Montag, 28. Juni 2021

Gaspard Augé - Escapades

 

Foto: Jasper J. Spanning
(ms) Dieses Album könnte die Antwort auf die Frage sein: Wie höre ich mich an? Wie Gaspard Augé sich zu zweit anhört, ist seit zwanzig Jahren ziemlich klar: Wuchtig, schnell, basslastig, sehr dynamisch, groß, treibend, tanzbar, positiv. Denn er ist die eine Hälfte von Justice. Wenn ich mich nach vorne pushen will, greife ich sehr schnell zu diesem Duo, denn ihre Energie dringt zügig durch meinen ganzen Körper.

Solo hat Augé noch nie gearbeitet. Seltsam eigentlich bei einer so langen Karriere. Nur mit Mr. Oizo hat er mal außerhalb von Justice gearbeitet, als er den Soundtrack zu dem sehr, sehr guten aber auch komplett bescheuerten Film Rubber gemacht hat (ein Reifen in der Hauptrolle, mehr muss nicht gesagt werden). Escapades erschien am 25. Juni und enthält 12 Tracks. Es ist auch ein elektronisches Album, also ist es durchaus mit Justice vergleichbar. Aber tatsächlich nur vom groben Stil her. Einen großen Unterschied gibt es: Auf der Platte ist kaum Gesang zu hören. Ein instrumentales Electro-Album also. Im Gegensatz zu seinem Hauptprojekt hat Gaspard Augé hier keine Party-und-Tanz-Platte produziert. Viel mehr hören sich die Stücke nach einer Filmmusik an, wozu halt aber der Film fehlt. Schnell ploppen Bilder im Kopf auf. Für mich ist dies die Szenerie von Escapades: Wir befinden uns in einer Das Fünfte Element-ähnlichen Zukunft. Sie ist rasant, trubelig und mysteriös. An ein paar Ecken lauern Gefahren, woanders lässt es sich herrlich durch die Nacht tanzen. Das ist das grobe Setting.

In dieser Umgebung begrüßt Gaspard Augé uns Touristen erstmal zu Beginn (Welcome). Force Majeure ist dann der direkte Fingerzeig, dass er sich von der Herangehensweise gar nicht so sehr von Justice klangtechnisch entfernt. Was er mit der Musik schafft, ist eine Welt, die weder utopisch noch dystopisch ist, sondern sehr klar im Hier und Jetzt verankert ist. Eine Musik zum erleben, nicht zum philosophieren. Sie hat aber auch ihre melancholischen, dramatischen Seiten und wenn dann genau dieser Track den Namen Europa hat, dann sind seine Zukunftsvisionen vielleicht doch nicht so blümerant. Auf Hey zeigt er dann, was er kann und mit Justice so regelmäßig unter Beweis stellt: der typische Drive mit sattem Bass, überraschenden Elementen, einem extrem feinen Händchen für einen temporeichen, dynamischen Song, der nach kleinen Pausen immer wieder noch eins drauf setzt! Sehr gut! Ja, Gaspard Augé ist auf diesem Album sehr vielseitig und wandelbar und vollkommen angstfrei, was er auf Captain zeigt. Das ist derart beschwingt, dass es schon fast poppig frech ist. Zwischendurch musste ich an Movie Star denken - die Assoziation sei mir vergönnt.

Escapades ist ein kurzweiliges, positiv dominiertes Album, das eine Menge Spaß macht, pfiffig und tanzbar ist. Nur gibt es jetzt ein Problem: Der Soundtrack ist da, der Film fehlt aber. Vielleicht sollte er nochmal bei Mr. Oizo anfragen, ob er Regie drehen würde... Die Antwort also auf die obrige Frage: Ein basslastig, cineastisch!

Freitag, 25. Juni 2021

KW 25, 2021: Die luserlounge selektiert

Quelle: i.ucoin.net
(sb/ms) Angekündigt und nun umgesetzt. Erneut muss ich mich tierisch aufregen. Vielleicht sollte ich mal ein Praktikum bei Pöbel MC machen, der hätte sicher Bock!
Also: Benjamin von Stuckrad-Barre. Seit einiger Zeit frage ich mich ja, warum der so bekannt ist. Okay, ein paar Bücher hat er geschrieben. Liegt es dann aber an seiner komplett verwerteten Drogenreise und der Bekanntschaft zu Udo Lindenberg, dass dieser Autor so gefragt, diskutiert wird?! Es ist mir völlig schleierhaft. Das gleich vorweg: Einen Roman von ihm habe ich noch nicht gelesen. Doch es reizt mich auch absolut gar nichts dazu, das machen zu sollen. Denn: Eine gute Freundin drückte mir letztens sein gemeinsames Buch mit Martin Suter in die Hand. Dazu muss ich sagen, dass ich Martin Suter und sein literarisches Schaffen extrem schätze. Alle Allmen-Fälle und die Businessclass-Kurzgeschichten habe ich nicht gelesen, sonst aber ausnahmslos jeden Roman. Ihn halte ich für einen sanften, extrem versierten Romancier. Nun dieses gemeinsame Buch, was aus Podcasts entstanden ist. Der arme Suter. Die Podcasts will ich mir auch gar nicht anhören. Stuckrad-Barre ist ihm ständig ins Wort gefallen. Übel. Was mich nun aber aufregt: Er findet sich offensichtlich auf eine bizarre Weise extrem geil. Er heroisiert sein eigenes Scheitern auf so selbstverliebte Art, das ist ekelig. Und seine Befindlichkeiten: Ich habe ja eine Wohnung, komme damit aber nicht klar, muss ja im Hotel wohnen. Ja, der arme Kerl. Schwurbelt sich einen zurecht im pseudointellektuellen Rausch und schrieb Uhlmann ein mittelmäßiges Lied. Bah! Meines Erachtens bekommt ein übermoralisierender Schwadronierer mehr Rampenlicht als er bräuchte. Nun gut. Haben wir das auch. Der arme Martin Suter...

Glücklicherweise sind wir kein Literaturblog. Musik halt. Lebenselixier. Freitag. Selektiert. Bitte:

Bosse

(ms) Mit seiner Musik kenne ich mich einfach zu wenig aus, um auch nur irgendein Urteil zu fällen. Doch ich habe mal gelesen, dass er wohl Kraft nicht mehr live spielen würde. Das finde ich schade. Ich glaube jedoch: Bosse ist ein unfassbar guter Typ. Also ein richtig, richtig guter Typ! Ursympathisch, so ein Typ halt, mit dem es sich lohnen würde, einen Abend um die Häuser zu ziehen zwischen Leichtigkeit, wertvollen Gesprächen und stets einem Bier in der Hand. Dass er sich so gut mit Marcus Wiebusch und Thees Uhlmann versteht, sodass sie zu dritt auf Tour gehen, habe ich nie für möglich gehalten. Ein weiterer Beweis für: den guten Typen. Seine Musik ist okay. Sie berührt mich nicht all zu sehr, aber sie stört halt auch nicht. Wie gesagt: ich kenne sie auch nicht all zu gut. Dennoch: Er bringt bald ein neues Album raus, Sunnyside erscheint am 27. August. Gruseliger Titel, aber sehr unbeschwert klingt die gleichnamige Singleauskopplung. Einfach das Gute besingen, der Seele Wohlbefinden gönnen. Das ist hier sehr gelungen. Ohrwurmpotential plus ein super schönes Video


Sondaschule
(ms) Erster Gedanke: Costa Cannabis, Sänger von Sondaschule, muss doch der große Bruder von Oliver Korittke sein, oder? Die sehen sich ja so verdammt ähnlich. Oder liegt das jetzt nur daran, dass Ralf Richter in diesem phantastischen Video auch mitspielt und alles sehr nach BangBoomBang riecht? Das darf es: Super Film, super Sache! Also das hier! Moment, ordnen wir mal schnell die Dinge. Sondaschule bringen am 14. Januar 2022 (!!!) ein neues Album raus, es wird Unbesiegbar heißen. Es gibt bislang kein Lied daraus zu hören. Dennoch bieten die Ruhrpottler einen tollen, sehenswerten Einblick in ihr Schaffen, in ihre Kreativität und Kunst. Denn das ist es. Das Album, das erst im kommenden Jahr erscheint, wird flankiert von einer Miniserie, deren einzelne Episoden nach und nach zu sehen sind. Die ersten beiden sind online (s.u.) und so unfassbar gut und sympathisch. Das ist kein Firlefanz, das ist richtig gut gemacht. Ruhrpott at its best! KöPi, Schnute, Zwielichtigkeit und Romantik ohne Ende. Und halt Ralf Richter. Ich freue mich 1. auf die Fortsetzung und 2. auf den zweiten Juli, denn dann erscheint die erste Single von der neuen Platte!


Robert Ames
(sb) Wie umtriebig kann man sein? Robert Ames ist nicht nur Violinist und Musikproduzent, sondern gleichzeitig auch nur Leiter des London Contemporary Orchestra, das er 2008 zusammen mit Hugh Brunt gegründet hatte. Zudem sind Ames und Brunt auch noch Co-Dirigenten und gemeinsam künstlerische Leiter des Orchesters. Der 35-jährige Brite hat sich im Bereich der Filmmusik einen Namen gemacht, aber auch bereits mit renommierten Künstlern wie Radiohead, Foals, Vivianne Westwood oder Belle and Sebastian gearbeitet. Ende Mai veröffentlichte Ames sein Debütalbum Change Ringing, ein geradezu meditatives Werk, das traditionelle Motive mit elektronischen Spielereien veschmelzen lässt und sich so den Weg ins Unterbewusstsein des Hörers bahnt. Das fängt ganz harmlos an, geht aber bald eine betörende Symbiose mit den Synapsen ein und übernimmt die Kontrolle - und das alles auf eine ungemein angenehme, entschleunigende Art und Weise.

Der Künstler erklärt es so: "Ich habe der Versuchung widerstanden, erkennbare Tempi und Taktarten zu verwenden, um ein Gefühl der Zeitlosigkeit zu vermitteln. Mir gefällt die Idee, dass jeder Track so klingt, als würde man sich auf eine unendliche Reise begeben und er dabei doch nur eine Momentaufnahme von etwas viel Längerem ist. Ich begann damit, mehrere Aufnahmen von mir selbst an der Geige und der Bratsche sowie den Gesang übereinander zu schichten. Oft verlangsamte ich diese Aufnahmen so, dass sie nicht mehr zu erkennen waren, schrieb die Partitur dazu und nahm diese neu auf. Diesen Prozess habe ich mehrmals durchlaufen, bis ich etwas hatte, das ich mir gerne anhörte."

Nehmt Euch Zeit, gebt Euch hin, tut Euch was Gutes.

Bayuk
(ms) Identifikation spielt beim Musikhören eine wesentliche Rolle. Magnus Hesse und ich sind ungefähr gleichaltrig. Das ist gar nicht so unwichtig. Im Teenager- und jungen Erwachsenenalter könnten ähnliche Dinge passiert sein zwischen Verliebtsein, keine Ahnung über den eigenen Weg haben, die erste ernste, schöne Beziehung, von zu Hause endlich ausbrechen und dann langsam erwachsen werden, richtig auf den eigenen Beinen stehen. Um das und vieles mehr geht es auf dem neuen Bayuk-Album Exactly The Amount Of Steps From My Bed To Your Door, das am 27. August via Gönland/Monchique erscheinen wird. Nach der fulminanten Platte Rage Tapes ist er nun poppiger geworden - keine Abwertung! Das Atmosphärische hat er jedoch behalten, der Fokus liegt nun mehr auf einem runden Songwriting, das mitzuerleben ist. Die erste Single Head Under Water handelt von dem Moment, kurz bevor eine Beziehung zerbricht. Einem fiesen Zwischenstadium voller Leere und Schmerz. Wohlbemerkt (s.o.) rückblickend auf die eigene Teenie-Zeit, als das ganze noch schwer einzuordnen war. Wohlbemerkt ist dies hier keine coming-of-age-Duselei, sondern einfach wunderschön, rund und so herrlich sanft in den kleinen Tönen, die eine große Harmonie über dem Rhythmusteil bilden. Die Vorfreude auf das Album steigert sich in der luserlounge insbesondere, da wir hemmungslose Nostalgiker sind und alles was Tobias Kuhn (Wegbegleiter, Label-Heimatgeber von Bayuk) anfasst, bestaunen! Wird richtig gut!!!


Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys
(sb) Da sind sie wieder, die (Mit-)Begründer des Italo-Pop, die beliebtesten Schwaben Italiens, die großartigsten Italiener Schwabens, die göttergleich verehrten Barden, die Menschenmassen dies- und jenseits der Alpen begeistern. Nach Amore Sul Mare senden Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys ein weiteres Lebenszeichen und geben sich funky wie nie. Der Maranello wird gegen das Bici eingetauscht und Herzen schmelzen dahin wenn RB&DAB den Giro d'Amore absolvieren. 

Demnächst auch live:

22.07. Dortmund, Herr Walter
30.07. Stuttgart, Wasen
11.08. Augsburg, Strandkorb Open Air
13.08. München, Praterinsel
15.08. Wuppertal, Waldbühne Hardt
16.08. Hamburg, Musikpavillon Planten Un Blomen
27.08. Karlsruhe, Toujours Kultur
24.09. Ludwigsburg, Scala
16.11. Nürnberg, Korn's
17.11. Weimar, Mon Ami
18.11. Rostock, Helgas Stadtpalast
19.11. Bremen, Kulturzentrum Lagerhaus
21.11. Lüneburg, Salon Hansen
22.11. Düsseldorf, The Tube
23.11. Göttingen, Musa
24.11. Mainz, Schon Schön
25.11. Stuutgart, ClubCann
26.11. Zürich (CH), Exil
27.11. Konstanz, Kulturladen
09.12. Linz (AT), Posthof
11.12. Lustenau (AT), Carinisaal
23.04. Wien (AT), Arena
24.04. München, Tonhalle (ausverkauft)
28.04. Bern, ISC Club
29.04. Luzern (CH), Sedel
30.04. Karlsruhe, Substage
01.05. Saarbrücken, Kleiner Klub
02.05. Wiesbaden, Schlachthof
04.05. Köln, Gebäude 9
05.05. Dortmund, Junkyard
06.05. Münster, Sputnikhalle
07.05. Würzburg, Posthalle
08.05. Hannover, Musikzentrum
10.05. Hamburg, Mojo Club
11.05. Berlin, SO36
12.05. Leipzig, Naumann's
13.05. Dresden, Groovestation
14.05. Erlangen, E-Werk
 
 
Moe
(ms) Bei der Bewertung von Musik bin ich wahnsinnig unfair den KünstlerInnen gegenüber. Bei weitem lege ich nicht überall den gleichen Maßstab an. Das ist dumm. Es ist aber so. Insbesondere, wenn ich abends nach einem anstrengenden Tag noch lausche. Ich bewerte deutschsprachige Musik anders als Sprachen, die ich nicht so schnell aufnehme. Englisch gehört auch dazu, ja. Bei anderen Sprachen muss mich ein Lied viel stärker über die Atmosphäre ergreifen. Daher gibt mir beispielsweise Britpop gar nicht so viel, bin aber Kettcar-Nerd. So sieht es leider aus. Auch bei Moe. Die Instrumentalisierung von The Ocean ist in meinen Ohren recht belanglos - sorry an dieser Stelle! Doch ich muss mich mal zusammenreißen und den Text näher betrachten, fairer sein. The Ocean ist ein Herzschmerzlied, auf dem eine Trennung verarbeitet wird. Und ja, auch ich habe dann schon mit Alkohol gearbeitet. Ist schon nachvollziehbar, oder? Es klingt halt so plump, aber sich okay fühlen wollen ist zum Zeitpunkt einer Trennung ein wirklich erstrebenswertes Ziel. Stimmungsmäßig von ganz weit unten und sehr diffus wenigstens auf stabil zu kommen. Das ist oft leider ein ziemlich weiter weg. Zeit vergehen lassen, mit guten Seelen reden. Das hilft. Klingt so unfassbar pathetisch, aber ist halt auch wahr! So erscheint der Track in einem anderen Licht. Zum Glück. Memo an mich: Wenn der Bielefelder im Herbst seine Platte veröffentlicht unbedingt die Texte lesen!!!

 
Shitney Beers
(sb) Hm, ja, okay, fangen wir mit dem Namen an: Kurz gegrinst und gehofft, dass das jetzt nicht so ne Klamauknummer wird. Nach ein paar Tönen festgestellt, dass dem nicht so ist, ganz im Gegenteil. Klingt erstmal so ein bisschen nach US-Slacker Babe, das im Selbstmitleid versinkt. Aber auch das nur kurz, denn je mehr man sich mit Welcome To Miami (VÖ: 23.07.) beschäftigt, desto mehr versinkt man in dem Album und fühlt mit. Eigentlich wollte ich das gute Stück ja nur so neben der Arbeit hören, aber das funktioniert einfach nicht. Viel zu gut, viel zu komplex, viel zu interessant, viel zu emotional. Shitney Beers, die eigentlich Maxi Haug heißt und die Popakademie Mannheim (u.a. auch Konstantin Gropper) besucht hat, erzählt Geschichten, die berühren und an die Zeit erinnern, als man selber Anfang 20 war. Wo gehts hin? Was kannsolldarfmuss ich machen? Und warum überhaupt? Trotz all der Zweifel und Unsicherheiten klingt die Künstlerin frisch und selbstbewusst und das steht ihr verdammt gut.


Voodoo Jürgens
(ms) Auf Platte hat mich Voodoo Jürgens sehr schnell sehr stark begeistert. Doch live war das noch eine ganz andere Hausnummer. Das habe ich noch nicht erlebt. Und behaupte: Ich habe schon viel live gesehen. Wie kann man nur so unglaublich lässig sein? Null Attitüde, ich nehme dem Typen und seiner Band einfach alles ab. Es sind einfach sehr, sehr gute musikalische Kurzgeschichten mit einem abgründigen Humor. Das beweist er nun erneut. Geht's dauert nur eineinhalb Minuten und so viel kann vorweg gesagt werden: Es geht um absolut nichts. Oder etwa doch? Es geht zumindest um so viel, dass eine Geschichte dahinter schnell gesponnen werden kann. Wie phantastisch wäre es, wenn er diese kleine Erzählung, wie es so schön in der Beschreibung heißt, auch live darbieten würde?! Apropos live: Aus der Ansa Panier, seiner Band, ist die wunderbare Alicia Edelweiss ausgestiegen, um sich auf ihre Solopfade zu konzentrieren. Sicher ein herber Verlust, sie passte halt so ungemein ins Voodoo-Universum. Apropos: Bald geht er wieder auf Tour. Bitte alle hin da!

12.06. Darmstadt, Kammerspektakel
23.07. Bayreuth, Glashaus
24.07. Jena, Rosenkeller
25.07. Karlsruhe, Kohi im Substage
26.07. Würzburg, Gutshof Wöllried
05.08. München, Eulenspiegel Flying Circus
06.08. Schorndorf, Manufaktur Open Air
07.08. Donaueschingen, Kulturbahnhof
13.08. Wien, Globe Wien Openair
09.10. Brackenheim, Kulturforum
10.10. Freiburg, E-Werk
31.10. Dorfen, Jakobmayer
01.11. Hamburg, Molotow
03.11. Dordrecht (NL), Bobby Kinghe
04.11. Köln, Gebäude 9
05.11. Trier, Mergener Hof
06.11. Mainz, Schon Schön
25.02.2022 Mannheim, Capitol
26.02.2022 Konstanz, Kulturladen
09.04.2022 München, Muffathalle


Montag, 21. Juni 2021

Fortuna Ehrenfeld - Die Rückkehr zur Normalität

Normalität. Quelle: facebook.com/fortunaehrenfeld
 (ms) Sha-la-la! Jannis, Jenny und Martin haben mal wieder zugeschlagen! From Cologne to the World gibt's einen auf den Synapsendeckel. Denn auf Album Nummer vier von Fortuna Ehrenfeld reihen sich selbstredend - und nur so kennen wir sie ja halt auch - eigenartige, amüsante, blödelige und ebenso kluge Wortkombinationen aneinander. Bechlers Bild vom Tetris-mit-Worten-Spieler beweist sich ein weiteres Mal. Aber mit seltsamen Bauchgefühl - dazu später mehr.
Als Texter ist und bleibt er hierzulande eine absolute Ausnahmeerscheinung. Jemand, der keine Angst davor hat, plumpen Witz, kleine Geschichten, große Wahrheiten und die gute, alte Melancholie nacheinander auftreten zu lassen. 

Die Rückkehr Zur Normalität ist das erste Album mit Jannis am Schlagwerk und - was im Vorhinein noch wesentlich krasser kam - das erste nach dem Erstling, das nicht beim Grand Hotel van Cleef erschienen ist. Gerne wüsste ich, wie es (nicht) dazu kam; kann mir menschliche und künstlerische Differenzen kaum vorstellen. Martin Bechler wird seine Gründe haben, seine eigene Firma Tonproduktion für die Veröffentlichung zu nutzen. Begeisterte, die sich zu ihren Konzerten versammeln, gibt es landauf, landab und nicht nur am Wohnsitz des WDR inzwischen reichlich. Zurecht.

Das Trio besingt also nun die Rückkehr zur Normalität. Damit scheint es ein C.-Album zu sein (mehr dazu unten). Whatever: Sie liefern ab. Wie gewohnt unterscheiden sie nicht zwischen Volltreffern am Herzen oder am Tanzbein. Sollte es ein C.-Album sein (mehr dazu unten), ist wichtig, dass sie Recht haben: Normal ist schon seit eineinhalb Jahren nichts mehr. Und es ist wichtig, genau das zu sagen. Wir leben momentan in der absoluten Ausnahme. "Neue Normalität" - wenn ich das höre, muss ich kotzen. Daran, wie es jetzt ist und war, dürfen wir uns nicht gewöhnen. Mit Vorsicht und Disziplin hindurch und dann wieder verschwitzt und knutschend im Club tanzen.

Ich schweife ab. Pardon. Musik ab! Zehn Lieder, ein Titel bekloppter als der andere. Doch es besteht kein Grund zur Sorge: alles driftet hier in gewohnten Bescheuerkeitsbahnen.

Freundlich beginnt es mit Arschloch, Wixer, Hurensohn. Ein Trennungslied zum Start, so traurig wie unterhaltsam. Diese Pole, stets gelungen das Tragikomische zu besingen, hat Bechler perfektioniert; im Sound beginnen sie hier bluesig, zurückgenommen. Nur um danach eine erstaunlich poppige Nummer hinzulegen mit der Aufforderung: "Der Wille der Natur ist Disco, Disco" (Das Imperium Rudert Zurück). Die Paranormalische Liebe, die erste Single des Albums, ist der beste Beweis zur passionierten Hingabe zum Gaga und sich bloß nicht zu ernst zu nehmen! Doch es beschleicht mich das Gefühl, dass hier, wie im Stück davor, sehr wenig hängen bleibt. Dieses Gefühl wird leider an einigen Stellen wieder aufkommen. Nicht bei Die Durchnummerierten Im Irish, wo Bechler nur mit Klavier, Stimme und ein wenig Percussion seine Tom Waits-Seite auslebt. Und auch wenn mit auf Die Anleitung Zum Sha-La-La völlig unklar ist, worum es geht, sind Fortuna Ehrenfeld oft am schönsten, wenn Martin herrlich rauchig und Jenny so herrlich klar singt. Zusammen.
Auf dem gleichnamigen Track zum Album wird dann klar: Es ist kein C.-Album. Es ist ein bitteres Trennungslied. Den Absatz oben könnte ich nun streichen, lasse ihn aber bewusst stehen. Hier zeigen sie sich als MeisterInnen im lässigen Sound, tatsächlich sehr nah am beschwingten Reggae. Erwartungshorizont? Drauf geschissen!

Und nun kommt das angedeutete Gefühl des Ungreifbaren stark zurück. Entweder habe ich das ganze Album zu unaufmerksam gehört, bin zu blöd für die Texte oder denke: ich reihen sich Zweizeiler an Zweizeiler. Knutschigroßstadtradio scheint ein sanftes Liebeslied zu sein doch für mich ohne roten Faden. Hier wird die knallharte künstlerische Freiheit im Lied nur noch schwer nachvollziehbar. Sie müssen gar nichts, das ist klar, aber bei diesem Grad an Verschwurbeltheit (Glitzerfummel, Moonboots) wird es schwer für mich konzentriert zuzuhören und verstehen zu wollen, worum es geht.
Zum Glück zeigen sie auf Gracie De La Kotze nochmal, wie Textkunst funktioniert!

Doch es hilft alles nichts. Ja, sie machen sich von allem frei, von Erwartung und Stringenz. Das ist natürlich gut. Geht für meinen Geschmack aber total auf Kosten der Griffigkeit. Ich halte diese Platte mit dem schönen Cover in den Händen und weiß absolut nicht, was ich damit anfangen soll. Gut finden? Doof finden? Egal finden? Ich habe einfach keine Ahnung. Es lässt mich ratlos zurück und ich wittere die Gefahr, dass es im Plattenregal verstauben wird. Mir fehlen Lieder wie Matrosen, Zwei Himmel, Pizzablitz, Ruff Von Barcelona, Zuweitwegmädchen, Hundeherz, Heiliges Fernweh, Guten Morgen Ehrenfeld oder Die Umarmung Der Magneten. Ja, so sieht es (leider) aus.

Ein Glück, dass das Trio unaufhörlich auf Tour ist und sie live sicherlich nie an Bock verlieren! See you in Hamburg und Duisburg!

22.06.2021 - Dortmund, Junkyard
04.07.2021 - Köln, CBE
16.07.2021 - Rostock, Kulturhafen
17.07.2021 - Trainingsgelände '78
22.07.2021 - Hamburg, Planten und Blomen
24.07.2021 - Saarburg, Kaserne Openair
27.07.2021 - Frankfurt, Palmengarten
28.07.2021 - Karlsruhe, Tollhaus
07.08.2021 - Wuppertal, Kultursommer
14.08.2021 - Worpswede, Music Hall
22.08.2021 - Beverungen, OBS
14.09.2021 - Köln, Volksbühne (solo)
26.07.2021 - Duisburg, Traumzeit Festival
14.10.2021 - Köln, Philharmonie

Freitag, 18. Juni 2021

KW 24, 2021: Die luserlounge selektiert!

Bild: www.thefactsite.com
(ms/sb) Unverständnis gegenüber der Welt. Das zieht sich durch mannigfaltige Ebenen des Seins. Beispielsweise gegenüber dem schwarz-gold-goldenen Fahnenschwenken, derber Hitze und der Abschaffung von Hitzefrei! Aber das ist ein anderes Thema. Heutiger Aufreger (endlich): ein Kleidungsstück. Ich merke, dass diese Einleitung immer mehr zu einem Platz des ziellosen Gepöbels wird. Nun gut, schon okay, oder? Also: die Weste! Endlich! Es ist, wie so oft, ganz simpel. Denn es stellt sich mir die Frage: Was soll das? Mir ist am Torso kalt aber am kompletten Arm nicht? Viele Westen sind zusätzlich nicht nur so doof geschnitten, sondern auch auch gefüllt mit Daunen. Wozu? Haben die Westentragenden Hornhaut auf den Armen? Ein komplett sinn- und nutzloses Kleidungsstück. Oder geht es um die zusätzlichen Taschen? Dann wäre ich für noch mehr Konsequenz: Die guten alten Täschchen, die man auf den Gürtel schienen kann. Das sieht dann so bescheuert aus, dass es bald sicher wieder modern ist.
Nächste Woche: Benjamin von Stuckrad-Barre.

Nicht aus der Mode kommt diese Rubrik. Freitag. Luserlounge. Wir haben selektiert. Na klar!
 
Japanese Breakfast
(ms) Wenn zwei wichtige Quellen für Schönes über die gleiche Band berichten, werde ich noch aufmerksamer als sonst. Quelle 1: Unser Mailpostfach! Quelle 2: Der tägliche Newsletter vom ZEIT Magazin. Was Herr Amend mit seinem Team täglich zusammenstellt, ist nicht verkehrt. Manchmal feiern sie sich für meinen Geschmack ein Stück zu sehr selbst ab, aber... das machen wir ja auch. Japanese Breakfast ist natürlich ein unglaublich guter Name, der direkt haften bleibt. Michelle Zauner steckt dahinter und macht... tja. Also. Was für Musik ist das?! Seit einigen Wochen finde ich die Bezeichnung Artpop sehr gut. Ein genialer, künstlerischer Ansatz von Popmusik. Get Well Soon würde ich auch so betiteln. Beide Ensembles haben musikalisch kaum Schnittmengen. Es geht mir dabei viel mehr um den musikalischen Ansatz, der zu hören ist: hohe Qualität! Vielschichte Tracks, die nur aufs erste Hören simpel erscheinen (okay, bei Gropper trifft das nicht zu). Doch Michelle Zauner hat ein irres Talent: Die Stücke auf dem neuen Album Jubilee (am 4. Juni erschienen) strotzen vor catchy Leichtigkeit, dass ich es kaum glauben kann. Die Genialität der Tracks macht sich vielleicht erst beim zweiten Hören bemerkbar. So ging es mir zumindest. Dieser entspannte, tanzbare Schwung kommt super durch. Immer wieder deutlich zu vernehmen: Die Klasse, die im Arrangement und den Ideen steckt. Sie bestätigt meine Theorie: Ein lockeres, beschwingtes Lied zu schreiben scheint schwerer als es den Eindruck hinterlässt! Tolle, tolle Platte!!!


Anna Ternheim
(sb) Ach Anna, Du Wunderbare! Ich verfolge Deine Karriere schon sosososo viele Jahre und immer wieder schaffst Du es aufs Neue, mich zu bezaubern und zu begeistern... Diesmal hat es allerdings ein wenig gedauert, denn die Originalfassung ihres Albums A Space For Lost Time veröffentlichte Anna Ternheim bereits im Jahr 2019. Am 11.06.21 folgte der Release der Extended Version und damit hat mich die Schwedin dann halt doch wieder gepackt. Neben den zehn ursprünglichen Tracks finden sich nun acht weitere Songs auf dem Album wieder, die der Scheibe eine völlig neue Dimension verleihen und sie nochmal gehörig aufwerten. Gerade als Doppel-Vinyl macht das gute Stück jetzt verdammt viel her! Als "Naked Versions" bezeichnet die Künstlerin die Neuaufnahmen der Songs; bei früheren Releases war das durchaus berechtigt, denn damals reduzierte Ternheim die Lieder instrumental auf ein Minimum. Diesmal jedoch wurden sogar Gäste eingeladen, um den Tracks ein neues Gewand und eine ungeahnte Tiefe zu verpassen. Sowohl das Kaiser Quartett, als auch Pianist Lambert und Helgi Jonsson verfeinern Ternheims Werk und sorgen für ein neues, noch besseres Klangerlebnis. Ich gebe zu: Ich habe die Neuauflage von A Space For Lost Time eigentlich nur aus Sammelgründen gekauft, aber das war mal wirklich gut investiertes Geld! Wunderwunderwunderschön!


Ghost Woman
(ms) So daneben kann ich also mit meinen Erwartungen, den Bildern in meinem Kopf liegen. Fehlgeschlagene Vermutung 1: Hier singt eine weibliche Stimme. Ist bei dem Namen Ghost Woman aber auch leider ein viel zu verführerischer Gedanke. Daher: Hut ab vor Evan Uschenko für die Namensfindung. Fehlgeschlagene Vermutung 2: Resultiert aus Nummer 1, dem Namen. Ich dachte halt, dass es mysteriös, dunkel, vertrackt, wuchtig zu geht. Auch hier lag ich daneben. Was macht er also für Musik? Eine Mischung aus den Beach Boys und Garage würde ich behaupten. Damit mag ich vielleicht auch falsch liegen, es wäre nur folgerichtig. Am 16. Juli erscheint seine erste EP Lost Echo's, drei Lieder stecken (nur) darauf und zwei sind schon zu hören. Da frage ich mich schon, was das für eine Veröffentlichungspolitik ist. Warum dann noch fast vier Wochen warten?! Naja, er wird seine Gründe haben. Wer auf reduzierte Gitarrenmusik mit gedämpfter Stimme und erstaunlicher Geschwindigkeit steht, wird hier auf jeden Fall hellhörig! 


Gregor McEwan
(ms) Lana del Ray soll ja unglaublich produktiv sein und in sehr kurzen Zeitabständen Alben raushauen. Kenne ich alle nicht. Nur ihren Smashhit, der zurecht so betitelt werden kann, Summertime Sadness. Ja, beides geht zusammen: Sommer, Eis essen, Kurzweil und doch melancholisch sein. Dieses leicht betrübte, aber auch irgendwie schöne Gefühl hat nun Gregor McEwan auch in einen tollen Track gepackt: The Beat Of Your Drums. Er schafft es hier, in nicht mal drei Minuten in folkpoppiger Manier eine sehr konkrete Atmosphäre hinauf zu beschwören - sehr rund, sehr gelungen! Zudem muss es ja auch Spaß gemacht haben all die Reimpaare zu finden! Und: Hut ab vor dem Mut der Wiederholung! So bleiben Stücke ja halt auch haften! Er hat halt mal wieder gezeigt, was für ein guter Musiker er ist. So einfach ist das. Punkt.


2 Meter Stillstand
(ms) Wie ich seit eineinhalb Jahren in die Augen anderer Menschen schaue, hat sich vollkommen verändert. Es ist oft der einzige Part eines Gegenübers, der aus dem wertvollen, aussagekräftigen Mimikgerüst sichtbar ist. Augen erzählen extrem viel. Dann dachte ich, dass viel darin zu lesen sei. Möglich ist das. Doch wenn ein Gegenüber die Maske abnimmt, ist es doch ein anderer Mensch. Ich fahre viel mit der Bahn und sehe dort alle so. Kaum jemanden danach mal ohne gesehen. Wer sind sie? Was ich sagen will: Augen sprechen. Nicht alles, aber viel. Und in den Augen aller Beteiligten aus der extrem sehenswerten Dokumentation 2 Meter Stillstand von Philipp Welsing ist viel zu sehen. Verzweiflung, Ausweglosigkeit, Planlosigkeit. Und doch auch ein ganz kleiner Schimmer Hoffnung und Vorfreude auf den Tag X, wenn endlich alles wieder so ist, wie es sein soll. Hier sprechen Kulturschaffende aus Hamburg über ihre Situation. MusikerInnen, Gestaltende, Machende, Menschen hinter und auf den Bühnen. Den Begriff 'neue Normalität' finde ich unfassbar irreführend und falsch. Das hier ist nicht normal. Das darf es nicht werden. Es ist die absolute Ausnahme. Das, was wieder kommen wird, ist normal. Das Gewohnte. Und darum geht es: Was macht diese Pandemie mit Hamburger Kreativen? Wie geht es ihnen? Wie haben sie diese Zeit bislang erlebt? Was haben sie gelernt, sich gewünscht? Worauf freuen sie sich? Philipp Welsing ist in einer Dreiviertelstunde Ungeahntes gelungen. Denn: Die Erzählweise ist extrem aufs Schlichteste reduziert. Keine Off-Stimme, kein Schwenk, keine Musik im Hintergrund. Nur die Menschen, die im Kulturbetrieb arbeiten sind zu sehen und hören. Ihre Geschichten, Sorgen, Gedanken, Hoffnungen. Ihre Augen. Das hier ist sehr gut!

 
 
Marius Leirånes
(sb) Mo i Rana ist eine Stadt am Ende des Ranfjords, der nur wenige Kilometer südlich des nördlichen Polarkreises in Norwegen liegt. Von hier stammt der Musiker Marius Leirånes und der Sound spiegelt exakt das wieder, was man sich von dieser Randlage erwartet. Musik und Geografie sind eng miteinander verwoben. Orte haben ihre Klänge, und Klänge haben ihre Räume. Es ist viel über den "nordischen Sound" geschrieben worden und wir neigen dazu, an Isolation, Melancholie, eine bestimmte Art von Licht, Kälte, weite Flächen aus Eis und Fels zu denken, wenn es um die Tiefe Skandinaviens geht. Die Heimat von Marius Leirånes ist die Hälfte des Jahres in ewige Dunkelheit getaucht, während die Mitternachtssonne die Sommermonate rund um die Uhr erhellt. Drama, Dunkelheit, Schönheit und Licht in gleichen Maßen. Durch die Kombination von Elementen aus Electronica, Progressive Rock, Ambient und Post-Rock nimmt Langtidsperspektiv (VÖ: 23.07.) Euch mit auf eine Reise, die vom Heiteren zum Stürmischen und vom Tragischen zum Triumphalen reicht.

 
Taha
(sb) Hm, wie nennt man das jetzt? Ist das noch Rap oder schon Rock oder Punk? Crossover? Oder ist das Genre letztendlich eh egal, wenns gefällt? Ich entscheide mich mal für Letzteres und bin ganz überrascht, dass mich Medizin (VÖ: 02.07.), das neue Album von Taha (ehemals Kex Kuhl) passagenweise extrem anspricht. Tracks wie Benzin, Messer oder 666 (geiles Video!) sind einfach ziemlich geniale Bretter, die schon beim ersten Hören zum Mitsingen (oder gar Mitgrölen) einladen. Ich möchte da jetzt nicht zwingend von lyrischem Tiefgang sprechen, aber Spaß machts auf jeden Fall. Weniger anfangen kann ich mit den Songs, die einen Drogenbezug herstellen, weil mir das meist - und in diesem Fall ganz besonders - zu aufgesetzt und gewollt nach Bad Boy klingt. Brauchts des? Man sollte meinen, dass Taha einen Track wie Drugs eigentlich gar nicht nötig hätte, aber was solls? Wie dem auch sei, der Gesamteindruck bleibt (überraschend) positiv und lässt sogar selbstzerstörerische Tendenzen gut aussehen bzw. klingen.
 
 
Woods of Birnam
(ms) Geschafft! Diese Selektion beginnt und endet mit einem ähnlichen Thema: Artpop! Gerne wiederhole ich mich hier unten. So nenne ich die sehr kreative, künstlerische, vielschichte Herangehensweise an Musik, die dann breiter, feiner, mitunter auch dramatischer wird. Woods Of Birnam gehören auf jeden Fall in diesen Kreis hinein. Allein das Werk How To Hear A Painting ist ein mehr als eindrucksvoller Beweis dieses Musizierens! Genauso raffiniert: Mit diesem Eindruck brechen. Das tun sie auf dem neuen Stück All We Need: Ein lässiger Feel-good-Track, der mit einem markanten Rhythmus glänzt, aber sonst eher wenig hängen bleibt. Muss er auch gar nicht. Denn, was Christian Friedel und Co. dort aushecken, lässt die Vorfreude zündeln. Offenbar gibt es zum zehnjährigen Bandbestehen ein Fest, vielleicht ja eine Platte. So wie MusikerInnen das nun mal machen. Fände ich sehr, sehr gut! 

Dienstag, 15. Juni 2021

Lambchop - Showtunes

Quelle: byte.fm
  (ms) Aus welchem Blickwinkel betrachte ich ein Album? Welche Gefühle herrschen vor? Welche Erwartungen schlummern in mir? Wie will ich mitgerissen werden? Bereits zum neuen Mine-Album habe ich mich ein wenig darüber ausgelassen, dass seltsame Erwartungen das Hörerlebnis schmählern können.
Beim neuen Album von Lambchop geht es mir leider sehr ähnlich. Hier tut es mir sogar noch mehr weh als bei Mine. Mit Mines Musik bin ich nicht so sehr emotional verbunden. Bei Kurt Wagner und seiner Band, seinem Schaffen sieht das schon ganz anders aus. Lambchop höre ich schon seit locker 12, 13 Jahren. Von Abi bis Arbeiten. Mr M ist melancholische Zärtlichkeit, Nixon ein wunderschönes Gesamtwerk, Damaged die Platte mit meinem Lieblingslied der Band (Crackers) und FLOTUS der extrem gelungene Turn hin zu wohlig warmer elektronischer Einbettung des typischen Lambchop-Sounds. Trotz dass in vielen ihrer Lieder nicht viel passiert und sie im Stillen wirken, packt mich die Musik der Nashviller immer wieder ganz besonders. Ja, es ist die warme Ruhe, die diese Kunst ausmacht.

Nun steht seit ein paar Wochen Showtunes in den Regalen und liegt daheim auf dem Plattenspieler. Doch der dreht sich nur selten mit diesem Album. Das hat Gründe, die ich versuchen möchte, darzulegen.
Hoch anzurechnen ist Wagner und Co., dass sie sich immer weiter entwickeln, nicht bei einer bestimmten Herangehensweise an Musik stehen geblieben sind. Immer wieder Neues ausprobieren und den einen Klang vielfältiger gestalten. Das ist schon oft sehr gut gegangen. Showtunes zieht mich nicht mit. Und es liegt wahrscheinlich an dem experimentellen Ansatz. Kurt Wagner hat wohl ein Programm entdeckt, mit dem er seine Gitarren- in Klavier-Klänge umwandeln kann. Klar: Super Idee. Wenn man 'plötzlich' Klavier spielen kann, öffnen sich ganz neue Türen und Tore. Die Idee ist ja auch wahnsinnig gut. Doch in der Umsetzung ist wenig bis gar kein Drive zu finden. Nichts, das packt. Selten klang eine Platte von Lambchop derart leer und gewissermaßen uninspiriert trotz vieler neuer Möglichkeiten. Dieses Album ist genau das Stückchen zu minimalistisch, dass der zärtlichen Ruhe seine Strahlkraft sonst gibt. Kaum Beat oder Percussion ist auf den Liedern zu hören. Dafür allerhand elektronische Effekte nebenbei und ab und an eine verzerrte Stimme. Ich muss es so dramatisch sagen: Showtunes langweilt mich auf eine Art, die ich für meine Lambchop-Gewohnheiten nie für möglich gehalten habe. Kein Highlight könnte ich nennen, alles plätschert so hinfort ohne dass meine Ohren wirklich aufmerksam werden oder mein Herz angesprochen wird. Extrem schade, da mir diese Band so viel bedeutet. Hm.

Sollten sie bald auf Tour gehen und hierzulande vorbei schauen, gehe ich selbstredend hin. Allein in der Hoffnung auf die älteren Stücke. 

Freitag, 11. Juni 2021

KW 23, 2021: Die luserlounge selektiert

Quelle: facebook.com/galerie23
(sb/ms) Zugegebenermaßen hatte ich diese Woche kaum Zeit. Eine Besprechung zum aktuellen Lambchop-Album wird demnächst erscheinen. Auch für Zeitunglesen, offline oder online, hatte ich kaum Zeit. Daher bin ich auch nur mäßig informiert, was folgende Behauptung anbelangt: Wo - verdammt noch mal - bleibt die Empörung? Wie kann es sein, dass dort gute Laune herrscht? Wie kann es, um alles in der Welt sein, dass da jetzt gejubelt wurde? Ich verstehe es nicht. Es geht mir nicht in den Kopf!!! Da wurde in einem Bundesland eine rechtsradikale, völkische, inhumane Kackpartei gewählt mit über 20% der Stimmen. Heißt: Jede fünfte Person, die wählen gegangen ist, hat Nazis gewählt. 2021. So ist es. Das ist Fakt. Amtliches Endergebnis ist das Fachwort dafür. Und was ist auf den Bildern zu sehen? Eine jubelnde CDU, eine wie immer depressive SPD, die es nicht schafft ihre eigenen guten Ideen und Erfolge auf Bundesebene als ihre zu verkaufen, eine Linke, die es nicht schafft seit vielen Jahren ihre zahlreichen sehr, sehr guten Ideen nahbar zu machen und eine aufstrebende Partei, denen ich die Daumen drücke, die sich mehr erhofft haben. Und dann grinst dieser dämliche Lindner in die Kameras und faselt was von Wirtschaft. Bah! Zwanzig Prozent für Nazis. Mitten in Deutschland. Ich krieg leider schon wieder derart das Kotzen, dass mir schwindelig wird. Sorry.

Zum geht's um Musik. Hier ist die luserlounge. Wir haben selektiert. Denn es ist Freitag! Ab dafür:

Oehl
(ms) Es gibt sehr gute Gründe, die Band Oehl sehr gut zu finden. Ich bin ihnen total verfallen. Los ging es mit Wolken, dann das Album, die Live-Show und nun die bald erscheinende EP 100% Hoffnung (VÖ: 2. Juli). Denn Ariel und Hjörtur haben es geschafft einen wirklich eigenständigen, neuen Klang zu kreieren. Das ist wundervollste Artpop-Musik, die immer wieder das Herz streift. Das liegt an den sanften, klugen Arrangements und Ariels phantastischem, lyrischem Talent. Auf der kommenden EP geht er vom klassischen Songwriting über zum Storytelling und es geht voll auf! 300.000 heißt das Stück, das seit letzter Woche zu hören und sehen ist. Ungewöhnlich: Es reimt sich ganz wenig. Gewöhnlich (für Oehl-Verhältnisse): Ariel nuschelt wieder so herrlich herum, dass es gar nicht so verkehrt ist, den Text einzublenden. Wichtig: Er spricht nicht so. Auch das ein tolles Alleinstellungsmerkmal. Worum geht es in dem Lied? Veruntreuung von Geld. Alles auf wahren Geschichten aus der jüngsten österreichischen Geschichte genommen. Den Rest erzählt das Stück selbst: Hören und staunen, wie empathisch er mit den Augen erzählen kann!
 
 
Matze Rossi
(sb) Er waristbleibt ganz klar einer der besten deutschsprachigen Sänger und Songwriter und daran ändert auch das neue Album nichts. Matze Rossi zieht auch auf Wofür schlägt Dein Herz (VÖ: heute!) alle Register seines Könnens und überzeugt vor allem textlich voll und ganz. Interessanterweise wurden gerade die beiden Tracks als Singles veröffentlicht, die mir am wenigsten gefallen. Aber klar: Das ist Jammern auf ganz hohem Niveau, denn auch diese beiden Songs (Die Vögel fliegen himmelwärts und Du weißt immer wie spät es ist) beweisen, dass Matze das Herz am rechten Fleck hat und seine Emotionen wunderbar in Worte fassen kann. Eindringlich und zugleich menschlich berührt Matze Rossi die Herzen der Hörer - und das seit vielen, vielen Jahren. Ganz ehrlich: Wenn ich mir einen Musiker aussuchen könnte, mit dem ich mich mal einen Abend lang an die Bar setzen und reden darf, dann wäre es der Herr aus dem fränkischen Schonungen. Beste Songs des Albums: Stadtflucht, Herz einer herzlosen Welt und das alles überstrahlende Vogelmann. Er schafft es einfach immer wieder, mich einzufangen...

Live und corona-konform demnächst hier:
 
13.06. DE - Köln Underdog Recordstore (StreamingShow)
09.07. DE - Welzin Kultursommer
10.07. DE - Schweinfurt - Stattbahnhof Biergarten
11.07. DE - Coburg Kunstverein
24.07. DE - Essen - Grend
25.07. DE - Braunschweig - Wolters Kultur Garten
30.07. DE - Würzburg - Kulturpicknick
31.07. DE - Haren - Uferklänge 2021
13.08. DE - Trier - Brunnenhof
14.08. DE - Kaiserslautern - Kammgarn
15.08. DE - Köln - VCA Buhmann & Sohn
17.08. DE - Hamburg - Schrödingers
18.08. DE  - Bremen - Tower
19.08. DE - Rostock - Fantasia
20.08. DE - Privatshow
21.08. DE - Beverungen - Orange Blossom Festival
22.08. DE- Oberhausen - Druckluft
27.08. DE- Bucha - Rusticus Festival

 
The Damned Don't Cry
(ms) Sechsundzwanzig Sekunden können viel aber auch gar nichts sagen. So bin ich mit einem Urteil aus diesem winzigen Eindruck auch noch sehr, sehr vorsichtig. Denn: Aus Koblenz kommen so gut wie immer gute musikalische Nachrichten. Dort hat Carlos Ebelhäuser her. Mit Blackmail und Scumbucket hat er selbst auf der Bühne stehend gezeigt, wie wuchtig Gitarren klingen können. Die andere Hälfte ist Ingo Drescher, der Gleiches mit Cuba Missouri getan hat. Logische Folge: Das, was sie nun zusammen unter den Namen The Damned Don't Cry machen werden, wird dicht und dynamisch. Die ersten sechsundzwanzig Sekunden klingen in meinen Ohren noch etwas seicht, aber das ist halt auch nur ein kurzer Ausschnitt. Vampire wird dann wohl die erste Single aus Doing, Making, Saying Things sein, die Ep, die im Herbst erscheinen wird. Könnte gut werden, oder?
 

Telquist
(sb) Ich gebe zu: Ich hätte nicht gedacht, dass Telquist in Albumlänge funktioniert. Aber hey, was der Regensburger Sebastian Eggerbauer da auf Wild-Haired (VÖ: 04.06.) abliefert, ist ganz großer Sport! Passt ja auch irgendwie, schließlich wurde das gute Stück bei Blickpunkt Pop, dem Haus- und Hoflabel der Sportfreunde Stiller, veröffentlicht. Das ist so unverschämt lässig und entspannt, dass man sich eine Couchlandschaft mit angrenzendem Pool und dem ein oder anderen Gin Tonic herbeisehnt. Hamma aber nicht und so müssen aufreizend coole Tracks wie Mojo, Taste oder Cheesy Cars für die Abkühlung sorgen. Jetzt brauchts eigentlich nur noch Sommer.
 

A Place To Bury Strangers
(ms) Unter der Woche kam ich nachmittags von der Arbeit, nahm mir ein Heißgetränk meiner Wahl, machte eine kleine Pause auf dem Sofa, um entspannt neue Musik zu lauschen. Dieser Plan schlug fehlt. Denn von Entspannung war überhaupt kein Anzeichen zu verspüren. Der Grund: A Place To Bury Strangers ballerte aus meinen Boxen. Zugeben: Ich kannte die Band bis dieser Tage nicht. Dass sie versuchen, die lauteste Band der Welt zu sein, leuchtet mir ein, während ich schon in ihre neue EP Hologram hören darf. Die fünf neuen Stücke erscheinen am 16. Juli auf ihrem neu gegründeten, eigenen Label. Da ich nicht genau was, Postpunk überhaupt sein kann, ist das Genre Noise viel griffiger, obwohl es so wahnsinnig gaga ist. Ja, es ist ziemlicher Krach, aber es ist geil. Mit Tempo, Wucht und reichlich verzerrenden Effekten. Wikipedia sagt, dass sie bekannt seien für ihre überaus lauten Konzerte. Das finde ich sympathisch. So etwas habe ich mal bei Mogwai erlebt, supergut! Fünf Stücke also, die düster aber mitreißend sind! Ganz in unserem Sinne!


Saint Sister
(sb) Seit Therapy? und Ash habe ich ja ohnehin ein Faible für Musik aus Nordirland, doch mit Saint Sister wissen nun auch zwei junge Damen zu gefallen, deren Genre so gar nichts mit meinen All-Time-Favourites zu tun hat. Atmosphärische Melodien, abwechslungsreiche und resonante Klanglandschaften, Synthesizer, Drumcomputer, aber auch Harfen, Streicher,  Klavier und andere Live-Band-Komponenten - das ist schon sehr stimmig, was Morgan MacIntyre und Gemma Doherty da auf Where I Should End (VÖ: 25.06.) präsentieren. Als Gast ist zudem Lisa Hannigan zu hören, die vor zig Jahren zusammen mit Damien Rice die Charts stürmte. Mehr als nur ein Geheimtipp!

 
Walking On Rivers
(sb) Indie-Pop, Indie-Rock. Klingt ausgelutscht, kann halt aber doch so mit das Schönste sein, was die Musikwelt zu bieten hat. Mit Walking On Rivers sorgt eine Band für eine überaus positive Überraschung, die man irgendwie gar nicht mehr so recht auf dem Schirm hatte. Die Dortmunder sind zwar alles andere als ein Newcomer, haben sich aber in den vergangenen Monaten doch neu erfunden und der modifizierte Style steht der Band ungemein gut. Catchy, herrlich melodisch, angenehme Stimme und geile Refrains. Läuft! Hört mal rein in die Time To Lose Control EP (VÖ: 04.06.) und lasst Euch begeistern.

Gibts auch live:

12.06. Dortmund, Westfalenhalle (Streaming Konzert)
06.07. Hamburg, Schrödingers im Schanzenpark
07.07. Köln, Kantine Open Air

 
KAFVKA
(sb) So, nun aber doch nochmal kurz zurück zum Einleitungstext dieses Artikels, denn genau mit dieser Thematik befassen sich auch KAFVKA auf ihrem neuen Album Paroli (VÖ: heute!). Und, Leute, das Teil ist ein Manifest! Da trifft Waving The Guns auf die Irie Révoltés und textlich wird ordentlich gegen Rechts ausgeteilt. Besonders der Titeltrack Paroli geht voll auf die 12 und fasst das politische Geschehen in diesem unseren Land treffend zusammen. Erfreulich natürlich auch, dass Sookee mal wieder am Mic zu hören ist, die zusammen mit Roger Rekless als Feature bei Alle Hassen Nazis einen Part beisteuert. Die Scheibe ist rund (im wahrsten Sinne des Wortes!), kommt ohne Schwachpunkte aus und stellt klar: Wir werden nicht nachgeben! Und: Gegen Rechts zu sein, bedeutet nicht automatisch, dass man linksradikal ist, sondern einfach nur "normal". Aber das werden die EkelhAfDen wohl nie verstehen... Als sehr gelungen ist auch das Semi-Ärzte-Cover SNL zu bezeichnen - siehe Video!

 
The Weather Station
(ms) Eines der Alben, die mich dieses Jahr schon so richtig umgehauen haben, kommt von The Weather Station. An diversen Stellen dieses Blogs habe ich bereits meine Faszination dargelegt. Tamara Lindeman hat mit Ignorance ein unfassbar feines, kluges, atmosphärisches und sehr kunstvolles Hörwerk erschaffen. Ein Glück, dass gute Musik immer noch erfolgreich ist, ohne überall zu charten und auf jedem Schrottsender zu laufen. Beweis: Die ersten Chargen Vinyl sind bereits ausverkauft und im Herbst gibt es eine passende Nachpressung, die ich allen Menschen mit Geschmack ans Herz lege. Ich muss da auch zuschlagen! Und es gibt noch mehr gute Neuigkeiten: Neben einem Sommer, in dem endlich wieder massig Konzerte stattfinden werden, werden bald wohl auch wieder Clubkonzerte möglich sein. Zu einigen kommt die Musikerin in unsere Hörweite! Besuchsempfehlung!

28.03.2022 - Berlin, Frannz Club
04.04.2022 - Hamburg, Nochtwache
05.04.2022 - Köln, Blue Shell
06.04.2022 - München, Milla

Freitag, 4. Juni 2021

KW 22, 2021: Die luserlounge selektiert

Bild: kyrasidwell.wordpress.com
(ms/sb) Es gibt unzählige Gründe, warum es sich schickt, nicht die Spiele der Champions League im Fußball der Herren zu verfolgen. Hauptsächlich selbstredend wegen der völlig irr gewordenen Vermarktung und dieser Super League-Kacke. Der Öl-Club hat gegen den Öl-Club gewonnen. Oder so. Interessiert ja eh keinen. Die Schreiberlinge der luserlounge sind auch passionierte Fußballfans. Doch in anderen Ligen. Und mit einer anderen Einstellung.
Ein, zwei Berichte las ich mir doch über das Finale durch, scorllte so durchs Netz und konnte schon fast wieder direkt kotzen, als ich Folgendes las: 'In Europa wird wieder Deutsch gesprochen.' Das war wohl irgendeine Pressestimme zu dem Spiel. Völlig gaga und absurd, nur weil die Trainer der letzten drei Siegermannschaften hier geboren worden sind. Kaum ist man bei Fußball, werden schon wieder schwarz-rot-goldene Farben geschwenkt und heimlich abgehitlert (ja, ich übertreibe bewusst). Direkter Kotzreiz. Und dann steht ja auch noch die EM an. Die der U21 läuft schon. Die anderen spielen bald irgendwann. Da bekomme ich direkt Angst vor besoffenen das-wird-man-ja-noch-machen-dürfen-Fahnenschwenkern. Zum Glück ist Wegfahren wieder drin!

Hier ist die luserlounge. Es ist Freitag. Wir haben Hörenswertes aus der Woche selektiert! Voilà!

Bitume
(sb) Das Oldenburger Quartett Bitume hat mittlerweile auch schon über 20 Jahre auf dem Buckel, von Müdigkeit ist jedoch keine Spur zu erkennen. Ganz im Gegenteil! Die pandemiebedingte Auszeit wurde bestens genutzt, um weit auszuholen und sowohl musikalisch als auch textlich in die Vollen zu gehen. Besonders der Auftakttrack D21 mit seiner Bestandsaufnahme der teutonischen Verhältnisse ist eine Abrechnung allererster Güte. Auf Die Entscheidung (VÖ: 25.06.) bekommt Ihr neben intelligentem Punkrock auch catchy Melodien und vereinzelte Ska-Vibes um die Ohren geschleudert, die die Band hoffentlich auch bald auf die Bühnen der Nation zaubern kann.


Gregor McEwan
(ms) Ist es möglich, zu viel Eis zu essen? Ist es möglich, zu viel Obst zu essen? Ist es möglich, zu viele Cocktails zu trinken? Ich denke nicht. Alles drei sind Lebensmittel, die ohne Maß genossen werden können. Wenn nicht: Müssen. Alles andere sollte nun Gregor McEwan beantworten, der alles sicher in gutem Umfang für sein neues Video verzehrt, genossen hat. Dieser Teufelskerl! Macht einfach zu jeder Jahreszeit eine EP. Summer also als nächstes und Summer Breeze ist das Stück, was es daraus bereits zu hören gibt. Teufelskerl auch, weil so verdammt wandelbar. Er kann Folkpop, Artpop und nun kommt eine wahnsinnig kurzweilige Gitarrenpopnummer mit einem überbordenen Maß an Lässigkeit daher. Ich bin fest davon überzeugt: Es ist nicht leicht, einen derart entspannten Song zu schreiben, wie diesen hier. Ja, im Grunde genommen passiert musikalisch nicht viel. Atmosphärisch aber schon. Ich will auch ein Glas samt buntem Inhalt und auf jeden Fall diesen Flamingo! Herrlich! Zum Glücklich sein braucht es nicht viel. Manchmal ist es nur ein Song, der zwei Minuten und siebenundvierzig Sekunden dauert.


Pendulum
(ms) Vor einigen Jahren beim Lieblingsfestival, dem Open Flair: Sonntagabend. Ich glaube, dass Rise Against oder so als letztes gespielt haben. Falsch. Als vorletztes. Eine wahnsinnig gute Liveband, auf Platte geben sie mir nicht so viel. Danach stromerten schon einige Besucher hinfort. Wir blieben und machten die Nacht zum Tag. Moment, das stimmt so nicht. Pendulum machten die Nacht zum Tag. Auf ihrer Bühne standen unzählige Scheinwerfer aller erster Lumenklasse! BAM! Taghell in Eschwege, super guter Effekt. Tja. Und dann?! Ohne Umschweife: Sie haben die Anwesenden kaputt gemacht. Mit ihrem extrem energiegeladenen Mix aus Kraft, Dynamik, Lautstärke und Kompromisslosigkeit ging es ab. Vielleicht war es nur eine Stunde oder so, aber sie blieb auf extremer Art haften. Was ein Brett an Show! Danach nahm die Band sich eine Auszeit, Knife Party war das Nebenprojekt. Und nun sind die Australier zurück. Die Elemental EP (VÖ: 17. Juni) ist das erste musikalische Lebenszeichen der drei seit Jahren! Die Härte im Klang ist wieder genau da, wo sie sein soll. Dazu ein wenig Pathos im Gesang und ordentlich Wumms! Das geht ab. Das tut gut! Die Nacht zum Tag!

 
Wormwood
(sb) Wormwood wurden 2014 als Black'n'Roll-Band gegründet. Ihre erste Veröffentlichung The Void - Stories From the Whispering Well wurde ein Jahr später in der Stockholmer Underground-Szene zum Hit, obwohl die Band selber damit gar nicht so arg zufrieden war. Klanglandschaften von schwedischer Melancholie, Geschichten von Hungersnöten und unsäglichem Grauen bilden das Rückgrat des Quintetts. Ihr neues Album Arkivet (VÖ: 16.07.) nimmt Euch mit auf eine Reise durch Länder, die bald menschenleer sein werden, in eine nicht allzu ferne Zukunft, in der Menschen ihren Verstand, ihren Willen zu gehen und ihre Heimat verloren haben. Düster, apokalyptisch und richtig gut. Ich hab mir das gestern in totaler Finsternis beim Serpentinenfahren in den Schweizer Alpen angehört und dieser Kontrast zwischen infernalem Lärm aus den Boxen und totaler Ruhe draußen war einfach nur magisch.

 
James
(sb) Im Münchner Atomic Café gab es einst ein ungeschriebenes Gesetz. Wenn die Hymne Sit Down aus den Boxen dröhnte, folgte man der Anweisung von James und setzte sich auf die Tanzfläche. Spätestens dann wurde klar, wer Stammgast war und wer Gelegenheitsbesucher. Bereits seit 40 Jahren (mit einer siebenjährigen Unterbrechung zu Beginn der 00er-Jahre) beehrt uns die Band aus Manchester mit feinstem Alternative Rock und Brit Pop. Während die Band im UK bereits fünf Top 3-Alben feiern durfte, hat sie es in den deutschen Charts bisher noch nie geschafft, die Top 100 zu knacken. Wahnsinn eigentlich!
Bassist Jim Glennie bringt das neue Album All The Colours Of You (VÖ: heute!) treffend auf den Punkt: "Ich bin gleichermaßen erfreut, stolz und überrascht von dieser Platte. Produzent Jacknife Lee hat uns und die Songs an einen neuen Ort gebracht und das ist sehr aufregend. Nach all diesen Jahren fordern wir uns und unsere Fans immer noch heraus. Viel Spaß."
Leute, holt Euch diese Platte und bringt James endlichendlichendlich in die deutschen Verkaufscharts!
 

WiebuschBosseUhlmann
(ms) Drei Chinesen mit'm Kontrabass. Das wollte ich schreiben, steht ja jetzt auch da. Ist natürlich eine rassistische Liedzeile, aber sie ploppte in meinem Geiste so auf. Uhl wollte ja das Boss-e-Ding eher im Vordergrund. Nun haben sie sich entschlossen, einfach die drei Namen AMK-mäßig aneinander zu pappen. Auch eine super Idee. Moment mal, durchatmen. Worum geht es eigentlich?! Machen wir es kurz: Bosse, Uhlmann und Wiebusch werden zusammen eine kleine Sommertour spielen! Wie geil ist das denn bitte? Ich bin ganz ehrlich: Dass die GHvC'ler mit Bosse gut können, war mir schon klar, aber dass sie sooo gut miteinander können, das war mir unklar. Kurzum: Das wird unglaublich gut. Völlig unklar aber, wer wie viel reden wird und ob Bosse und Wiebusch Uhlmann vom Laberflasch abhalten können. Es wird Solo- und Bandlieder geben. Die drei covern sich gegenseitig. Und statt Kontrabass selbstredend mit der guten alten Klampfe in der Hand! Wir sehen uns dann vor der Bühne. Ich werde der mit dem Bier in der Hand sein!

05.08. Stuttgart, Freilichbühne Killesberg
06.08. Köln, Tanzbrunnen
07.08. Darmstadt, EndlichOpenAir
08.08. AT - Wien, Globe
11.08. Hamburg, Stadtpark (ausverkauft!)
13.08. Eschwege, Open Flair
14.08. Berlin, Hoppegarten
15.08. Hannover, Parkbühne