Montag, 10. Oktober 2016

Dlé und Tantalos oder: Wie krass ist das denn?

(ms) Jetzt mal ganz ehrlich, Butter bei die Fische, Titten auf den Tisch! Welche großen Innovationen im Musikbusiness haben wir in den letzten Jahren noch miterlebt? Die klassische Besetzung von Gitarre-Bass-Schlagzeug-Gesang wird in ewiger Endlosschleife im Pop- Rockmilieu wiedergekeut; einzig außergewöhnliche Texte oder schräge Gestalten wie Wanda können hier noch als Ausreißer gelten. Genauso sieht es doch im Hip Hop auch aus: Das einzig Brilliante an der neuen Beginner-Scheibe war die große zeitliche Lücke zum letzten Werk, auf Neues abseits des Sidekick im TV erwartet man vielleicht nur noch von Dendemann. Und der einstige Dicke-Eier-Rap von Sido und Konsorten läuft mittlerweile auch bei meinen Eltern im Radio.
Alles ganz schön ermüdend. Da müssen doch noch Leute mit Ideen sein, mit einer Produktion, die die Rahmen sprengt, die den wirklichen Mut haben, Grenzen einzureißen, sowie den Hörer mit seiner ganzen Aufmerksamkeit herauszufordern!
Antik: Dlé!
Dies ist jetzt keine Übertreibung, kein Scherz, sondern vollkommener Ernst.
Es gibt eine Kombo, die genau dies geschaffen hat. Sie nennen sich Dlé und es sind Jaques Tabaques, Kemo und Jackson Mehrzweck. Am 14.10 veröffentlichen sie via Kreismusik (Käptn Peng, Shaban etc.) ein Album, das "Der Fluch der Tantaliden" heißt.
Wie bitte? Was soll das denn?
Diejenigen, die früher in der Schule wirklich gut aufgepasst haben in der griechischen Mythologie, wissen sofort Bescheid! Stichwort: Tantalos und wie er versucht hat die Götter an der Nase herumzuführen.
Ja, aber was hat das denn mit Hip Hop zu tun?
Ganz einfach: Dlé haben es sich zur Aufgabe gemacht, aus dieser Sage ein wahnsinniges Rap-Hörtspiel zu basteln, welches sie bisher schon am Theater Aachen aufgeführt haben.
Der Fluch der Tantaliden ist ein wirklich verworrenes wie auch einfach zu folgendes Stück, das sich im Grunde darum dreht, wie die folgenden Generationen nach Tantalos von einem Fluch belegt sich, der dazu führt, dass die jeweiligen Kinder sich so dermaßen hassen, dass sie sich alle umbringen wollen. So einfach, so nachvollziehbar.



Wenn dies nun aber im Original einfach mit einem Beat mehr oder weniger vorgelesen werden würde, käme ein Gähnen ziemlich schnell.
So jedoch nicht auf dieser Platte!
Tabaques, Kemo und Mehrzweck schlüpfen in die Rollen der Protagonisten, Götter, Erzähler, Mörder, heißen Weiber (Hippodamaia, Hallo!) oder krassen Wagenlenker à la Myrtilos (the Mighty one!). Was daraus resultiert ist so unfassbar unterhaltsam und lustig wie auch ein wenig gaga. Eine Sage im Rap-Sprech. Das führt unweigerlich zu kulturellen Konfrontationen, aber drauf geschissen. "Der Fluch der Tantaliden" ist mit Abstand das Außergewöhnlichste, das mir musikalisch je unter die Nase gekommen ist, es ist aberwitzig, geht ins Ohr ("Joao Oinomaos"), fordert aber auch heraus. Die Handlung zum Ende hin verdichtet sich ungemein und ein mehrmaliges Hören ist unvermeidbar. Doch muss dabei stets die Liederreihenfolge eingehalten werden, sonst kommt man durcheinander. Eine gute Hilfe ist zudem das Cover des Albums, auf dem die Beziehungsgeflechte aufgelistet sind, damit der Hörer mitkommt.
Dies hier ist so schräg und so verdammt gut, dass eine Anschaffung des Albums unvermeidlich ist!

Hier demnächst live:

15.10.16 Berlin - Villa Neukölln
17.10.16 Hannover - Cumberlandsche Galerie
04.12.16 Berlin - Deutsches Theater

1 Kommentar:

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