Sonntag, 25. Oktober 2015

ticktickboom und Audiolith: Warum Rap der neue Punk ist! 1/2

Wirklich?! Quelle: warestock.co.uk

(ms) Okay, vielleicht ist Feine Sahne Fischfilet die letzte politische Punkband, die es aktuell noch gut. Na gut, die Donots haben auf ihrem "Karacho"-Album auch eine kleine politische Ader pulsieren lassen. Doch danach wird es ziemlich dünn, bis man auf Adam Angst und Turbostaat stößt. Okay. Jetzt ist wirklich Schluss. Mir fällt keine deutschsprachige Punkband mehr ein, die im Jahre 2015 wirklich politische Texte schreibt. Auf den Konzerten ist das etwas anderes. Da sind Statements gegen Rassismus, Pegida und den ganzen Idiotenschwachsinn selbstverständlich. Farin Urlaub lässt immer wieder seine (gute) Meinungen verlauten, doch seine Texte und Lieder sind Unterhaltung, mehr nicht.

Schaut man in den Sampler "Kein Mensch ist illegal", der die Tage rausgekommen ist und dessen Erlös zu 100% an ProAsyl geht, sieht man ein ähnliches Bild. Natürlich legen wir jedem ans Herz, sich diese Scheibe zuzulegen und etwas Gutes zu tun!
Viele großartige Künstler, von denen wir viele wirklich lieben, haben sich darauf versammelt. Doch die wirklich immer politisch gewesene Musikrichtung Punk ist als solche kaum vertreten bis auf einzelne oben genannte Bands. Dazu haben sich viele andere gesellt wie Thees Uhlmann, Annenmaykantereit, Madsen, K.I.Z., Jan Delay, Kante oder Niels Frevert. Alles spitzen Musiker, keine Punks und textlich auch nicht politisch. Piano-Poet Enno Bunger hat mit "Wo bleiben die Beschwerden" ein wichtiges Lied geschrieben, das leider auf dem Sampler nicht zu finden ist. Doch hat er auch keine lila gefärbten Haare und eine alte Weste mit Patches drauf an. Egotronic sind seit ein, zwei Jahren auch Punk, haben ihre Wurzeln aber im Elektro, politisch waren sie immer; allein aus Torsuns Selbstverständnis heraus.
Jetzt darf man auch die Frage stellen, ob diese Künstler alle denn überhaupt mit ihrer Musik im Jahre 2015 Stellung beziehen müssen zu den aktuellen schwierigen und beängstigenden Situationen in Köln oder Dresden. Ja, müssen sie. Die Kulturschaffenden und intelligenten Musiker dieses Landes haben eine enorm hohe Resonanz, Reichweite und vielleicht dringen sie zu mehr Leuten durch als irgendein Bundestagsabgeordneter. Ein Lied würde ja vielleicht reichen. Dann müssen sie nicht alle auf den Bühnen des Landes das gleiche sagen. Ihre guten und richtigen Äußerungen sollen in ihrer Häufigkeit und doch Gleichheit kein Vorwurf sein. Sie können auch ihr künstlerisches Schaffen dazu nutzen. Eventuell ist das viel emotionaler.

Nicht falsch verstehen: Laute antifaschistische, antirassistische Äußerungen auf den Bühnen sind goldrichtig und ein Muss. Sie können auch mit Tönen unterlegt sein. Die Instrumente sind sowieso daneben.

Womit wir zu der Musikrichtung kommen, die immer schon politisch war und es heute mit einigen Künstlern immer noch und erst recht ist: Dem Hip Hop. Rap-Musik. Heute das Maß der Dinge. In Teil 2!




Mittwoch, 21. Oktober 2015

Samuel Brem - Müsste Gehen.


(sf) Samuel Brem? Nie gehört, oder? Denkt Euch nix, denn bislang ist der Deggendorfer in der Tat nur recht wenigen Menschen ein Begriff, aber das ändert sich hoffentlich in Kürze, denn mit "Müsste Gehen" erschien die Tage sein Debütalbum und das zeigt das große Potential des jungen Künstlers auf. Deshalb bereits hier im Vorwort die Empfehlung: holt Euch das Album und gehört zu den Ersten, die ihn unterstützen.

Flashback! Die Cro-Welle hatte nicht nur die luserlounge erreicht, sondern auch Niederbayern, wo Samuel auf seinem Youtube-Kanal "strongert2010" mehrere Songs des Stuttgarter Rappers coverte und hochlud - seine Version von "Easy" verzeichnet mittlerweile knapp 130.000 Aufrufe. Doch sein Repertoire ist deutlich größer und umfasst u.a. auch Stücke von Kraftklub, Clueso, Ed Sheeran und Left Boy.

https://www.facebook.com/Samuel.Brem.acousitic
Ein kleiner YT-Hype, mehr nicht - oder? Doch, denn bereits 2012 veröffentlichte Brem mit "Wie ein Stein" seinen ersten eigenen Song, wobei der Text noch aus fremder Feder stammte; ein Fan hatte ihm die Zeilen zukommen lassen mit der Bitte, etwas daraus zu machen. Und das gelang ganz hervorragend, Samuels sanfte Stimme gibt dem nachdenklichen Text eine ungeahnte Tiefe und lässt ihm doch alle Möglichkeiten, sich zu entfalten. Als ich nun endlich die CD in den Händen hielt und feststellte, dass der Track auch drauf ist, war ich zum Einen sehr froh, zum Anderen aber auch gespannt, was Samuel im Studio daraus gemacht hat und muss sagen, dass ich wirklich begeistert bin. Aus einer reinen Gitarrenbegleitung wurde ein sehr gelungenes, unterstreichendes Arrangement, das die Lyrics gekonnt einbettet. Die unten im Video festgehaltene Version ist übrigens auch nur eine Zwischenstation zum Endergebnis auf dem Album.

"Müsste gehen" ist kein lautes Album und das ist gut so. Samuels Stimme wäre verschenkt, wenn er sie nicht leise und doch dominant einsetzen könnte. Dass hin und wieder mal ein Ton nicht sitzt - geschenkt! Im Gegenzug erhält der Hörer eine volle Portion Gefühl, Authentizität und Einfühlsamkeit. Es ist wirklich angenehm zu hören, dass Brem nicht geschrieben hat, was die Masse hören will, sondern sich auf sein persönliches Umfeld bezieht und einen Blick in sein Seelenleben gewährt. Ich behaupte mal, dass es Songs wie "Du" und "Schicksal" nicht mehr geben wird, wenn er (und das hoffe ich sehr!) erfolgreich sein wird und größere Menschenmengen erreicht - zu privat erscheinen die Aussagen, als dass damit die Masse bedient werden möchte.

https://www.facebook.com/Samuel.Brem.acousitic
Auch der äußerst bewegende Text zu "C. M." lässt den Hörer nicht unbewegt zurück, dreht sich der Song doch um einen jungen Mann aus dem Bekanntenkreis des Sängers, der betrunken einen Autounfall verursachte und zwei seiner Freunde in den Tod riss und nun selber im Rollstuhl sitzt. Wenn dadurch auch nur einer im Fall der Fälle seine Karre stehen lässt, dann hat Brem alles richtig gemacht. So oder so aber beschert einem der Track einen riesengroßen Klos im Hals, gerade auch, weil er thematisch so gar nicht zu den restlichen Songs dieses sehr beachtlichen Debütalbums passt.

Ich habe es bereits oben empfohlen und ich mache es erneut - nehmt 12 € in die Hand und bestellt Euch "Müsste Gehen" direkt beim Künstler: samuelbrem.cd2015@gmail.com





Samstag, 17. Oktober 2015

Hörbuch: Torsun - "Raven wegen Deutschland"

Quelle: torsun.blogsport.de
(ms) Hat noch jemand Ketamin?
Ich glaube, ich hab da drüben noch Speed.
Boah, mega Bock auf Ecstasy gerade!
Dazu noch, drei, vier, acht Bier?! Klar, kein Problem.
Schöne, vollgedröhnte, verspulte Menschen, die man gern hat.
Öfter mal die Nächte durchzechen, zwei, drei Tage am Stück wach bleiben. Alles easy.
Ein bisschen Liebeskummer, private Probleme und keine Lust auf Arbeit.

So in etwa hört sich "Raven wegen Deutschland" von Torsun an.
Das Buch hat Torsten Burkhardt, Sänger und Texter der von uns verehrten Band Egotronic, bereits vor vier Jahren veröffentlicht. Aus ihm ist mittlerweile ein Arbeitstier sondergleichen geworden, sodass er sich für mehrere Tage in ein Studio eingemietet hat und das ganze als Hörbuch eingelesen hat, welches selbstverständlich via Audiolith am 23. Oktober erscheint.

Nur für richtige Leseratten ist das Hörbuch als Format ein Nachteil. Oder für Menschen, die dabei einschlafen. Hier ist Vorsicht geboten. Wir können versprechen, dass bei diesem Text, gut viereinhalb Stunden, niemand einschlafen wird. Es ist nicht nur wunderbar, dass Torsun selbst liest, sondern dass es einen Einblick in die Band-, Liebes- und Drogengeschichte des Verfassers gibt. Das auch nicht zu knapp. Im Grunde genommen geht es um den Entstehungsprozess des 2007er Albums "Lustprinzip". Die persönlichen Umstände: Antriebslosigkeit, Fast Food, kaum Möglichkeit eine beendete Beziehung zu verarbeiten, im Prinzip ging alles den Bach runter. Was wieder nach oben geholfen hat außer bergeweise Drogen und Bier soll hier nicht verraten werden. Das Hörbuch ist ein einziger Rausch, nicht nur was Substanzen angeht, sondern auch die direkten Schilderungen seiner Freizeitgestaltung. Ein Musiker ohne Schnörkel, privat sicherlich ein sehr schwieriger Mensch, denn schon "damals" gab es die ersten großen Probleme und Änderungen der Bandbesetzung.
Zum Hören sollte man sich auch ein paar Bier gönnen. Man kommt aus dem Staunen gar nicht raus. Geschichten jagen sich gegenseitig. Quasi eine Live-Doku zum einsteigen.

Nur darf man eines anmerken. Muss man vielleicht auch.
Nicht nur das Buch glorifiziert das Album "Lustprinzip" und seine Entstehung. Das ist vier Jahre her. Wieso jetzt noch das Hörbuch? Ständige Rückbesinnung auf die gleichen Geschichten und zwei Songs ("Lustprinzip", "Raven gegen Deutschland") auch noch acht Jahre danach.
Torsun wird seine Gründe dafür haben.
Und wir haben ein geniales Hörbuch, was man am besten am Stück hören sollte. Die kommenden Wochen bieten beste Begleitumstände was das Wetter und damit wegfallende Freizeitmöglichkeiten, um gepflegt zuzuhören.

Es gibt zwei Lesungen und daneben geht der Egotronic-Tour-Tross wieder los. Ihr solltet vorbeischauen, weil nächstes Jahr pausiert wird!

Torsun liest:
03.11.15 Hamburg - Hanseplatte
24.11.15 Berlin - Monarch

Egotronic Live:
29.10.15 Kassel – Goldgrube
30.10.15 Erlangen – E-Werk
31.10.15 Reutlingen – Franz K
19.11.15 Jena – Kassablanca
20.11.15 Osnabrück – Kleine Freiheit
21.11.15 Saarbrücken – Garage
03.12.15 Düsseldorf – Zakk
04.12.15 Stuttgart – 12zehn
05.12.15 Bielefeld – Bunker Ulmenwall
09.12.15 Würzburg – Cairo
10.12.15 Linz – Stadtwerkstatt
11.12.15 Wien – B72
12.12.15 München – Feierwerk
16.12.15 Bremen – Tower
17.12.15 Flensburg – Volksbad
18.12.15 Lüneburg – Salon Hansen
19.12.15 Kiel – Alte Meierei




Dienstag, 13. Oktober 2015

Introducing TapTape. Vom Fan zum Stakeholder.

quelle:twitter.com

(mb) Einmal A&R Manager sein. Talente entdecken. Ihnen zum Durchbruch verhelfen. Das ist der Traum vieler Musiknerds. In der Realität ein schier unmögliches Unterfangen. Aber es gibt Hoffnung. Es muss kein Traum bleiben. Denn seit sehr kurzem gibt es TapTape, die dich zum Fan UND Stakeholder machen.

Wie funktioniert TapTape?

Bei TapTape geht es um Talentförderung von Musikinterpreten. Findet man einen Künstler gut, kann man ihn finanziell bei einer Kampagne unterstützen. Die Ziele davon sind genau definiert und messbar.
Korrekt, die Idee ist nicht ganz neu. 
Seit 2009 gibt es Kickstarter, eine Internetplattform zur Finanzierung von kreativen Projekten. Genau wie bei Kickstarter kommt eine Kampagne nur zustande, wenn ein gewisser Mindestbetrag erreicht wird. Auf den hauseigenen Künstlerseiten bekommt man einen Überblick in die Entstehungsgeschichte der Bands, deren Fans (Zielgruppe) und vor allem die USP´s (des Sounds). Klingt alles ziemlich wirtschaftlich.

Man soll Musik entdecken, die im Idealfall rentabel ist. Vorselektierte Musik wohlgemerkt. Denn die zur Verfügung stehenden Künstler werden zum Einen von Tap Tape ausgesucht und zum Anderen bereits von einer Plattenfirma protegiert. So gesehen sind diese keine unbeschriebenen Randerscheinungen am Musikhimmel, aber eben auch nicht der Mittelpunkt des Kosmos. Logisch, dass es zwischen TapTape und  den Plattenfirmen Verträge gibt. Denn nur diese können gewährleisten, dass gewisse Vorrechte gewährt werden können.



quelle: Beadaily.com

Was ist anders/neu?

Man spricht von opportunity vs. charity. Zum Einen unterstützt man die Künstler bei Ihren Projekten, zum Anderen wird man dafür nun auch mit gewissen Privilegien entlohnt. Mit Meet&Greets, speziellen Download Codes vor Veröffentlichung eines neuen Remixes oder EP, mit Zugang zu limitierten Merch und so weiter.
Bei Kickstarter ist es so: Unterstützung ja, Interaktion und Integration nein. 
Bei TapTape geht alles. 
Wenn die Kampagne profitabel ist, bekommt man für sein Investment TopCoins zurück. TopCoins sind eine virtuelle Währung, mit welcher man sich Tickets & Merch & Schickschnack über Amazon kaufen kann. Oder man reinvestiert. In andere Künstler, in weitere Kampagnen. 
Irgendwann, so die Gründer, soll sich eine echte Kampagne auch in echtes Geld transferieren. 

Wie dass nun konkret von statten gehen kann, sieht man an den Ambassadors von TapTape:
K Theory. Es gibt ein Video, eine Kampagne, erste Teilziele und erste Benefits für den Unterstützer.

Fazit

TapTape ist ein spannendes Format, welchem dem Unterstützer mehr Privilegien und Anreize bietet als kickstarter. Mit weichen Faktoren wie Kontakt- und Interaktionsmöglichkeiten. Anders formuliert: Man bekommt nicht nur einen kalten Händedruck, sondern ein  V.I.P. Package.
Und mit harten Faktoren wie Top Coins oder eben Bargeld, Stakeholders Business as usual. Wie das genau gehen und wie nah man rankommen kann: TBD.

Dadurch verschmelzen die Welten von Wirtschaft und Kunst. Das Gute: Das Eine limitiert nicht das Andere. Der Artist bleibt (relativ) autark. Die Idee ist zeitgemäß und weiß einen gewissen Pioniergeist bei den Supportern zu wecken. Weil Musiknerds eben nicht nur behaupten möchten, dass Sie die Band entdeckt haben, sondern auch in verschedener Hinsicht aufgebaut haben. Vielleicht auch mental, bei einem Meet&Greet.  A&R Manager Dreams und zugleich Euphemismus, klar.
Es bleibt abzuwarten, inwiefern dass Modell auch in der Realität bei vollen Terminkalendern von aufstrebenden Künstlern Bestand hat. Zu viele Köche verderben den Brei, aber wenigstens sind jetzt mal die richtigen Zutaten am Tisch. Schlussendlich kommt es darauf an wie man diese verarbeitet.

Wir wünschen viel Erfolg.
Macht euch euer eigenes Bild:

TapTape Homepage

Im aktuellen Künstlerportfolio:

- Asgeír
- Cloud Nothings
- Bob Moses
- Sylvan Esso
- K Theory


Montag, 12. Oktober 2015

Enno Bunger - "Flüssiges Glück"

Quelle: muffatwerk.de
>> Es gibt Dinge, die begreift man nur, wenn man sie nicht erklärt <<

(ms) Manche Menschen muss man allein wegen ihres Namens mögen. Enno Bunger gehört definitiv dazu. Enno. Was für ein fantastischer Name. Das ist Norden, das ist Gegenwind, Gischt, Schweigen, Wildnis, leise Töne, Moin Moin, Kluntje, Tee-Zeremonie. Und er schaut genauso aus. Nordischer Bart, ostfriesische Gemütlichkeit. Er könnte aber auch Hipster sein. Oder schwedischer Baumfäller. Doch wahrscheinlich ist er derjenige, der uns eine der besten Platten des Jahres serviert hat. Sie heißt „Flüssiges Glück“ und ist seit letztem Freitag zu ergattern.
Was  darf man auf dem dritten Album von Enno Bunger erwarten?
Den grandios-melancholischen Klaviersound mit den Liebes- und Weltschmerzliedern ohne Schmalz vom Konzeptalbum „Wir sind vorbei“ muss man hinten anstellen. Leider. Denkt man zu erst. Nach dem dritten, vierten Hören der Platte, folgt rasch das fünfte und sechste, weil sie richtig gut ist.


Denn den Trennungsschmerz, den er auf dem Vorgänger verarbeitet hat, ist einem neuen Sound gewichen. Synthies, Sounddesinger, Beats sind in den Vordergrund getreten und haben das Schlagzeug und teils das Klavier verdrängt. Der erste der gleich „Polarkreis 18“ sagt, bekommt eine gewatscht! Die ersten Stücke überraschen mit den neuen Tönen. „Scheitern“ und die erste Single „Neonlicht“ klingen nach Großstadt, sich treiben lassen, aber nicht in den Clubs der Stadt, sondern auf ihren Brücken, Alleen, auf Dachterrassen. Und dann kommt Hamburg. Also „Hamburg“. Seit Jahren kommen aus dem Norden Liebesgeständnisse an die Elbmetropole. Zu Recht! Doch Ennos Hymne ist anders. Nicht nur, dass sie 10 Minuten lang ist. Sondern sie strahlt eben nicht von großen Schiffen, Reeperbahn, Fußball, nordischer Andächtigkeit. Na gut, textlich schon. Es klingt nach einem Trip, der auf dem Kiez beginnt und im Hafen endet. Genauso klingt es. Nach Industrie, niemals-schlafen-gehen. Wie es so in Hamburg aussieht, haben Tomte auf ihrem letzten Album gefragt, Enno Bunger hat die Antwort!
Mit „Zwei Streifen“ ist der alte Klang wieder da. Er ist so herzzerreißend, dass man es kaum aushält. Mehr davon, Sucht! Genauso „Heimlich“. Zwei tolle Perlen auf der Scheibe. Diese klingen nach Humor, ganz leisem Humor. Wer Bunger schon mal live gesehen hat, wundert es nicht, dass er seine Stand-Up-Ansagen auch auf Platte bringt. Das zementiert sich in „Am Ende des Tunnels“. Da wird ein bisschen abgerechnet, sich auf die Fresse gehauen, weil er mit Herrn Naidoo verwechselt wird. Zuschlagen erlaubt.

>> Willst du eine neue Bleibe haben, folge einem Leichenwagen <<

Zeit muss man sich nehmen für diese Platte. Man muss sie aufsaugen.
Damit kommen wir zum Höhepunkt, der mittendrin schlummert und so dermaßen den Puls der Zeit zum Beben bringt, dass es zittert unter der Gänsehaut. „Wo bleiben die Beschwerden?“ Ja, wo bleiben sie? Ein Song, der aus Wut, Zorn, Aggression und stummen Staunen entstanden ist, beim Beobachten, was in den letzten Jahren im braunen Sumpf der Republik geschehen ist. NSU, Asyldebatten, Flüchtlinge, Menschen, Gewalt, Versäumnisse, Verfassungsschutz. In dem Song ist auch (s)eine neue Art zu singen erkenntlich. Eine Art Reden, Sprechgesang wäre zu viel, es ist kein richtiger Gesang, Berichterstattung vielleicht.

>> Du bist permanent in meinem Auge, oh, wenn ich noch eins auf Dich werfe, bin ich blind <<


Ja, dieses Album ist dunkel. Teils tiefschwarz, erdrückend. Doch einzelne Hoffnungsschimmer bescheinigen, dass es kein Downer ist. Enno Bunger, der von seinen Fans zurecht geliebt wird, hatte den Mut, sich von seinem Sound zu lösen und ihn weiter zu machen, ohne sich zu verstellen. Beim ersten Hören, wollte ich, dass es so ist, wie es immer war. Dass es nicht so ist, beweist Geschick, musikalische Raffinesse, Können und dass ein geiler, schicker Typ großartige Musik macht. Vielen Dank!



Freitag, 2. Oktober 2015

Wanda - Bussi für die beiden Schwestern und die spanischen Frauen

Quelle: privat
(sf) Vier der zwölf Songs des heute erschienen Albums "Bussi" der österreichischen Überflieger Wanda hatte ich bereits live gehört und mich innerlich schon darauf vorbereitet, einen Verriss schreiben zu müssen, wurde nun aber eines Besseren belehrt und kann gar nicht anders, als die Lobeshymnen auf die fünf Wiener fortzusetzen. "Bussi" ist brillant, intensiv, sarkastisch und hymnisch - die bevorstehende Tour dürfte ziemlich legendär werden, wenn sich die neuen Tracks mit den bekannten Liedern des erfolgreichen Debüts "Amore" mischen und Liebe in der Luft liegt.

Los gehts mit "1, 2, 3, 4", das bereits auf der letzten Tour live dargeboten wurde und in der Regel den Konzertabschluss bildete. Damals konnte es mich nur so halb überzeugen, in der Studioversion gefällt es mir erstaunlicherweise besser und funktioniert auch als Album-Opener hervorragend, weil man sofort in Tanz- und Springlaune gerät.

Auch "Meine beiden Schwestern" war bereits bekannt und obwohl ich den Text nachwievor ziemlich einfallslos und uninspiriert finde, bekomme ich das Lied seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf, summe und singe es die ganze Zeit vor mich hin - ein Ohrwurm der angenehmeren Sorte! Ich mag den Wiener Dialekt ja ohnehin saugerne, aber hier passt er einfach nur perfekt in seiner Nonchalance und unterstützt die eingängige Melodie ideal.

Quelle: www.meinbezirk.at
"Bussi Baby" bezieht sich textlich auf die alten Hits, ist musikalisch sicher keine Offenbarung und
doch macht es süchtig und der Titel lädt geradezu dazu ein, ihn einer attraktiven Person des bevorzugten Geschlechts entgegenzuhauchen. Huch, ich schweife ab - immer diese Amore...

Kommen wir zum ersten Höhepunkt: "Lieber dann als wann" ist böse, herablassend und doch so ehrlich, wie man es selber manchmal gerne gegenüber den Menschen wäre, mit denen man einfach nicht viel anzufangen weiß. Wie oft wünscht man sich, dass sie andere Person anders wäre, als sie tatsächlich ist? Dies ist der Soundtrack zur Situation und ich kann mir gut vorstellen, diesen Song auch in der ein oder anderen deutschen Filmproduktion wiederzuhören.

Der Beginn von "Gib mir alles" ähnelt "Bussi Baby" frappierend, bewegt sich dann aber doch in eine andere Richtung, handelt von Schmerzen und übt sogar ein wenig Sozialkritik - alles in allem ein sehr solider Track, dessen Textstelle "Alkohol macht süchtig, macht mich krank" geradezu ironisch rüberkommt, wenn man an "Schnaps" und den mitunter doch recht exzessiven Konsum der Herren auf der Bühne denkt.

"Nimm sie wenn Du's brauchst" - Wahnsinn! Ein Liebeslied der ganz anderen Art, die Rückkehr von Bologna und wenn Du glaubst, dass Du's brauchst, dann steck sie ein wie 20 Cent. Leider viel zu kurz, aber richtig grande.

Gute Menschen, schlechte Menschen, echte Freunde, falsche Freunde. "Alarm!" hat zwar durchaus eine Aussage, hängen bleibt aber auch hier wieder die Referenz zum Vorgängeralbum. Machen es sich Wanda hier zu einfach oder will man den Fans etwas gönnen, indem man Bekanntes einfließen lässt? Ich weiß es nicht, aber der Refrain wird live super funktionieren.

Quelle: privat
"Mona Lisa der Lobau" funktionierte schon als B-Seite der Single-Veröffentlichung von "Bussi Baby" und auch auf dem Album reiht sich der Track bestens ein. Wieder so ein Lied, dass aus gar keiner anderen Stadt als Wien kommen kann und das einen in seiner lässigen Traurigkeit gepaart mit euphorischer Verzweiflung sofort in seinen Bann zieht.

Live wirkte "Das wär schön" wie ein Fremdkörper im Amore-Set, auf dem Album hingegen fügt es sich hervorragend ein und man würde Herr Wanda gönnen, dass seine Angebetete demnächst mal nicht alleine aufstehen möchte.

Melodisch erinnert "Sterne" an fiesen Schlager, der Text grenzt das Lied dann aber Gott sei Dank deutlich vom ungeliebten Genre an. Wie gehts Euch denn da? Fragt Ihr Euch auch manchmal, was einen Künstler dazu bewegt hat, die eine oder andere Zeile zu schreiben? Besoffene Soldaten wurden bislang wohl eher selten thematisiert, auch wenn das sicher nicht gerade selten vorkommt - aber was soll ich als Ex-Zivi dazu schon groß sagen?

Es folgt das nächste Highlight: "Andi und die spanischen Frauen" erzählt eine großartige Story, die Thomas vom ersten Album vergessen lässt. Moral der Geschichte: mach was aus Deinem Leben und wennst spanische Frauen willst, dann krieg Deinen Arsch hoch und flieg hin.

Überragende Textpassage ist aber folgende - man sollte ernsthaft darüber nachdenken, das auf einem Shirt zu verewigen:

Ich wär eigentlich gerne weniger Säufer als ich bin
sagt der Andi, während wir anderen eigentlich gerne Säufer sind.

Darauf ein herzliches Prost!

Mit "Kein Herz im Hirn" nehmen 40 Minuten großes Entertainment leider viel zu Früh ein Ende - und wie! Eine Hymne an die Wurschtigkeit, das Loslassen und das Saufen, verpackt in einer abwechslungsreichen Melodie, die einen mitswingen lässt, ob man nun will oder nicht.

Wie einführend bereits angedeutet, kann ich Euch den Erwerb von "Bussi" nur ans Herz legen. Wanda sind Wanda sind Wanda, egal ob sie sich wiederholen, neu erfinden oder fast schon selbst parodieren. Diese Lässigkeit springt über, steckt an und euphorisiert. Lasst Euch das nicht entgehen und holt Euch auch live Eure Bussis und eine ordentliche Portion Amore:




01/10/15 Wien Arena AUSVERKAUFT
02/10/15 Wien Arena AUSVERKAUFT
03/10/15 Salzburg ARGEkultur AUSVERKAUFT

11/10/15 München WIR Festival auf dem Königsplatz FREIER EINTRITT!!!
16/10/15 St.Pölten Warehouse
17/10/15 Bozen Kaltern Pop Festival
28/10/15 Graz Orpheum AUSVERKAUFT
29/10/15 Linz Posthof AUSVERKAUFT
30/10/15 Innsbruck Music Hall

20/11/15 Klagenfurt Messehalle
24/11/15 Luxembourg Atelier
25/11/15 Dortmund FZW ACHTUNG! NUR MEHR RESTKARTEN!
27/11/15 Heidelberg Halle 02
28/11/15 Wiesbaden Schlachthof
29/11/15 Erlangen E-Werk AUSVERKAUFT
01/12/15 Hannover Capitol
02/12/15 Bremen Modernes
05/12/15 Leipzig Täubchental ACHTUNG! NUR MEHR RESTKARTEN!
06/12/15 Stuttgart LKA Langhorn
07/12/15 Düsseldorf Zakk AUSVERKAUFT
09/12/15 München Muffathalle AUSVERKAUFT
10/12/15 Zürich Dynamo AUSVERKAUFT

----2016----

16/02/16 Freiburg Jazzhaus
17/02/16 Zürich Volkshaus
20/02/16 Ulm Roxy
22/02/16 Nürnberg Löwensaal
24/02/16 Erfurt Stadtgarten
25/02/16 Krefeld KuFa
26/02/16 Köln E-Werk
29/02/16 Hamburg Große Freiheit 36
01/03/16 Berlin Astra
03/03/16 Münster Jovel
04/03/16 Würzburg Posthalle
11/03/16 Gmunden Sporthalle
22/04/16 Wien Wiener Stadthalle
21/07/16 München Tollwood Festival


















 







































































































































































Donnerstag, 1. Oktober 2015

Clara Luzia - "Here's To Nemesis"

Quelle: Promo
(ms) Eine kleine Zeitreise. In die internetlose Zeit. Da, wo man als geneigter Musikhörer fast keine Informationen zu irgendwelchen Künstlern bekommen hat, außer dem, was man in einem Fachmagazin erhaschen konnte oder den Booklets - wenn vorhanden - entnehmen konnte. Heute bekommt man mit zwei, drei Klicks alles, aber wirklich alles raus über irgendwelche Musiker, Bekanntheitsgrad völlig egal. Umkehrschluss: Nerdwissen , Biographie und Projekte überstrahlen die eigentliche Musik, weshalb man ja ursprünglich mal den Künstler gut fand.
Ja, wahrscheinlich geht uns wegen der immensen Informationsflut über Musiker und Künstler der Bezug zu ihrem Werk verloren. Die schlimmste Konsequenz daraus sind Deppen bei Konzerten, die an der Theke stehen und ununterbrochen reden, andere, die pausenlos auf ihr Smartphone starren, alles mitfilmen oder permanent Fotos machen.
Es geht hier um Musik. Es geht um Töne, Klänge, Texte, Rhythmen, Stimmen, Stimmungen, Träumerei, Tanzen, sich verlieren. Es geht um ein Werk, wo viele Menschen viel Energie, Kraft, Zeit, Geld und Ideen reingesteckt haben.
Daher versuchen wir das mal anzuwenden auf das neue, herausragende Album der Österreicherin Clara Luzia. Tu mir weh!


Es beginnt mir einem wirklich starken Song: Cosmic Bruise. Beat, Gitarre, Schlagzeug und ein Refrain, der so schnell nicht aus dem Ohr geht. Vielleicht ist dieser erste Track schon der beste vom ganzen Album. Mit "The Drugs To Work" geht es etwas leiser und entspannter weiter, die Gitarre bestimmt den Rhythmus, Klaschgeräusche erahnen, dass das Lied fürs Publikum gemacht ist. "Bite The Hand That Feeds" klingt es bei "Frowned Upon" am Anfang aus den Boxen. Statt Rebellion sollte man lieber auf den Gedanken kommen, dazu zu tanzen! Denn dieser Indie-Pop-Rock macht richtig Laune. Claras klare, aber auch oft laute und bestimmende Stimme ziehen den Hörer in einen sehr groovigen Sog, wenn man das so sagen kann, ohne doof zu klingen. Das ist genau die Marschroute für "Fat Yellow Moon": "I Don't Give A Fuck!" Dabei ist eines der beiden Lieder, das Clara nicht selbst geschrieben hat (Kein Nerdwissen, steht im Booklet!). Den nächsten Knaller liefert "As Long As We Get By": Strophen zum lockeren Kopfnicken, Refrain zum Toben! Ein richtiges Rock-Brett darf auf "Here's To Nemesis" nicht fehlen: "West Coast". Es ist das zweite Lied aus fremder Feder, von Lana Del Rey, dieses Mal. Verdammt gut umgesetzt. Auch "This House" brüllt nochmal die volle Energie raus, die Clara und ihre Band in ihre Instrumente und Stimmen stecken können.

Liebe Leser und künftige Hörer dieses Albums. Es lohnt sich richtig. Nicht nur die Anschaffung des sechsten Werkes von Clara Luzia. Sondern auch das reine Genießen dieser zehn Songs, die unter 40 Minuten um die Ohren fliegen. Ein sehr ausgewogenes, mal raues, rockiges, rundes Album. Kauftipp. Und anschauen könnt ihr sie euch an folgenden Tagen in diesen Läden:

28.10. - Wien - WUK
29.10. - Graz - PPC
12.11. - St. Pölten - Cinema Paradiso
13.11. - Mödling - Red Box
14.11. - Linz - Posthof
10.12. - Salzburg - ARGE
11.12. - Dornbirn - Spielboden
12.12. - Innsbruck - Weekender
15.12. - Dresden - Ostpol
16.12. - Stuttgart - Café Galao
17.12. - München - Milla
25.01 - Leipzig - naTo
26.01. - Berlin - Privatclub
27.01. - Hamburg - Kleiner Donner
28.01. - Frankfurt - Das Bett
29.01. - Thun - Mokka
30.01. - Karlruhe - Kohi

"Here's To Nemesis" erscheint am 9. Oktober 2015.