Donnerstag, 31. März 2016

SWISS & Die Andern - Missglückte Welt


(ms) "Ich will nach einer Geschichte wissen, wem man ins Gesicht spucken soll." Das hat einst Henri Nannen gesagt. Als Printübervater meinte er natürlich alle gedruckten Medien und somit auch einen gewissen Eigenanspruch. Ein Leitartikel soll aufrütteln, eine Reportage die Augen öffnen und zum unbedingten Handeln aufrufen.
Also folgende Frage: Bewegt Musik noch? Schlägt sie einem noch in die Fresse? Verfolgt sie Dich?
Spontan fällt einem Feine Sahne Fischfilet ein, die ohne Wenn und Aber in jedes abgelegene Dorf fahren und dort in Jugendzentren spielen, um den braunen Parolen Widerstand entgegenzusetzen. In den Charts läuft sowieso nur noch komplett belanglose Musik. Die tingelt ins eine Ohr rein und sofort wieder aus dem anderen raus.

SWISS hat etwas dagegen.
In seinen Rap-Geschichten hat er sich jahrelang mit extremen Begebenheiten auseinandergesetzt: Misshandlungen, Vergewaltigung, Mord, Totschlag. Und das alles mit einem beängstigten Perspektivwechsel, beispielsweise ein Amoklauf aus Sicht des Täters. Hip Hop war für SWISS einmal. Nun, seit über einem Jahr ist es knallharter Punk. Letztes Jahr erschien das Album "Große Freiheit" mit seiner Band Die Andern. Der in der Schweiz geborene hat sich nach Hamburg abgesetzt. Songs wie "Schwarz, Rot, Braun" machen sofort klar, wofür er steht. Das Punkdebut war eher ein persönliches Album. Am 1. April kommt der Nachfolger.



Missglückte Welt.
Titel der neuen Langspielplatte, die am 1. April erscheint. Kein Scherz. Beim Hören wird klar: Hier soll wieder jemandem ins Gesicht gespuckt werden.
Dabei kann man sich zunächst auch selbst glorifizieren. Der Opener "Einz, Einz, Zwei" warnt, denn SWISS ist zurück, lieber den Notruf wählen. Und wie!
Der Sound ist so brachial hart, dass es wieder Spaß macht. Ob das zum Großteil noch Punk ist, darf bezweifelt werden. Eher eine härtere Gangart, die herrlich gut ins Ohr geht. Genauso stark ist "Das schwarze Schaf". SWISS stilisiert sich selbst als Außenseiter, ein bisschen Show, ein bisschen Inszenierung. Klappt hervorragend. Dann wird es politisch: "Insel im Paradies" ist ein feines Raggae-Stück, das sich intensiv mit der Flüchtlingsbewegung und uns selbst auseinandersetzt. Kloß im Hals. "Der falsche Song" rechnet knallhart mit den Radioplaylisten ab. Da darf ein Cover von Ton Steine Scherben nicht fehlen: "Rauchhaussong". Es gibt feine Originalaufnahmen mit Klavier. Davon ist bei SIWSS nix mehr zu hören. Man könnte mal wieder zur Roten Flora fahren...
Zum Ende des Albums wird es immer stärker. "Gangster vom Asylheim" ist einfach saustark und sollte lautstark jeden Montag in Dresden erschallen.
Und dann der geheime Höhepunkt: "Der Kopf der Gertraut Bräuer". Zusammen mit Shocky und der Hofkomponistin (eine Hamburger Schauspielerin) wird eine düstere Welt gezeichnet. Doch leider war sie wahr. Es geht um Fritz Honka, der in den übelsten Hamburger Kneipen sein Unwesen trieb und später wegen Mord und Totschlag verurteilt wurde. Meistens waren es ältere Damen, die wie er nichts mehr zu verlieren hatten, weil sie schon ganz unten angekommen waren. Übrigens: Den Track hat die Hofkomponistin schon vor eineinhalb Jahren geschrieben.
SWISS selbst wusste nach Anfrage nicht, dass Heinz Strunk vor kurzem auch ein Buch über Honka verfasst hat. Außerdem spielt für ihn die furchtbare Einsamkeit von Honka und Bräuer eine wesentliche Rolle und wie traurig es ist, dass niemand Bräuer vermisst hat. Beide seien Figuren der missglückten Welt.

"Missglückte Welt" ist ein beinhartes Album mit starken Riffs, Sprechgesang, der klug ist und haften bleibt. Die Missglückte Welt ist zudem eine Art Netzwerk von SWISS' Anhängern. Das sollte man sich unbedingt live ansehen:

Juni - Hurricane Festival
August - Open Flair
07.10. - Frankfurt - Nachtleben
08.10. - München - Backstage Club
14.10. - Essen - Weststadthalle
15.10. - Köln - Underground
20.10. - Winterthur - Salzhaus
21.10. - Lindau - Club Vaudeville
22.10. - Stuttgart - Keller Klub
28.10. - Berlin - Musik und Frieden
29.10. - Leipzig - Moritzbastei
03.12. - Hamburg - Kaiserkeller





Montag, 21. März 2016

Albrecht Schrader - Leben in der Großstadt EP

Der Scheitel sitzt bei Albrecht Schrader. Quelle: gastspielreisen.de

(ms) Kevin. Kevin ist kein Name wie jeder andere. Er ist der Inbegriff von Dummheit, Hauptschule, schlechtem Kleidungsstil, Rattenschwänzchen am Hinterkopf, miese Ernährung, Ostdeutschland und Perspektivlosigkeit. Allein Kevin Spacey ist ein cooler Kevin, Costner vielleicht auch. Der Großkreutz passt eher in den oberen Teil. Dann gibt's noch Boateng oder Kuranyi. Zu denen guckt man auch nicht neidvoll hoch. "Kevin allein zu Haus" war allerdings noch irgendwie cool. Da war der Name auch noch nicht so verbraucht. Niemand will heute Kevin heißen. Er ist zu sehr Synonym geworden.

Bei dem Namen Albrecht ist das anders. Wir schieben hier mal ein paar Vorurteilsschubladen auf und zu. Albrecht ist eher Wohlstand, Hochnäsigkeit, Porsche, reiche Eltern, konservativer Gegensatz zum Establishment, Golf spielen, in die Kirche gehen, vielleicht auch zu den Rotariern. Gut gespielt wird er von Alexander Schubert in der "heute-show" als Albrecht von Humboldt: erzkonservativ, unwitzig, geleckt gekleidet. Sorry, aber der folgende Albrecht sieht auch genauso aus.

Albrecht Schrader heißt wirklich so und spielt auch weder allein zu Haus noch im ZDF. Er spielte bislang eher in der zweiten Musikreihe. Er war bei Anajo, tourte vor kurzem mit Herrenmagazin, dreht beim NeoMagazin Royale beim Geekchester Knöpfe oder spielt dort mal Klavier. Seit geraumer Zeit ist er jedoch auch solo unterwegs. Vor vier Jahren hat er eine EP Namens "Jill McBain" veröffentlicht. Das ist an den meisten Menschen vorbei gegangen. Nun legt er mit einer neuen EP nach, die letzten Freitag über Staatsakt das Licht der Welt erblickt hat.
Was für Musik macht aber Albrecht Schrader genau?
Man könnte sagen: Klavier-Easy-Listening. Oder auch: Piano-Chanson. Oder: deutschsprachiger Keyboard-Pop. Alles stimmt so ein bisschen. Auf "Leben in der Großstadt" sind vier Songs zusammen gekommen, die sehr unterschiedlich sind.
Der Titelsong hat Groove und ist ein brandgefährlicher Ohrwurm. Man versucht auch krampfhaft sich die wortspielerischen Strophen einzuprägen, schafft es aber nicht. Ein toller Song über Städtebau. "Ohne Sprünge, ohne Bräuche" ist ein Duett mit Tiana Wagner, das beinahe etwas kitschig daherkommt. Und genau das ist ein gewisser Punkt. Schrader arbeitet und spielt mit Kitsch und doppeltem Boden. Das geht auf der B-Seite weiter. "Mit Theorie mit Phantasie" genauso wie das gesprochene "Pathos im Alltag" muss man mehrmals hören. Beim ersten Hören ist es seltsam, beim zweiten will man den Text verstehen, beim dritten geht es ins Ohr.

"Leben in der Großstadt" ist eine ungewöhnliche EP, die trotz ihrer inneren musikalischen Gegensetzlichkeiten, sehr rund daherkommt. Man muss sich unbedingt Schrader mit Band angucken, um das System zu verstehen. Denn Albrecht Schrader holt den zweifelnden Zuhörer schnell auf seine Seite mit Selbstironie und gelungenem Humor.

Hier bald zu sehen:

12.04. - Köln - Studio 672
13.04. - Hamburg - Kleiner Donner
14.04. - Berlin - Monarch


Donnerstag, 17. März 2016

Nada Surf - You Know Who You Are

Elliot, Lorca, Caws, Gillard. Quelle: legrandmix.com
(ms) Wie sagt man so schön: Wenn die Helden der Jugend alt werden. Ja, Nada Surf sind nicht mehr die jüngsten. Das wissen sie auch und lassen es auch ihre Fans mit dem Titel ihres aktuellen, achten Albums wissen: You Know Who You Are.
Derjenige, der weiß, wer er ist, hat es gut. Nada Surf haben es gut.
Sie sind und bleiben einfach die Könige des Indie-Lovesongs. "The Proximity Effect" und "High/Low" haben ihnen die Türen geöffnet zu den großen Bühnen, zu einer irre großen Fanschar, die ihnen mittlerweile über 20 Jahren treu ist. "The Weight Is A Gift" war ein wirklich noch starkes, abwechslungsreiches, rockiges Album. Danach wurde es etwas dünn auf den Alben. Worüber noch schreiben als Familienvater, der sich irgendwie schon auf einer tollen Karriere ausruhen kann?! Die großen Liebessongs sind es nicht. Denn sie sind ja jetzt inside of love.
Dass sie aber doch Bock auf die großen Bühnen, Gigs ohne Ende und neue Songs haben, beweisen sie hiermit ein Mal mehr."You Know Who You Are" ist keine Überfliegerplatte. Das hat auch niemand erwartet. Ein zweites "Always Love" kommt einfach nicht mehr. Aber das ist nicht schlimm. Sie haben sich mit Doug Gillard ein viertes Bandmitglied geholt, der vorher schon live mit auf der Bühne stand. Somit ist live auch mehr Gitarre drin, im Studio kann man ja etwas experimentieren.
Nada Surf habe ich das erste Mal vor elf Jahren in Gelsenkirchen beim "Sport+Freunde Festival" gesehen. Seitdem komme ich nicht los von ihnen. Es ist wie eine Sucht. Sie machen einfach gute Musik. Punkt. Dazu sind sie so unheimlich sympathisch und immer gut drauf.
Das neue Album hat zwei, drei, vier starke Songs, der Rest taucht schlicht und einfach unter "ferner liefen" auf. Diese Songs sind: "Cold To See Clear", "New Bird", "Out Of The Dark" und "Rushing".
  • Cold To See Clear: Erste Single, beginnt ganz ruhig, ein toller Opener für ein Album. Dann kommen die starken Gitarren rein. "What I Arrived To, The Radio took me..."
  • New Bird: Vom Text her einfach schön, daher lohnt sich schon die Anschaffung des Albums. Die Vinyl-Version gibt es mit tollem Gatefold-Cover. Der Song treibt voran, geht ab. Hymne für einen schönen Sommertag am See.
  • Out Of The Dark: Erstmals seit langem vernimmt man Trompeten auf einem Nada Surf Song. Wer mir aus dem Stehgreif (außer "The Fox") ein anderes nennen kann, meldet sich bitte. Zudem: "You Don't Have To Run Around The Park, You Don't Have To Be Some Kind Of Hero". Ja, sie sind noch da für die großen Zeilen.
  • Rushing: Das Lied funktioniert in all seiner Schönheit nur mit dem Video zusammen. Damit ist alles gesagt.
Nada Surf, auch wenn älter geworden, sind sie eine große Band und garantieren gute Musik.
Ein Besuch ihrer Konzerte ist immer sinnvoll. Also, auf auf dorthin:

03.04.2016 - Hamburg - Mojo
04.04.2016 - Köln - Live Music Hall
05.04.2016 - Dortmund - FZW 
07.04.2016 - Amsterdam - Melkweg
17.04.2016 - Stuttgart - LKA
18.04.2016 - Berlin - Huxley's
19.04.2016 - Nürnberg - Hirsch
20.04.2016 - Wien - WUK
21.04.2016 - München - Muffathalle
22.04.2016 - Zürich - Dynamo



Dienstag, 15. März 2016

Ein Schiff, um Flüchtlinge zu retten!

jugendrettet.org
(jf)Täglich geraten Menschen im Mittelmeer in Seenot und sterben auf der Flucht vor Krieg. Ein staatliches Rettungsprogramm gibt es jedoch nicht: Stattdessen liegt der Fokus auf der europäischen Grenzsicherung und dem Aufdecken von Schleppernetzwerken.

Es müssten mehr Schiffe mit der ersten Priorität der Rettung eingesetzt werden! Um etwas gegen die Missstände auf dem Mittelmeer zu unternehmen, hat sich im Juli 2015 die Organisation "Jugend Rettet e.V." gegründet. Jakob, erster Vorsitzender, hatte im letzten Jahr die Idee zur Gründung. Schnell kam Lena hinzu, die von Berlin aus das Botschafternetzwerk der Organisation koordiniert. Mittlerweile sitzt in Berlin ein Kernteam von 8 Leuten zusammen, die jeweils unterschiedliche Bereiche des Vereins anleiten. Neben der Hauptstadt ist Jugend Rettet bereits in über 30 deutschen und einigen Städten im Ausland mit sogenannten Botschaftern vertreten. Durch das Botschafter-Netzwerk ist Jugend Rettet über ganz Deutschland in stetigem Kontakt und findet somit immer mehr Interessierte und Unterstützer.

Wie genau will Jugend Rettet die aktuelle Situation verändern?
Die Idee ist ganz konkret: ein Schiff soll gekauft werden. Dieses wird dann zum Zweck der Seenotrettung umgebaut und soll ab Juli 2016 auf der zentralen Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien/Malta Leben retten.
Um ein Schiff zu kaufen, wird Geld benötigt – viel Geld. Jugend Rettet ist dem Vorhaben nun einen riesigen Schritt näher gekommen: eine Privatperson hat die Schiffsfinanzierung von 150.000 € zugesichert, unter der Bedingung, dass die Organisation bis Ende März 2016 das Geld für den Umbau, die Überführung sowie für den ersten Monat auf See beisammen hat. Der Betrag beläuft sich auf circa 80.000 €. Ein Batzen Geld, aber schaffbar! Und zwar mit eurer Hilfe; über 51.000 € sind bereits zusammen gekommen und nun ist jeder noch so kleine Beitrag wichtig!


Dies ist die Crowdfunding-Seite von Jugend Rettet! Teilt diese Adresse, schickt sie an Freunde Bekannte, entfernte Verwandte und nicht so entfernte Verwandte und helft dabei, die Idee von Jugend Rettet zu realisieren!

 „Wir werden in Seenot geratene Menschen auf der zentralen Mittelmeerroute retten. Jeder Mensch verdient die Rettung aus Seenot, unabhängig von Fluchtursachen, Herkunft, Religion oder dem voraussichtlichen Aufenthaltsstatus!“, so lautet eine der Leitlinien der Organisation.


Donnerstag, 10. März 2016

108 Fahrenheit - Mein Herz

Der Kern der Band. Photo: Silke Kurtz
(ms) In einer urigen Kneipe an der Nordsee sitzen. Bekanntlich ist Reden nicht eines der beliebten Hobbys der Ostfriesen. Es ist eher ruhig, draußen tobt ein Sturm, der Wind und Regen peitschen gegen das Fenster, sodass man heilfroh ist, endlich wieder drinnen zu sitzen. Dazu ein frisch gezapftes Bier, wer mag, raucht. Der alteingesessene Kneipier erzählt Seemannsgarn, hier ist der Ort, von dem man niemals verschwinden möchte. Natürlich läuft auch etwas Musik. Man hört eine kräftige Männerstimme, Akustikgitarre, Streicher, dezentes Schlagzeug, Banjo, mal Trompeten oder ein Geigensolo. Das ist der Soundtrack zu dieser Szene.

Diese Musik könnte von 108 Fahrenheit kommen. Besser noch von ihrem Debutalbum "Mein Herz", das kommende Woche über Rough Trade überall erhältlich ist. Witzigerweise haben die Herren und Damen um Kai Niemann, Marco Pfennig und Adrian Kehlbacher herzlich wenig mit der Nordsee zu tun. Sie kommen aus Leipzig und Dresden. Alles erfahrene Musiker. Insbesondere Sänger Kai Niemann ist nicht unbekannt. Aber über die missglückte Nutzung seiner Songs "Im Osten" und "Wir sind das Volk" kann man woanders nachlesen. Niemann will wieder richtig verstanden werden, hat nichts, aber auch absolut gar nichts mit Nazis oder Pegida-Deppen am Hut. Daher kommt dieses emotionale, ehrliche, gefühlvolle Album genau zur richtigen Zeit. Songs mit Texten, die so nah ans Herz gehen.

Die Texte. Es sind kleine Geschichten, einzelne Episoden. Es geht um Schmerz, Liebe, aber auch um große Gefühle der Freude. Es ist nirgends Kitsch zu spüren, sondern Authentizität (auch wenn dieses Wort so herrlich verbraucht ist). Der Opener "Sag kein Wort" bereitet den Hörer sanft vor. Nur Gitarre und Niemanns kräftige, leicht rauchige Stimme. "Mein Herz" spiegelt die Kneipenszene von oben. Das Lied ist so maritim, inhaltlich aber auch instrumental mit Banjo, Whistle, Fiddle und Santiano ist so wahnsinnig weit entfernt, nicht mal am Horizont sind die Plakatseemänner zu sehen. Live spielt die Band übrigens mit 10 Gastmusikern. Wem bei "Leerer Planet" dann ab der Hälfte kein Schauer den Rücken runter läuft, ist ein gefühlloser Lump. Dieses imposante, melancholisch-melodische und orchestrale Instrumental... da möchte man drin baden gehen. Leider gibt einem die Band keine Pause beim Herzschmerz. "Gibt nicht auf" lässt den Hörer beim Abspielen sterben: Was für ein Song!  Zu "Schweigend mit dir stehen" gibt es ein schönes s/w-Video und bezeichnet gut den Kern einer guten Freundschaft oder Liebe. Man muss nicht immer reden.

"Mein Herz" ist ein breites, tolles Album. Allzu radiotauglich ist es leider nicht. Dennoch wäre es ein Skandal, wenn die Band nicht das Maß an Anerkennung bekommen würde, was sie verdient. Zwischenzeitlich dachte ich, ein wenig Niels Frevert rauszuhören. Aber das stimmt nicht ganz. Es ist etwas eigenes. Warme, ehrliche, gute Musik! Die Deutungshoheit ist zurück gewonnen.

"Mein Herz" erscheint am 18. März über Rough Trade.
Anschließend ist die Band in großer Besetzung hier zu sehen:

29.03. Leipzig - Moritzbastei
30.03. Erfurt - HsD Gewerkschaftshaus
01.04. Jena - F-Haus
02.04. Halle/Saale - Schorre
03.04. Chemnitz - Stadthalle – Kleiner Saal



Montag, 7. März 2016

The Inspector Cluzo - "Rockfarmers"

Rockfarmers: Mathieu und Laurent
(ms) Es schrammelt, knarzt und knattert.

Das könnte der erste Eindruck sein, wenn man das neue Album von The Inspector Cluzo hört. Meiner war es zumindest. Doch in dem fünften Album der Franzosen steckt wesentlich mehr drin. Das hängt dieses mal auch davon ab welche Albumversion man sich zulegt. Egal welche, wir legen euch den Kauf jetzt schon ans Herz!

Das Schrammeln, Knarzen und Knattern kann allerdings relativ einfach erklärt werden. The Inspector Cluzo ist ein Duo. Mathieu am Schlagzeug und Laurent an der Gitarre. Ironischerweise haben sie ihr eigenes Label schlicht und einfach „Fuck The Bass Player“ genannt. Gefällt uns! Außerdem haben sie das Album live und analog aufgenommen. Unverfälschter Klang. Gefällt uns auch.

Wenn ihr nicht so frankophil seid, macht das nichts. Sie singen auf englisch. Oder auch mal gar nicht, sondern hauen sechsminütige Instrumentalsongs raus. Wer macht das heutzutage schon zu zweit? Auf allen 15 (!) Songs geht es zur Sache. Und sie sind unfassbar abwechslungsreich. Manchmal klingen sie verspielt wie auf „I’m A Japanese Mountain“, mal romantisch wie bei „Kiss Me“. Stimmlich  haben sie dabei keine Angst sich in die höchste Höhen zu schwingen. Da klingt erstmal gewöhnungsbedürftig, nach dem zweiten oder dritten Durchlauf von „Rockfarmers“ freut man sich auf diese erst schrägen stellen. "Fishermen" überzeugt mit seiner aufgebauten Dichte und Härte im Refrain und den Kinderhintergrundchören zwischendurch.

Bei diesem Album müssen wir dringend auch mal über die unterschiedlichen Formen sprechen, wie mittlerweile Alben veröffentlicht werden. CD ist normal. Auch Vinyl ist weder exotisch noch Retro , dafür sind die Presswerke viel zu sehr ausgelastet. Mathieu und Laurent haben sich noch etwas schönes einfallen lassen. Es gibt ein Comicbuch mit zwei CDs und einer DVD. Im Buch sind sämtliche Texte zu lesen und schöne Kritzeleien des befreundeten Künstlers Abu, dem auch ein Titel gewidmet ist. Während man sich langsam in das komplexe Album reinhört,  kann man herrlich im Buch blättern. Eine tolle Idee! 

Damit ist noch lange nicht Schluss. Denn wir müssen zudem über den Albumtitel reden: „Rockfarmers“. Meistens nimmt man sowas ja einfach hin. Das wäre in diesem Sonderfall von  The Inspector Cluzo natürlich zu kurz gedacht. Vor ein paar Jahren sind die beiden Musiker in die Gascogne gezogen und haben sich dort einen kleinen Bauernhof gekauft. Dort züchten sie unter anderem Gänse, die sie selbst verarbeiten und auf dem örtlichen Markt anbieten. Man könnte denken, sie leben im Berliner Umland und am Wochenende in der Markthalle 9 anzutreffen, so biohip klingt das. Doch sie meinen es ernst und ziehen es knallhart durch. Und das auf fast 80 Minuten.

„Rockfarmers“ ist ein Gesamtkunstwerk! Die Farm, der knarzige Sound sowie die beiden Instrumente plus Gesang gehen Hand in Hand. Außergewöhnlich, anspruchsvoll, rockig.

Das Album erscheint am 18.3 über Groove Attack.

The Inspector Cluzo kommen für vier Termine nach Deutschland:
20.04 Köln – Underground
22.04 Hamburg – Molotow
23.04 Berlin – Maschinenhaus
24.04 Berlin – Maschinenhaus



The Inspector Cluzo - I'm a Japanese Mountain (from Rockfarmers 5th double album) from Ter A Terre on Vimeo.


THE INSPECTOR CLUZO - "THE RUN" - Rockfarmers 5th double album 1st extract from Ter A Terre on Vimeo.