ins Video eingebaut hat. Also: New Year's Resolutions hören, Text lesen und gut finden, auf seine neue EP freuen und einfach diesen Abend genießen!

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