(ms) Letztens saß ich mit Freunden auf ein Bier zusammen und wie so oft haben wir über Musik, Musiker, Bands, Konzerte, Erfahrungen und Passion gesprochen. Es war ein gemütlicher Abend, an dem natürlich viel kluggeschissen wurde. Irgendwann sagte einer: "... das ist auch eines dieser Alben, die viel zu lang sind." Stellt sich also unmittelbar die Frage: Wie lang darf, soll, kann eine Platte sein, dass es nicht allzu strapaziert? Darf eine gute Scheibe auch extrem lang sein, um gut zu sein? Inwiefern ist es tatsächlich ein geeigneter Maßstab, um Qualität zu bewerten?
Zack! Schon ist man mitten drin in einem Firstworldproblem und einer scheinbar hoch musikphilosophischen Diskussion: "Ein gutes Punkalbum kann auch getrost unter einer halben Stunde liegen, Hauptsache es scheppert richtig." - "Das letzte Lambchop-Album fand ich paradoxerweise zu lang, obwohl das Herzstück des Albums 18 Minuten geht." - "Vexations von Get Well Soon geht etwas über eine Stunde, das ist fast schon too much."
So geht das dann hin und her. Ein richtig und falsch gibt es da - zum Glück - nicht. Es soll ja alles Geschmackssache sein und bleiben.
Mit diesem Thema sind wir jedoch mitten an einer hochkomplexen Veröffentlichung, die an diesem Freitag erscheint. Interpret: UNKLE. Album: "The Road pt. I". UNKLE heißt James Lavelle und ist seit einer Viertel-Dekade im Business unterwegs, erst als Mo' Wax, jetzt als Onkel.
"The Road pt. I" misst 16 Tracks, davon fünf kleine Einspieler mit gesprochenem Text, die wie Motivations-Coach-CDs klingen. Die Platte geht 56 Minuten. Langsam, gemächlich, Schritt für Schritt, Track für Track muss man sich diesem musikalischem Ungetüm nähern, wenn man es fassen möchte.
Schwer zu fassen: James Lavelle.
Das erste Stück heißt direkt Farewell, na das geht ja gut los und macht Mut. Es startet wie ein klingender Abschied, so melancholisch, und ist das erste Feature mit ESKA. Danach kann man sich allerdings kaum noch halten, wenn die ersten Takte von Looking For The Rain einsetzen. Direkt an zweiter Stelle so ein Highlight! An den Schaltstellen neben Lavelle befindet sich Mark Lanegan, der singt und den Text geschrieben hat. Ein tragendes Orchesterarrangement rahmt diesen Knaller passend ab, der mit Druck, Dramatik und einem treibenden Beat glänzt. Bei Cowboys And Indians denkt man in den ersten Momenten, hier könne man durchschnaufen - doch weit gefehlt. Ein Electro-Industrial-Beat gepaart mit gezupfter Gitarre lassen dafür keinen Raum. Auf Nowhere To Run / Bandits hört man auch das Mastermind selbst singen, der sich sonst eher mit der Produktion, Ideen und Arrangements im Hintergrund hält. Stole Enough mit Mink am Mikrophon ist ein gutes Beispiel für die Stärken und Schwächen des Albums. Die vielen Wechsel im Klang und der Besetzung lassen das Werk eher wie ein Mixtape erklingen, oft ist der rote Faden nur schwer zu erahnen. So kann man jedoch - zwei Seiten der Medaille - jeden Song einzeln sehen. Alle Silrichtungen sind auf The Road vereint, auf dem ESKA erneut singt.
Prominente Gäste wie Troy Van Leuwson und Jon Theodore von Queens Of The Stone Age lassen sich bei einzelnen Songs am Schlagzeug und an der Gitarre hören.
So ist ein abschließendes Resümee nur schwer zu objektivieren. Sicherlich ist es ein starkes und mannigfaltiges Album. Wie es als Gesamt(kunst)werk funktioniert, muss jeder für sich entscheiden. Spannend wird es, wenn das ganze live aufgeführt wird. Wann Lavelle hier zu sehen ist, kündigen wir euch an.
Und klar: Es hieße nicht "pt. I", wenn der zweite Teil nicht längst in der Mache wäre...
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