Montag, 31. Oktober 2016

Lemur & Marten McFly - Provisorium

Lemur & Marten McFly.
(ms) Abgesehen von all den Jungs mit Dreitagebart, Akustikgitarre und melancholischen Texten, ist Rap und Hip Hop derzeit das erfolgreichste Genre, das die Musiklandschaft zu bieten hat. So vielfältig und stark war deutscher Rap seit langer, langer Zeit nicht mehr. Und auch nicht so spannend. Die alten Größen (Deichkind, Sido, Fettes Brot, Die Fantastischen Vier, auch Die Beginner) wurden textlich und beatlastig schon vor einigen Jahren von der nächsten Generation abgelöst. Die heißt: KIZ, Alligatoah, Käptn Peng, SSIO, Fatoni und auch viel Underground-Künstler wie Waving The Guns und Pöbel MC.
Es sind viele Gruppierungen da, die wahnsinnig viel Bock machen aber auch Aufmerksamkeit fordern, da sie textlich auf einem hohen Niveau sind. Der alte Schrei, wo denn Oldschool-Rap sei, ist überflüssig geworden. Guter Hip Hop mit den einfachen, starken Beats, die man sich wünscht, kann man entdecken, wenn man ihn den finden will.
So auch Lemur und Marten McFly.




Lemur war mal als Herr von Grau bekannt. Dieses Projekt wurde begraben und zusammen mit Marten McFly lässt er seine herrlich wiedererkennbare Stimme brillieren. In einem schnellen und effizienten Entstehungsprozess kam die gemeinsame EP "Provisorium" dieser Tage auf Kreismusik heraus: Digital only! Provisorisch waren dabei die ganzen rohen Songs, die Marten McFly schon zuhause gebastelt hat. Lemur hat nachbearbeitet. Schön unfertig ist das Ergebnis, klingt herrlich direkt, nicht ganz perfekt, aber daher so stark im Text und Beat. Sechs Songs sind es geworden, aber keiner davon mal eben so hingeklatscht. Exemplarisch ist "Lächeln" beim gemeinsamen Freestyle entstanden und einfach eingespielt. Provisorisch auch der Beat von Shaban zu "Meine Musik", der einfach genutzt wird. Inhaltlich klug, bissig, große Fragen des Lebens, Wortwitz und die Erkenntnis, dass alles nur ein Provisorium ist, gut getaped. "Geteiltes Ei" ist so gaga wie genial: Hier wird mit Bauernregeln und Kalendersprüchen abgerechnet und diese ad absurdum geführt.
Die melancholische Grundstimmung könnte den Hörer runterziehen - "Ich komm' klar, ich könnt' brechen" - tut es aber nicht, weil man lauschen sollte.
Wer Bock auf ein starkes Rap-Tape hat, sollte schnell zulangen und sich die beiden live ansehen.


Donnerstag, 27. Oktober 2016

Korn - "The Serenity of Suffering" und Nu Metal Teil II

KoRn. Quelle: korn.com
(ms) Alle Jahre wieder: Korn bringen ein neues Album auf dem Markt. Das letzte habe ich noch wohlwollend aufgenommen, verstaubt aber arg im Plattenregal. Der Klang war zu weich, runtergespült, harmlos. Wenn ich Korn hören will, möchte ich, dass das aggressiv, übel, herausfordernd und so druckvoll ist, dass man gepflegt die fehlende Metal-Mähne schwingen will.
Seit gut einer Woche ist "The Serenity of Suffering" nun erhältlich und es stellt sich die alte Frage: Was soll man erwarten? Was kann man noch erwarten? Die Band besteht seit über zwanzig Jahren, die Musiker sind Mitte/Ende vierzig, sehen durch Haarschmuck und Tattoos aber nicht so aus. Live werden die alten Hits wie "Blind", "Y'all Want A Single", "Freak On A Leach", "Did My Time" abgefeiert. Die neuen Sachen kaum. Geht es endlich mal um etwas anderes als das Hamsterrad von Jonathan Davies' Selbstmitleid?
Eigentlich hatte ich keinen wirklichen Ansporn, mir die Platte zuzulegen. Nun bin ich doch drüber gestolpert und unendlich froh drüber! Was für ein Brett! Aber jetzt wirklich.




Klar muss sein: Die fünf Amis haben hier das Rad nicht neu erfunden.
Doch man kann wirklich behaupten, dass sie aus der lang andauernden Krise gekommen sind. "Untiteled" ist gefloppt, "Korn III: Remember Who You Are", auch ziemlich schwach, "The Path of Totality" war dann das Dub Step-Experiment, über das letzte Werk habe ich mich ausgelassen.
So bitter das auch klingen mag, sind das mehr als zehn Jahre, wo die Band nicht so recht wusste, wohin.
Was ist dann der sinnvollste Gedanke, weiter zu machen?
Genauso einfach wie genial: Die alten Stärken wirklich wieder aufbeleben und es nicht bei einem halben Versuch belassen.
Dumm ist nur gelaufen, dass sie mit "Take Me" und "A Different World" - trotz des Features mit Corey Taylor - zwei schwache Songs als Single gewählt haben. "Rotting In Vain" macht da schon mehr Laune, insbesondere zum Schluss. Ein seltsamer Knackpunkt: zum Ende hin werden einige Songs, die gut eineinhalb Minuten vor sich her dümpelt, brutal stark: "Black Is The Soul", "The Hating", "Everything Falls Apart". Zu überzeugen wissen "Please Come For Me" und "Insane", allein des Titels wegen. Häufig sind Gesangseinlagen à la "Twist" zu hören und schrammelige Gitarrensound wie auf den ersten zwei Alben. Das haben sie - man muss es so einfach sagen - stark gemacht. Auch die beiden Bonustracks "Baby" und "Calling Me Too Soon" müssen sich eigentlich nicht verstecken.




"The Serenity Of Suffering" hat die Gewalt, den Wumms, den Druck, den slappenden Bass, das Geschrei und den überzeugenden Gesamteindruck, den man sich seit vier oder fünf Alben - d.h. einer verdammt langen Zeit - gewünscht hat!
Ich hoffe, dass ich diese Review zum nächsten Album hin nicht wieder bereuen werde und die Platte die Kraft behält statt verliert.

Wer sich live einen Eindruck verschaffen will, kann das hier tun:

24.03. Stuttgart - Hanns-Martin-Schleyer-Halle
25.03. Düsseldorf - Mitsubishi Electric Halle
27.03. Hamburg - Alsterdorfer Sporthalle
28.03. Berlin - Velodrom
02.04. München - Zenith
03.04. Wien - Gasometer

Dienstag, 25. Oktober 2016

Brandt Brauer Frick: "Joy"?

Klangkünster unter sich. Foto: Max Parovsky.
(ms) These: Es gibt keine Grenze mehr zwischen Klassik und populärer Musik im Allgemeinen. Das Zeitalter der Unterscheidung zwischen U- und E-Musik, also unterhaltender und erster Musik, die insbesondere bei/für die GEMA getroffen wird, ist vorbei. Die Kriterien sind obsolet. Wo soll diese Grenze gezogen werden? Ist es überhaupt sinnvoll, sie zu ziehen? Das sind Fragen, die Sprengstoffwirkung entfalten können, stellen sie doch das Selbstverständnis klassischer Musik infrage.
Damit provozieren auch Daniel Brandt, Jan Brauer und Paul Frick. Vor acht Jahren zusammengefunden, nennen sie sich der Einfachheit wegen Brandt Brauer Frick, für alle die nichts mit Lautmalerei anfangen können. Die drei jungen Herren sind klassisch an ihren Instrumenten ausgebildet worden und könnten theoretisch in einem Orchester oder großen Ensemble spielen. Wollen sie aber nicht. Vielmehr wollen sie die musikalischen Sphären auf den Kopf stellen und mit ihren Möglichkeiten tanzbare Musik machen. Wieder sind wir beim Crossover. Ohne Gesang angefangen, bringen sie am Freitag über Because Music ihr viertes Album raus. Diesmal weitestgehend mit Gesang. Und zwar vom Kanadier Beaver Sheppard, der auch mit einer herrlich lachenden Fratze das Albumcover ziert!
Der Anspruch live mit großem Ensemble elektronische Tanzmusik zu machen ist hoch, und sie erfüllen in im höchsten Maße!




Das Album hört auf den Titel "Joy". Freudvoll soll es also zugehen. Lockerheit, Leichtigkeit, gute Stimmung. Das wären die ersten Assoziationen.
Für die zehn virtuosen Tracks ist das nicht zu behaupten. Klarstellung: Damit ist keineswegs gemeint, dass das Album schlecht ist. Im Gegenteil! Der Titel passt halt nur nicht so gut zum Sound.
Der Klang ist kompliziert, manchmal zerfahren, manche Rhythmen sind entgegengesetzt, anspruchsvoll geht es durchaus zur Sache. Aber auch so melodisch, dass man sich tanzend im Klang verlieren kann!
Es ist Techno, Minimal, Pop, Indie, Electro, Großstadtsound.
Manchmal brechen die Tonreihen auseinander, setzen sich wieder zusammen, lassen in einem Song mehrere entstehen. Vielleicht eine wilde Mischung aus dem sehr frühen Klang von Kante und Anleihen von The Streets.
"Blackout 94" ist beinahe disharmonisch, dadurch aber so spannend. "You Can Buy My Love" eignet sich gut als Single (siehe oben), geht super ins Ohr. Beaver Sheppard singt oder redet dabei auf Klangkollagen oder klingt wie eine alte Radiodurchsage wie auf "Society Saved Me".
Letzteres zieht den Spannungsbogen einiger Songs exemplarisch auf. Man kann sich entscheiden: Höre ich die Platte als Hintergrundmusik oder drehe ich sie so weit auf, dass ich mich in Raum und Zeit verliere?
Im schwirrenden Bläser-Sound von "Oblivious" kann man schön erhören, wie weit eine Bearbeitung vom ursprünglichen Klang eines Instruments ausgereizt werden kann.
Immer wieder rauschen Streicher-("Facetime") oder Klavier-Melodien durch die arrangierten Sythieteppiche und Soundschnipsel. Man muss sich beinahe etwas orientieren.
Da der Gesamteindruck etwas leicht Melancholisches hat, passt auch der Titel nach mehrmaligem Hören nicht. Doch genau da, wo Brandt, Brauer und Frick ihre Hörer herausfordern, liegt ihre Stärke. Hier liegt kein Album vor, das mal ebenso als gut oder schlecht bezeichnet werden kann, ohne zu argumentieren.
Daher legen wir Euch "Joy" sehr ans Herz. Man muss sich damit auseinandersetzen!

Hier sind sie demnächst live:

27.10. New Fall Festival - Düsseldorf
28.10. Pitchfork Festival - Paris
29.10. New Fall Festival - Stuttgart
30.10. Deutsches Jazzfestival - Frankfurt
01.11. Fri-Son - Fribourg
02.11. Bern - Dachstock-Reitechule
03.11. Zurich - Theater Moods
15.02. München - Strom
10.11. Berlin - Gretchen
11.11. Hamburg - Uebel & Gefahrlich
12.11. Leizpig - Audioinvasion @ Gewandthaus

Samstag, 22. Oktober 2016

Symphonicas: Mainstream-Crossover-Experiment

Das Cover zur am 21.10 erschienenen Platte.
(ms) Wir machen einen kleinen Ausflug in die Welt der Crossover-Experimente. Unzählige erfolgreiche und erfolglose hat es bislang gegeben. Machen wir uns einen kleinen Überblick. Seltsamerweise erfreuen sich solche Projekte in der Metal-Szene großer Beliebtheit. So ist Avantasia in den letzten Jahren ziemlich erfolgreich geworden, sogar Headlinerpositionen beim Wacken gab es, da kann man mal aufhorchen. Eine der frühesten und bis heute erfolgreichen Bandprojekte ist sicherlich Apocalyptica. Angefangen haben sie ohne Verstärker Metallica zu covern und sind bis heute weltweit unterwegs. Just haben wir in der luserlounge über Ballet Jeunesse geschrieben, die Verbindung von Klassik und Ballet von Matthias Arfmann.
Ebenso gibt es zahlreiche Live-Alben von Bands, die immer wieder mit Orchestern zusammengearbeitet haben wie Nada Surf, Dear Reader, Calexico. ganz weit vorne dabei ist der österreichische Sender FM4. Nicht zu vergessen die MTV unplugged-Serien.
Die Verschmelzung von klassischer und im weitesten Sinne Pop- oder Rockmusik ist aus verschiedenen Gründen so reizvoll. Zum Einen lässt sie Altes im neuen Gewand erscheinen und das Neue mit Altem so auferleben, dass die Klassik eine Revue erfährt. Ob dadurch jedoch wirklich mehr Klassik vom jungen Zielpublikum gehört wird, darf durchaus bezweifelt werden.
Nun erschien am 21. Oktober ein neues Klassik-Techno-Pop-Album!




Unter dem Namen Symphonicas erschien das selbstbetitelte Album via Sony Music. Ideengeber und Kopf des Projekts ist der Wahlberliner Andy Leomar. Als studierter Pianist und Tonmeister bringt er alles mit, um so eine Mammutaufgabe anzupacken. Außerdem schrieb er für amerikanische Filme und Fernsehproduktionen schon die Soundtracks.
Für die Symphonicas kommen angesehene Musiker zusammen, die nie in der gleichen Besetzung spielen werden. Das wird jeden Livegig einzigartig machen. Eine here Aufgabe.
Auf der Tracklist stehen nun Vivaldi neben David Guetta und der Swedish House Mafia. Ja, es sind alles mehr oder weniger Coverstücke, natürlich aufgearbeitet in der Spannung zwischen Geige und Synthesizer.
Hört man die Platte durch, kann man die von der "Band" geäußerte Frage "Did you ever danced to classical music?" mit "Nein, aber jetzt würde ich damit anfangen" beantworten. Insbesondere Vivaldis Sommer, Winter und Bachs Cello Suite Nr. 1, die auch jedem Klassik-Abwesenden bekannt sein sollten, sind die Hinhörer der Platte. Sie haben sogar einen hohen Ohrwurmcharakter.
Nun muss man aber eine üble Frage stellen: Warum bedient sich Loemar bei den übelsten Mainstream-Interpreten, die es derzeit gibt? Guetta, Daft Punkt, Coldplay, Swedish House Mafia, Robin Schulz, Avicii. Da bluten einem bei den Originalen zumindest gehörig die Ohren. Und bis zur Unerkenntlichkeit will man sich hier natürlich auch nicht entfernen. Die Songauswahl gruselt gehörig und bietet leider wenig Abwechslung zu den Endschleifekandidaten der Radiostationen.
Wo ist der Mut, eigene Kompositionen zu nehmen? Warum nur drei Klassik-Stücke? Neben den zehn Songs auf dem Album, hätten noch locker drei, vier gepasst.
Na gut. Soll jeder selbst entscheiden, wo hier die Innovation und das Hitpotential stecke.
Möglicherweise ist das live doch umhauhend. Auf Platte eher weniger.




Die Tour-Termine sind noch nicht bekannt.
Wir reichen sie selbstverständlich nach.

Freitag, 21. Oktober 2016

Fettes Brot und der Sinn von Re-Releases

Die Cover der 2016er Re-Releases
(sf) Es ist zwar nicht mehr 1996 und meine Freundin bräunt sich nicht in der Südsee, aber "Jein" ist noch heute in jedermanns Ohr und Fettes Brot nicht mehr aus der deutschen Musiklandschaft wegzudenken. Selbst wenn sich der Approach der Hamburger in den letzten 20 Jahren ein wenig gewandelt hat und die Herren Lauterbach, Vandreier und Warns nun eher durch Altersweisheit glänzen, die sich dem Dissscheiß der nächsten Generation nicht unterwerfen und diesen sogar strikt ablehnen und davor warnen, sind sowohl die letzten Alben, als auch die Klassiker aus den 90er Jahren so fresh wie eh und je. Und das Schöne daran: nachdem die ersten vier Alben jahrelang vergriffen waren, sind sie nun wieder erhältlich (sogar remastered!) und glänzen durch wertvolle Bonus-Tracks aus lange vergangenen Zeiten.

Der Flashback in die 90er beginnt mit der "Mitschnacker"-EP, die dank der zusätzlichen Songs nun sogar in Albumlänge daherkommt und schon erahnen lässt, wieso die Brote in den kommenden Jahren zu den großen Protagonisten der deutschen Rap-Szene reifen sollten. Die "Definition von Fett" fängt da an, wo "Nordisch By Nature" vom Nachfolger "Auf einem Auge blöd" nahtlos ansetzt. Gute Laune-Garantie, amüsante und intelligente Reime, punktgenaue Beat-Hinterlegung, dennoch abwechslungsreiche Melodien und die drei Stimmen, die damals so neu und unverbraucht klangen und denen man noch heute den Lausbub im tiefen Inneren anhört. Überhaupt spielt der Sympathiefaktor bei Fettes Brot seit jeher eine große Rolle, denn es erscheint nahezu unmöglich, Björn Beton, Doktor Renz und König Boris nicht zu mögen, selbst wenn man mit der Musik nichts anzufangen weiß.

Foto: Christian Roth
Der endgültige Durchbruch gelingt Fettes Brot dann 1996 mit "Außen Top Hits, innen Geschmack" inklusive der bereits zitierten und omnipräsenten Hit-Single "Jein", die für mich aber nur ein Zahnrad im Wagen dieses durchgehend genialen Albums darstellt. Ich persönlich bevorzuge ja die eher subtil daherkommenden "Silberfische in meinem Bett", "Supermann & Mondgesicht" und vor allem mein FB-Favorit "Kleines Kind", das bei mir schon Mitte der 90er rauf und runter lief und mich auch jetzt wieder am meisten anspricht. Ein geiler Track ist ein geiler Track bleibt ein geiler Track - so einfach ist das!

Gerade bei diesem Album sprechen mich auch die Bonus-Lieder besonders an: zwar sind kaum Songs dabei, die ich mir nicht damals schon zugelegt hätte (B-Seiten, Remixes, Compilation-Beiträge), aber so geballt klingen diese Zugaben dann doch nochmal massiver und beweisen eindrucksvoll, wieso sich Fettes Brot sich damals diesen Ruf erarbeitet haben, der sich seitdem nicht von ungefähr manifestiert hat, da für die Hamburger ein Album eben nicht nur aus den Songs besteht, die es dann tatsächlich auf den Longplayer schaffen, sondern eben auch aus denen, die drumherum entstehen und auf andere Art und Weise Verwendung finden. Für Fans auf jeden Fall ein sehr sympathischer Ansatz.

Foto: 5Promo
Den Reigen der vier Re-Releases beschließt "Fettes Brot läßt grüßen", das 1998 als letztes Album des Jahrzehnts veröffentlicht wurde und - ähnlich wie der Vorgänger - durch namhafte Gäste glänzt: waren es auf "Außen Top Hits, innen Geschmack" noch Eißfeldt, Dendemann, Holunder (Blumentopf), Spax und der Tobi & das Bo, so sind diesmal Heinz Strunk und Tocotronic zu hören, was den Sound der Hip Hopper deutlich variabler erscheinen lässt. Und auch Die drei ???, in deren Hörspielfolge 79 ("Im Bann des Voodoo") Fettes Brot einen Gastauftritt haben, revanchieren sich sowohl im Intro als auch im Outro und sind auch in den Bonus-Tracks präsent. Insgesamt kommen Fettes Brot auf diesem Album erstmals deutlich poppiger rüber und machen den ersten Schritt weg vom Rap - ein Weg, den die Hamburger im neuen Jahrtausend ja stetig weitergegangen sind, was sich als sehr sinnvolle und authentische Maßnahme herausgestellt hat, um sich nicht den Klischees der Branche unterwerfen zu müssen.

So, nun die Frage aller Fragen: Sollte man sich die Re-Releases kaufen?

Für mich schwer zu beantworten, da ich eh schon alle vier Alben hatte und nur vereinzelt Bonus-Tracks neu für mich waren - über die habe ich mich aber sehr, sehr gefreut und habe nicht zuletzt durch diesen Anreiz wieder entdeckt, wie gut Fettes Brot wirklich waren/sind. Wer die Brote nun aber nur über "Emanuela", "Bettina, zieh Dir bitte etwas an" oder "Erdbeben" definiert, der sollte unbedingt ein paar Euro in die Hand nehmen, um kennenzulernen, wo die Band ursprünglich herkommt und so die Entwicklung der Brote nachzuvollziehen. Gerade "Außen Top Hits, innen Geschmack" ist für mich persönlich ein Meilenstein der deutschen Hip Hop-Geschichte, der in keinem CD- bzw. Vinyl-Regal fehlen sollte.




Mittwoch, 19. Oktober 2016

Synje Norland - "Who says I can't?

Foto: Jana Legler
(ms) Synje Norland. Genau, was für ein wunderschöner Name. Mäßig gut recherchiert wollte ich diesen Artikel damit anfangen, dass die Redaktion ein kleines Faible für skandinavische, attraktive Musikerinnen hat. Sowohl Anna von Hausswolff als auch Anna Ternheim zählen dazu. Beide werden aber dennoch hauptsächlich für ihr jeweils fulminantes musikalisches Werk zurecht verehrt.
Die Annahme, dass sich Synje Norland in diese etwas obskure und wenig gut begründete Schublade einreihen könnte, liegt allerdings falsch. Suggeriert dieser Name vielleicht Norwegerpullis, schwedische Schönheiten und das allzu dunkle musikalische Schaffen Skandinaviens allgemein, kommt Norland aus Nordfriesland. Klar, die geographische Distanz bis zu unseren nördlichen Nachbarn ist nicht weit, falsch ist der Gedankengang dennoch.
Also. Neuer Start.
Diesen Freitag erscheint ihr drittes Album "Who says I can't?" Das ist eine ziemlich gute Frage. Und diejenige Frage, die überhaupt dahinter steht, sollte auch beantwortet werden: Was nicht können?!
Als Frau selbstständig auf zwei Beinen stehen? Das wird durch ihre Musik auch dem letzten Lump deutlich, so vielschichtig und stark ist sie. Eine Nische zu besetzen?! Ja, das kann sie tatsächlich. Der Sound des Albums ist weder Pop noch reine Melancholie noch Weltschmerz im großen Stil. Im Alleingang eine Scheibe aufnehmen? Auch das gelingt ihr anscheinend mühelos. Wer nur für das ausgefallene Cello-Spiel Unterstützung bedarf, kann neidlos als begnadete Multiinstrumentalistin angesehen werden.
Fazit: Die rhetorische Frage, die im Raum steht, stärkt ihr Selbstbewusstsein!




Wie klingt nun ihr drittes Werk?
Repräsentativer als das einminütige Intro geht es fast gar nicht: Dunkel, leicht nervös, etwas schräg, ohne nervig zu sein, minimal instrumentalisiert. Mit "Riverside" geht es genauso weiter. Ihre entschlossene und kräftige Stimme (eigenartig, dass man das bei Frauen immer besonders betont) geht bestimmt hoch und runter ohne abzudrehen. Dazu leichte Percussion, Cello, Bass, ein brisantes Wechselspiel! Die Singleauskopplung "Who says I can't" ist etwas fragiler, bleibt jedoch mit der schönen Melodie und nicht ganz gesetzten Ruhe im Ohr.
Das charakteristische Cello-Spiel von Michael Becker bildet den Gegenpart zur leitenden Stimme. Davon ist der gesamte Klang des Albums determiniert. Der Sound ist oft mysteriös, dunkel, zersplittert fast wie dünnes Eis. Wohlgemerkt: Fast! Daher lohnt sich die Anschaffung der Platte, ohne jedes Stück zu sezieren. Es kommt perfekt in dieser Jahreszeit. Der Winter ist nicht allzu weit entfernt und die singt dazu den Soundtrack! Ab und an schaudert es über den Rücken, aber mit weit aufgeschlossenen Augen.

Davon sollte man sich unbedingt live überzeugen.
Und zwar hier:

20.10 - Klanxbüll, Charlottenhof
21.10 - Dortmund, Pauluskirche
25.10 - Hamburg, Knust
26.10 - Köln, artheater
27.10 - Berlin, Kantine am Berghain
04.11 - Lutterbek, lutterbeker
05.11 - Schleswig, Kirche am Friedrichsberg

Dienstag, 18. Oktober 2016

Max Paul Maria - Figurines

(sf) Ein Berliner, der ein Americana/Roadtrip-Album schreibt und einsingt? Klingt zunächst mal
verwirrend, doch die Lebensgeschichte von MAX PAUL MARIA lässt dieses Projekt plötzlich verdammt sinnvoll erscheinen und das, was der Künstler da zu CD gebracht hat, ist nicht nur überraschend abwechslungsreich, sondern nimmt den Hörer sowohl textlich als auch emotional mit auf die Reise.

Seine Jugend verbrachte MAX PAUL MARIA in diversen Freiburger Punk- und Hardcorebands, bevor er 2009 begann, mit Gitarre und Hut durch Berliner Bars zu tingeln. Die Mundharmonika in einer seiner Jackettaschen suchend, erzählte er dort von Trips entlang des Amazonas und davon, was es heißt, wirklich verloren zu gehen. Seine Version von Dylans „Don't think twice it's alright“ wurde schnell über Kreuzberg hinaus bekannt und mit ihr Marias Ruf, bei Konzerten seine Seele zu öffnen. Nach hunderten von Auftritten in ganz Europa veröffentlichte er 2013 mit „Miles & Gallons“ eine erste Kollektion eigener Songs, größtenteils geschrieben und aufgenommen im zwischenzeitlichen Lissabonner Exil.


Bis 2015 tourte er als Gitarrist und Sänger der Gypsy Punk Band DIVING FOR SUNKEN TREASURE durch die Welt. Mit „Figurines“ veröffentlicht der Musiker im Oktober 2016 nun sein zweites Album und wird im November mit Band live zu sehen sein.
© Giulia Giacomini
"Wer statt Gedudel Musik, statt Vergnügen Freude, statt Geld Seele, statt Betrieb echte Arbeit, statt Spielerei echte Leidenschaft verlangt, für den ist diese hübsche Welt hier keine Heimat ..." heißt es im Steppenwolf von Hermann Hesse - und MAX PAUL MARIA scheint einer dieser Heimatlosen zu sein. Zumindest beschleicht einen dieser Gedanke nach dem Hören des neuen Albums des jungen Musikers. Drei Jahre nach Erscheinen des Debüts „Miles & Gallons“ veröffentlicht das Label DevilDuck Records nun mit „Figurines“ dessen gelungen konsequentes Nachfolgewerk. Darauf zu finden: mehr Band, mehr Sound, mehr Rauheit, mehr Geste und mehr künstlerische Aufrichtigkeit.

War „Miles & Gallons“ das Reisetagebuch eines rastlosen Drifters, so wirkt „Figurines“ wie das Manifest eines festgesetzten Vagabunden. Aufgenommen in DIY-Manier (in der selbstauferlegten Isolation der Berliner Wohnung), beschreibt der Langspieler ähnlich wie sein Vorgänger ein Gefühl von Rastlosigkeit und eine Sehnsucht nach einem intensiveren Leben. Jedoch spürt man hier noch deutlicher eine Zerrissenheit, eine dunkle Melancholie, eine Wut auf das Ungenügen in Kultur und Gesellschaft, eine verzweifelte Suche nach einer Insel im tosenden Meer der postmodernen Welt. „Still I don’t know where to go now, through all imaginary landscapes“ heißt es entsprechend im Opener, der schon einen wunderbaren Einblick gewährt in das, was einen in den folgenden 38 Minuten.
Stimmlich und atmosphärisch sind Genre-Größen wie Nick Cave, Tom Waits oder Neil Young mitunter gar nicht so weit entfernt, aber seien wir uns mal ehrlich: als junger deutscher Künstler dürfte es extrem schwer sein, mit so einer Art Musik kommerzielle Erfolge zu feiern. Selbstverständlich wünschen wir MAX PAUL MARIA aber nur das Beste und dass er sich seinen Enthusiasmus beibehält und auch weiterhin so tief blicken lässt in seine Gefühlswelt, seine Empfindungen, in seine Seele und sein Herz.

Wer ihn live erleben und somit auch unterstützen möchte, der hat demnächst die Chance dazu:

18.10. Hamburg, Knust*
20.10. Flensburg, Volksbad*
24.10. Köln, Yard Club*
25.10. Münster, Gleis 22
26.10. Berlin, BiNuu*
27.10. Wuppertal, Utopiastadt*
28.10. Hannover, Chéz Heinz*
29.10. Leipzig, UT Connewitz*
30.10. Andernach, V8*
31.10. Crailsheim, 7180 Bar*
02.11. Nürnberg, MUZ Club*
03.11. München, Milla*
04.11. Karlsruhe, Scruffy's*
21.11. Hamburg, Astra Stube**
22.11. Hannover, Café Glocksee**

auf Tour mit: *The Dead South (CA)│** Kid Dakota (USA)




Freitag, 14. Oktober 2016

Der Neuanfang des Clueso: Track by Track



Foto: Universal Music
(mm) Ich bin noch gar nicht sooo lang wirklich aktive Clueso-Zuhörerin. „Keinen Zentimeter“ hat mich seinerzeit in seinen Bann gezogen und ich bin dabei geblieben und höre ihn immer wieder gern. Ehrensache, dass ich dann auch die neue Scheibe haben muss. Nur warum nennt er sie „Neuanfang“? Recherchekünstlerin die ich bin, machte ich mich auf die Suche nach der Antwort und fand sie auch. Der Erfurter hat sich 2015 aus dem Zughafen - der Erfurter Künstlergemeinschaft im ehemaligen Güterbahnhof - gelöst und setzt nun auf andere Klänge, einen neuen Produzenten und insgesamt auf ein neues Bild. Schauen wir mal, was draus geworden ist:


1) Neuanfang
„Wow... laut“ war mein erster Gedanke. Nach den doch eher ruhigen und melodischen Liedern, die man sonst so kennt, doch erst mal ungewöhnlich, aber man kommt gut rein. Die musikalische Veränderung ist deutlich erkennbar. Herzlich Willkommen... Neuanfang!

2) Achterbahn
Eindeutig was für die gute Laune. Textlich wahnsinnig gut: warum soll man die Erwartungen anderer erfüllen wollen, wenn man mit dem, was man tut, gut unterwegs ist und sich gut fühlt. Tolles Motto, tolle Melodie - macht definitiv Lust auf Mitsingen.

Foto: Christoph Koestlin Universal Music
3) Neue Luft
Ja, ist in Ordnung zum durchhören, abgewinnen kann ich dem Lied jetzt nicht so viel. Da war wohl die Luft raus...

4) Erinnerungen
...sind immer da, manchmal was Tolles, manchmal schmerzhaft. Clueso hat diese wunderbar in eine melancholische, aber doch irgendwie freudige Grundstimmung gepackt und fällt damit doch wieder in alte Muster zurück (was nichts Schlechtes ist). Das Lied malt das Bild, wie man mit Freunden zusammensitzt, um über Vergangenes zu sprechen oder eben auch mal alleine vor sich hinsinniert. Einfach genial zusammengefasst.

5) Wenn du liebst (feat. Kat Frankie)
Ein wunderbares Duo. Die Australierin Kat Frankie harmoniert stimmlich so dermaßen gut mit Clueso, dass es einem eine Gänsehaut zaubert. Auch textlich ein Traum... Ein wahres Gefühlschaos... was macht man, wenn es nicht läuft: „warum fällt es mir nur so leicht, daran zu glauben, nichts Schlechtes zu sehen? Doch irgendwas sagt mir leise, wenn du sie liebst... lass sie geh’n“. Und ein (nicht ganz) unerwartetes Ende..... Lasst euch überraschen.

6) Lass sie reden
Ganz ehrlich... ich musste an die Ärzte denken - „Lass die Leute reden und hör einfach nicht hin“.... Und ja, genau diese Grundeinstellung wird auch hier besungen. Allerdings Clueso-typisch auf einer ruhigeren Schiene. Einfach cool bleiben und nicht aufregen, wenn andere das Maul aufreißen. Ja... das könnte ich gern.  ;-)
Oder möchte dieses Lied vielleicht sogar den möglichen Reaktionen und Kritiken auf das neue Album vorgreifen? Wenn dem so sein sollte - Respekt und Hut ab. Gleich mal die Hater von vornherein abwürgen - find ich schon nice.

7) Anderssein (feat. Sara Hartman)
Neues entdecken, Spaß haben, das Leben genießen, auch mal seltsame Leute kennenlernen, all das funktioniert mit einem guten Freund an der Seite. Denn: „Everyone is moving on and everything is moving on“. Schönes Lied. Könnte klar zum Favoriten werden, denn gerade der Wechsel zwischen angedeutetem deutschem Sprechgesang und zarten englischen Einwürfen von Sara Hartman macht das Lied echt liebenswert.

Foto: Jennifer Stenglein Universal Music
8) Gordo
Redet die Fernsehstimme da gerade über einen Schimpansen für Laborversuche? Falsch, keine Laborversuche. Es geht hier um folgendes: „Am 13. Dezember 1958 gelang ein suborbitaler Raketenflug mit einem Totenkopfaffen namens Gordo, der dabei auch über acht Minuten der Schwerelosigkeit ausgesetzt war, bei der Wasserung der Landekapsel im Ozean allerdings wegen eines Fehlers der Fallschirmfunktionen ertrank.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Ham_(Schimpanse)). Das Lied beschreibt genau diese Geschichte. Und das aus der - zugegeben und verständlicherweise sehr traurigen - Sicht des Tiers. Geht mir sehr, sehr nah...

9) Jeder lebt für sich allein
Musste ich dreimal hören, bis ich mich auf den Text konzentrieren konnte. Fiel mir irgendwie sehr schwer. Absolut nicht meins. Letztlich geht es um Trennungsschmerz - ob von der Liebe oder dem Zughafen ‑ das dürft ihr euch selbst überlegen, wenn ihr das Lied hört.

10) Sorgenfrei
Gitarrenklänge zum Einstieg - so gefällt mir das - weiter so. Und ja, es geht genauso schön melodisch weiter. Inhaltlich gibt es ein paar sehr schöne Aussagen, das große Ganze will sich mir allerdings nicht erschließen. Vielleicht soll es das aber auch gar nicht. Vielleicht soll es einfach nur schön sein. Und das ist es. Ein wunderbarer Abschluss.

Fazit: Nach dem Namen des Albums und dem ersten Titel hatte ich mehr musikalische Abweichung zum üblichen Clueso-Stil erwartet, die mancher wohl hören wird. Ich finde, er hat keine riesen  180°-Drehung gemacht. Es klingt schon anders, ja, aber  er ist sich selbst sehr treu geblieben, ungeschminkt, manchmal auch etwas ungeglättet. Insgesamt ein Album, das ich mir gern wieder anhöre - nicht in Dauerschleife, aber trotzdem sehr bald wieder. Für meinen Geschmack hätten es noch 2-3 Lieder mehr sein dürfen.

Wer den Erfurter live erleben möchte, sollte sich die folgenden Daten merken: 

So
11.12.2016
Bochum (Zeche)

Mo
12.12.2016
Karlsruhe (Tollhaus)

Di
13.12.2016
Basel (Volkshaus)

Do
15.12.2016
Potsdam (Waschhaus)

Fr
16.12.2016
Erlangen (E-Werk)

So
18.12.2016
Dornbirn (Conrad Sohm)

Mo
19.12.2016
Salzburg (Rockhouse)

Di
20.12.2016
Darmstadt (Centralstation)

Mi
01.02.2017
Wien (Wuk)

Do
02.02.2017
München (Muffathalle)

Fr
03.02.2017
Stuttgart (Im Wizemann)

So
05.02.2017
Berlin (Astra Kulturhaus)

Mo
06.02.2017
Hamburg (Große Freiheit)

Mi
08.02.2017
Leipzig (Täubchenthal)

Do
09.02.2017
Köln (Gloria)

So
12.02.2017
Zürich (Kaufleuten)

Mo
13.02.2017
Erfurt (Stadtgarten)

Di
14.02.2017
Erfurt (Stadtgarten)

So
24.09.2017
Bielefeld (Ringlokschuppen)

Mi
27.09.2017
Frankfurt (Jahrhunderthalle)

Do
28.09.2017
Stuttgart (Liederhalle / Beethovensaal)

Sa
30.09.2017
Würzburg (Posthalle)

So
01.10.2017
Hannover (Capitol)

Mo
02.10.2017
München (Zenith)

Do
05.10.2017
Berlin (Tempodrom)

Fr
06.10.2017
Leipzig (Haus Auensee)

Mo
09.10.2017
Köln (Palladium)

Do
12.10.2017
Saarbrücken (Garage)

Fr
13.10.2017
Bremen (Pier 2)

Sa
14.10.2017
Hamburg (Sporthalle Hamburg)





Donnerstag, 13. Oktober 2016

Jack Savoretti - Sleep No More

(sf) JACK SAVORETTI - allein der Name verspricht schon so einiges, oder? Dieser kurze, knackige Vorname, dazu der verspielt-romantisch angehauchte Nachname und dann schaut der Typ auch noch so unverschämt gut aus, dass man als Mann richtig neidisch werden könnte. Aber das Beste kommt ja noch: der Sohn eines Italieners und einer Engländerin ist zudem ein begnadeter Musiker und legt am 28.10. sein bereits fünftes Album "Sleep No More" vor, mit dem ihm hoffentlich auch hierzulande endlich der Durchbruch gelingt.

Anders als in England (#7) und in der Schweiz (#11), wo SAVORETTI im Tessin aufwuchs, blieben in Deutschland die Charterfolge bislang leider aus, obwohl der ein oder andere Song durchaus bekannt sein dürfte, denn einige namhafte Serienproduzenten wurden schon früh auf den smarten Songwriter aufmerksam und platzierten seine Tracks u.a. in den Vampire Diaries, bei den EastEnders, Sons of Anarchy und Grey's Anatomy.

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Nun folgt also "Sleep No More", das den Erfolg des Vorgängers "Written In Scars" toppen soll und
auch alle Zutaten mit sich bringt, damit dieses ambitionierte Vorhaben gelingt. SAVORETTI gelingt es, catchy Melodien mit ehrlichen, warmen Texten zu vereinen und das Ganze absolut radiotauglich zu verpacken. Klingt abschreckend? Nein, ernsthaft: ich würde mir wünschen, dass im Radio Musik wie diese liefe, dann würde ich auch mal wieder einschalten und müsste nicht auf CDs, Vinyl und Streaming zurückgreifen.

Der im September als erste Single erschienene Track "When We Were Lovers" eröffnet ein abwechslungsreiches Album, das in seiner sehnsüchtigen Grundaussage zwar stringent bleibt, dabei aber so variantenreich auftritt, dass man darin versinken kann und doch immer wieder überrascht wird. "Sleep No More" wird von einer ansteckenden Unruhe getrieben und bei jedem einzelnen Song ist SAVORETTIs außergewöhnliche Stimme auf eine andere Art und Weise zu hören: mal voller Liebe wie im überragenden "I'm Yours", mal hymnisch ("We Are Bound") oder gar losgelassen und euphorisch wie in "Any Other Way".

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Der 33-Jährige selbst  bezeichnet das Album übrigens als "Liebesbrief" an seine Frau, die britische Schauspielerin Jemma Powell, und erklärt den Titel des neuen Werks wie folgt: "Ich singe von Dingen, die Dich nachts wach bleiben und nicht mehr schlafen lassen."

Ab dem 28.10. gibt es also den Soundtrack für schlaflose Nächte im Plattenhandel Eures Vertrauens und auch live könnt Ihr JACK SAVORETTI bald erleben:


30.01.2017 CH Zürich – X-TRA
02.02.2017 Aschaffenburg – Colos-Saal
03.02.2017 München - Freiheiz
05.02.2017 Leipzig - Täubchenthal
07.02.2017 Berlin – Columbia Theater
09.02.2017 Hamburg - Grünspan
10.02.2017 Köln – Gloria Theater






Montag, 10. Oktober 2016

Dlé und Tantalos oder: Wie krass ist das denn?

(ms) Jetzt mal ganz ehrlich, Butter bei die Fische, Titten auf den Tisch! Welche großen Innovationen im Musikbusiness haben wir in den letzten Jahren noch miterlebt? Die klassische Besetzung von Gitarre-Bass-Schlagzeug-Gesang wird in ewiger Endlosschleife im Pop- Rockmilieu wiedergekeut; einzig außergewöhnliche Texte oder schräge Gestalten wie Wanda können hier noch als Ausreißer gelten. Genauso sieht es doch im Hip Hop auch aus: Das einzig Brilliante an der neuen Beginner-Scheibe war die große zeitliche Lücke zum letzten Werk, auf Neues abseits des Sidekick im TV erwartet man vielleicht nur noch von Dendemann. Und der einstige Dicke-Eier-Rap von Sido und Konsorten läuft mittlerweile auch bei meinen Eltern im Radio.
Alles ganz schön ermüdend. Da müssen doch noch Leute mit Ideen sein, mit einer Produktion, die die Rahmen sprengt, die den wirklichen Mut haben, Grenzen einzureißen, sowie den Hörer mit seiner ganzen Aufmerksamkeit herauszufordern!
Antik: Dlé!
Dies ist jetzt keine Übertreibung, kein Scherz, sondern vollkommener Ernst.
Es gibt eine Kombo, die genau dies geschaffen hat. Sie nennen sich Dlé und es sind Jaques Tabaques, Kemo und Jackson Mehrzweck. Am 14.10 veröffentlichen sie via Kreismusik (Käptn Peng, Shaban etc.) ein Album, das "Der Fluch der Tantaliden" heißt.
Wie bitte? Was soll das denn?
Diejenigen, die früher in der Schule wirklich gut aufgepasst haben in der griechischen Mythologie, wissen sofort Bescheid! Stichwort: Tantalos und wie er versucht hat die Götter an der Nase herumzuführen.
Ja, aber was hat das denn mit Hip Hop zu tun?
Ganz einfach: Dlé haben es sich zur Aufgabe gemacht, aus dieser Sage ein wahnsinniges Rap-Hörtspiel zu basteln, welches sie bisher schon am Theater Aachen aufgeführt haben.
Der Fluch der Tantaliden ist ein wirklich verworrenes wie auch einfach zu folgendes Stück, das sich im Grunde darum dreht, wie die folgenden Generationen nach Tantalos von einem Fluch belegt sich, der dazu führt, dass die jeweiligen Kinder sich so dermaßen hassen, dass sie sich alle umbringen wollen. So einfach, so nachvollziehbar.



Wenn dies nun aber im Original einfach mit einem Beat mehr oder weniger vorgelesen werden würde, käme ein Gähnen ziemlich schnell.
So jedoch nicht auf dieser Platte!
Tabaques, Kemo und Mehrzweck schlüpfen in die Rollen der Protagonisten, Götter, Erzähler, Mörder, heißen Weiber (Hippodamaia, Hallo!) oder krassen Wagenlenker à la Myrtilos (the Mighty one!). Was daraus resultiert ist so unfassbar unterhaltsam und lustig wie auch ein wenig gaga. Eine Sage im Rap-Sprech. Das führt unweigerlich zu kulturellen Konfrontationen, aber drauf geschissen. "Der Fluch der Tantaliden" ist mit Abstand das Außergewöhnlichste, das mir musikalisch je unter die Nase gekommen ist, es ist aberwitzig, geht ins Ohr ("Joao Oinomaos"), fordert aber auch heraus. Die Handlung zum Ende hin verdichtet sich ungemein und ein mehrmaliges Hören ist unvermeidbar. Doch muss dabei stets die Liederreihenfolge eingehalten werden, sonst kommt man durcheinander. Eine gute Hilfe ist zudem das Cover des Albums, auf dem die Beziehungsgeflechte aufgelistet sind, damit der Hörer mitkommt.
Dies hier ist so schräg und so verdammt gut, dass eine Anschaffung des Albums unvermeidlich ist!

Hier demnächst live:

15.10.16 Berlin - Villa Neukölln
17.10.16 Hannover - Cumberlandsche Galerie
04.12.16 Berlin - Deutsches Theater

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Sturm & Stille - Track by Track Listening

Peter, Flo, Rüde. Foto: Nina Stiller, Universal Music
(ms) Die Sportfreunde Stiller. Einen Teil der luserlounge haben sie einst zusammengeführt, um Größeres zu erlangen. Lang ist's her. Heute können die drei Münchener auf 20 Jahre Bandgeschichte zurückblicken. Sehr umsichtig haben sie es kürzlich im SZ Magazin getan (lesen empfohlen). Zwischen großer deutscher Indie-Hoffnung Anfang der 00er Jahre, Fußball-Band und dem Wiederfinden des eigenen Sounds gibt es viele Episoden von Peter, Rüdiger und Florian. Just war im Radio zu hören, dass sogar ein etwaiges Ende der Band im Raum stand. Zum Glück haben sie sich dazu entschieden, freudvoll weiter zu machen. Zwischen der ewigen Nörgelei von Linus Volkmann und der Ankündigung des Neulings "Sturm & Stille" haben wir die Möglichkeit das siebte Studioalbum vorab durchzuhören, inklusive Bonus-Tracks.
Ganz unbedarft und neugierig machen wir uns also dran, "Sturm & Stille" anzuhören und zu kommentieren. Here we go!

1. Raus in den Rausch
Was für ein schönes Intro aus Streichern und Piano! Danach bekanntes Einsetzen der Instrumente. Guter erster Eindruck! Klavier auch als Gesangsbegleitung, schmale Strophen, ein euphorischer Einstieg ins Album. Auch "Oh, oh, oh, hey, hey, yeah" klingt gut, frisch, nicht zu abgestumpft. So kann es weitergehen!


2. Viel zu schön
Die Akustikgitarre begleitet Peters Gesang. Ein Song wie eine leicht melancholische Hymne auf das Leben, leicht geht er ins Ohr. Zwischen Gewalt und der Frage nach Gott, wird es hier zwischen den Zeilen philosophisch. Im Hintergrund elektronische Synthie-Klänge, die gut ins Bild passen. Fein!

3. Sturm & Stille
An dritter Stelle also der Albumtrack. Ein Rückblick auf eine Beziehung und/oder Freundschaft. Hier auch wieder "Oh, oh, oh" (hoffentlich wird es nicht abgenutzt). Netter Song, bleibt nicht zwingend im Ohr.

4. Zwischen den Welten
Das Wechselspiel von Gitarre und Bass als typischer Klang der Sportfreunde Stiller, ein Track, der einem angenehm bekannt vorkommt. "Ich bin so glücklich wie nie und doch so traurig wie selten". Ein Gefühl, das viele kennen. Das Lied ist angenehm-poppig, definitiv kein Füllmaterial.

5. Das Geschenk
Die erste richtige Single mit herzzerreißend schönen Aufnahmen aus Island. Man könnte es als erwachsene Fortsetzung von "Ein Kompliment" sehen. Es klingt nicht abgedroschen, super Hookline, schöner Refrain, ein herrlich typischer Sportfreunde-Sound, der wiederum voller wirkt mit Streichern in Moll: gut! Nein, wirklich stark und fernab von Pathos und Kitsch.


6. Disko4000
Ich kann nicht genau sagen, warum, aber der Titel schreckt mich irgendwie ab! Bass, Schlagzeug. Synthie/Keyboard-Sounds zu Beginn. Wird hier ein Tanz-Song erzwungen? Naja, klingt tatsächlich so. Skip!

7. Brett vorm Herz
Heißt das nicht anders? Hier werden Romantik und Beziehungsprobleme assoziiert. Zu Beginn wieder eine "Ahh, ahh"-Mitsing-Sequenz. Bitte nicht zu viel davon!
Die präsenten Gitarren und der schnelle Gesang räumen die Zweifel aus dem Weg. Hier kommt tatsächlich ein guter Track um die Ecke!

8. Keith & Lemmy
Einer tot, der andere hat die Asche seines Vaters geschnupft, yeah! Es soll eine Hommage an die beiden sein. Dafür ist der Klang zu soft, zu sehr auf In-Memoriam geprägt. Übel: Skip!

9. Rotweinflaschengrün
Wahnsinnstitelfindung! Es geht wieder etwas ruhiger zur Sache. Huch, "Baut auf, Baut auf" ist zu hören. FDJ, oder wie?! Richtig Fahrt nimmt das Lied auch in seiner Stille nicht auf. Geht weiter...

10. Ich nehm's wie's kommt
Drei Lieder vor Schluss die Frage: Kommt noch ein Kracher?! Mit dem Intro vorerst nicht. Aber doch... der stakkatohafte Gesang ist eine super Abwechslung. Aber so richtig mitreißen tut es dennoch nicht.

11. Lumpi (L.U.M.P.I.)
Wieder ein etwas kryptischer Titel. Dann: Flo singt! Super. Insbesondere "Es muss was wunderbares sein" zählt sicher zu den besten Sportfreunde Stiller-Liedern überhaupt. Was aber soll sein Lumpi sein? Die Hookline hat Hitpotential, der Anfang macht neugierig. Flo arbeitet hier eher mit einer Art Sprechgesang, auch spannend. Dann im Refrain jedoch: "Lass den Lumpi von der Leine / Du weißt schon was ich meine". Nein, absolut nicht. Da ist ganz viel guter Wille zu hören, damit aber böse auf die Nase gefallen. Autsch!

12. Auf Jubel gebaut
Letzter Track von "Sturm & Stille". Ein großer, hymnischer Abschluss des neuen Albums, der sich auch textlich widerspiegelt. Es ist auch ein großes Danke an die jahrelangen Fans, oder die, die jetzt dazukommen oder sie wiederentdecken, falls sie man den Faden verloren haben. "Hab die Ehre, Küss die Hand, auf Wiedersehen"!

Bonustracks
Drei Stück gibt es ab diesem Freitag. Insbesondere "Ein Dienstag im April" könnte locker mit aufs Album drauf und damit den ein oder anderen Titel ablösen, die unter "Ferner liefen..." einzusortieren sind.

Foto: Ingo Pertramer.
Sportfreunde Stiller. So richtig mag der Funke irgendwie nicht überspringen. Manche Strophe und der ein oder andere Refrain klingen mir zu gezwungen auf gute Laune, Euphorie, Leichtigkeit und Jugendsinn. Vielleicht muss ich mir "Sturm & Stille" aber auch noch mehrmals durch hören. Ich wollte das Album so gern gut finden, da ich euch auch ein wenig aus den Augen verloren habe nach der ganzen WM-Geschichte.
Nein, das Album ist nicht schlecht. Aber überragend halt auch nicht. Es positioniert sich irgendwo dazwischen.
Die Singles passen gut ins Radio, ohne diesem aktuellen Trend "Junger-Mann-mit-Gitarre-singt-andächtige-Lieder-vom-Leben" nachzugehen. Dafür danke ich euch.


Live spielen Flo, Rüde und Peter bald hier. Vielleicht sehen wir uns ja!

18.11.2016 Karlsruhe – Substage
19.11.2016 Kaiserslautern – Kammgarn
21.11.2016 Braunschweig – Stadthalle
22.11.2016 Bremen – Pier 2
23.11.2016 Offenbach – Capitol
25.11.2016 Leipzig – Haus Auensee
26.11.2016 Erfurt – Thürigenhalle
28.11.2016 Köln – E-Werk
29.11.2016 Erlangen – Heinrich-Lades-Halle
30.11.2016 Chemnitz – Arena Halle 2
03.12.2016 Mönchengladbach – Big Air Festival
10.12.2016 Kassel – Stadthalle
11.12.2016 Hamburg – Große Freiheit 36
12.12.2016 Flensburg – Deutsches Haus
14.12.2016 Berlin – Columbiahalle
15.12.2016 Dortmund – Westfalenhalle 3A
16.12.2016 Mannheim – Maimarktclub
18.12.2016 München – Kongresshalle
19.12.2016 München – Kesselhaus
20.12.2016 München – Muffathalle

We Are Scientists - Live @ Conrad Sohm


(sf) Stell Dir vor, Du warst vor ein paar Jahren mit ein paar Singles in den UK-Top 10 und spielst jetzt vor knapp 80 Leuten in der österreichischen Provinz – wie fühlst Du Dich dabei? Manch einem mag das einen Knacks im Ego bescheren, andere hingegen scheint es zu beflügeln, es noch besser zu machen und dem sehr spärlichen Publikum eine richtig geile Show zu bescheren und es in seiner Entscheidung zu bestärken, trotzdem gekommen zu sein. Im Februar durfte ich diese Erfahrung bereits mit Therapy? machen und gestern waren es WE ARE SCIENTISTS, die das großartige Conrad Sohm in Dornbirn beehrten und ihre Fans mit einem fetten Grinsen im Gesicht in die Nacht entließen.

Den Anfang machten jedoch MOZES & THE FIRSTBORN aus Eindhoven (Niederlande) bzw. Antwerpen (Belgien), die mir richtig leid taten, fanden sich doch zu deren Auftritt gerade mal 30 Interessierte vor der Bühne ein, die dann allerdings nicht bereut haben dürften, pünktlich im Club aufgeschlagen zu sein. Apropos Club: das Conrad Sohm liegt am Fuße des Dornbirner Hausbergs Karren, allerdings ca. einen Kilometer in den zu dieser Jahreszeit doch schon recht finsteren Wald rein. Als ich das erste Mal dort hinfuhr, hab ich unterwegs mal umgedreht, weil ich dachte, da kommt eh nix mehr, aber doch, da kam noch was. Und das Conrad Sohm ist den Besuch wert: ich habe selten so eine lässige Halle erlebt, das Personal ist total entspannt, der Sound gibt auch Einiges her, mit Beschwerden der Anwohner ist aufgrund der Lage auch eher nicht zu rechnen und wenn man unbedingt etwas kritisieren möchte, dann sind das die einen Tick zu hohen Getränkepreise – vielleicht eine Reminiszenz an die doch recht nahe Schweiz…

Aber zurück zum Wesentlichen: MOZES & THE FIRSTBORN erinnerten zunächst musikalisch an die ein oder andere US-College Rock-Band, wurden dann aber doch kontinuierlich härter, vor allem Sänger und Drummer ließen es ordentlich krachen und auch die Interaktion mit den Zuschauern war sehr sympathisch. Die Niederländer/Belgier teilten jedoch leider das Schicksal vieler Vorbands: trotz Talent und Enthusiasmus seitens der Musiker hielt sich das Interesse der meisten Besucher arg in Grenzen und auch am Merch-Stand war der Ansturm eher überschaubar, obwohl das auf der Bühne Gezeigte durchaus Potenzial hat, zukünftig mehr Publikum anzuziehen.

Punkt 21.30 Uhr gings dann aber endlich los mit WE ARE SCIENTISTS, nachdem Sänger Keith Murray vorher schon Stunden lang versucht hatte, Shirts, CDs, Vinyl und handbeschriebene Textblätter (aus meiner Sicht ein überragender Merch-Artikel!) an den Mann bzw. die Frau zu bringen und dabei so unscheinbar rüberkam, dass man gar nicht auf die Idee gekommen wäre, dass der später auf der Bühne so abgehen würde.

Mit ihrem Album „With Love And Squalor“ hatten sich die Amerikaner 2005 einen Namen gemacht und innerhalb eines halben Jahres gut 100.000 Einheiten verkauft, der Nachfolger „Brain Thrust Mastery“ schaffte es im UK sogar auf Platz 11 der Album-Charts. Danach wurde es jedoch in der breiten Wahrnehmung ein wenig ruhiger um Keith Murray und seinen kongenialen Partner Chris Cain, doch umtriebig waren die beiden (und Live-Drummer Keith Carne) jederzeit: neben weiteren Alben produzierten WE ARE SCIENTISTS die MTV-Fernsehserie „Steve Wants His Money“ und auch zahlreiche Touren auf der ganzen Welt standen auf der Agenda.

Im April 2016 folgte schließlich „Helzer Seltzer“, das fünfte Studioalbum, das die Amerikaner nun auch auf europäische Bühnen bringen und Gas geben wie zu besten bzw. erfolgreichsten Zeiten. Doch nicht nur mit ihrer Musik wissen WE ARE SCIENTISTS zu überzeugen, auch das komödiantische Talent Murrays und Cains ist beachtlich und die Dialoge der beiden sind fast schon legendär. In Dornbirn beispielsweise gaben die beiden die Entstehungsgeschichte des Conrad Sohm zum Besten: angefangen mit der (korrekten) Aussage, sie hätten vor ein paar Jahren schon mal an selber Stelle gespielt, schaukelten sie sich mit jedem Wortwechsel derart auf und weiter in die Vergangenheit, dass man WE ARE SCIENTISTS plötzlich geradezu bildlich im Flußbett der Dornbirner Ach neben einem Biberdamm performen sieht, bis einem der wenigen Zuschauer die zündende Idee kommt: an dieser Stelle sollte man unbedingt einen Club bauen, um auch anderen Bands die Möglichkeit zu bieten, an diesem idyllischen Ort auftreten zu können! Die Biber gibts übrigens immer noch, sie leben jetzt allerdings im Keller des Conrad Sohm und freuen sich über das Dach über dem Kopf…

Ja gut, ich bin mal wieder abgeschweift, aber so lief das gestern eben. Musik gabs aber natürlich auch und das nicht zu knapp: WE ARE SCIENTISTS boten einen beeindruckenden Querschnitt durch ihr Schaffen, meine persönlichen Höhepunkte waren dabei „Nice Guys“, sowie die Klassiker „Nobody Move, Nobody Get Hurt“, „This Scene Is Dead“, „Inaction“, „It’s A Hit“ und „The Great Escape“. Sehr geil auch, als Keith Murray unvermittelt samt Mikro von der Bühne stieg, schnurstracks durchs Publikum marschierte und erst kurz vor dem Pissoir kehrt machte, um zur Bar zu gehen, diese zu erklimmen und dort abzugehen.

Nach 1 ½ Stunden war dieses in jeder Hinsicht bemerkenswerte Konzert leider viel zu schnell vorbei, doch es gab mit Sicherheit niemanden, der sein Kommen bereut hat. So schön es auch war, WE ARE SCIENTISTS in einem derart intimen Rahmen erlebt zu haben, so sehr wünsche ich der Band, dass wieder auf die Erfolgsspur einbiegt und zukünftig wieder mehr Zuschauer anzuziehen, denn musikalisch und vom Unterhaltungsfaktor her gibt es vermutlich wenige Bands, die es mit den Amerikanern aufnehmen können.