Mittwoch, 4. Juni 2014

Damon Albarn - Sind wir alle etwa "Everyday Robots"?

(ms) Drohnen, die von zu Hause aus gesteuert, die Geliebte des Nachbarn ausspannen? Drohnen, die zum Einen gewaltige Luftaufnahmen machen oder doch zum gnadenlosen Killer in der arabischen Einöde werden können? Kleine Maschinen, die ganz von alleine unseren Rasen mähen oder im Haus den Flur wischen? Eine Art Uhr am Armgelenk, die verbunden mit unserem neusten Smartphone alles, aber auch wirklich alles Pulsierende in unserem Leben an Google, Facebook, Apple und Co. weitersenden? Roboter, halb Mensch, halb Maschine, wie sie in der großartigen schwedischen Serie "Real Humans" dargestellt werden, mit denen wir sogar schlafen können?
Alles nur eine Illusion?

Quelle: rollingstone.com
Michtnichten! Blanke Realität, die zurecht Angst machen darf. Vor völliger Kontrolle und vor allem vor Abhängigkeit vom neusten technischen Hype. Was wird mit uns passieren, wenn wir uns dem widerstandslos ergeben? Wir müssen den neusten Kram auf dem Hightech-Markt ja nicht kaufen. Tun es aber trotzdem.
Damon Albarn, dieses verdammte Genie, hat es mal wieder erkannt. "Everyday Robots" - alltägliche Roboter. Das sind sie alle, das sind wir wohlmöglich bald alle mal. So der Titel seines ersten Soloalbums.
Genie. Oder Wahnsinn? Oder Langeweile? Oder ein leerer Geldbeutel?
Was treibt jemanden wie Damon Albarn an, ein Soloalbum zu machen? Endlich ein Album, auf dem sein Name drauf steht (wie Thees Uhlmann es wollte)? Streit mit dem Rest der Band oder nahen Verwandten (Oasis)? Einfach mal was anderes ausprobieren (Jonathan Davies)?
Ehrlich, all das ist kaum vorzustellen bei ihm.
Ein Mann, der Blur gegründet hat. Jemand, der mit den Gorillaz futuristische Musik in Form von Comicfiguren erschaffen konnte? The Good, The Bad And The Queen - eine Allstarband - auch mal aus dem Boden gestampft und Erfolge erzielt? Albarn hat zwei Opern geschrieben, die sehr gut liefen. Wohl möglich ist Albarn einer der kreativsten, vielseitigsten und klügsten Musikköpfe, die derzeit im Business herumgeistern.

Hm, vielleicht ist der Ansatz mit "mal was Neues ausprobieren" gar nicht so dumm und abwegig. Denn wenn man "Everyday Robots" ein oder mehrere Male durchhört, ist kaum eine Ähnlichkeit mit Blur, Gorillaz oder The Good, The Bad And The Queen zu erkennen. Es ist ein sehr ruhiges Album. Fast schon minimalistisch. Keine harten Grungeriffs, keine Gast-Rapper á la De La Soul oder Snoop Dogg. Keine Gitarren-Indie-Mukke. Was denn dann, bitte? Ein Mix aus Pop, ein bisschen Swing, Blues, Folk, Gospel, Salsa. Ach, irgendwie alles von dem und wieder mal gar nichts.
"Everyday Robots", erster Song auf dem gleichnamigen Silberling (oder natürlich Vinyl) besticht durch seine gewisse Einfachheit und dem leicht orientalischen Touch. Natürlich auch mit den Audioschnipseln, die Abwechslung bieten. Ganz anders hingegen "Mr Tembo": hier gibt es in leisen Tönen gute Laune, Sommer, Sonne, Strand und nen kühles Getränk. Keine maschinenmäßige Abfertigung. Dann kommt mit "You and Me" ein siebenminütiges Ding entgegen, das vor Melancholie und einem gewissen Herzschmerz nur so trieft. Aber keineswegs kitschig, eher gut. Auf "Hollow Ponds" verirren sich starke Bläserwände und Backgroundchöre. Abschließend rauscht "Heavy Seas of Love" noch durch die Boxen. Gospel, Vergebung, Gottesdienst, Liebe! Zum Ende hin nochmals echte Gefühle, ganz menschlich, nichts artifizielles? Irgendwie schon.

Quelle: theguardian.com

Damon Albarn, "Everyday Robots". Ein ruhiges, leises Album mit elektronischen Arrangements, aber so ungeheuer vielseitig, wenn man sich die Zeit und Ruhe nimmt, genau hinzuhören. Wenn überhaupt, dann sind einzelne Passagen an Gorillaz angelehnt. In Deutschland und Großbritannien schon ein Charterfolg, groovt es nicht so sehr wie seine anderen Projekte, aber das muss es auch gar nicht. In so einer rauschend schnellen Zeit wie dieser, in der man jeglicher Entwicklung gar nicht mehr hinterherkommt, sind diese diese 12 (naja, eher 10, weil zwei einminütige Instrumentals) Songs eine Ruhepause, die nicht runterzieht, sondern auch mal die Situation analysiert.
Damon Albarn. Genie. Auf jeden Fall.
Was könnte er anderes sein?!